Das protestantische Profil der Familie von der Heydt
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Das protestantische Profil der Familie von der Heydt
im Original mit Jaeger; ich habe nur die Copie. Sende mir denselben doch umgehend, ebenso den Brief von Jaeger worin er sagt, daß man schmieren müßte. – Sein Verfahren bestätigt sich immer mehr als Lug und Trug und vielleicht bin ich genötigt, ihn auf eine Weise zum Schweigen zu bringen, daß er das Maul nie mehr auftut.“ 76 Geht hervor aus Krupp an Sölling am 22. November 1845, HA Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346. 77 „Um den ersten Auftrag zu bekommen, müssen wir schon ein Geringes opfern, denn es geht zuerst darum, daß wir mal das Produkt zur Annah- me bringen. Wir können unverhohlen sagen, dies seien die ersten Cuirasse, die wir vollendet lieferten, die wirklichen Selbstkosten würden sich erst nach Vollendung der ersten Parthie ergeben (...)“ Alfred Krupp (aus Paris) an Sölling am 16. Mai 1846, HA Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346. Eine Verbindliche Bestellung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen. 78 Krupp an Sölling am 2. Dezember 1847, HA Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346. Auszugsweise auch abgedruckt in: Berdrow, Alfred Krupps Briefe, S. 101f. 79 Der Schriftwechsel ist leider nicht erhalten, die Birgit Siekmann Das protestantische Profil der Familie von der Heydt* Die Familie von der Heydt hinterließ in der Stadt Wuppertal ihre Spuren als bedeutende Bankiers, als Armenpfleger, Schriftsteller und Kunstsammler.1 Ihr Name begegnet dem heutigen Besucher von Wuppertal auf Denkmälern und Straßenschildern. Wie bei vielen Honoratiorenfamilien des Wuppertals trifft man auch in der regionalen evangelischen Kirchengeschichte auf den Namen von der Heydt. Elberfeld und die anderen Städte des Wuppertals bildeten eine Hochburg des Protestantismus. Schon bald nach der Reformation entstanden lutherische und reformierte Gemeinden.2 Sie organisierten sich in Synoden auf der Grundlage einer presbyterial-synodalen Kirchenordnung, nach der sie ihre Belange selbständig, d.h. vom jeweiligen Landesherrn unabhängig, leiteten. Die von der Heydts gehörten traditionell der reformierten bzw. nach deren Gründung auch der niederländisch-reformierten Gemeinde an. Sie praktizierten ihren Glauben darüber hinaus in religiösen Vereinen und Gesellschaften, die im Wuppertal besonders zahlreich existierten.3 Ebenso setzten sie sich für Gemeindeeinrichtungen, wie Armenpflege oder Schulwesen, ein. Und selbstverständlich waren sie in der politischen Leitung der Stadt Elberfeld vertreten. In der Kirchen- und Stadt- verwaltung übten die von der Heydts ebenso wie andere Unternehmer und Kaufleute erheblichen Einfluss aus.4 Daniel Heinrich und Wilhelmina von der Heydt Den Grundstein für den gesellschaftlichen Aufstieg in die Schicht der Elberfelder Honoratioren legte Daniel Heinrich von der Heydt. Er war Kaufmann. Am 15.5.1794 heiratete er Wilhelmina Kersten, die Tochter des Bankiers Abraham Kersten. Diese Verbindung kam sowohl dem aufstrebenden Daniel Heinrich, dessen Vater Johannes eine überaus erfolgreiche Waffelbäckerei in Elberfeld betrieb, als auch der Familie Kersten entgegen. Daniel Heinrich hatte wohl auch andere gute Aussichten, aber „er wollte lieber in ein Bankhaus einheiraten“.5 Abraham Kersten war zum Zeitpunkt der Verheiratung seiner Tochter bereits ein schwer kranker Mann, sein Sohn war gestorben, und seine Frau und seine Tochter, die, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, eine kaufmännische Ausbildung genossen hatte, führten das Geschäft.6 Aber dieser Zustand konnte keine Dauerlösung sein. 25 Daniel Heinrich von der Heydt (*1767, †1832) Die Familie Kersten war ausgesprochen religiös. Abraham Kersten war Gründer der Ersten Lesegesellschaft, deren „belehrendes Mitglied“ der Pietist Jung-Stilling war.7 Auch Wilhelmina selbst war im Geist der pietistischen Frömmigkeit erzogen worden. Aus ihren Briefen tritt sie als eine profunde Kennerin der Bibel mit durchaus theologischen Qualitäten hervor.8 Bernhard von der Heydt, der jüngste Sohn des Staatsministers August von der Heydt und Enkel von Daniel Heinrich, beschreibt in seinen Erinnerungen den Großvater als einen Mann, der außer für sein Geschäft noch intensiv für Kirche und Stadt arbeitete.9 Daniel Heinrich von der Heydt wurde 1805 zum Bürgermeister von Elberfeld gewählt, 1814 fungierte er als Handelsrichter und 1824 als Präsident des Handelsgerichts. In der reformierten Gemeinde war er als Presbyter und Kirchmeister tätig. Seine Biographie dokumentiert eine religiöse Haltung, die über Kirchenbesuch, Übernahme von Ämtern in der Gemeinde oder etwa einer Spende weit hinaus geht. Als Presbyter der reformierten Gemeinde überwachte er die Reinheit der Lehre nach reformierter Auffassung und war befugt, auch selbst Pre- 26 digten zu halten.10 Und auch die Armenpflege oblag dem Presbyterium als eine besonders wichtige Aufgabe, als „Religionspflicht“.11 Außer als Presbyter wirkte Daniel Heinrich von der Heydt auch als Mitbegründer der Bergischen Bibelgesellschaft im Sinne der Verkündigung der Bibel.12 Neben Daniel Heinrich und seinem Bruder Wilhelm von der Heydt standen Namen anderer Elberfelder und Barmer Unternehmer. Dies ist ein deutliches Indiz für das kirchliche Bewusstsein dieser Fabrikanten und Kaufleute.13 Daniel Heinrich wurde von der Auffassung der Welt als von Gott gestellter Aufgabe und von der Bewährung in dieser Welt als Berufung durch die Gnade Gottes beherrscht. In seinem Glauben war ihm der berufliche Erfolg eine religiöse Bestätigung, aus dem die Gewissheit erwuchs, gottgefällig zu leben. Religion war für ihn das alles beherrschende Deutungsmuster seiner Lebenswirklichkeit.14 Die Frage ist, ob und wieweit die religiöse Gedankenwelt, die das Leben von Daniel Heinrich und Wilhelmina dominierte, auch seine Nachkommen beherrschte. Ich fasse dazu den Begriff der Religion in einem weiteren Sinne, einmal als Orientierungsmacht der Kirchen, zum anderen als Ausformung gesellschaftlicher und politischer Strukturen.15 Dieser Ansatz konzentriert sich auf Belange, die in zumindest lockerer Verbindung zu Gemeinde und Kirche stehen. Bedauerlicherweise muss sich die Untersuchung auf die männlichen Mitglieder der Familie von der Heydt beschränken. Die gesellschaftlichen Aktivitäten der Frauen stehen völlig im Schatten ihrer Männer und sind kaum historisch nachvollziehbar. Es lassen sich nur sehr vereinzelte Hinweise auf sie finden und diese stehen meist im Zusammenhang mit ihren Ehemännern.16 Aus der Generation der Söhne: August, Daniel und Carl August von der Heydt, der spätere Minister, wurde am 15.1.1801 geboren. Als Elfjähriger besuchte er – zusammen mit seiner Schwester Johanna – bis 1814 die Herrnhuter- Erziehungsanstalt in Neuwied.17 Im Anschluss daran erhielt er privaten Sprachunterricht und begann bereits 1815 seine Ausbildung im väterlichen Unternehmen. Der vierjährigen Lehrzeit folgte der Militärdienst in Münster und im Anschluss daran rundete August seine Ausbildung durch Auslandsaufenthalte in Havre de Grace/ USA und London ab. 1823 kehrte er nach Elberfeld zurück und trat als Teilhaber in das elterliche Bankunternehmen ein. Im darauf folgenden Jahr heiratete er Julie Blank und bezog kurz darauf – nach dem Tod seines Vaters – das Elternhaus am Kerstenplatz. Seine Eltern scheinen die Verbindung nicht gebilligt zu haben. Das Geschäft der Blanks ging schlecht und außerdem standen die Blanks im Ruf „unkirchlicher Gesinnung“.18 August von der Heydt nahm schon als junger Mann öffentliche Ämter wahr. Die Krönung seiner Laufbahn bildete die Berufung zum Handels- und Finanzminister am 4.12.1848. Mit einer Unterbrechung blieb er als Minister bis zum 28.10.1869 im Amt.19 Er starb am 13.6.1874 in Berlin. In der Literatur wird August von der Heydt vor allem als liberaler Politiker gewürdigt. Diese Einschätzung geht auf Bewertungen von Zeitgenossen August von der Heydts zurück. Tatsächlich unterstützte er viele liberale Forderungen: zum Beispiel Presse- und Versammlungsfreiheit, Gleichstellung der Juden sowie rechts- und verfassungsstaatliche Prinzipien. Dabei blieb er stets ausgeprägt königstreu. Eine Minderung königlicher Autorität konnte er nicht akzeptieren.20 Im Unterschied zu seinen politischen Aktivitäten werden seine kirchlichen Ämter nur kurz erwähnt.21 Einzig Bergengrün streicht seine christlichen Eigenschaften heraus. Die „tiefe und echte Frömmigkeit der Mutter“ habe eine „bleibende Wirkung“ auf ihn gehabt. Er sei „Zeit seines Lebens ein überzeugter, gläubiger Christ gewesen“. Allerdings sei er auch nüchterner gewesen als beispielsweise sein Bruder Daniel.22 Bezeichnend dafür ist seine Haltung als Armenprovisor und später als Scholarch der reformierten Gemeinde. Tatsächlich begann August von der Heydt seine öffentliche Laufbahn 1819 als Armen- August von der Heydt (*1801, †1874) provisor der reformierten Gemeinde unter der „sorgsamen Leitung“ seiner Mutter.23 Die Armenfürsorge hatte in der reformierten Gemeinde eine lange Tradition. Bereits 1677 erbaute die Gemeinde ein eigenes Armenhaus.24 Die kirchliche Armenpflege geriet allerdings zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr in Bedrängnis. Die beginnende Industrialisierung ging mit einem Anwachsen der Bevölkerung einher, deren Versorgung im Notfall die Mittel der Gemeinden überschritt. Abhilfe versprach die „Allgemeine Armenanstalt“, die 1788 nach Hamburger Vorbild von dem Elberfelder Bürgermeister Jakob Aders begründet wurde. Diese bürgerliche Armenpflege wurde als öffentliche Aufgabe aufgefasst. Sie müsse „gemeinnützig“ sein, in seinen Einrichtungen dürfe „nicht Kalvin, nicht Luther, nicht Rom die Herrschaft allein haben“.25 Nicht christlicher Liebesdienst, sondern „Gemeingeist“ und „reger Bürgersinn“ bildeten die ideelle Grundlage dieser Fürsorge.26 Selbstverständlich bestimmte aber auch die „Allgemeine Armenanstalt“ sogenannte Armenpfleger, die die Bedürftigkeit und damit den Anspruch der Armen über- 27 prüften. Schließlich wollte man keine „Gewohnheitsarmen“ fördern, sondern die Erziehung der Armen zu „guten Menschen und nützlichen Bürgern“ unterstützen.27 Der bürgerlichen Konkurrenz zum Trotz verteidigten sowohl die reformierten Gemeinde Elberfeld wie die Gemeinden Barmens ihren biblisch begründeten Anspruch auf Armenpflege gegen die bürgerliche „Allgemeine Armenanstalt“.28 Zu einer Vereinigung der bürgerlichen und der kirchlichen Armenfürsorge kam es – gegen den zähen, aber erfolglosen Widerstand der Kirchengemeinden – am 1.3.1818 mit der Errichtung der „Zentral-Armen-Kommission“, die bis 1841 bestand. In ihr flossen die bürgerlichen und kirchlichen Mittel als „Armenfonds“ zusammen. Reichten diese nicht aus, so deckte die Gemeindekasse das Defizit, wenn nötig durch eine „Armensteuer“.29 Neu ist, dass die Mitglieder der Armenverwaltung von der königlichen Regierung bestätigt werden mussten. Damit wurde zumindest teilweise die Kompetenz der Elberfelder Armenpflege nicht nur von den Elberfelder Kirchengemeinden, sondern ebenso von der Stadt Elberfeld abgezogen. Von daher wäre es zu überdenken, ob der Widerstand der Kirchengemeinden gegen die „Zentral-ArmenKommission“ nur in einem anti-aufklärerischen Impetus begründet war.30 Vielleicht richtete sich die Renitenz der Presbyter, die bekanntlich in großer Zahl gleichzeitig Gemeinderatsmitglieder waren, auch gegen die Einverleibung durch Preußen, zu dem Elberfeld erst seit 1815 gehörte. August von der Heydt stellte sich der „Zentral-Armen-Kommission“ zur Verfügung, wobei es keine Quellen über seine Einstellung zu dieser im übrigen durch die den „Pflegern“ obliegenden Hausbesuche sehr zeitintensive Tätigkeit gibt. Jedenfalls kann er sein Amt nur sehr kurz ausgeübt haben, denn im Herbst 1819 leistete er bereits in Münster seinen Militärdienst. Die „praktische Bewährung christlicher Liebestätigkeit“, die Bergengrün in seiner Fürsorge sehen will, scheint schon allein von daher fraglich.31 Am 1.1.1827 übertrug die reformierte Gemeinde August von der Heydt das Amt des 28 Scholarchen. Damit oblag ihm die Aufsicht über das reformierte Schulwesen. Offenkundig traute die reformierte Gemeinde dem jungen Bankier viel zu, denn zu diesem Zeitpunkt erhitzten sich gerade die Gemüter der Elberfelder im sogenannten Schulkampf, in dem die seit 1592 bestehende Latein- bzw. Rektoratsschule der Gemeinde in ihrer Existenz in Frage gestellt wurde.32 Die Lateinschule sollte auf das Universitätsstudium vor allem der Theologie vorbereiten; auf ihrem Lehrplan standen hauptsächlich Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch und Deutsch sowie Allgemeine Weltgeschichte, Geographie und Mathematik.33 Außerdem sollten die Schüler zu „wahrer Gottesfurcht“, „guten Sitten“ und „Ehrerbietigkeit“ erzogen werden.34 August von der Heydt verteidigte dieses Schulkonzept gegen Pläne der Bezirksregierung, alle Elberfelder Schulen in einem Schulsystem mit einer höheren Schule umzugestalten. In den Diskussionen nahm August von der Heydt keine Führungsrolle ein, zum Beispiel wurde eine von ihm maßgeblich mitgestaltete Denkschrift nicht von ihm, sondern von Pfarrer Hülsmann vorgestellt.35 Was August von der Heydt wohl besonders auszeichnete ist seine Bereitschaft, dem Argument des Oberbürgermeisters Brüning, das Gymnasium sei zu teuer für die Stadt, tatkräftig entgegen zu wirken. Er übernahm mit anderen, unter ihnen sein Bruder Daniel, eine Bürgschaft für den Etat der Jahre 1833–1836.36 Damit sicherte er das Bestehen der Schule. Gegenüber dem „nüchterneren“ August von der Heydt werden seine beiden Brüder Daniel und Carl als leidenschaftliche Kämpfer für die Kirche beschrieben.37 Daniel von der Heydt wurde am 31.10.1802 in Elberfeld geboren.38 Er besuchte, wie bereits gesagt, die lateinische Schule. Außerdem genoss er die besondere Fürsorge des Erweckungspredigers Gottfried Daniel Krummacher, der 1816 nach Elberfeld kam und ihm Konfirmationsunterricht erteilte.39 An Daniels Schulzeit schlossen sich Aufenthalte in Livorno und Mailand an, wo er als Kaufmann für das Rohseidengeschäft – einem neben der Bank geführten Geschäft – ausgebildet wurde. 1827 wurde er in die elterliche Firma aufgenommen.40 Daniel von der Heydt gilt als ein Daniel von der Heydt (*1802, †1874) Carl von der Heydt (*1806, †1881) Mitbegründer des „Elberfelder Systems“ und vor allem als Mitbegründer der niederländischreformierten Gemeinde.41 Er starb 7.7.1874 auf Schloss Morsbroich bei Leverkusen. Carl von der Heydt stand Zeit seines Lebens im Schatten seiner beiden älteren Brüder.42 Geboren wurde er 26.11.1806, er starb am 31.12.1881 in Bad Godesberg. Erwähnung findet er wenn, dann als Übersetzer des Neuen Testaments und als Teilhaber der Bank, in die er 1829 aufgenommen wurde.43 Eine Ausleuchtung seiner Rolle bei der Gründung der niederländisch-reformierten Gemeinde, die der seines Bruders durchaus ebenbürtig war, bleibt hingegen Spezialuntersuchungen vorbehalten.44 Um Daniel und Carl gerecht zu werden, bietet es sich an, die Gründung der niederländisch-reformierten Gemeinde im Jahr 1847 zu untersuchen. Die Gründung der Gemeinde setzte einen Schlusspunkt hinter die Bemühungen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und seines Nachfolgers, Friedrich Wilhelm IV., die reformierten und lutherischen Gemeinden sei- nes Herrschaftsbereiches in einer „Union“ zusammenzufassen.45 Die geplante Union bedeutete für die Gemeinden des seit 1815 zu Preußen gehörenden Herzogtum Berg einen tiefen Einschnitt in die seit 1672 geltende Kirchenordnung.46 Am 30.4.1815 wurden in Preußen Konsistorien errichtet, in denen sich der Anspruch des Staates sowohl auf die Kirchenhoheit als auch auf das Kirchenregiment manifestierte. Während die Kirchenhoheit (ius circa sacra) die staatlichen Befugnisse über die Kirchen erfasste, beinhaltete das Kirchenregiment (ius in sacra) bischöfliche Jurisdiktionsgewalt.47 Die Gemeinden der Provinzialsynode Jülich-Kleve-Berg standen einer Union nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sie bestritten aber mit aller Vehemenz den Herrschaftsanspruch des Königs über die Kirche.48 So machte die Union kaum Fortschritte. 1822 kam zu dem Konflikt um die Kirchenordnung noch der Agendenstreit hinzu. Am 5.3.1835 nahm Friedrich Wilhelm III. einen neuen Anlauf. Er befahl die Einführung der „Kirchenordnung für die evangelischen 29 Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz“ und in gleichem Atemzug eine neue Agende.49 Nach langjährigem Ringen um die Kirchenordnung und die Agende empfand das reformierte Presbyterium dieses Vorgehen, das keine Rücksicht auf ihre bisher vorgebrachten Einwände nahm, als Affront. In einer Versammlung der Gemeindevertretung ergriff zuerst Carl von der Heydt das Wort. Nach ihm sprach sein Bruder. Daniel von der Heydt brandmarkte Kirchenordnung und Agende als Gewaltakt: Mitten unter friedlicher Ausübung eines Gottesdienstes [...] drängt sich der bedrängten reformierten Kirche dieser Lande gewaltsam ein Cultus auf, vor dessen Wesen und Folgen sie in banger Erwartung seit beinahe zwei Jahrzehnten erschrickt. Vergebens aber sind unsere Erklärungen und Protestationen gewesen, vergebens der Abscheu unserer Gemeinde, vergebens unsere Wünsche, das zu behalten, was wir haben, um es unsern Kindern unangetastet, unverkümmert so zu hinterlassen, wie wir es von unsern zum Teil in Gott ruhenden Vätern überkamen – unser Widerstand [war] vergebens.50 Und er fragt weiter: Oder war es nicht vielmehr das Herandrängen des Entsetzens, welches mit einem Male das kaum geglaubte, den ganzen Zusammenhang der verhängnisvollen Botschaft zu wissen begehrt: wie unser Gottesdienst entheiligt [...], wie unser Recht mit Füßen getreten, die protestantische Kirche ihres Salzes beraubt werden soll!51 Für Daniel von der Heydt ist das Eingreifen des Königs in innerkirchliche Belange der Kirche eindeutig ein Verstoß gegen die tradierten Rechte der reformierten Kirche. Mit dieser Deutung von Kirchenordnung und Agende begründet Daniel von der Heydt das Recht auf Widerstand: Wo Freiheit und Recht verletzt seien, dürfe es nicht an Mut fehlen, Kirchenordnung und Agende zu verwerfen.52 Entsprechende Einwände seien „gerecht“. Die Brüder von der Heydt konnten sich mit ihrer Linie der kompromisslosen Ablehnung nicht durchsetzen. Die Gemeinde versuchte vielmehr eine Strategie der Schadensbegrenzung, indem sie die sogenannte „Kleine Agen- 30 de“ annahm. Der zuständige Konsistorialrat Wilhelm Roß kam ihr dabei insofern entgegen, als er versicherte, dass die Annahme der Kleinen Agende als ausreichend akzeptiert würde. Doch die Brüder von der Heydt opponierten weiter gegen den so getroffenen Konsens. Als Mitglieder einer Kommission zur Beratung eventueller Änderungen der Kirchenordnung beklagten sie die schleichende Entrechtung ihrer Kirche und verwahrten sich gegen die Auffassung, die Annahme einer unierten Kirchenordnung bedeute den Anschluss an die Evangelische Landeskirche.53 Dieser erneute Widerspruch gegen die Union fand sowohl in der Gemeinde als auch auf der Kreissynode eine gewisse positive Resonanz. Aber sie wurde nicht entsprechend umgesetzt. Vielmehr vertagte das Presbyterium der reformierten Gemeinde eine von ihrer Vertreterversammlung beschlossene Immediateingabe an den König zweimal und ließ diese so ins Leere laufen. Die Spannung zwischen Presbyterium und Gemeindevertretung eskalierte dann in der Frage der Kirchenwahlen. Diesmal schaltete sich August von der Heydt als Wortführer in die Debatte ein. Er stellte auf der Repräsentantensitzung am 25.9.1835 den Antrag, die Neuwahlen zur Gemeindevertretung nicht abzuhalten, da aus ihnen eine Annahme der Kirchenordnung zu schließen wäre. Nach seiner Auffassung waren die Bedingungen für eine Annahme der Kirchenordnung, wie sie die Rheinische Provinzial-Synode am 29.8.1835 beschlossen hatte, nicht erfüllt worden. Solange die „bestimmte Erwähnung und die Eigentümlichkeit der reformierten Konfession“ nicht in die Kirchenordnung aufgenommen und gesetzlich bestätigt sei, dürfe nicht nach den Vorschriften der Kirchenordnung verfahren werden.54 Die Beschlüsse der Gemeindevertretung vom April und Mai 1835 hätten die Garantie des reformierten Bekenntnisses ausdrücklich zur Voraussetzung der Annahme der Kirchenordnung erklärt. Der Antrag von August von der Heydt war nicht mehrheitsfähig, aber die immerhin teilweise Zustimmung, die er fand, sprach für den Dissens innerhalb der reformierten Gemeinde. Das Presbyterium teilte die vorgebrachten Bedenken allerdings nicht mehr. Seine Mitglieder versuchten, die Durchführung der Kirchenwahlen durchzusetzen, indem sie die Repräsentantenversammlung nicht mehr einberiefen. So versuchten sie, die Opposition auszuschalten. Aber die von der Heydts gaben nicht nach. Daniel und Carl verteidigten in einem Schreiben an das Presbyterium vom 19.11.1835 die Rechte der Repräsentantenversammlung.55 Ihre Absetzung erklärten sie für „ungesetzlich“ und „usurpatorisch“. Und sie verwiesen noch einmal auf den Grundsatz der reformierten Kirche: die Trennung von Staat und Kirche. Wenn die Gemeinde die Kirchenordnung annehme – und das täte sie mit der Durchführung der angeordneten Kirchenwahlen – verließe sie ihren einzigen König, Christum, indem sie einen zweiten König anerkenne. Das Presbyterium schmetterte auch diese Eingabe ab. Wieder erhoben die von der Heydts und mit ihnen 16 weitere Gemeindemitglieder Einspruch.56 Und wieder prangerten sie das Vorgehen des Presbyteriums als Rechtsbruch an. Eine so gewählte Gemeinderepräsentation könnten sie nicht anerkennen. Über die verfassungsrechtlichen Einwände hinaus erklärten sie die Frage der Kirchenordnung zur Grundsatzfrage. Es ginge nicht um die „eigene Meinung“ der Unterzeichnenden, sondern um die Ehre des einigen Königs und Bischofs, Jesu Christi. Ihr Gehorsam gegen Gott verpflichte sie zum Protest. Obwohl die Kirchenwahlen durchgeführt wurden, kam es noch nicht zum offenen Bruch der reformierten Gemeinde. Aber die Situation blieb gespannt, denn die Opposition hielt ihre Einwände aufrecht. Die von der Heydts besuchten zwar weiterhin die Gottesdienste, aber sie lehnten es ab, Ämter in der reformierten Gemeinde zu übernehmen. Der Konflikt war keineswegs beseitigt, sondern unterschwellig allzeit gegenwärtig. So erklärte Daniel von der Heydt, die anstehende Konfirmation seiner Tochter Bertha bedeute nicht die Anerkennung des amtierenden Kirchenvorstandes und er verwahre sich dagegen, dass sein Kind in irgendeiner Weise auf die Kirchenordnung verpflichtet werde.57 Selbst fünf Jahre später haben sich die Positionen nicht verändert. Jetzt entzündeten sich an der Frage des kirchlichen Unterrichts neue Auseinandersetzungen. Als einige Familienväter ihren Kindern untersagten, die Sonntagsschule zu besuchen, zeigte sie das Presbyterium beim Oberbürgermeister an. Pikanterweise beauftragte dieser den Beigeordneten Hermann Wilhelm von der Heydt, einem Vetter der Brüder von der Heydt, mit dem „Fall“, der die verantwortlichen Väter, unter ihnen Carl von der Heydt, verwarnte.58 Dieses Herbeirufen der staatlichen Obrigkeit bestätigte die Dissidenten in der reformierten Gemeinde in ihrer Auffassung, dass sich die reformierte Gemeinde vom Staat abhängig gemacht habe. Die Anrufung des Stadtoberhauptes in einer Gemeindefrage leitete eine neue Phase des Konfliktes ein. Jetzt nämlich lehnte Daniel von der Heydt es ab, seine Tochter Emilie taufen zu lassen, da er das Presbyterium nicht als seinen rechtmäßigen Kirchenvorstand anerkenne, sondern „nur als den de facto bestehenden Ausfluss unrechtmässiger Gewalt“.59 Anders als in den Jahren zuvor aber bezog er die Unrechtmäßigkeit jetzt auch auf die Geistlichen der Gemeinde, die „indem sie den Menschen gefällig das Königliche Gesetz der Kirchenordnung annahmen und ihm gehorsamten, Diener des Staates“ wurden. Daniel von der Heydt ließ diesen Worten Taten folgen. Er nahm Kontakt zu dem ihm seit langem bekannten Prediger Friedrich Wilhelm Kohlbrügge auf. Kohlbrügge hatte schon verschiedentlich Elberfeld besucht und mit seinen Predigten ebenso fasziniert wie zum Widerspruch gereizt. Auch galt er als Gegner der Kirchenunion. Im Sommer 1845 gab er dem Drängen Daniel von der Heydts nach und kam erneut nach Elberfeld. Pfingsten 1846 berief ihn die „von der HeydtFraktion“ der reformierten Gemeinde zu ihrem Prediger.60 Der an ihn ergangene Ruf war wohl Teil eines von den Brüdern von der Heydt geplanten Junktims. Denn am 13.8.1846 schlugen diese dem Presbyterium vor, Kohlbrügge zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zuzulassen. Im Gegenzug würde ihre „Fraktion“ wieder aktiv am Gemeindeleben teilnehmen.61 Kohlbrügge nahm den Ruf nach Elberfeld an. Am 2.11.1846 ersuchte er unter der Bedin- 31 gung, dass er nichts, was dem reformierten Bekenntnis zuwiderliefe, anerkennen müsse, um die Aufnahme in die reformierte Gemeinde.62 Das Presbyterium nahm diese Bedingung an und so wurde Kohlbrügge „Ausnahmemitglied“ der reformierten Gemeinde. Die Mitglieder des Presbyteriums verfolgten dabei allerdings nicht das Ziel, der „von der HeydtFraktion“ eine goldene Brücke zurück in die Gemeinde zu bauen, wie das von Daniel und Carl vermutlich gedacht war. Vielmehr versuchten sie, Kohlbrügge entgegen der getroffenen Absprache auf die Kirchenordnung und Agende zu verpflichten und auf diese Weise der Opposition die Plattform zu entziehen. Während das Presbyterium so versuchte, der königlichen Kirchenpolitik in der gesamten Gemeinde Geltung zu verschaffen, hatte sich der politische Wind gedreht. Als Nachfolger des 1840 verstorbenen Friedrich Wilhelm III. verkündete Friedrich Wilhelm IV. 1845, dass er von seinem Recht, in die Gestaltung der Kirchen einzugreifen, keinen Gebrauch machen wolle.63 Am 30.3.1847 setzte er seine Absicht in einem Religionspatent um, nach dem Gemeindegründungen außerhalb der Landeskirche möglich wurden.64 Die Brüder Daniel und Carl von der Heydt ergriffen diese Möglichkeit sofort. Sie waren, vermutlich durch den Schwiegersohn von Daniel von der Heydt, Gerhard Friedrich Strauß, offenkundig gut über die Vorgänge in Berlin informiert und von daher traf sie das „Patent“ nicht unvorbereitet. Jedenfalls rief Kohlbrügge bereits am 18.4.1847 in seiner Sonntagsversammlung zur Gründung einer Gemeinde auf.65 Noch am gleichen Tag folgten 254 Männer seinem Aufruf und unterschrieben die Gründungsurkunde. Schon zehn Tage später wählte die neue Gemeinde. Als Älteste wurden Daniel und Carl von der Heydt sowie Friedrich Thiel, als Diakone Wilhelm Rittershaus, August Wolff und Heinrich Abraham Schäfer gewählt. August von der Heydt trat der neuen Gemeinde nicht bei. Aber er unterstützte die Bemühungen seiner Brüder, der neuen Gemeinde zur staatlichen Anerkennung zu verhelfen, denn die Konstituierung der neuen Gemeinde zog eine Klärung des Verhältnisses zur 32 alten reformierten Gemeinde sowie der Kirche und zum Staat nach sich. Daniel von der Heydt reiste nach Berlin und kontaktierte den Kultusminister Johann Eichhorn. Auf dessen Anraten hin reichte die neue Gemeinde schon am 30.4.1847 eine Immediateingabe beim König ein, in der sie um die Anerkennung als selbständige Gemeinde baten.66 Im September 1847 erhielten Daniel von der Heydt und Kohlbrügge eine Audienz beim König, der ihnen wenn auch nicht die endgültige Anerkennung, so doch sein „Wohlwollen“ zusicherte.67 Kurz nach der Berufung des neuen Kultusministers Maximilian von Schwerin am 19.3.1848 reiste Daniel von der Heydt erneut nach Berlin und trug das Anliegen seiner Gemeinde vor. Zu einem für die neue Gemeinde befriedigenden Ergebnis kam aber auch dieser Vorstoß nicht. Allerdings geht auf Schwerin wohl der Name „niederländisch-reformierte Gemeinde“ zurück.68 Erst als August von der Heydt, der am 4.12.1848 zum Minister berufen worden war, seinen Einfluss geltend machte, kamen die langwierigen Verhandlungen zu einem Abschluss. Er überzeugte den seit 1848 amtierenden Kultusminister Ladenberg und den preußischen Innenminister von Manteuffel, sich für die Anerkennung der niederländisch-reformierten Gemeinde zu verwenden. Auf ihren Rat hin erteilte Friedrich Wilhelm IV. am 24.11.1849 die ersehnten Korporationsrechte. Die Gründung der niederländisch-reformierten Gemeinde zeigt, dass alle drei Brüder durchaus bereit waren, sich für „ihre“ Kirche einzusetzen. Ihr Engagement ging deutlich über das eines „normalen“ Kirchgängers hinaus. In dem Loyalitätskonflikt zwischen der althergebrachten Autonomie der reformierten Kirche und den Ansprüchen des Staates auf die Kirche entschieden sich Daniel und Carl für die Befolgung reformierter Glaubenssätze. Der Bruder August exponierte sich zwar deutlich weniger, aber auch dieser hatte sich mit seinen Anträgen gegen die Durchführung der Kirchenwahlen öffentlich im Sinne der von der Heydtschen Opposition geäußert. Auch im Kampf um die letztendliche Anerkennung durch den König versagte er den Brüdern nicht die Unterstützung. Besonders aber sind Daniel und Carl hervorgetreten. Immerhin stellten sie sich der Mehrheit ihrer Gemeinde entgegen, sie brachten große zeitliche und sicher auch finanzielle Opfer. Man darf auch nicht übersehen, dass der Widerstand gegen die Kirchenpolitik im Zeitalter der Restauration sehr schnell auch als politischer Widerstand gedeutet werden konnte. Nicht umsonst drohte der Berliner Propst und Vortragende Rat Roß den Mitgliedern der reformierten Gemeinde Elberfeld mit „großen Unannehmlichkeiten“, wenn sie die königlichen Befehle nicht befolgen würden.69 Dabei ging es den von der Heydts keineswegs um politische Veränderung. Sie standen grundsätzlich der konstitutionellen Monarchie nahe. Besonders liberales Denken war ihnen fremd. Bemerkenswerterweise verdächtigte Daniel von der Heydt Friedrich Wilhelm III. der Förderung des Liberalismus: Seine Unionsbefehle befreundeten ihn [den König] dem Liberalismus; ich sage nicht, dass er diese Freundschaft gesucht hätte.70 Als Folge der Union habe die Kirche ihren Einfluss auf „das Leben und den Wandel der Gesamtheit ihrer Glieder“ verloren, sie habe keinen Einfluss mehr auf deren politische Meinung, sie lehre nicht mehr den Gehorsam gegenüber König und Obrigkeit. Vor allem aber würde die Notwendigkeit des Gehorsams unter Gottes Wort nicht mehr akzeptiert.71 Daniel von der Heydt trennt Staat und Kirche durchaus nicht in zwei Reiche. Er denkt vielmehr noch sehr stark in der Kategorie einer gottgewollten Ordnung, der sich auch der König unterordnen muss. Somit erscheint er als reformierter Christ ohne jegliche Brüche. Unter dem Vorbehalt, dass eine Bezeichnung immer eine Verkürzung sein muss, würde ich Daniel den Dogmatiker der Brüder von der Heydt nennen. Auf seinen Bruder Carl passt eher die Bezeichnung Gelehrter. In dem Kampf um die Kirchenordnung trat er sehr viel leiser auf als sein Bruder Daniel. Einige Arbeit leistete er im Verborgenen, zum Beispiel half er Kohlbrügge bei der Abfassung der theologischen Schrift „Das alte Testament nach seinem wahren Sinn gewürdigt aus den Schriften der Evangelisten und Apostel“.72 Er hinterließ auch eigenständige theologische Werke.73 In einem Konflikt, der sich an seinem Sohn Karl Friedrich entzündete, erwies er sich zudem als toleranter. Ich komme darauf weiter unten zurück. August schließlich wäre eher ein Pragmatiker zu nennen. Schon im Elberfelder Schulkampf bewies er einiges Verhandlungsgeschick, als er die Forderungen der Regierung unterlief und so den Untergang der Lateinschule verhindern konnte. Auch in den Auseinandersetzungen um die Union trat er mit sicherem Gespür für den gegebenen Handlungspielraum auf. So jedenfalls kann man seinen auf rechtlichen, nicht theologischen Argumenten aufgebauten Versuch deuten, die Kirchenwahlen zu stoppen. Auch die Ausnutzung der ministeriellen Beziehungen spricht dafür. Dabei ist er wie seine Brüder von der Auffassung durchdrungen, dass ihn Kirche „etwas angeht“. Aus der Generation der Enkel: Karl Friedrich und Bernhard Für die Frage, ob und wieweit die religiöse Prägung von Daniel und Wilhelmina das Leben der Nachkommen beeinflusste, ist die Betrachtung der Enkel Karl Friedrich, kurz Fritz genannt, und Bernhard relevant.74 Fritz von der Heydt wurde am 24.2.1829 in Elberfeld geboren. Sein Vater war Carl von der Heydt. Fritz von der Heydt wirkte seit 1854 als Teilhaber der Bank. Seniorchef wurde er allerdings nicht, da er bereits am 10.3.1861 starb. Im Winter 1856 erregte die Bekanntgabe seiner Verlobung mit Maria Therese von Hurter öffentliches Aufsehen in der niederländisch-reformierten Gemeinde, in der er seit einem Jahr das Amt eines Diakon bekleidete. Es gibt verschiedene Versionen über den Hergang der Angelegenheit, die sich rasch zu einer ernsthaften Gemeindekrise ausweitete.75 Der Prediger der niederländisch-reformierten Gemeinde, Kohlbrügge, hatte auf die Verlobungsnachricht von Fritz von der Heydt ausgesprochen verärgert reagiert.76 Hinzu kam, dass Fritz am 15.11.1856 in der Gesellschaft „Casino“ ein Konzert besucht hatte, was nach den strengen reformierten Grundsätzen seiner Gemeinde als weltliches Vergnügen missbilligt wurde.77 33 Fritz von der Heydt geriet immer mehr in die Schusslinie. Nach einer Sonntagspredigt am 16.11.1856 entstand gar der Eindruck in der Gemeinde, dass Kohlbrügge wegen der aktuellen Auseinandersetzung von einer Reise nach Holland, die er wenige Tage später unternahm, nicht nach Elberfeld zurückkehren wolle. Ob Kohlbrügge das wirklich in Erwägung gezogen hatte, ist nicht bekannt. Nach seiner Rückkehr jedenfalls stellte er ein Ultimatum: Entweder unterstelle sich Fritz von der Heydt der Kirchenzucht, oder er, Kohlbrügge, trete von seinem Predigeramt zurück. In der Gemeinde herrschte helle Aufregung. Einige Älteste versuchten zwischen Vater und Sohn von der Heydt und Kohlbrügge zu vermitteln; Daniel von der Heydt und der Schwager Louis Frowein, damals Kirchmeister der niederländisch-reformierten Gemeinde, schalteten sich ein. Schließlich setzte sich Kohlbrügge durch: Er brachte die Mehrheit des Presbyteriums und die Gemeindeversammlung hinter sich und verlangte, dass Fritz von der Heydt Abbitte leisten sollte.78 In Absprache mit seinem Vater verweigerte er das und trat aus der Gemeinde aus. Mit ihm verließen auch sein Vater und dessen Familie, die Familie Louis Frowein, die Presbyter August Wolff und Johann Conrad Fabian sowie der Organist die Gemeinde. Daniel von der Heydt allerdings blieb Mitglied der niederländisch-reformierten Gemeinde; er brach nach dem Austritt seiner Verwandten den persönlichen Kontakt mit ihnen ab und verließ auch das gemeinsame Geschäft. Fritz erklärte sich die Eskalation damit, dass ihn Kohlbrügge wohl selbst als Ehekandidaten für seine Tochter in Betracht gezogen hatte. Diese Erklärung greift sicherlich zu kurz – es wäre eine völlige Überreaktion Kohlbrügges, wegen entsprechend enttäuschter Hoffnungen die gesamte Gemeinde in solchen Aufruhr zu bringen. Außerdem dürfte ihm eine Verbindung seiner Tochter mit dem „Weltkind“ Fritz nicht wünschenswert erschienen sein. Auch die Tatsache, dass Maria von Hurter nicht der niederländisch-reformierten, sondern der reformierten Gemeinde angehörte, kann kaum die Ursache für eine solche Kraft- 34 probe gewesen sein. Schließlich duldete man „Mischehen“ durchaus.79 Betrachtet man die Auslassungen Fritz von der Heydts über seinen Austritt aus der Gemeinde, werden die Hintergründe der Auseinandersetzung verständlich. Er marginalsierte die Kritik an seinem Konzertbesuch am 15.11.1856 als „künstliche Aufregung“ und schrieb: Vor mehreren Jahren hatte ich diese Frage [der Konzertbesuche] mit Pastor K.[ohlbrügge] besprochen. Die Bedenken, die er mir damals dagegen mit Nachdruck aussprach [...] konnte ich nicht als berechtigt und seine Gründe nicht als stichhaltig anerkennen. Er bedauerte schließlich meinen Entschluss, ohne aber von ferne durchblicken zu lassen, dass ein Concertbesuch je Anstoß zu einem Act der Kirchenzucht geben könne.80 Er habe weiterhin Konzerte besucht und nie sei deswegen Kritik geäußert worden. Aus heutiger Sicht macht Kohlbrügge eine schlechte Figur; er wirkt kleinlich, wenn er die bisher geduldeten Konzertbesuche mit einem Mal so scharf ins Visier nimmt. Seine Haltung wird verständlicher, wenn man bedenkt, dass Fritz die Regeln kannte, sich aber einfach über die Ermahnungen des Pastors hinwegsetzte. Er stellte somit die Autorität des Pfarrers in Frage. Fritz begründete dies sehr ausführlich. Seine Auslassungen zeigen, wie sehr er sich von den Grundsätzen der reformierten Gemeinde emanzipiert hat. So führt er aus, dass die „Mehrzahl“ der Gemeindeglieder „weltliche Belustigungen“ ablehnten, und er das Recht des Christen gewahrt wissen wollte, all diejenigen Dinge zu unterlassen, welche nach der jeweiligen „Lebenswürdigung“ und nach dem „Stand der Bedürfnisse“ für ihn nicht in Frage kommen. Er plädiert hier für Toleranz gegen den anders Lebenden und wendet sich damit gegen „das Volk“, das die „Fienen“ wegen ihrer asketischen Lebensführung verspottete.81 Jeder Christ solle sein „äußeres Leben“ so einrichten, wie es mit seinem inneren Denken und Sein übereinstimme, fordert er. Die freiwillig gewählte Askese sei nicht nur äußere „Selbstbeschränkung, sondern vielmehr Betätigung christlicher Freiheit“. Dieselbe Toleranz, die er den Strenggläubigen hier zugesteht, nimmt er ganz selbstverständlich auch für sich in Anspruch. Der Christ solle die „höheren Güter“, wie Kunst und Wissenschaften, nicht ablehnen, da sie ihm die Freude an den „ewigen Dingen“ nicht schmälere.82 So wie Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten, Gefallen an schöner Kleidung, Einrichtung oder Gärten, Reisen oder gutem Essen und Trinken als „unverfänglich“ gelten würden, so müsse auch der Konzertbesuch als Beschäftigung mit „höheren Dingen“ erlaubt sein.83 Andernfalls laufe die niederländisch-reformierte Gemeinde Gefahr, „ein schablonenmäßiges Christentum hervorzurufen“ und „die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu hindern.“84 Fritz von der Heydt fordert in seiner Stellungnahme zum Gemeindekonflikt das Recht auf Selbstbestimmung. Für ihn bedeutet christliche Freiheit immer zugleich die Freiheit des Individuums. Die Rechte des Individuums gehen dabei auch zu Lasten der Geschlossenheit der Gemeinde. Einen besonders massiven Angriff auf ihre Einheit enthalten seine folgenden Zeilen: Es schien mir bedenklich, dass jeder mit demselben Maß gemessen, dass von jedem dieselbe Lebensauffassung gefordert werden sollte, ohne Rücksicht auf Bildung u.[nd] Stand, ohne Rücksicht auf die Gefühle u.[nd] Bedürfnisse der Jugend in Gegensatz zu denen des Alters, ohne Rücksicht auf individuelle Eigenthümlichkeiten und Entwicklungen.85 Das heißt im Klartext, dass für den Gebildeten andere Lebensregeln gelten als für den Nicht-Gebildeten oder junge Menschen anders leben dürfen als alte; die „Rücksicht“ auf die „Eigentümlichkeiten“ unterwirft die gesellschaftlichen Normen der Freiheit des Individuums. Die Allgemeinverbindlichkeit der kirchlichen Normen ist damit aufgehoben. Von daher muss Fritz von der Heydt auch die Autorität Kohlbrügges in Frage stellen – und er tut dies in dem Gespräch mit den Presbytern am 2.12.1856, in dem er aufgefordert wird, sich der Kirchenzucht zu unterwerfen. Er versucht, seine Einwände gegen die ihm gemachten Auflagen „vernünftig“ zu besprechen, ohne zu begreifen, dass die Presbyter sich auf eine solche Diskussion nicht einlassen können. Vorwurfsvoll schreibt er: Eine Diskussion aber war mit diesen Männern nicht zu führen, sie hielten sich an den Satz: ein Prophet in seinem Amte könne nicht irren, K.[ohlbrügge] sei ein Prophet, folglich auch sein Thun das eines Propheten und dem göttlichen Willen und Worte gemäß, und da müsse sich das Gemeindeglied dem Worte unterwerfen. Fritz reagiert mit völligem Unverständnis auf den absoluten Anspruch des göttlichen Wortes, wie ihn Kohlbrügge vertritt. Er hält das Recht auf Selbstbestimmung und die Kraft der Vernunft diesem zumindest für ebenbürtig. Die Abstimmung persönlicher Lebensgestaltung mit den von Kohlbrügge vorgegebenen Grundregeln des Glaubens scheinen ihm verhandelbar. Er hatte dies ja auch schon in einem früheren Gespräch mit Kohlbrügge versucht.86 Eine solche Einstellung konnte Kohlbrügge unmöglich akzeptieren. Von seinem Standpunkt aus war es folglich unabdingbar, die so nebensächlich scheinenden Konzertbesuche zu unterbinden. In Fritz von der Heydt trat Kohlbrügge nicht nur ein harmloser Konzertbesucher entgegen, sondern in ihm personifizierte sich eine fortschreitende Entkirchlichung. Den strengen Normen der niederländisch-reformierten Gemeinde wollte Fritz von der Heydt sich nicht unbedingt unterwerfen. Dies bedeutete keine Absage an seinen Glauben, denn er war sich sehr wohl des Unterschiedes zwischen der „Welt und den Kindern Gottes bewusst“.87 Der Gegensatz zwischen Weltkindern und Kindern Gottes sei ein tief innerlicher, so heißt es bei ihm. Aber, so fährt er fort, sie haben „im äußerlichen“ die meisten Gebete gemeinsam. Mit dieser Haltung öffnet sich Fritz von der Heydt seiner Umwelt sehr deutlich. Die freizügigere Lebensart geht dabei vermutlich auf den Einfluss seiner Mutter zurück. Jedenfalls berichtet die Cousine von Fritz, Alwine Lischke, von dem Einfluss der „weltlicheren Tante Carl“, der Frau von Carl von der Heydt, Julie.88 Zum Beispiel habe Julie von der Heydt für die Verlobungsfeier von Alwine und 35 Carl Lischke eine Opernsängerin engagiert. Nach deren Auftritt verließ Kohlbrügge mit seiner Tochter, die selbstverständlich eingeladen waren, das Fest. Der Konflikt mit Fritz von der Heydt im Jahr 1856 hatte also durchaus ein Vorspiel – Alwine und Carl heirateten 1854. Es war keineswegs so, dass Kohlbrügge von ihm als Fehlverhalten angesehenes Benehmen stillschweigend duldete, wie es Fritz von der Heydt darstellt. Offensichtlich hatte auch die Lebensführung seiner Eltern schon im Vorfeld Anstoss erregt. Die Verlobung und der Konzertbesuch waren demnach nur der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Kohlbrügge musste um die Identität seiner Gemeinde fürchten, wenn sich selbst ihre Funktionsträger nicht an seine Leitsätze hielten. Hinzu kam sicherlich eine veränderte kirchenpolitische Lage. Friedrich Wilhelm IV. betrieb eine sehr viel gemäßigtere Kirchenpolitik als sein Vorgänger. In diesem Klima gediehen Bemühungen um eine Wiedervereinigung der reformierten und der niederländisch-reformierten Gemeinde, die wesentlich von den Brüdern August und Carl von der Heydt betrieben wurden.89 Ihr Verhalten dokumentiert bei aller Frömmigkeit, die man ihnen allen sicherlich nicht absprechen darf, ein sehr ausgeprägtes bürgerliches Selbstbewusstsein. Indem sie sich hinter Fritz von der Heydt stellen, unterstützen sie dessen Verlangen nach bürgerlicher Selbstbestimmung. Anders als Daniel erkennen sie das Wort Kohlbrügges nicht als „prophetisch“ und damit unantastbar an. Carl und Daniel von der Heydt waren noch bereit, für ihren Glauben eine Auseinandersetzung mit der staatlichen Obrigkeit in Kauf zu nehmen. Bei Fritz von der Heydt haben sich die Prioritäten verschoben. Er streitet für seine bürgerliche Freiheit gegen die kirchliche Obrigkeit. Seinen Glauben hat er deswegen aber keineswegs verloren. Schließlich arbeitete auch er als Presbyter und Diakon aktiv in der Gemeinde mit. Zu einem Konflikt mit der Gemeinde kam es erst, als er eine Entscheidung zwischen seinem bürgerlichen Lebensstil und den strengen Regeln der reformierten Religionsausübung treffen musste. Vor diese Wahl 36 gestellt, entschied er sich dafür, seine bürgerlichen Rechte zu verteidigen. Auch sein Vetter Bernhard geriet als junger Mann in ernsthafte Konflikte mit den Grundsätzen seiner frommen Erziehung.90 Anders als sein Vetter Fritz konnte er sich aber aus den familiären Zwängen nicht befreien. Bernhard von der Heydt wurde am 25.9.1840 als Sohn des Ministers August von der Heydt geboren. Abweichend von der Familientradition ergriff er den Beruf des Landwirts. Bernhard von der Heydt starb am 9.1.1907 in Berlin. Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr lief sein Leben in geordneten Bahnen. Zwar wirkte sich der Umzug der Eltern nach Berlin nachteilig auf seine schulischen Leistungen aus, aber schließlich schaffte er doch noch sein Abitur. Sein Alltag verging in geradezu ödem Gleichmaß. Morgens ging er zur Schule, nachmittags erhielt er zusätzlichen Unterricht bei einem Hauslehrer, in den freien Stunden wurde er spazierengefahren; sonntags besuchte er die Kirche und anschließend ebenfalls in Berlin wohnende Verwandte, zum Beispiel seine Tante Johanna, die mit dem Hofprediger Friedrich Strauß verheiratet war. Kontakt zu Gleichaltrigen pflegte er nur wenig, was er bedauerte, aber wohl von den Eltern so gewünscht wurde. Im Großen und Ganzen wuchs er ausgesprochen behütet auf.91 Im Herbst 1860 verließ Bernhard von der Heydt Berlin und begann auf dem Gut von August von Rospatt, das nördlich von Berlin bei Briese lag, eine Ausbildung als Landwirt. Zu seiner Berufswahl schrieb er: Worauf sich nun gerade diese Vorliebe für den landwirtschaftlichen Beruf begründete, kann ich eigentlich nicht genau angeben, glaube indessen der Wahrheit am nächsten zu kommen, wenn ich ihn auf die mir angeborene Liebhaberei für Thiere zurückführe.92 Liebe zu Tieren scheint nun nicht gerade hinreichend für die Berufswahl. Fest steht aber, dass sich Bernhard von der Heydt für ein Studium nicht begabt hielt. Der Beruf des Landwirts hingegen schien ihm geeignet, weil man weder „positive Kenntnisse zu besitzen, noch sich geistig zu rühren nötig hätte“.93 Schon bei dem Zwanzigjährigen zeigt sich mithin eine Rentnermentalität, die sich sehr deutlich von den Lebenszielen seiner ambitionierten Verwandten absetzt. Von seinem Leben als Landwirt entwarf Bernhard von der Heydt eine idyllische Vorstellung. Das „höchste Ziel seiner Wünsche“ sei es gewesen, eine „bescheidene ländliche Besitzung“ sein Eigentum zu nennen, dieses selbst zu bewirtschaften und neben der herrlichen Landschaft ein glückliches Familienleben zu genießen. Vor allen Dingen aber suchte er ein „treues braves Weib“.94 Bei seiner Ankunft in Briese fand er seinen Vorstellungen entsprechende Verhältnisse vor. Die Familie von Rospatt nahm ihn „wie einen Sohn“ auf, er fand „einen so schönen Ersatz für das eben verlassene Vaterhaus“.95 Auch die Suche nach einem „treuen und braven Weib“ schien ihm bereits mit Erfolg gekrönt: Er verliebte sich unsterblich in die Tochter des Hauses, Jenny. In seinem Lebensspiegel schreibt er rückblickend auf seine Jugendliebe: Ich werde nie, niemals die selige, beglückende Stunde vergessen, als unsre liebenden Herzen einander fanden, als wir gemeinsam mit bebenden Lippen, unter stillen Thränen der Wehmuth, um den göttlichen Segen für unsere Liebe flehten!96 Nach seinem Tagebuch ist diese Begegnung wahrscheinlich eine von wenigen Gelegenheiten, die Jenny und Bernhard von der Heydt allein zusammen waren. So findet sich unter dem Datum des 25.10.1860 ein Hinweis auf eine nächtliche „Huldigung“, die offenbar kurz vorher stattgefunden hatte und nicht unbemerkt geblieben war.97 Die „beglückende Stunde“ datiert auf den 27.10.1860, wie die Beschreibung einer dieser ganz ähnlichen Szene durch Bernhard von der Heydt belegt.98 Am darauf folgenden Tag trifft er Jenny abermals allein. Auch am Montag, den 29.10., gelang den beiden eine Verabredung, die aber wohl nur ein „Viertelstündchen“ dauerte.99 Eine ganze Stunde Zeit verbrachten die beiden in der Abgeschiedenheit von Bernhards Zimmer am Dienstag.100 Am Donnerstag und Freitag – Mittwochs war Jenny nicht auf dem Gut gewesen – trafen sie sich abends im Orangeriehaus.101 Samstag kam Jenny abermals auf Bernhards Zimmer, wo sie eine Stunde blieb.102 Weitere Gelegenheiten ergaben sich am Sonntag, den 4.11.1860, am Montag und am Dienstag.103 Dann trifft am 7.11.1860 der Brief seines Vaters ein, dem Bernhard von der heimlichen Verlobung geschrieben hatte, und in dem August von der Heydt die Beziehung strikt untersagte. Bernhard wurde nach Berlin zitiert; er kam zwar noch einmal nach Briese zurück, um seine Sachen zu packen, doch sah er Jenny nicht wieder. Leider ist der Brief des Vaters unauffindbar, darum liegt nur die Wiedergabe aus dem Tagebuch vor. Darin heißt es: Ich [Bernhard] müsse mir klar darüber sein, dass ich in meinem Alter und in der Lage, in welcher ich mich befinde, nicht berechtigt gewesen sei, ein derartiges [Verlobungs-] Versprechen zu geben, welches mich für die Zukunft binde. Sie [die Eltern] könnten dazu nicht nur nicht ihre Zustimmung geben, sondern dürften auch jetzt in keiner Weise eine Erklärung für die Zukunft abgeben.104 Ganz ähnlich hatten sich bereits die Eltern von Jenny in einem Gespräch, dass am 25.10.1860 stattfand, geäußert. Auch sie hielten Bernhard von der Heydt für zu jung; Jenny hingegen sei schon „mannbar“.105 In seinem rückblickenden Lebensspiegel erwähnt Bernhard übrigens die Absage von Jenny´s Eltern nicht. Auch die Haltung seiner Eltern kritisiert er wenn, dann nur andeutungsweise. Er deutete die Liebe zu Jenny und auch den Verzicht auf diese als Willen Gottes: [...] als mein Herz damals in aller jugendlichen Treue der ersten reinen Liebe und dem beseligenden Gefühl erwiderter Liebe erglühte, da führte ich all´ mein Glück auf die sichtbare unmittelbare Führung des lieben Gottes zurück. [...] Doch als mir der Herr durch die unerwartete Enttäuschung meiner wahrhaftig so aufrichtigen und gläubigen Zuversicht, eine bittere, harte Prüfung auferlegte, da bestand ich diese nicht; ich haderte mit meinem Gott, der Bau meines Gottvertrauens wankte, das kindlich fromme Gemüth erhielt seinen ersten Stoss.106 Bernhard von der Heydt suchte die Schuld für das Scheitern seiner Verbindung mit Jenny 37 bei sich, sein Glauben daran, dass Gott seine Gebete erhören musste, wenn er der Gnade Gottes wert sei, zerstörte sein Selbstwertgefühl. Mit „kindlich-frommen Gemüth“ habe er noch in reiferen Jahren – Bernhard ist zum Zeitpunkt dieser Niederschrift gerade 26 Jahre alt – geglaubt, dem Gebet müsse die Erhörung auf dem Fuße folgen.107 Diese Zuversicht habe er nach der Begebenheit mit Jenny verloren. Seine erste große Liebe stürzt Bernhard von der Heydt in eine tiefe Identitätskrise. Er gerät in einen unauflöslichen Konflikt zwischen seiner erwachenden Sexualität und den Glaubensgrundsätzen seiner reformierten Erziehung. Er war in dem Glauben an einen allmächtigen, strafenden Gott erzogen worden: Auf der einen Seite standen die „Verheißungen des göttlichen Wortes“, auf der anderen die „Furcht vor der Strafe, eine unbestimmte Ahnung des Bösen“.108 Aber die ihm abverlangte sexuelle Enthaltsamkeit überfordert ihn. In seinen Augen zeigt dies seinen persönlichen „Verfall“.109 Nach seiner Rückkehr nach Berlin, wo er dann seiner Militärpflicht nachkam, sei eine „gänzliche Wandlung“ sowohl hinsichtlich seiner „Sittlichkeit“ als auch seines „religiösen Lebens“ eingetreten. Das „weibliche Geschlecht“ sei nun zum „Ziele verwerflichen Trachtens“ geworden. Er habe seinen „erwachten eigenen sinnlichen Trieben“ nachgegeben und vom „Baum der Erkenntnis“ gekostet, er habe mit „verächtlichen Kreaturen des weiblichen Geschlechts verbotenen Umgang getrieben.“110 Schon seine Wortwahl zeigt, wie sehr Bernhard von der Heydt seine Sexualität mit der Sünde schlechthin synonym setzt. Auch die Herabsetzung von Frauen gehört in diesen Zusammenhang. In seinen Äußerungen finden sich die Normvorstellungen der evangelischen Kirchen über das Verhältnis von Mann und Frau, die wesentlich auf der Überzeugung von polaren „Geschlechtscharakteren“ beruhte.111 Männer galten darin als aktiv, rational, Frauen als eher passiv und emotional. Ihre Vollendung als Menschen erlangten sie nur als eheliches Paar.112 Die Ehe galt dabei natürlich nicht als partnerschaftliche Beziehung, sondern als Ebenbild der mystischen Lebensgemeinschaft 38 zwischen Christus und der Kirche.113 Auch Bernhard von der Heydt suchte, ganz gefangen in dieser Vorstellung, nach einem „treuen, braven Weib“.114 Als ihm dieses Ideal versagt blieb, erlag er den weiblichen Versuchungen. Seine Anspielungen auf den Sündenfall sind deutlich: Er habe „vom Baum der Erkenntnis gekostet“.115 Seine religiöse Erziehung lässt ihn seinen „Sündenfall“ als Kampf zwischen dem Guten und Bösen erscheinen. Bezeichnend ist auch die sich an das Bild vom gefallenen Engel anlehnende Formulierung „ich fiel“.116 Mit ihr erhält der Kampf zwischen Gut und Böse die Dimension des Kampfes zwischen dem Reich Gottes und dem Reich der Finsternis, des Teufels, um die Seele des Menschen. Grundlage einer solchen Erziehung ist die pietistische Erziehung prägende pessimistische Anthropologie. Die Sündhaftigkeit des Menschen verlangt nach dieser Auffassung nach einer besonders strengen Zucht, die Erziehung muss unbedingten Gehorsam einfordern, sonst gewinnt die verdorbene Natur die Oberhand.117 Bernhard von der Heydt gelingt es nicht, diesen Anspruch der Religion und seine Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen. Bei ihm zeigt sich ein psychologisches Symptom, dass eindrucksvoll als „Gottesvergiftung“ beschrieben worden ist.118 Aus der Generation der Urenkel: Karl Im Sinne der hier anstehenden Prämisse lohnt eine Betrachtung von Karl von der Heydt.119 Er wurde am 31.7.1858 in Elberfeld als Sohn von Fritz geboren. Da sein Vater starb, als Karl gerade drei Jahre alt war, oblag seine Erziehung seinem Großvater Carl. Die Erziehung des Großvaters unterlag den strengen Regeln seines reformierten Glaubens. Jeden Morgen wurde ein Psalm und ein Kapitel aus dem Neuen Testament gelesen, jeder Abend schloss mit einem Kapitel aus dem Alten Testament. Kontakte zu Gleichaltrigen richteten sich nach den hohen Ansprüchen des Großvaters, der den Umgang mit „Weltkindern“ strikt verbot. Anders als sein Onkel Bernhard litt Karl aber nicht unter der strengen Erziehung. In einer Schrift „Meine Jugend“ schildert Karl den Großvater als besonders liebevollen Erzieher, der spannende Geschichten erzählte und in liebenswerter Inkonsequenz zu Weihnachten den Besuch bei der „weltlichen“ Familie der Mutter, den von Hurters, erlaubte, wo es einen im großväterlichen Haus verpönten Weihnachtsbaum gab. 1872 ging Karl nach Berlin und trat dort seinen Militärdienst an. Nach der Rückkehr nach Elberfeld immatrikulierte er sich an der philosophischen Fakultät in Bonn, brach sein Studium aber nach kurzer Zeit wieder ab und trat 1881 als Teilhaber in das Familienunternehmen ein. Immerhin 14 Jahre arbeitete er dort, bis er sich 1890 entschloss, nach Berlin zu gehen und dort eine eigene Bankfirma „von der Heydt & Co.“ zu gründen. Am 1.1.1900 schied er endgültig aus der elterlichen Bank aus.120 Er starb am 9.8.1922 in Bad Godesberg. Karl von der Heydt beschäftigte sich intensiv mit Literatur und verfasste auch selbst Dramen und Prosa.121 Zu Rainer Maria Rilke pflegte er dauernden Kontakt.122 Eine dieser ähnlichen Beziehung unterhielt er auch zu dem Bildhauer Wilhelm Neumann-Torburg.123 Besonders aber engagierte er sich in seinen jungen Jahren für die entstehende deutsche Kolonialbewegung, die sich um den Elberfelder Missionsinspektor Friedrich Fabri und den Afrikareisenden Carl Peters sammelte.124 Sowohl im Zusammenhang mit Fabri als auch mit Peters fällt immer wieder der Name Karl von der Heydts. Bereits 1884 wurde er Mitglied in Fabris „Westdeutschem Verein für Kolonisation und Export“.125 1885 finanzierte er die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ von Peters mit einer Einlage von 100.000 Mark und rettete diese damit vor dem Bankerott.126 Dabei beließ er es keineswegs bei einer stillen Teilhaberschaft. Vielmehr begann er, nachdem er Dank seiner Finanzkraft Vorstandsmitglied geworden war, die Stellung von Peters systematisch zu untergraben, was ihm auch durch die Umwandlung der „DeutschOstafrikanischen Gesellschaft“ in eine Aktiengesellschaft und, als diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg zeigte, in eine Korporation, gelang.127 Nunmehr lag die Entschei- Karl von der Heydt (1858–1922). – Alle Abbildungen dieses Aufsatzes sind entnommen aus: Marie-Luise Baum: Die von der Heydts aus Elberfeld, 1964. dungsgewalt der Gesellschaft bei der Hauptversammlung, in der die kapitalkräftigsten Mitglieder dominierten. Während er als Finanzier offenkundig tüchtig war – das zeigen zum Beispiel seine Erfolge aus der Umstrukturierung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft – trat er politisch programmatisch in der Kolonialbewegung nicht in Erscheinung. Seine Äußerungen zur Kolonialpolitik sind eher versteckt. Hemmungen, weitgesteckte politische Ziele offenzulegen, zeigten sich bereits bei zwei anonym im „Deutschen Wochenblatt“ veröffentlichten Artikeln „Auf der Schwelle des Weltkrieges“ aus dem Oktober 1891.128 In diesen befürwortete er, allerdings ohne mit seinem Namen dafür einzustehen, einen „Weltkrieg“, der dem Deutschen Reich den nötigen 39 „Ellbogenraum“ verschaffen würde. Deutschland sei seiner „mehr als 1000jährigen (sic!) Kultur verpflichtet“. Es greift meines Erachtens zu kurz, die von Karl von der Heydt öffentlich geübte Zurückhaltung mit auf das Ansehen der Familie und der Bank gerichtetem Kalkül zu erklären.129 Das würde bedeuten, das es einen „echten“ Karl von der Heydt gegeben habe und einen, der seine Ziele und Motive zu verschleiern suchte. Doch dazu fehlte es seinem politisches Handeln eindeutig an Stringenz. Karl von der Heydt unterstützte mit seinem Geld und seinem Namen, aber er ging nicht voran und trat beispielsweise als Redner auf. Ein Mann der vordersten Linie war er offenkundig nicht. Auch seine praktische politische Arbeit, wie seine Tätigkeit im Allgemeinen Deutschen Verband, zeugt von mangelnder politischer Durchsetzungskraft. Auf der einen Seite wehrte er antisemitische Offensiven ab, auf der anderen Seite unterstützte er den Rassetheoretiker Gobineau.130 Desgleichen ist sein gescheiterter Versuch zur Gründung einer Nationalpartei aus dem Allgemeinen Deutschen Verband ein Zeugnis für seine politische Unbedarftheit. Seine politischen Äußerungen und sein politisches Handeln sind merkwürdig diffus und entbehren nicht der inneren Widersprüche, sind dabei aber deutlich völkisch akzentuiert. Innerhalb des Alldeutschen Verbandes sind sie allerdings nicht durchsetzungsfähig. Bei einer Vorstandswahl 1893 unterliegt Karl von der Heydt dem Gegenkandidaten. Für Karl von der Heydt bedeutete das den endgültigen Abschied von der aktiven Politik. Es ist sicher kein Zufall, dass seine literarischen Veröffentlichungen aus der Zeit nach seinem Austritt datieren. Es scheint so, als hätte er sich der Literatur verschrieben, nachdem er als Politiker gescheitert war. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Karl von der Heydt nur ungefähr zehn Jahre politisch zu wirken versuchte. Er zeichnete sich wohl vor allem durch seinen Reichtum aus. Von daher ist sehr zu bezweifeln, dass er ein Politiker „mit großem wirtschaftlichen und politischen Aktionsradius“ war.131 Eher als ein „Macher“ war er wohl ein „Mitmacher“. 40 Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik setzte bei Karl von der Heydt offenkundig ein Umdenkungsprozess ein, der in seinen Schriften reflektiert ist. In seinen literarischen Werken thematisierte er auffallend häufig Konflikte aus Liebesbeziehungen. So ist zum Beispiel das Drama „Madame Roland“ nur am Rande ein Schauspiel mit dem Thema französische Revolution.132 Vorrangig geht es um die Begegnung von zwei Frauen im Gefängnis von Paris, die den selben Mann lieben. Eben davon handelt auch „Ada“. In „Schicksalsfittiche“ zerstört die Beziehung einer Mutter zu zwei Männern die Liebe ihrer Kinder, die, ohne es zu wissen, Geschwister sind. „Konrad von Thüringen“ beginnt ebenfalls wie eine Liebesgeschichte. Im Fortgang entwickelt sich aus Konrad, dem erfolgreichen Heerführer, ein Mann, der um Vergebung für seine Sünden ringt. Schließlich begegnet ihm seine ebenfalls geläuterte Geliebte, Alheydis, mit der er der Welt entsagt und so Buße tut. Karl von der Heydt selbst hatte in einem Brief an Rilke das Schauspiel als Darstellung einer „seelischen Wandlung durch mystische Versenkung“ bezeichnet.133 Wie hier widmete sich Karl von der Heydt auch in der Novelle „Der Priester“ einem religiösen Thema, eingebettet in ein Eifersuchtsdrama. Mit dem Drama „Jehanne d´Arc“ wandte sich Karl von der Heydt der Gestalt der von religiös-nationalem Sendungsbewusstsein beseelten lothringischen Freiheitskämpferin zu. Gegenüber Schillers Johanna von Orleans schuf er eine säkularisierte Variante. Seine Jehanne sei eine „Hallucinantin, die Erscheinungen von Engeln sehe und deshalb glaube, dass sie Abgesandte Gottes sei“, schrieb Karl von der Heydt in seinem Vorwort.134 Die Besonderheit seiner „Jehanne“ sei die Stärke ihres Glaubens, so fährt Karl von der Heydt fort. Der kurze Überblick zeigt, dass er in seinen literarischen Werken immer wieder religiöse Fragen thematisierte. Nach seiner politisch aktiven Zeit nahm er eine religiöse Weltsicht an: „Die Menschheit denkt in Mythen“, räsonierte er in der Schlussbetrachtung seiner „Herbsttage in Rom“.135 Und er fährt fort: Und der Mythus, der das ganze Leben einer Zeit, eines Volkes, einer Menschheit erfasst, der die Dominante aller ihrer Akkorde bildet, ist die Religion.136 Nunmehr ist ihm das allesbestimmende Moment der Weltgeschichte die Religion. In sichtlich religiösen Deutungsmustern analysiert er an dem Beispiel der Memoiren der Sozialistin Lily Braun die Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie versteht er als Mythos der Gegenwart, und er versucht das zu belegen, indem er die Biographie Lily Brauns als Märtyrergeschichte deutet.137 Besonders deutlich beherrschen religiöse Vorstellungen aber seine Analyse des ersten Weltkriegs.138 Angesichts des Todes der jungen Soldaten in den Schützengräben fragte Karl von der Heydt nach dem Ziel dieses Krieges und dem Sinn des Sterbens auf dem Schlachtfeld. Und er antwortete: Das Ziel war Gott, denn es galt ja Gott neu aufzubauen in der Welt. Das war ihre Arbeit zu der sie gebraucht wurden. Und das war das Namenlose was in der Welt geschah. Sie bauten Gott mit ihrem Blute und ihren klopfenden Herzen, und es war als ob die ganze Welt dröhne von ihren Hammerschlägen.139 Seine Gegenwart ist ihm einer „dunklen Macht“ unterworfen, die Menschen sind „kraft- und willenlos gegen das Übermächtige“, die Menschen sind die „Spielpuppen, Gott ist der „Spielleiter“.140 Es sei etwas „riesengroß“ und „riesenstark“ geworden, so heißt es weiter, und es sei „zulässig, das Gott zu nennen“.141 Gegenüber dieser Macht Gottes verlieren die alten Werte ihre Bedeutung, er nennt ausdrücklich und in dieser Reihenfolge Vaterland, Freiheit, Weltherrschaft, Demokratie.142 Den Verlust des bisher gültigen thematisiert Karl von der Heydt an zwei weiteren Stellen.143 Die Zukunft aber, so sieht er es, liegt in Gottes Hand. „Es gibt kein Zurück. Ob es ein Vorwärts gibt, und ob irgendwie der Weg in eine neue leuchtende Welt führt, das weiß nur Gott.“144 Dieser Gott ist durchaus kein „deutscher“ Gott, sondern der Herrscher über alle Völker.145 Auch die Feinde sind dem Willen Gottes unterworfen. Von daher ließe sich auch nicht sagen, dass Gott dem deutschen Volk den Sieg bestimmt habe, denn die „Gigantenkräfte“ wären in allen Völkern entfesselt wor- den.146 Karl von der Heydt schließt seine Gedanken über den Krieg mit einer flehentlichen Bitte an Jesus Christus: „Möge er bald herabkommen und die Wogen befrieden. Bald. Denn es ist die Zeit!“147 Verzweifelt bittet er um Erlösung. Die „Gedanken über den Krieg“ zeigen einen gewandelten Karl von der Heydt, der nicht mehr von der Weltherrschaft des deutschen Volkes träumt, sondern sein Schicksal und das Schicksal des deutschen Volkes ganz unter die Fügung von Gottes Willen gestellt sieht. Als evangelischer Christ gehörte er mit dieser Haltung einer Minderheit an, denn die Mehrzahl der deutschen Protestanten verlieh dem Krieg als dem Ausdruck göttlichen Willens eine fast theologische Dimension. Aus der Generation der Ururenkel: Eduard (1882) Aus der Generation der Ururenkel entziehen sich zwei Nachkommen der Betrachtung.148 Besonders bedauerlich ist dies im Fall des Sohnes des Museumsgründers. Zwar führte auch dieser ein Tagebuch, doch handelt es sich dabei mehr um ein Protokoll.149 August von der Heydt notierte minutiös seine Aktivitäten: Er berichtet von Besuchen bei Verwandten, Konzerten, im Zoologischen Garten. Immer führt er auf, in wessen Gesellschaft er sich dabei befand. Sein Tagebuch wird so zu einem kleinen „who´s who“ der Elberfelder Gesellschaft. Sein Lebensstil und die häufige Erwähnung von Damenbekanntschaften lassen ihn wie einen Playboy der Jahrhundertwende erscheinen. Hinweise auf sein Denken oder Fühlen lassen sich dem aber nicht entnehmen. Nach dem Eintritt in das elterliche Bankhaus wurde er zusehends ruhiger. Ein sehr bekanntes Portrait zeigt ihn als schmal gebauten Mann mit ernstem Gesicht, gekleidet in eine dunkle Jacke, in deren Ausschnitt auf einem breiten Tuch ein Kreuz sichtbar wird.150 Da sein Tagebuch 1937 endet, ist die Ursache seiner Wandlung leider nicht mehr nachvollziehbar. Auch in den Briefen, die er seinem Bruder Eduard schrieb, tritt seine Persönlichkeit nicht 41 hervor.151 Allerdings erfährt man aus ihnen, dass August wegen seiner angegriffenen Gesundheit im Sommer des Jahres 1906 einen längeren Sanatoriumsaufenthalt antreten muss. 1912 wurde August Mitinhaber des Bankhauses, und er bekleidete wie seine Vorfahren öffentliche Ämter. So war er Armenpfleger und Vorsitzender des Zoologischen Gartens Elberfeld. Näheres über seine Tätigkeiten ist aber nicht bekannt.152 August von der Heydt starb am 11.3.1943 in Elberfeld. Sehr viel mehr ist über seinen Bruder bekannt. Der am 26.9.1882 als Sohn von August und Selma von der Heydt in Elberfeld geborene Eduard von der Heydt folgte der Familientradition insoweit, als er den Beruf des Bankiers ergriff. Später machte er sich auch als Kunstsammler einen Namen. Eduard von der Heydt starb nach einem sicherlich erfüllten, aber auch konfliktreichen Leben am 3.4.1964 in seinem Haus auf dem Monte Veritá, wo er die letzten Jahre seines Lebens zurückgezogen verbrachte. In seinem Nachlass fand sich eine „Deutsche Christenbibel“ mit Unterstreichungen und Anmerkungen, die es ermöglicht, Eduard von der Heydt aus einer bisher unberücksichtigten Perspektive zu betrachten: als Leser der Bibel.153 Er las sie vermutlich im Bett oder auf einer Zugfahrt; die Unterstreichungen sind schief, die Fragezeichen und andere Marginalien krumm und teilweise unleserlich. An manchen Stellen strich er Bibelverse in offensichtlicher Erregung mit kräftigen Bleistiftstrichen in der Form eines großen „X“ durch. Ein Bezug zu einer bestimmten Lebenssituation lässt sich nicht mit Sicherheit herstellen. Das Erscheinungsjahr – 1934 – grenzt immerhin hinsichtlich seines Alters ein: Eduard von der Heydt ist mindestens über 50 Jahre alt. Lediglich vermuten kann man den aktuellen Anlass seiner Bibellektüre. Sollte er in dem Erscheinungsjahr der Schrift zu lesen begonnen haben, kämen als Hintergrund Zurückweisungen, die Eduard von der Heydt in seiner Bereitschaft, Bilder aus seinem Besitz in deutschen Museen auszustellen, in Frage. Aber selbstverständlich ist auch ein späterer Zeitpunkt denkbar. Bei der von ihm benutzten, nur 124 Seiten 42 starken „Deutschen Christenbibel“ handelt es sich um Texte aus dem Neuen Testament. Der Herausgeber Barnikol wählte für seine „Christenbibel“ in einem ersten Teil Passagen aus dem Markus Evangelium über das Leben Jesu in Galiläa, auf dem Weg nach Jerusalem und schließlich in Jerusalem, seine Ankündigung des Weltgerichts sowie seine Passion.154 Der zweite Teil subsummiert Passagen aus der Apostelgeschichte und verschiedener PaulusBriefe zur Auferstehungstheologie. In einem dritten Teil finden sich Bibelstellen, die die jesuanische Ethik verdeutlichen. Für eine Betrachtung von Eduard von der Heydts Zugang zur Bibel bieten sich Textstellen aus dem ersten Teil an, weil die Lebensgeschichte Jesu auch bei Nichttheologen als bekannt vorausgesetzt werden darf. Hinzu genommen werden Bibelstellen aus dem letzten Teil, da ihn diese, wie man an den häufigen und kräftigen Anstreichungen erkennen kann, offensichtlich besonders beschäftigt haben. Besonders hervorgehoben hat Eduard von der Heydt den Vers Markus 6.1.: Die Stelle „Und er konnte allda nicht eine einzige Tat tun. Und er verwunderte sich ihres Unglaubens“ ist unterstrichen, an der linken Seite doppelt senkrecht angestrichen und mit einem Ausrufungszeichen versehen.155 Er handelt von der ungläubigen Heimatstadt Jesu, Nazareth. Dort stößt Jesus auf Ablehnung und Kritik und wird schließlich abgewiesen. In der biblischen Überlieferung ist der Unglaube der Nazarener die Ursache dafür, dass Jesus in dieser Stadt keine Wunder wirken kann. Der Vers enthält aber auch Hoffnung, denn Jesus setzt die Verkündigung seiner Botschaft fort. Eduard von der Heydt betont mit seinen Anstreichungen das Versagen von Jesus. Der nächste Vers, der Eduard von der Heydt offensichtlich besonders beschäftigte, war Markus 7.1.: „Mit ungewaschenen Händen das Brot essen“ ist unterstrichen und am Rand mit einem Fragezeichen sowie „why“ hervorgehoben. Ebenfalls unterstrichen sind „sondern was von ihm ausgeht, das ist´s, was den Menschen gemeine macht“ und [Alle diese bösen Stücke gehen von] „ innen heraus und machen den Menschen gemein“.156 In diesem Vers geht es vordergründig um eine Diskussion der jüdischen Reinheitsvorschriften. Jesus tadelt die Vorschrift des Händewaschens als von Menschen erdachtes Gebot, das das Gesetz Gottes verfehle. Eduard von der Heydt fasst das Händewaschen wohl als rein hygienische Maßnahme auf; er verkennt mithin die Bedeutung der „wahren Reinheit“, auf die Jesus hier abzielt, als die Reinheit des inneren Menschen, die Reinheit seines Denkens und Handelns. Zugang zu der Bibelstelle verschafft ihm erst die Erläuterung, die Jesus selbst gibt.157 Verständnisprobleme hat Eduard von der Heydt auch mit dem Bekenntnis des Petrus in Markus 8.27.: „Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Messias“ ist unterstrichen, der folgende Absatz ist mit einem großen Fragezeichen und „Why“ versehen. Das ist insofern begreiflich, als Barkinol die Leidensankündigung Jesu unterschlägt, die zwischen dem Bekenntnis des Petrus „Du bist der Messias“ und „Gehe hinter mich, Satan“ steht. Jesus blickt darin voraus auf seine Leiden, sein Sterben und seine Auferstehung.158 Von daher ist die Frage „Why“, die Eduard von der Heydt dem Text stellt, durchaus verständlich; sie zeigt aber auch, dass er nicht bibelfest ist. Mit der Prophezeiung der eigenen Leidensgeschichte verbindet Jesu an zwei Stellen (Mk 9.34 und Mk 10.38) den Gedanken des Dienstes als Grundlage für die Gemeinschaft. Eduard von der Heydt vermerkte an beiden Stellen am Rand „silly“.159 Der Gedanke „Will einer Erster sein, so sei er letzter von allen und aller Diener“ erschien ihm offensichtlich dumm.160 Ebenfalls mit „silly“ kommentiert Eduard von der Heydt den letzten Satz aus Markus 11.32: „So sage ich euch auch nicht, aus was für Macht ich solches tue.“161 Dieser Satz ist die Antwort Jesu auf die Frage vor dem Hohen Rat der Juden nach seiner Vollmacht nach seinem Einzug in Jerusalem und der Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Vorangestellt hatte er die Frage nach der göttlichen oder menschlichen Vollmacht des Johannes. Als diese vom Hohen Rat unbeantwortet bleibt, lässt er auch die Frage nach seiner eigenen Legitimation offen. Damit betont er seine Ge- meinschaft mit der Verkündigung des Johannes von der Gottesherrschaft, die ihre Kraft aus ihrem Inhalt gewinnt. Erst in dem sich anschließenden Gleichnis von den Winzern (Mk 12.1) spricht Jesus von seiner Vollmacht als Sohn Gottes. Auch diese Passage hat Eduard an einer Stelle mit der Bemerkung „silly“ versehen.162 Die dadurch vorgenommene Betonung geht am Kern der Textstelle vorbei. Es geht nicht darum, dass der Besitzer des Weinberges unbeirrt Knechte zur Eintreibung der Abgaben aussendet, obwohl bereits mehrere von den Pächtern umgebracht wurden. Zentral ist vielmehr, dass der Vater, obwohl auch sein Sohn getötet wird, Sieger bleibt. Das Gleichnis endet „Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.“ (Mk 12.9). Die nächste besondere Hervorhebung – wieder „silly“ – nahm Eduard an der Szene des betenden Jesus auf dem Ölberg vor: „Und er kam und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfst du?“ (Mk 14.36).163 Nach der Feier des Letzten Abendmahls (Mk 14.12– 25) hatte sich Jesus auf den Ölberg zurückgezogen. Dort offenbarte er einigen Jüngern seine Angst vor dem kommenden Leidensweg und bat sie, bei ihm zu wachen. Im Gebet rang er um die Kraft, seinem Vater zu gehorchen: „Lass diesen Kelch vorübergehen an mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Mk 14.36). Als er zurückkehrt, sind seine Jünger eingeschlafen. Die Ölberg-Erzählung nimmt noch einmal die Prophezeiung des Letzten Abendmahles vom Abfall der Jünger auf, die sich dann nach seiner Gefangennahme erfüllt. In ihr verdichtet sich das Schicksal Jesu. In der Überlieferung betritt Jesus den ihm vorgeschriebenen Leidensweg keineswegs als göttlicher Held, sondern als Mensch voller Angst. Und er betritt den Leidensweg allein. Während Eduard von der Heydt immerhin soviel Einfühlsvermögen hat, dass er die Angst Jesu bemerkt – er entsprechende Satz ist unterstrichen – qualifiziert er die Erwartung Jesu, dass seine Jünger wach bleiben würden, als „dumm“ ab.164 In der Ausgabe „Deutsche Christenbibel“ 43 schließt Barkinol mit Markus 15.39, dem Tod Jesu am Kreuz und dessen Auswirkungen.165 Bei Eduard von der Heydt steht an dieser Stelle ein Fragezeichen.166 Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass ihm die Bedeutung der Kreuzigung verschlossen blieb, es könnte auch durchaus eine Absage an den christlichen Glauben sein. In der Theologie ist die Kreuzigung Jesu sowohl der Tod eines Gescheiterten als auch der Durchbruch zur Erkenntnis: In dem Moment seines letzten Atemzuges zerreißt der Vorhang im Tempel, und der römische Hauptmann, der dem Kreuz gegenüberstand, erkannte Jesus als Gottes Sohn (Mk 15,38). Die Bemerkungen, mit denen Eduard von der Heydt die Lebensgeschichte Jesu begleitet, lassen den Schluss zu, dass er die Bibel nicht wie die Heilsgeschichte liest, sondern eher wie einen Roman. Dies ist seit der Entdeckung des „historischen Jesus“ durch die Theologie sicher legitim, birgt aber die Gefahr, den Charakter der Evangelien als Glaubenszeugnisse zu verkennen.167 Besonders deutlich wird seine Unsicherheit mit den Glaubensinhalten der Bibel, wenn er sich von dem als Biographie des historischen Jesus zu lesenden Markus-Evangelium lösen und den Geboten der jesuanischen Ethik oder seiner Verkündigung zuwenden muss. Dies zeigt beispielsweise sein Umgang mit dem Liebesgebot, das Jesus mit der bekannten Geschichte vom barmherzigen Samariter (Lk 10.25–37) verdeutlichte.168 Auch die in den Volksmund übernommene griffige Formel „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun, tut ihnen ebenso“ (Mt 7.12.) findet seine Beachtung. Die Stelle ist mit einem großen „X“ durchgestrichen und an der Seite angestrichen.169 Während diese Bibelstellen von Eduard von der Heydt besonders hervorgehoben werden, übergeht er das eigentlich revolutionäre des jesuanischen Liebesgebotes:170 Mit „Liebet eure Feinde“ (Mt 5.43) wies Jesus über die alttestamentarische Nächstenliebe hinaus. Probleme bereitet Eduard von der Heydt offenkundig auch der Gedanke der Gottesherrschaft, wie sie beispielsweise in Lukas 17.20 ausgedrückt ist. „Wann kommt das 44 Reich Gottes?“, ist senkrecht angestrichen, teilweise unterstrichen, mit einem großen „X“ durchgestrichen. Auf die Frage, wann das Reich Gottes komme, antwortete Jesu: „Denn seht, das Reich Gottes ist in eurer Mitte.“171 Jesus sah in seinem Wirken die Herrschaft Gottes bereits angebrochen.172 Mit seinen teilweise heftigen Reaktionen auf bestimmte Textstellen weist Eduard von der Heydt wesentliche christliche Glaubensinhalte zurück. Frage- und Ausrufezeichen sowie die Bemerkung „silly“ verweisen dabei auf problematische Stellen: Entweder handelt es sich um offensichtliche Verständnisprobleme, wie beim Bekenntnis des Petrus, oder um Probleme bei der Erfassung des geistlichen Gehaltes, wie bei der Kreuzigungsszene. Hier wie auch bei den Unter- und Anstreichungen drückt sich ein eher negatives Verhältnis zur Bibel aus. Er reagiert auf die Lektüre mit Unverständnis, Zweifel und Ablehnung. Einige Stellen, wie die Geschichte von der wahren Reinheit oder das Gleichnis mit dem Winzer, lassen Rückschlüsse auf die Lesart Eduard von der Heydts zu. Indem er ganze Passagen nach ihrem wörtlichen Gehalt auffasst, zeigt er sich als ungeschulter Leser, der über ein in der persönlichen Erfahrung steckenbleibendes Verständnis der Bibel nicht hinauskommt. Aber völlig entfremdet ist der Bibel wiederum auch nicht. Schließlich nimmt er sie offenkundig zur Hand, um bei ihr Antworten zu finden. Vielleicht zeigt sich in diesem Versuch, dass er, obwohl er der Kirche und ihren Lehren keineswegs nahestand, ein Fragment der christlichen Tradition seiner Familie bewahrt hat. Abschließend stellt sich damit die Frage, wie es um das protestantische Profil der Familie von der Heydt bestellt ist. Zu erkennen ist, dass die religiösen Konturen keineswegs aus einem Guss sind. Bereits in der Generation nach Daniel Heinrich zeigen sich Differenzierungen, die die Einheitlichkeit der protestantischen Prägung der Familie zweifelhaft erscheinen lassen. Trotz dieser Unterschiede war den Vertretern dieser Generation die Ausübung des Glaubens und die Befolgung der biblischen Lehren noch eine Selbstverständlichkeit. Bei Fritz und Bernhard von der Heydt beginnt die Umsetzung der Glaubensgrundsätze in das täglichen Leben zu bröckeln. Die bei ihren Vorfahren noch ungeteilte Identität löst sich in Teilidentitäten auf. Man könnte den Konflikt, in den Fritz mit seiner Gemeinde gerät, als Auseinandersetzung zwischen seiner bürgerlichen und christlichen Identität treffend beschreiben. Einem ähnlichen Konflikt unterliegt Bernhard. Er erfährt seine christlichen Überzeugungen seinen Bedürfnissen als junger Mensch als diametral entgegen gesetzt. Ein Widerspruch, den er lange Zeit nicht auflösen kann. In den nachfolgenden Generationen setzt sich dieser Prozeß fort. Bei Karl und Eduard erscheinen die biblischen Lehren nur noch verzerrt. Besonders Eduard von der Heydt betrachtet das Leben von Jesus unter rein weltlichen Aspekten. Ein protestantisches Bewußtsein, wie es das Denken und Handeln ihrer Vorfahren bestimmte, geht ihm völlig ab. Diese kontinuierlich nachlassende Bindungskraft religiöser Überzeugungen kennzeichnet das protestantische Profil der Familie von der Heydt. Sie ist im Vergleich zu anderen Wuppertaler „fienen“ Familien sehr stark ausgeprägt.173 Dennoch – das Thema „Religion“ im weiteren Sinne beschäftigt auch Eduard noch. 3 4 Anmerkungen * Die vorliegende Arbeit wurde großzügig vom von der Heydt-Museum gefördert und wird in der Publikation „Die von der Heydts, hrsg. von Sabine Fehlemann u.a. (2001)“, erscheinen. 1 Die Stadt Wuppertal entstand 1929 aus der Zusammenlegung der Städte Elberfeld und Barmen mit den umliegenden Städten, so Ronsdorf, Beyenburg, Cronenberg und Vohwinkel. 2 Schon für das Jahr 1591 ist ein reformiertes Konsistorium in Elberfeld nachzuweisen, eine lutherische Gemeinde in Elberfeld bestand seit 1690, ein Jahr später wurde die reformierte Kirche in Elberfeld eingeweiht. Es folgten die lutherische Gemeinde Elberfeld (1728), die lutherische Gemeinde Wichlinghausen (1743), die reformierte Gemeinde in Gemarke (1778), die lutherische Gemeinde Wupperfeld (1779), 5 6 7 die lutherische Gemeinde Ronsdorf 1789, die reformierte Gemeinde Ronsdorf (1790), Huttel, Klaus Peter: Wuppertaler Bilddokumente. Ein Geschichtsbuch zum 19. Jahrhundert in Bild und Text, hrsg. von Karl-Hermann Beeck, Bd. 2, Wuppertal 1985, S. 610. Vgl. Norden, Günther van: Entstehung und Entwicklung der Kirchengemeinden und der Stadt Ronsdorf 1740–1840, Ein Überblick, in: Goebel, Klaus (Hg.): Von Eller bis Dürselen, Neue Beiträge zur Kirchen-und Stadtgeschichte von Wuppertal-Ronsdorf, Köln 1981, S. 161–187; Hübner, Johannes: Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Barmen-Wupperfeld von 1777–1952, Wuppertal 1953; Werth, Adolf: Geschichte der reformierten Gemeinde Barmen-Gemarke, Barmen 1902. Eine Übersicht gibt Illner, Eberhard: Bürgerliche Organisierung in Elberfeld 1775–1850, Neustadt/Aisch 1982, S. 187. Bergengrün, Alexander: Staatsminister August Freiherr von der Heydt, Leipzig 1908, S. 4f, bezeichnet die Kirchen- und Stadtverwaltung „auf das innigste miteinander verbunden“. Vgl. Herberts, Hermann: Alles ist Kirche und Handel... Wirtschaft und Gesellschaft des Wuppertals im Vormärz und in der Revolution 1848/49, Bergische Forschungen Bd. 12, Neustadt an der Aisch 1980, S. 81. Der Einfluss der Honoratioren ging soweit, dass selbst der preußische Staat Anstoß an der Zusammensetzung des Stadtrates nahm. Die Düsseldorfer Bezirksregierung verlangte am Ende des Jahres 1827, dass ein neuer Stadtrat zu bilden sei, in dem „alle Stände sowie die Stadtviertel und Kirchspiele gehörig vertreten sein sollten„, weil namentlich in Elberfeld bloß die vermögende Klasse repräsentiert scheine, ebd. Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, Die Familien der Söhne, bearb. von Gisela Schniewind, Sonderdruck aus: Deutsches Familienarchiv, Bd. 67, Neustadt/Aisch 1977, S. 178. 200 Jahre von der Heydt-Kersten & Söhne (1754–1954), o.O., o.J. (1954), S. 23. Vgl. Kurzrock, Hans: Von der Heydt-Kersten & Söhne, Elberfeld 1754–1929, Elberfeld o.J. (1929); Institut der bankhistorischen Forschung e.V. (Hg.): Deutsche Bankengeschichte, Bd. 2, Frankfurt/M. 1982. Breitenbach, Erich: Die Entwicklung der Gesellschaft „Casino“ in Elberfeld 1775–1927, 45 Elberfeld 1927, S. 1–17. 8 Zahn, Adolph (Hg.): Frauenbriefe von Anna Schlatter, Wilhelmina von der Heydt und Kleophea Zahn, Halle 18632. Vgl. Zahn, Adolph: Eine reformierte Frau, [Wilhelmina von der Heydt] in: ders.: Aus dem Leben eines reformierten Pastors, Barmen 1881. Adolph Zahn war mit einer Enkelin von Wilhemina und Daniel Heinrich verheiratet. 9 Bernhard von der Heydt: Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, abgeschlossen am 23.3.1860, Archiv des Von der Heydt-Museums (MA) II 3 e, S. 8. 10 Hesse, Klugkist H.: Kirchenkunde der evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld, Elberfeld o.J. (1926), S. 22–23. 11 Bergmann, Rudolf: 300 Jahre reformierte Diakonie in Elberfeld, Wuppertal 1977, S. 23. 12 Die Bergische Bibelgesellschaft wurde am 13.6.1814 in Elberfeld gegründet. Sie hatte die weltweite Bibelverbreitung zum Ziel. Brückmann, Hans: Bibelverbreitung im Rheinland. 175 Jahre Evangelisches Bibelwerk im Rheinland – gegründet als Bergische Bibelgesellschaft im Jahre 1814, Köln 1989, S. 26ff. Vgl. Diederich, Gustav: Die Bergische Bibelgesellschaft 1814–1914. Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier der Gesellschaft am 15. und 15.7.1914, Elberfeld 1914, Diederich, Gustav/ E. Thienes: 125 Jahre Bergische Bibelgesellschaft, Wuppertal-Elberfeld 1939. 13 Vgl. die Gründung der Elberfelder Missionsgesellschaft durch den Lederhändler Johannes Ball bei Diederich, Gustav: Die Elberfelder Missionsgesellschaft von 1799 bis 1899. Eine Gedenkschrift zur Feier ihres hundertjährigen Bestehens am 3.6.1899, Elberfeld 1899. Vgl. Diederich, Gustav: Die Vereine und Anstalten der Äußeren und Inneren Mission im Wuppertal, Elberfeld 1895. 14 Vgl. Nipperdey, Thomas: Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München 1988, S. 7. Vgl. die These von der „Verbindung von reformierter Ethik mit kapitalistischem Geist“ bei Köllmann, Wolfgang: Sozialgeschichte der Stadt Barmen im 19. Jahrhundert, Tübingen 1960, S. 109. Vgl. Hölscher, Lucian: Die Religion des Bürgers. Bürgerliche Frömmigkeit und protestantische Kirche im 19. Jahrhundert, HZ Bd. 250 (1990), S. 595–630. 15 Wie Nipperdey, Religion, aaO., S. 7–8. Vgl. die These von dem Wandel eines religiös motivierten zu einem ethisch motivierten Verant- 46 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 wortungsbewusstsein bei Vorländer, Herwart: Evangelische Kirche und soziale Frage in der werdenden Industriestadt Wuppertal. Eine Untersuchung aufgrund der Unterlagen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Düsseldorf 1963, und die Veränderung vom christlichem Liebesdienst zu bürokratisch organisierter Selbstkontrolle bei Reulecke, Jürgen: Das Wuppertal, ein Vorreiter im deutschen Modernisierungsprozess, in: Herberts, Alles ist Kirche, aaO. (wie Anm. 4), S. 250. So erscheint Johanna von der Heydt, Tochter von Daniel Heinrich und Wilhemina, als die treue Ehefrau des späteren Hofpredigers Gerhard Friedrich Strauß. Strauß, Gerhard Friedrich: Abend-Glocken-Töne. Erinnerungen eines alten Geistlichen aus seinem Leben, Berlin 1868. Ebenso blass bleibt die mit Adolph Zahn verheiratete Enkelin von Daniel Heinrich und Wilhemina namens Pauline in Zahn, Adolph: Der Großvater [Daniel von der Heydt], Stuttgart 1881. Bernhard von der Heydt, Tagebuch, aaO., S. 13. Bergengrün, Staatsminister, aaO. (wie Anm. 4), S. 22. Die Familiengeschichte der Blanks bestätigt die angespannte finanzielle Situation des Brautvaters, Blank, Wilhelm: Materialien zur Geschichte der Familie Blank, Elberfeld 1910, Eintrag 1 (Johann Wilhelm Blank). Er war vom 6.12.1848–1.10.1862 und vom 5.6.1866–28.20.1869 preußischer Handelsund Finanzminister. Dazu ausführlich und differenziert Brophy, James M.: Die Grenzen des rheinischen Liberalismus. August von der Heydt und die Revolution von 1848/49, in: Knieriem, Michael (Hg.): Michels Erwachen – Emanzipation durch Aufstand? Studien und Dokumente zur Ausstellung, Neustadt an der Aisch 1998, S. 210–220. Allgemeine Deutsche Biographie, S. 358–363, Neue Deutsche Biographie, S. 74–76. Bergengrün, Staatsminister, aaO., S. 21. Bernhard von der Heydt, Tagebuch, aaO., S. 13–14. Bickerich, Wolfgang: Die Liebesarbeit der Evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld in fünf Jahrhunderten, in: H. Höhler (Hg.): Besinnung. Gemeindebuch der Evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld zur 400–JahrFeier, Wuppertal 1952, S. 52. Bergisches Magazin (22. Stück) vom 17.12. 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 1788, zitiert nach: Lube, Barbara: Mythos und Wirklichkeit des Elberfelder Systems, in: Karl Hermann Beeck (Hg.): Gründerzeit. Versuch einer Grenzbestimmung im Wuppertal. Abhandlungen und Spezialbibliographie, Köln 1984, S. 158–185, hier 164. So Bürgermeister Brüning in den Annalen der Stadt Elberfeld 1825, S. 146. Lube, Mythos, aaO., S. 165. Bickerich, Liebesarbeit, aaO., S. 47. Vgl. Werth, Adolf: Die reformierte Armenpflege in Barmen von der Reformation bis zur Gegenwart. Vortrag, gehalten beim 50–jährigen Bestehen des Gemarker Provisoren-Verbandes am 29.6.1888, Barmen o. J. [1888]. Lube, Mythos, aaO., S. 166f. Wie es Lube ebd. deutet. Bergengrün, Staatsminister, aaO., S. 21. Interessanterweise findet sich auch bei Bernhard von der Heydt, Tagebuch, aaO., kein Hinweis über die Dauer der Armenfürsorge seines Vaters. Hesse, Kirchenkunde, aaO. (wie Anm. 10), S. 11. Jorde, Fritz: Geschichte der Schulen in Elberfeld mit besonderer Berücksichtigung des ältesten Schulwesens, Elberfeld 1903, S. 58–98, hier 78ff. Ebd. S. 61. Sitzung der Schulkommission am 24.11.1831, Stadtarchiv Wuppertal (StAW) D IV 109. Scheibe, L.: Zeittafel der Geschichte der Lateinischen Schule und des aus ihr hervorgegangenen Gymnasiums in Elberfeld. Festschrift zur Feier des 300jährigen Bestehens, Elberfeld 1893. Bergengrün, Staatsminister, aaO. (wie Anm. 4), S. 16, Lomberg, A.: Bergische Männer, Elberfeld 1921, S. 289. Baum, Marie-Luise: Die von der Heydts aus Elberfeld, Wuppertal 1964, S. 20ff. Diederich, Gustav: Die Elberfelder Missionsgesellschaft, aaO. (wie Anm. 13), S. 14 Aus diesem Anlass wurde der Name der Bank am 1.7.1827 in „Von der Heydt-Kersten & Söhne“ umbenannt, 200 Jahre von der HeydtKersten & Söhne, aaO. (wie Anm. 6), S. 37f. Vgl. Siekmann, Birgit: Religiöse Einstellungen Wuppertaler Unternehmer im Zeitalter der Industrialisierung, in: Christian Kleinschmidt/ Werner Plumpe (Hg.): Kulturalismus und Unternehmensgeschichte, Essen 2000, vgl. Lube, Barbara: Mythos, aaO., (wie Anm. 25), Ber- 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 ger, Giovanna: Die ehrenamtliche Tätigkeit in der Sozialarbeit. Motive – Tendenzen – Probleme, dargestellt am Beispiel des „Elberfelder Systems“, Frankfurt/M. u.a. 1979 (Diss.), Stadtverwaltung Wuppertal (Hg.): Hilfe von Mensch zu Mensch, 100 Jahre Elberfelder Armenpflegesystem 1853–1953, Wuppertal-Elberfeld 1953. Zum Beispiel widmet ihm Marie Luise Baum kein eigenes Kapitel, Baum, Die von der Heydts, aaO. Auch in der NDB wird er übergangen. Baum, Die von der Heydts, aaO., S. 30; 200 Jahre von der Heydt-Kersten & Söhne, aaO., S. 38. Siehe Heinrichs, Wolfgang: Freikirchen – Eine moderne Kirchenform. Entstehung und Entwicklung von fünf Freikirchen im Wuppertal, Köln 1989. Nach wie vor grundlegend Elliger, Walter: Die evangelische Kirche der Union. Ihre Vorgeschichte und Geschichte, Witten 1967. Vgl. zur Situation in Elberfeld Wichelhaus, Manfred: Einheit und Freiheit im preußischen Kirchenkampf des 19. Jahrhunderts. Die Elberfelder Kirchenspaltung 1847, in: MEKGR, 25.1976, S. 33–64, vgl. zur presbyterial-synodalen Kirchenordnung in Berg Norden, Jörg van: Kirche und Staat im preußischen Rheinland 1815–1838. Die Genese der RheinischWestfälischen Kirchenordnung vom 5.3.1835, Köln 1990, S. 14ff. Einzelheiten ebd. Wichelhaus, Einheit, aaO., S. 35. Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 23. Zahn, Großvater, aaO. (wie Anm. 16), S. 47. Ebd. S. 48. Ebd. S. 49. Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 31. Ebd. S. 32f. Auszugsweise abgedruckt ebd., S. 34–35. Schreiben vom 7.12.1835 an das Presbyterium, vollständig abgedruckt ebd., S. 453–456. Schreiben Daniel von der Heydts vom 2.4.1837, abgedruckt bei Zahn, Großvater, aaO., S. 51–53. Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 49. Schreiben Daniel von der Heydts vom 8.11.1843, abgedruckt ebd. S. 53–55. Die Resolution ist auszugsweise abgedruckt bei Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 74–76. Protokollbuch des Presbyteriums der reformierten Gemeinde, Blatt 152. Vgl. Wichel- 47 haus, Einheit, aaO. (wie Anm. 46), S. 42. 62 Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 91, deutet das Ersuchen Kohlbrügges als Überraschung. Meines Erachtens übersieht er dabei die Initiative der von der Heydts vom 13.8.1846. Was die von der Heydts sicherlich befremdete, war die euphorische Reaktion von Friedrich Wilhelm Krummacher, der den Beitritt Kohlbrügges in den „Palmblättern“ als Sieg über die Opposition feierte. Kohlbrügge konnte dieses Missverständnis aber schnell aufklären. Schreiben Kohlbrügges an Johannes Wichelhaus, in: Langen, Johann Jakob (Hrsg.): Briefe von Dr. theol. H. F. Kohlbrügge, weiland Pastor der niederländisch-reformierten Gemeinde zu Elberfeld an Johannes Wichelhaus, weiland außerordentlicher Professor der Theologie zu Halle an der Saale aus den Jahren 1843–1857. Ein Beitrag zum Verständnis der Persönlichkeit Dr. H. F. Kohlbrügges und zur Geschichte der Gründung seiner Gemeinde, Elberfeld 1911, S. 39–44. Vgl. Palmblätter Nr. 3/1846, S. 433. 63 Ansprache des Königs an den Berliner Magistrat am 2.10.1845, in: Berliner Allgemeine Kirchenzeitung vom 25.10.1845, Spalte 889, zitiert nach Wichelhaus, Einheit, aaO., S. 41f. 64 Patent, die Bildung neuer Religionsgemeinschaften betreffend, vom 30.3.1847, abgedruckt in: Ernst Rudolf Huber/ Wolfgang Huber (Hg.): Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1973, S. 454f. 65 Der Aufruf ist abgedruckt bei Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 100f. 66 Immediatvorstellung vom 30.4.1847 ebd. S. 105. 67 Zahn, Großvater, aaO., S. 68. 68 Den Namen schlug Schwerin in einem Schreiben vom 20.4.1848 vor, Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 116. 69 Rahe, Hans Wilhelm: Bischof Roß. Vermittler zwischen Rheinland-Westfalen und Preußen im 19. Jahrhundert, Köln 1984, S. 323. Vgl. Brederlow, Jörn: „Lichtfreunde“ und „Freie Gemeinde“. Religiöser Protest und Freiheitsbewegung im Vormärz und in der Revolution von 1848/49, München/ Wien 1976, S. 18, der eine Übereinstimmung von kirchlicher und politischer Opposition sieht. 70 Zahn, Großvater, aaO. S. 55. 71 Ebd. S. 56. 72 Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 73. 73 Carl von der Heydt (Hrsg.): Das Neue Testa- 48 74 75 76 77 ment, Elberfeld 1856; Exegetischer Kommentar zu neun Briefen des Apostels Paulus, Elberfeld o.J. [1882]. Für das Thema unergiebig und aus diesem Grunde hier nicht behandelt werden: August von der Heydt (*1825), Sohn des Ministers August. Er trat 1854 in die elterliche Bank ein, verstarb aber bereits im Jahr 1867. Eine öffentliche Tätigkeit ist für ihn nicht nachgewiesen. Offenkundig war er ernsthaft herzkrank. Kurzrock, Von der Heydt-Kersten & Söhne, aaO. (wie Anm. 6), S. 97. Weder bei Baum, Die von der Heydts, aaO. (wie Anm. 38), noch in der ADB bzw. NDB oder in den Wuppertaler Biographien wird er erwähnt. Auch über seinen Bruder Eduard (*1828) ist so gut wie nichts bekannt. Ein Bruder Julius stirbt als Kind. Vgl. Bernhard von der Heydt: Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, aaO. (wie Anm. 9). Ein weiterer Bruder, Robert (*1837), geht ins Ausland. Auch der einzige Sohn von Daniel von der Heydt, Daniel (*1838) übernimmt die Tradition des Vaters nicht. Vgl. Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, aaO. (wie Anm. 5). Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict mit der niederländisch-reformierten Gemeinde im Winter 1856, Reformiertes Predigerseminar Elberfeld, mir freundlicherweise von Wolfgang Heinrichs zur Verfügung gestellt; Brief von Alwine Lischke an Bernhard von der Heydt, Historisches Zentrum Wuppertal/ Restnachlass von der Heydt; Presbyterium der niederländisch-reformierten Gemeinde: Kurze Darlegung der Thatsachen betreffend die Ausübung der Kirchenzucht bei Diakon Carl Friedrich von der Heydt, Dezember 1856; vgl. Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 157ff. Eine entsprechende Mitteilung war ihm von dem Vater von Fritz, Carl von der Heydt, am 6.11.1856, einen Tag nach der offiziellen Verlobung, gemacht worden. Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict, aaO., Bl. 4. Angehörige der Familie von der Heydt waren seit der Gründung der Gesellschaft Mitglieder: 1799 ist Daniel Heinrich Präses, 1843 nehmen Wilhelm von der Heydt jun., Hermann von der Heydt, Daniel von der Heydt an der Generalversammlung teil, in der Mitgliederliste der Gesellschaft Casino des Jahres 1844 sind Vater und Sohn August von der Heydt sowie die drei Verwandten aus der Linie von Johannes von der Heydt ausgewiesen, 1844–1848 ist 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 August von der Heydt dort Vorsitzender, 1847 wird Eduard von der Heydt als wirkliches Mitglied aufgenommen, 1848 tritt Fritz von der Heydt als wirkliches Mitglied bei, 1858 zeichnen August und Daniel von der Heydt mit anderen für den Wiederaufbau des abgebrannten Gesellschaftsgebäudes außerordentliche Beiträge, Breitenbach, Erich: Die Entwicklung der Gesellschaft „Casino“, aaO. (wie Anm. 7). Die Einberufung der Gemeindeversammlung war dem Verfahren nach sehr undurchsichtig: Zu den vorbereitenden Sitzungen des Presbyteriums war nicht wie sonst üblich von der Kanzel aus eingeladen worden; Louis Frowein wurde das Wort verweigert, Daniel von der Heydt war zumindest zeitweise abwesend, die Familie Carl von der Heydt befand sich in Berlin. Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict, aaO., Bl. 37. Der Sohn von Daniel von der Heydt, Daniel, war zum Beispiel mit Anna Boeddinghaus verheiratet, deren Vater Repräsentant bzw. Kirchmeister der lutherischen Gemeinde war. Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, aaO., S. 226. Ebenfalls in „Mischehe“ lebte der Sohn von August, August, der mit Marie Helene Boeddinghaus verheiratet war, ebd. S. 15. Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict, aaO., Bl. 12–13. Ebd. Bl. 15. Ebd. Bl. 17. Ebd. Bl. 18. Ebd. Bl. 20. Ebd. Vgl. Zitat S. 22. Ebd. Bl. 16. Brief von Alwine Lischke an Bernhard von der Heydt, aaO. (wie Anm. 75). Heinrichs, Freikirchen, aaO. (wie Anm. 44), S. 158. Bernhard von der Heydt war ein ausgesprochen fleißiger Tagebuchschreiber. Von ihm liegen außer der bereits zitierten Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, aaO. (wie Anm. 9), folgende Texte vor: Tagebücher: II. Teil (1857–1880), III. Teil (1860–1862), nebst einer biographischen Einleitung [Reinschrift der Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs], IV. Teil (1862–1864), V. Teil (1865–1866), VI. Teil (1867–1870), VII. Teil (1870–1871), VIII. Teil (1872–1873), IX. Teil [nicht abgeschlos- 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 sene Fortsetzung], Stadtarchiv Wuppertal (StAW), Nachlass Marie Luise Baum 64–67; Mein Lebensspiegel. Ein Manuskript zum Anfang meines Tagebuches, geschrieben im September 1866 in Schlangenbad, STAW, Nachlass Marie Luise Baum 47. Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, aaO. Mein Lebensspiegel, aaO. Bl. 5. Ebd. Ebd. Bl. 12. Ebd. Ebd. Bl. 13. Tagebuch II. Teil, S. 152. Die Szenen, die sich auf seine Begegnungen mit Jenny beziehen, sind in einer Geheimschrift verfasst, die ich entschlüsseln konnte. Ebd. S. 154. Vgl. S. 175. Ebd. S. 157. Ebd. Ebd. S. 158. Ebd. Ebd. S. 160–161. Ebd. S. 162. Ebd. S. 153. Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 18–19. Ebd. Bl. 17. Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 16. Ebd. Bl. 14. Ebd. Bl. 15. Hausen, Karin: Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, S. 363–394, hier S. 363, vgl. Baumann, Ursula: Protestantismus und Frauenemanzipation in Deutschland 1850–1920, Frankfurt/M. u.a. 1992, S. 56ff. Lipp, Carola: Das Private im Öffentlichen. Geschlechterbeziehungen im symbolischen Diskurs der Revolution 1848/49, in: Karin Hausen/ Heide Wunder, Heide (Hg.): Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Frankfurt/M. u.a. 1992, S. 99–116, hier S. 103. Vgl. die Bedeutung der „polaristischen Geschlechtsphilosophie Fichtes bei Hausen, Polarisierung, aaO. S. 373. Besonders deutlich in der oft zitierten Stelle: Die Frauen seien ihren Männern untertan wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist, die er bewahrt als seinen Leib.“ (Epheser 49 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 50 5, 22–23). Vgl. S. 11. Vgl. Genesis 3. Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 19. Vgl. Scheuerl, Hans: Geschichte der Erziehung. Ein Grundriss, Stuttgart u.a. 1985, S. 74ff. Moser, Tilmann: Gottesvergiftung, Frankfurt/M. 19802. Vgl. Böhme, Wolfgang (Hg.): Ist Gott grausam? Eine Stellungnahme zu Tilmann Mosers „Gottesvergiftung“, Stuttgart 1977. Es entfallen in dieser Generation zwei als Kinder verstorbene Nachkommen: Eduard August (*4.8.1858, †20.3.1862), Sohn von Eduard und Enkel des Ministers August, und Reinhold Heinrich, genannt Heinz, (*14.8.1859, †25.5.1869), Sohn von Fritz und Enkel von Carl sowie Daniel (*1864), Sohn von Daniel und Enkel des Gründers der niederländisch-reformierten Gemeinde Daniel. Er lebte in England. Baum, Die von der Heydts, aaO. (wie Anm. 38), S. 35–43; Von der Heydt-Kersten & Söhne, aaO., S. 11–12. Unsere Reise nach Egypten, Elberfeld o.J. (1891); Eine Herbstreise nach Italien (1894); Variationen über das Thema Weib und Rhythmen, darin: Madame Roland, Klara und Anna, Sibylla von Jerusalem, Ada, Schicksalsfittiche, Gedichte (1903), Madame Roland, Klara und Anna sowie Sibylla von Jerusalem liegen als Sonderdrucke vor. Sie fehlen in der 3. und erweiterten Auflage von 1931, die „Schicksalsfittiche“ sind verändert. Johanne Arc (ca. 1905); Konrad von Thüringen (1906); Aphrodite; Schauspiel in drei Akten (1907); Ein phantastischer Dialog von Antole France, von Auguste Rodin, von Rainer Maria Rilke und von Paris, Bad Godesberg 1909; Griechische Herbstfahrt (1912); Herbsttage in Rom (17.31. Oktober), Reisenotizen, Privatdruck; Der Priester (o.J.); Gedanken über den Krieg, Leipzig o.J. [1917]; Zwei Erzählungen, Darmstadt 1927, darin Der Priester und Ostergespräche auf dem Palatin. Vgl. Schnack, Ingeborg/ Scharffenberg, Renate (Hg.): Rainer Maria Rilke. Die Briefe an Karl und Elisabeth von der Heydt. 1905–1922, Frankfurt/Main 1986. Briefwechsel von Elisabeth und Karl von der Heydt mit Neumann-Torburg, MA Briefe der Familie von der Heydt. 124 Ich nenne Carl Peters hier sehr zurückhaltend „Afrikareisenden“, er wird auch sehr häufig als Psychopath bezeichnet. Bade, Klaus J.: Friedrich Fabri und der Imperialismus in der Bismarckzeit. Revolution, Depression, Expansion, Freiburg/ Breisgau 1975, S. 288 oder Müller, Fritz Ferdinand: Deutschland – Zansibar – Ostafrika. Geschichte einer deutschen Kolonialeroberung 1884–1890, Berlin 1959, S. 98. 125 Ebd. aaO., S. 141. 126 Soénius, Ulrich S: Koloniale Begeisterung im Rheinland während des Kaiserreichs, Köln 1992, S. 102. 127 Der genaue Ablauf seiner gegen Peters gerichteten Agitation ist nachzulesen bei Büttner, Kurt: Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik in Ostafrika, Berlin 1959. 128 Karl von der Heydt: Auf der Schwelle des Weltkrieges“, in: Deutsches Wochenblatt Nr. 41 vom 8.10.1891 und Nr. 42 vom 15.10.1891. Vgl. den Nachweis seiner Autorenschaft bei Studberg, Joachim: Globetrotter aus dem Wuppertal, Eine Untersuchung großbürgerlicher Mentalität anhand autobiographischer Reiseaufzeichnungen aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs, Pfaffenweiler 1991 (Diss.), S. 363. 129 Wie es Studberg ebd. S. 49, tut. 130 Chickering, Roger: We men who feel most german. A cultural study of the Pan-German League 1886–1914, Boston u.a. 1984, S. 241. 131 So Büttner, Kurt: Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik, aaO. (wie Anm. 127), S. 99 unten. 132 Karl von der Heydt gibt Madame Roland irrtümlich den Vornamen Marie Jeanne. Richtig hieß sie mit Vornamen Manon; ihr Mann trug den Vornamen Jean Marie. Schulin, Ernst: Die französische Revolution, München 19892. 133 Brief von Karl von der Heydt an Rilke vom 17.2.1907, zitiert nach Schnack, Ingeborg/ Scharffenberg, Renate (Hg.): Rilke, aaO. (wie Anm. 122), S. 334. 134 Zitiert nach ebd., S. 298. 135 AaO., S. 91–92. 136 Ebd. S. 92. 137 Ebd. S. 94. 138 Karl von der Heydt: Gedanken über den Krieg, aaO. (wie Anm. 121). 139 Ebd. S. 17. 140 Ebd. S. 32. 141 Ebd. S. 34. 142 Ebd. S. 35. 143 Ebd. S. 31, heißt es: „Das Leben ist unwirklich und uns fremd geworden.“ 144 Ebd. 46. 145 Ebd. S. 41 und 47. 146 Ebd. 147 Ebd. S. 50. 148 Daniel Heinrich von der Heydt, Sohn von Wilhelm, Urenkel von Daniel, *9.6.1901, und August von der Heydt, Sohn des Museumsgründers August und Enkel des Ministers, *8.10.1881. 149 Tagebuch von August von der Heydt, STAW Nachlass Marie Luise Baum 38. Das Tagebuch besteht aus zwei Teilen, beginnt 1897 und endet 1937. Die Aufzeichnungen nehmen dem Umfang nach deutlich ab. 150 Baum, Marie Luise: Die von der Heydts, aaO. (wie Anm. 38), S. 47. 151 Briefe von August an seinen Bruder Eduard aus den Jahren 1903 bis 1913, MA II 1 m. 152 Anders als seinem Vater und seinem Bruder wird seine Lebensgeschichte nicht in die Reihe „Wuppertaler Biographien aufgenommen. Auch die NDB nennt nur seinen Vater und seinen Bruder. Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, aaO. (wie Anm. 5), S. 16, widmet ihm vier Zeilen, seinem Bruder 34! 153 Deutsche Christenbibel. Das Evangelium im Lutherdeutsch als Heilsgeschichte. Eine Handreichung für die Gemeinde und für Suchende von Ernst Barnikol, Halle 1934, MA Separata I. 154 Zum Vergleich mit der „Deutschen Christenbibel“ wurden folgende Bibel-Kommentare herangezogen: Gerhard Iber/ Hermann Timm (Hg.): Neues Testament. Einführungen, Texte, Kommentare, München 1972; Mann, Dietrich: Das Neue Testament verstehen. Einführung, Auslegung und Hinführung zu einem lebendigen Glauben, Konstanz 1984; Egger, Wilhelm: Kleine Bibelkunde zum Neuen Testament, Innsbruck 1981; Schilling, Alfred: Verstehst du auch, was du liest? Vom rechten Umgang mit der Bibel, Freiburg/Breisgau 1989. 155 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 8. 156 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 9–10. 157 Mk 15: „Nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, kann ihn verunreinigen“. 158 Mk 8,31: „...der Menschensohn müsse vieles leiden, von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden, nach drei Tagen aber auferstehen.“ 159 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 12 und S. 15. 160 Mk 9.34, vgl. Mk 10.38: „Nicht so soll es sein unter euch; sondern wer ein Großer sein will unter euch, der sei euer Diener. Und wer unter euch der Erste sein will, der sei der Knecht aller.“ 161 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 18. 162 Abermals sandte er einen anderen, den töteten sie. Und viele andere; etliche stäupten sie, etliche töteten sie.“ Deutsche Christenbibel, aaO., S. 20. 163 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 27. 164 Mk 14.33: „Dann nahm er Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und begann zu zittern und zu zagen.“ 165 Die Botschaft von der Auferstehung fehlt hier. 166 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 31. 167 Vgl. Michel, Karl Heinz: Anfänge der Bibelkritik. Quellentexte aus Orthodoxie und Aufklärung, Wuppertal 1985. 168 „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Deutsche Christenbibel, aaO., S. 114. „Von ganzem Herzen“ ist einfach, „deinen Nächsten“ doppelt unterstrichen 169 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 93; vgl. S. 124 (Mt 25.40). 170 Die Stelle ist nur einfach unterstrichen, Deutsche Christenbibel, aaO., S. 98. 171 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 87. 172 Vgl. Mt 11.1–15 und die Unterstreichungen, senkrechten Anstreichungen und Durchstreichungen in Deutsche Christenbibel, aaO., S. 107. 51