Das protestantische Profil der Familie von der Heydt

Transcrição

Das protestantische Profil der Familie von der Heydt
im Original mit Jaeger; ich habe nur die Copie.
Sende mir denselben doch umgehend, ebenso
den Brief von Jaeger worin er sagt, daß man
schmieren müßte. – Sein Verfahren bestätigt
sich immer mehr als Lug und Trug und vielleicht bin ich genötigt, ihn auf eine Weise zum
Schweigen zu bringen, daß er das Maul nie
mehr auftut.“
76 Geht hervor aus Krupp an Sölling am 22. November 1845, HA Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346.
77 „Um den ersten Auftrag zu bekommen, müssen
wir schon ein Geringes opfern, denn es geht zuerst darum, daß wir mal das Produkt zur Annah-
me bringen. Wir können unverhohlen sagen,
dies seien die ersten Cuirasse, die wir vollendet
lieferten, die wirklichen Selbstkosten würden
sich erst nach Vollendung der ersten Parthie ergeben (...)“ Alfred Krupp (aus Paris) an Sölling
am 16. Mai 1846, HA Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346. Eine Verbindliche Bestellung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen.
78 Krupp an Sölling am 2. Dezember 1847, HA
Krupp, FAH 2 B 104, Abschrift in WA 9 d 346.
Auszugsweise auch abgedruckt in: Berdrow, Alfred Krupps Briefe, S. 101f.
79 Der Schriftwechsel ist leider nicht erhalten, die
Birgit Siekmann
Das protestantische Profil der Familie von der Heydt*
Die Familie von der Heydt hinterließ in der
Stadt Wuppertal ihre Spuren als bedeutende
Bankiers, als Armenpfleger, Schriftsteller und
Kunstsammler.1 Ihr Name begegnet dem heutigen Besucher von Wuppertal auf Denkmälern
und Straßenschildern. Wie bei vielen Honoratiorenfamilien des Wuppertals trifft man auch in
der regionalen evangelischen Kirchengeschichte auf den Namen von der Heydt. Elberfeld und die anderen Städte des Wuppertals bildeten eine Hochburg des Protestantismus.
Schon bald nach der Reformation entstanden
lutherische und reformierte Gemeinden.2 Sie
organisierten sich in Synoden auf der Grundlage einer presbyterial-synodalen Kirchenordnung, nach der sie ihre Belange selbständig,
d.h. vom jeweiligen Landesherrn unabhängig,
leiteten. Die von der Heydts gehörten traditionell der reformierten bzw. nach deren Gründung auch der niederländisch-reformierten Gemeinde an. Sie praktizierten ihren Glauben
darüber hinaus in religiösen Vereinen und Gesellschaften, die im Wuppertal besonders zahlreich existierten.3 Ebenso setzten sie sich für
Gemeindeeinrichtungen, wie Armenpflege
oder Schulwesen, ein. Und selbstverständlich
waren sie in der politischen Leitung der Stadt
Elberfeld vertreten. In der Kirchen- und Stadt-
verwaltung übten die von der Heydts ebenso
wie andere Unternehmer und Kaufleute erheblichen Einfluss aus.4
Daniel Heinrich und Wilhelmina
von der Heydt
Den Grundstein für den gesellschaftlichen
Aufstieg in die Schicht der Elberfelder Honoratioren legte Daniel Heinrich von der Heydt.
Er war Kaufmann. Am 15.5.1794 heiratete er
Wilhelmina Kersten, die Tochter des Bankiers
Abraham Kersten. Diese Verbindung kam sowohl dem aufstrebenden Daniel Heinrich, dessen Vater Johannes eine überaus erfolgreiche
Waffelbäckerei in Elberfeld betrieb, als auch
der Familie Kersten entgegen. Daniel Heinrich
hatte wohl auch andere gute Aussichten, aber
„er wollte lieber in ein Bankhaus einheiraten“.5
Abraham Kersten war zum Zeitpunkt der Verheiratung seiner Tochter bereits ein schwer
kranker Mann, sein Sohn war gestorben, und
seine Frau und seine Tochter, die, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, eine kaufmännische Ausbildung genossen hatte, führten das
Geschäft.6 Aber dieser Zustand konnte keine
Dauerlösung sein.
25
Daniel Heinrich von der Heydt (*1767, †1832)
Die Familie Kersten war ausgesprochen religiös. Abraham Kersten war Gründer der Ersten Lesegesellschaft, deren „belehrendes Mitglied“ der Pietist Jung-Stilling war.7 Auch Wilhelmina selbst war im Geist der pietistischen
Frömmigkeit erzogen worden. Aus ihren Briefen tritt sie als eine profunde Kennerin der Bibel mit durchaus theologischen Qualitäten hervor.8
Bernhard von der Heydt, der jüngste Sohn
des Staatsministers August von der Heydt und
Enkel von Daniel Heinrich, beschreibt in seinen Erinnerungen den Großvater als einen
Mann, der außer für sein Geschäft noch intensiv für Kirche und Stadt arbeitete.9 Daniel
Heinrich von der Heydt wurde 1805 zum Bürgermeister von Elberfeld gewählt, 1814 fungierte er als Handelsrichter und 1824 als Präsident des Handelsgerichts. In der reformierten
Gemeinde war er als Presbyter und Kirchmeister tätig. Seine Biographie dokumentiert eine
religiöse Haltung, die über Kirchenbesuch,
Übernahme von Ämtern in der Gemeinde oder
etwa einer Spende weit hinaus geht. Als Presbyter der reformierten Gemeinde überwachte
er die Reinheit der Lehre nach reformierter
Auffassung und war befugt, auch selbst Pre-
26
digten zu halten.10 Und auch die Armenpflege
oblag dem Presbyterium als eine besonders
wichtige Aufgabe, als „Religionspflicht“.11
Außer als Presbyter wirkte Daniel Heinrich
von der Heydt auch als Mitbegründer der Bergischen Bibelgesellschaft im Sinne der Verkündigung der Bibel.12 Neben Daniel Heinrich
und seinem Bruder Wilhelm von der Heydt
standen Namen anderer Elberfelder und Barmer Unternehmer. Dies ist ein deutliches Indiz
für das kirchliche Bewusstsein dieser Fabrikanten und Kaufleute.13
Daniel Heinrich wurde von der Auffassung
der Welt als von Gott gestellter Aufgabe und
von der Bewährung in dieser Welt als Berufung durch die Gnade Gottes beherrscht. In
seinem Glauben war ihm der berufliche Erfolg
eine religiöse Bestätigung, aus dem die Gewissheit erwuchs, gottgefällig zu leben. Religion
war für ihn das alles beherrschende Deutungsmuster seiner Lebenswirklichkeit.14
Die Frage ist, ob und wieweit die religiöse
Gedankenwelt, die das Leben von Daniel
Heinrich und Wilhelmina dominierte, auch seine Nachkommen beherrschte. Ich fasse dazu
den Begriff der Religion in einem weiteren
Sinne, einmal als Orientierungsmacht der Kirchen, zum anderen als Ausformung gesellschaftlicher und politischer Strukturen.15 Dieser Ansatz konzentriert sich auf Belange, die in
zumindest lockerer Verbindung zu Gemeinde
und Kirche stehen. Bedauerlicherweise muss
sich die Untersuchung auf die männlichen Mitglieder der Familie von der Heydt beschränken. Die gesellschaftlichen Aktivitäten der
Frauen stehen völlig im Schatten ihrer Männer
und sind kaum historisch nachvollziehbar. Es
lassen sich nur sehr vereinzelte Hinweise auf
sie finden und diese stehen meist im Zusammenhang mit ihren Ehemännern.16
Aus der Generation der Söhne:
August, Daniel und Carl
August von der Heydt, der spätere Minister, wurde am 15.1.1801 geboren. Als Elfjähriger besuchte er – zusammen mit seiner
Schwester Johanna – bis 1814 die Herrnhuter-
Erziehungsanstalt in Neuwied.17 Im Anschluss
daran erhielt er privaten Sprachunterricht und
begann bereits 1815 seine Ausbildung im väterlichen Unternehmen. Der vierjährigen Lehrzeit folgte der Militärdienst in Münster und im
Anschluss daran rundete August seine Ausbildung durch Auslandsaufenthalte in Havre de
Grace/ USA und London ab. 1823 kehrte er
nach Elberfeld zurück und trat als Teilhaber in
das elterliche Bankunternehmen ein. Im darauf
folgenden Jahr heiratete er Julie Blank und bezog kurz darauf – nach dem Tod seines Vaters
– das Elternhaus am Kerstenplatz. Seine Eltern
scheinen die Verbindung nicht gebilligt zu haben. Das Geschäft der Blanks ging schlecht
und außerdem standen die Blanks im Ruf „unkirchlicher Gesinnung“.18
August von der Heydt nahm schon als junger Mann öffentliche Ämter wahr. Die Krönung seiner Laufbahn bildete die Berufung
zum Handels- und Finanzminister am
4.12.1848. Mit einer Unterbrechung blieb er
als Minister bis zum 28.10.1869 im Amt.19 Er
starb am 13.6.1874 in Berlin.
In der Literatur wird August von der Heydt
vor allem als liberaler Politiker gewürdigt.
Diese Einschätzung geht auf Bewertungen von
Zeitgenossen August von der Heydts zurück.
Tatsächlich unterstützte er viele liberale Forderungen: zum Beispiel Presse- und Versammlungsfreiheit, Gleichstellung der Juden sowie
rechts- und verfassungsstaatliche Prinzipien.
Dabei blieb er stets ausgeprägt königstreu. Eine Minderung königlicher Autorität konnte er
nicht akzeptieren.20
Im Unterschied zu seinen politischen Aktivitäten werden seine kirchlichen Ämter nur
kurz erwähnt.21 Einzig Bergengrün streicht seine christlichen Eigenschaften heraus. Die „tiefe und echte Frömmigkeit der Mutter“ habe eine „bleibende Wirkung“ auf ihn gehabt. Er sei
„Zeit seines Lebens ein überzeugter, gläubiger
Christ gewesen“. Allerdings sei er auch nüchterner gewesen als beispielsweise sein Bruder
Daniel.22 Bezeichnend dafür ist seine Haltung
als Armenprovisor und später als Scholarch
der reformierten Gemeinde.
Tatsächlich begann August von der Heydt
seine öffentliche Laufbahn 1819 als Armen-
August von der Heydt (*1801, †1874)
provisor der reformierten Gemeinde unter der
„sorgsamen Leitung“ seiner Mutter.23 Die Armenfürsorge hatte in der reformierten Gemeinde eine lange Tradition. Bereits 1677 erbaute
die Gemeinde ein eigenes Armenhaus.24 Die
kirchliche Armenpflege geriet allerdings zu
Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr in
Bedrängnis. Die beginnende Industrialisierung
ging mit einem Anwachsen der Bevölkerung
einher, deren Versorgung im Notfall die Mittel
der Gemeinden überschritt. Abhilfe versprach
die „Allgemeine Armenanstalt“, die 1788 nach
Hamburger Vorbild von dem Elberfelder Bürgermeister Jakob Aders begründet wurde. Diese bürgerliche Armenpflege wurde als öffentliche Aufgabe aufgefasst. Sie müsse „gemeinnützig“ sein, in seinen Einrichtungen dürfe „nicht Kalvin, nicht Luther, nicht Rom die
Herrschaft allein haben“.25 Nicht christlicher
Liebesdienst, sondern „Gemeingeist“ und „reger Bürgersinn“ bildeten die ideelle Grundlage
dieser Fürsorge.26 Selbstverständlich bestimmte aber auch die „Allgemeine Armenanstalt“
sogenannte Armenpfleger, die die Bedürftigkeit und damit den Anspruch der Armen über-
27
prüften. Schließlich wollte man keine „Gewohnheitsarmen“ fördern, sondern die Erziehung der Armen zu „guten Menschen und
nützlichen Bürgern“ unterstützen.27
Der bürgerlichen Konkurrenz zum Trotz
verteidigten sowohl die reformierten Gemeinde Elberfeld wie die Gemeinden Barmens
ihren biblisch begründeten Anspruch auf Armenpflege gegen die bürgerliche „Allgemeine
Armenanstalt“.28 Zu einer Vereinigung der bürgerlichen und der kirchlichen Armenfürsorge
kam es – gegen den zähen, aber erfolglosen
Widerstand der Kirchengemeinden – am
1.3.1818 mit der Errichtung der „Zentral-Armen-Kommission“, die bis 1841 bestand. In
ihr flossen die bürgerlichen und kirchlichen
Mittel als „Armenfonds“ zusammen. Reichten
diese nicht aus, so deckte die Gemeindekasse
das Defizit, wenn nötig durch eine „Armensteuer“.29 Neu ist, dass die Mitglieder der
Armenverwaltung von der königlichen Regierung bestätigt werden mussten. Damit wurde
zumindest teilweise die Kompetenz der Elberfelder Armenpflege nicht nur von den Elberfelder Kirchengemeinden, sondern ebenso von
der Stadt Elberfeld abgezogen. Von daher wäre
es zu überdenken, ob der Widerstand der Kirchengemeinden gegen die „Zentral-ArmenKommission“ nur in einem anti-aufklärerischen Impetus begründet war.30 Vielleicht richtete sich die Renitenz der Presbyter, die bekanntlich in großer Zahl gleichzeitig Gemeinderatsmitglieder waren, auch gegen die Einverleibung durch Preußen, zu dem Elberfeld
erst seit 1815 gehörte.
August von der Heydt stellte sich der „Zentral-Armen-Kommission“ zur Verfügung, wobei es keine Quellen über seine Einstellung zu
dieser im übrigen durch die den „Pflegern“ obliegenden Hausbesuche sehr zeitintensive
Tätigkeit gibt. Jedenfalls kann er sein Amt nur
sehr kurz ausgeübt haben, denn im Herbst
1819 leistete er bereits in Münster seinen Militärdienst. Die „praktische Bewährung christlicher Liebestätigkeit“, die Bergengrün in seiner Fürsorge sehen will, scheint schon allein
von daher fraglich.31
Am 1.1.1827 übertrug die reformierte Gemeinde August von der Heydt das Amt des
28
Scholarchen. Damit oblag ihm die Aufsicht
über das reformierte Schulwesen. Offenkundig
traute die reformierte Gemeinde dem jungen
Bankier viel zu, denn zu diesem Zeitpunkt erhitzten sich gerade die Gemüter der Elberfelder
im sogenannten Schulkampf, in dem die seit
1592 bestehende Latein- bzw. Rektoratsschule
der Gemeinde in ihrer Existenz in Frage gestellt wurde.32 Die Lateinschule sollte auf das
Universitätsstudium vor allem der Theologie
vorbereiten; auf ihrem Lehrplan standen
hauptsächlich Latein, Griechisch, Hebräisch,
Französisch und Deutsch sowie Allgemeine
Weltgeschichte, Geographie und Mathematik.33 Außerdem sollten die Schüler zu „wahrer
Gottesfurcht“, „guten Sitten“ und „Ehrerbietigkeit“ erzogen werden.34 August von der Heydt
verteidigte dieses Schulkonzept gegen Pläne
der Bezirksregierung, alle Elberfelder Schulen
in einem Schulsystem mit einer höheren Schule umzugestalten. In den Diskussionen nahm
August von der Heydt keine Führungsrolle ein,
zum Beispiel wurde eine von ihm maßgeblich
mitgestaltete Denkschrift nicht von ihm, sondern von Pfarrer Hülsmann vorgestellt.35 Was
August von der Heydt wohl besonders auszeichnete ist seine Bereitschaft, dem Argument
des Oberbürgermeisters Brüning, das Gymnasium sei zu teuer für die Stadt, tatkräftig entgegen zu wirken. Er übernahm mit anderen, unter
ihnen sein Bruder Daniel, eine Bürgschaft für
den Etat der Jahre 1833–1836.36 Damit sicherte
er das Bestehen der Schule.
Gegenüber dem „nüchterneren“ August von
der Heydt werden seine beiden Brüder Daniel
und Carl als leidenschaftliche Kämpfer für die
Kirche beschrieben.37 Daniel von der Heydt
wurde am 31.10.1802 in Elberfeld geboren.38
Er besuchte, wie bereits gesagt, die lateinische
Schule. Außerdem genoss er die besondere Fürsorge des Erweckungspredigers Gottfried Daniel Krummacher, der 1816 nach Elberfeld kam
und ihm Konfirmationsunterricht erteilte.39 An
Daniels Schulzeit schlossen sich Aufenthalte in
Livorno und Mailand an, wo er als Kaufmann
für das Rohseidengeschäft – einem neben der
Bank geführten Geschäft – ausgebildet wurde.
1827 wurde er in die elterliche Firma aufgenommen.40 Daniel von der Heydt gilt als ein
Daniel von der Heydt (*1802, †1874)
Carl von der Heydt (*1806, †1881)
Mitbegründer des „Elberfelder Systems“ und
vor allem als Mitbegründer der niederländischreformierten Gemeinde.41 Er starb 7.7.1874 auf
Schloss Morsbroich bei Leverkusen.
Carl von der Heydt stand Zeit seines Lebens im Schatten seiner beiden älteren Brüder.42 Geboren wurde er 26.11.1806, er starb
am 31.12.1881 in Bad Godesberg. Erwähnung
findet er wenn, dann als Übersetzer des Neuen
Testaments und als Teilhaber der Bank, in die
er 1829 aufgenommen wurde.43 Eine Ausleuchtung seiner Rolle bei der Gründung der
niederländisch-reformierten Gemeinde, die der
seines Bruders durchaus ebenbürtig war, bleibt
hingegen Spezialuntersuchungen vorbehalten.44 Um Daniel und Carl gerecht zu werden,
bietet es sich an, die Gründung der niederländisch-reformierten Gemeinde im Jahr 1847 zu
untersuchen.
Die Gründung der Gemeinde setzte einen
Schlusspunkt hinter die Bemühungen des
preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und
seines Nachfolgers, Friedrich Wilhelm IV., die
reformierten und lutherischen Gemeinden sei-
nes Herrschaftsbereiches in einer „Union“ zusammenzufassen.45 Die geplante Union bedeutete für die Gemeinden des seit 1815 zu
Preußen gehörenden Herzogtum Berg einen
tiefen Einschnitt in die seit 1672 geltende Kirchenordnung.46 Am 30.4.1815 wurden in
Preußen Konsistorien errichtet, in denen sich
der Anspruch des Staates sowohl auf die Kirchenhoheit als auch auf das Kirchenregiment
manifestierte. Während die Kirchenhoheit (ius
circa sacra) die staatlichen Befugnisse über die
Kirchen erfasste, beinhaltete das Kirchenregiment (ius in sacra) bischöfliche Jurisdiktionsgewalt.47 Die Gemeinden der Provinzialsynode
Jülich-Kleve-Berg standen einer Union nicht
grundsätzlich ablehnend gegenüber, sie bestritten aber mit aller Vehemenz den Herrschaftsanspruch des Königs über die Kirche.48 So
machte die Union kaum Fortschritte. 1822 kam
zu dem Konflikt um die Kirchenordnung noch
der Agendenstreit hinzu.
Am 5.3.1835 nahm Friedrich Wilhelm III.
einen neuen Anlauf. Er befahl die Einführung
der „Kirchenordnung für die evangelischen
29
Gemeinden der Provinz Westfalen und der
Rheinprovinz“ und in gleichem Atemzug eine
neue Agende.49 Nach langjährigem Ringen um
die Kirchenordnung und die Agende empfand
das reformierte Presbyterium dieses Vorgehen,
das keine Rücksicht auf ihre bisher vorgebrachten Einwände nahm, als Affront. In einer
Versammlung der Gemeindevertretung ergriff
zuerst Carl von der Heydt das Wort. Nach ihm
sprach sein Bruder. Daniel von der Heydt
brandmarkte Kirchenordnung und Agende als
Gewaltakt:
Mitten unter friedlicher Ausübung eines
Gottesdienstes [...] drängt sich der bedrängten
reformierten Kirche dieser Lande gewaltsam
ein Cultus auf, vor dessen Wesen und Folgen
sie in banger Erwartung seit beinahe zwei Jahrzehnten erschrickt. Vergebens aber sind unsere
Erklärungen und Protestationen gewesen, vergebens der Abscheu unserer Gemeinde, vergebens unsere Wünsche, das zu behalten, was wir
haben, um es unsern Kindern unangetastet, unverkümmert so zu hinterlassen, wie wir es von
unsern zum Teil in Gott ruhenden Vätern überkamen – unser Widerstand [war] vergebens.50
Und er fragt weiter:
Oder war es nicht vielmehr das Herandrängen des Entsetzens, welches mit einem Male
das kaum geglaubte, den ganzen Zusammenhang der verhängnisvollen Botschaft zu wissen
begehrt: wie unser Gottesdienst entheiligt [...],
wie unser Recht mit Füßen getreten, die protestantische Kirche ihres Salzes beraubt werden
soll!51
Für Daniel von der Heydt ist das Eingreifen
des Königs in innerkirchliche Belange der Kirche eindeutig ein Verstoß gegen die tradierten
Rechte der reformierten Kirche. Mit dieser
Deutung von Kirchenordnung und Agende begründet Daniel von der Heydt das Recht auf
Widerstand: Wo Freiheit und Recht verletzt
seien, dürfe es nicht an Mut fehlen, Kirchenordnung und Agende zu verwerfen.52 Entsprechende Einwände seien „gerecht“.
Die Brüder von der Heydt konnten sich mit
ihrer Linie der kompromisslosen Ablehnung
nicht durchsetzen. Die Gemeinde versuchte
vielmehr eine Strategie der Schadensbegrenzung, indem sie die sogenannte „Kleine Agen-
30
de“ annahm. Der zuständige Konsistorialrat
Wilhelm Roß kam ihr dabei insofern entgegen,
als er versicherte, dass die Annahme der Kleinen Agende als ausreichend akzeptiert würde.
Doch die Brüder von der Heydt opponierten
weiter gegen den so getroffenen Konsens. Als
Mitglieder einer Kommission zur Beratung
eventueller Änderungen der Kirchenordnung
beklagten sie die schleichende Entrechtung ihrer Kirche und verwahrten sich gegen die Auffassung, die Annahme einer unierten Kirchenordnung bedeute den Anschluss an die Evangelische Landeskirche.53 Dieser erneute Widerspruch gegen die Union fand sowohl in der Gemeinde als auch auf der Kreissynode eine gewisse positive Resonanz. Aber sie wurde nicht
entsprechend umgesetzt. Vielmehr vertagte das
Presbyterium der reformierten Gemeinde eine
von ihrer Vertreterversammlung beschlossene
Immediateingabe an den König zweimal und
ließ diese so ins Leere laufen.
Die Spannung zwischen Presbyterium und
Gemeindevertretung eskalierte dann in der
Frage der Kirchenwahlen. Diesmal schaltete
sich August von der Heydt als Wortführer in
die Debatte ein. Er stellte auf der Repräsentantensitzung am 25.9.1835 den Antrag, die Neuwahlen zur Gemeindevertretung nicht abzuhalten, da aus ihnen eine Annahme der Kirchenordnung zu schließen wäre. Nach seiner Auffassung waren die Bedingungen für eine Annahme der Kirchenordnung, wie sie die Rheinische Provinzial-Synode am 29.8.1835 beschlossen hatte, nicht erfüllt worden. Solange
die „bestimmte Erwähnung und die Eigentümlichkeit der reformierten Konfession“ nicht in
die Kirchenordnung aufgenommen und gesetzlich bestätigt sei, dürfe nicht nach den Vorschriften der Kirchenordnung verfahren werden.54 Die Beschlüsse der Gemeindevertretung
vom April und Mai 1835 hätten die Garantie
des reformierten Bekenntnisses ausdrücklich
zur Voraussetzung der Annahme der Kirchenordnung erklärt. Der Antrag von August von
der Heydt war nicht mehrheitsfähig, aber die
immerhin teilweise Zustimmung, die er fand,
sprach für den Dissens innerhalb der reformierten Gemeinde. Das Presbyterium teilte die
vorgebrachten Bedenken allerdings nicht
mehr. Seine Mitglieder versuchten, die Durchführung der Kirchenwahlen durchzusetzen, indem sie die Repräsentantenversammlung nicht
mehr einberiefen. So versuchten sie, die Opposition auszuschalten.
Aber die von der Heydts gaben nicht nach.
Daniel und Carl verteidigten in einem Schreiben an das Presbyterium vom 19.11.1835 die
Rechte der Repräsentantenversammlung.55 Ihre Absetzung erklärten sie für „ungesetzlich“
und „usurpatorisch“. Und sie verwiesen noch
einmal auf den Grundsatz der reformierten
Kirche: die Trennung von Staat und Kirche.
Wenn die Gemeinde die Kirchenordnung annehme – und das täte sie mit der Durchführung
der angeordneten Kirchenwahlen – verließe sie
ihren einzigen König, Christum, indem sie einen zweiten König anerkenne. Das Presbyterium schmetterte auch diese Eingabe ab. Wieder
erhoben die von der Heydts und mit ihnen 16
weitere Gemeindemitglieder Einspruch.56 Und
wieder prangerten sie das Vorgehen des Presbyteriums als Rechtsbruch an. Eine so gewählte Gemeinderepräsentation könnten sie nicht
anerkennen. Über die verfassungsrechtlichen
Einwände hinaus erklärten sie die Frage der
Kirchenordnung zur Grundsatzfrage. Es ginge
nicht um die „eigene Meinung“ der Unterzeichnenden, sondern um die Ehre des einigen
Königs und Bischofs, Jesu Christi. Ihr Gehorsam gegen Gott verpflichte sie zum Protest.
Obwohl die Kirchenwahlen durchgeführt
wurden, kam es noch nicht zum offenen Bruch
der reformierten Gemeinde. Aber die Situation
blieb gespannt, denn die Opposition hielt ihre
Einwände aufrecht. Die von der Heydts besuchten zwar weiterhin die Gottesdienste, aber
sie lehnten es ab, Ämter in der reformierten
Gemeinde zu übernehmen. Der Konflikt war
keineswegs beseitigt, sondern unterschwellig
allzeit gegenwärtig. So erklärte Daniel von der
Heydt, die anstehende Konfirmation seiner
Tochter Bertha bedeute nicht die Anerkennung
des amtierenden Kirchenvorstandes und er
verwahre sich dagegen, dass sein Kind in irgendeiner Weise auf die Kirchenordnung verpflichtet werde.57
Selbst fünf Jahre später haben sich die Positionen nicht verändert. Jetzt entzündeten sich
an der Frage des kirchlichen Unterrichts neue
Auseinandersetzungen. Als einige Familienväter ihren Kindern untersagten, die Sonntagsschule zu besuchen, zeigte sie das Presbyterium beim Oberbürgermeister an. Pikanterweise
beauftragte dieser den Beigeordneten Hermann Wilhelm von der Heydt, einem Vetter
der Brüder von der Heydt, mit dem „Fall“, der
die verantwortlichen Väter, unter ihnen Carl
von der Heydt, verwarnte.58 Dieses Herbeirufen der staatlichen Obrigkeit bestätigte die
Dissidenten in der reformierten Gemeinde in
ihrer Auffassung, dass sich die reformierte Gemeinde vom Staat abhängig gemacht habe.
Die Anrufung des Stadtoberhauptes in einer Gemeindefrage leitete eine neue Phase des
Konfliktes ein. Jetzt nämlich lehnte Daniel von
der Heydt es ab, seine Tochter Emilie taufen zu
lassen, da er das Presbyterium nicht als seinen
rechtmäßigen Kirchenvorstand anerkenne,
sondern „nur als den de facto bestehenden
Ausfluss unrechtmässiger Gewalt“.59 Anders
als in den Jahren zuvor aber bezog er die Unrechtmäßigkeit jetzt auch auf die Geistlichen
der Gemeinde, die „indem sie den Menschen
gefällig das Königliche Gesetz der Kirchenordnung annahmen und ihm gehorsamten, Diener des Staates“ wurden. Daniel von der Heydt
ließ diesen Worten Taten folgen. Er nahm Kontakt zu dem ihm seit langem bekannten Prediger Friedrich Wilhelm Kohlbrügge auf. Kohlbrügge hatte schon verschiedentlich Elberfeld
besucht und mit seinen Predigten ebenso fasziniert wie zum Widerspruch gereizt. Auch galt
er als Gegner der Kirchenunion. Im Sommer
1845 gab er dem Drängen Daniel von der
Heydts nach und kam erneut nach Elberfeld.
Pfingsten 1846 berief ihn die „von der HeydtFraktion“ der reformierten Gemeinde zu ihrem
Prediger.60 Der an ihn ergangene Ruf war wohl
Teil eines von den Brüdern von der Heydt geplanten Junktims. Denn am 13.8.1846 schlugen diese dem Presbyterium vor, Kohlbrügge
zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung zuzulassen. Im Gegenzug würde ihre
„Fraktion“ wieder aktiv am Gemeindeleben
teilnehmen.61
Kohlbrügge nahm den Ruf nach Elberfeld
an. Am 2.11.1846 ersuchte er unter der Bedin-
31
gung, dass er nichts, was dem reformierten Bekenntnis zuwiderliefe, anerkennen müsse, um
die Aufnahme in die reformierte Gemeinde.62
Das Presbyterium nahm diese Bedingung an
und so wurde Kohlbrügge „Ausnahmemitglied“ der reformierten Gemeinde. Die Mitglieder des Presbyteriums verfolgten dabei allerdings nicht das Ziel, der „von der HeydtFraktion“ eine goldene Brücke zurück in die
Gemeinde zu bauen, wie das von Daniel und
Carl vermutlich gedacht war. Vielmehr versuchten sie, Kohlbrügge entgegen der getroffenen Absprache auf die Kirchenordnung und
Agende zu verpflichten und auf diese Weise
der Opposition die Plattform zu entziehen.
Während das Presbyterium so versuchte,
der königlichen Kirchenpolitik in der gesamten Gemeinde Geltung zu verschaffen, hatte
sich der politische Wind gedreht. Als Nachfolger des 1840 verstorbenen Friedrich Wilhelm
III. verkündete Friedrich Wilhelm IV. 1845,
dass er von seinem Recht, in die Gestaltung
der Kirchen einzugreifen, keinen Gebrauch
machen wolle.63 Am 30.3.1847 setzte er seine
Absicht in einem Religionspatent um, nach
dem Gemeindegründungen außerhalb der Landeskirche möglich wurden.64 Die Brüder Daniel und Carl von der Heydt ergriffen diese Möglichkeit sofort. Sie waren, vermutlich durch
den Schwiegersohn von Daniel von der Heydt,
Gerhard Friedrich Strauß, offenkundig gut
über die Vorgänge in Berlin informiert und von
daher traf sie das „Patent“ nicht unvorbereitet.
Jedenfalls rief Kohlbrügge bereits am
18.4.1847 in seiner Sonntagsversammlung zur
Gründung einer Gemeinde auf.65 Noch am
gleichen Tag folgten 254 Männer seinem Aufruf und unterschrieben die Gründungsurkunde.
Schon zehn Tage später wählte die neue Gemeinde. Als Älteste wurden Daniel und Carl
von der Heydt sowie Friedrich Thiel, als Diakone Wilhelm Rittershaus, August Wolff und
Heinrich Abraham Schäfer gewählt.
August von der Heydt trat der neuen Gemeinde nicht bei. Aber er unterstützte die
Bemühungen seiner Brüder, der neuen Gemeinde zur staatlichen Anerkennung zu verhelfen, denn die Konstituierung der neuen Gemeinde zog eine Klärung des Verhältnisses zur
32
alten reformierten Gemeinde sowie der Kirche
und zum Staat nach sich. Daniel von der Heydt
reiste nach Berlin und kontaktierte den Kultusminister Johann Eichhorn. Auf dessen Anraten
hin reichte die neue Gemeinde schon am
30.4.1847 eine Immediateingabe beim König
ein, in der sie um die Anerkennung als selbständige Gemeinde baten.66 Im September 1847
erhielten Daniel von der Heydt und Kohlbrügge eine Audienz beim König, der ihnen wenn
auch nicht die endgültige Anerkennung, so
doch sein „Wohlwollen“ zusicherte.67 Kurz
nach der Berufung des neuen Kultusministers
Maximilian von Schwerin am 19.3.1848 reiste
Daniel von der Heydt erneut nach Berlin und
trug das Anliegen seiner Gemeinde vor. Zu einem für die neue Gemeinde befriedigenden Ergebnis kam aber auch dieser Vorstoß nicht. Allerdings geht auf Schwerin wohl der Name
„niederländisch-reformierte Gemeinde“ zurück.68 Erst als August von der Heydt, der am
4.12.1848 zum Minister berufen worden war,
seinen Einfluss geltend machte, kamen die
langwierigen Verhandlungen zu einem Abschluss. Er überzeugte den seit 1848 amtierenden Kultusminister Ladenberg und den preußischen Innenminister von Manteuffel, sich für
die Anerkennung der niederländisch-reformierten Gemeinde zu verwenden. Auf ihren
Rat hin erteilte Friedrich Wilhelm IV. am
24.11.1849 die ersehnten Korporationsrechte.
Die Gründung der niederländisch-reformierten Gemeinde zeigt, dass alle drei Brüder
durchaus bereit waren, sich für „ihre“ Kirche
einzusetzen. Ihr Engagement ging deutlich
über das eines „normalen“ Kirchgängers hinaus. In dem Loyalitätskonflikt zwischen der
althergebrachten Autonomie der reformierten
Kirche und den Ansprüchen des Staates auf die
Kirche entschieden sich Daniel und Carl für
die Befolgung reformierter Glaubenssätze. Der
Bruder August exponierte sich zwar deutlich
weniger, aber auch dieser hatte sich mit seinen
Anträgen gegen die Durchführung der Kirchenwahlen öffentlich im Sinne der von der
Heydtschen Opposition geäußert. Auch im
Kampf um die letztendliche Anerkennung
durch den König versagte er den Brüdern nicht
die Unterstützung. Besonders aber sind Daniel
und Carl hervorgetreten. Immerhin stellten sie
sich der Mehrheit ihrer Gemeinde entgegen,
sie brachten große zeitliche und sicher auch finanzielle Opfer. Man darf auch nicht übersehen, dass der Widerstand gegen die Kirchenpolitik im Zeitalter der Restauration sehr schnell
auch als politischer Widerstand gedeutet werden konnte. Nicht umsonst drohte der Berliner
Propst und Vortragende Rat Roß den Mitgliedern der reformierten Gemeinde Elberfeld mit
„großen Unannehmlichkeiten“, wenn sie die
königlichen Befehle nicht befolgen würden.69
Dabei ging es den von der Heydts keineswegs
um politische Veränderung. Sie standen
grundsätzlich der konstitutionellen Monarchie
nahe. Besonders liberales Denken war ihnen
fremd. Bemerkenswerterweise verdächtigte
Daniel von der Heydt Friedrich Wilhelm III.
der Förderung des Liberalismus:
Seine Unionsbefehle befreundeten ihn [den
König] dem Liberalismus; ich sage nicht, dass
er diese Freundschaft gesucht hätte.70
Als Folge der Union habe die Kirche ihren
Einfluss auf „das Leben und den Wandel der
Gesamtheit ihrer Glieder“ verloren, sie habe
keinen Einfluss mehr auf deren politische Meinung, sie lehre nicht mehr den Gehorsam gegenüber König und Obrigkeit. Vor allem aber
würde die Notwendigkeit des Gehorsams unter
Gottes Wort nicht mehr akzeptiert.71 Daniel
von der Heydt trennt Staat und Kirche durchaus nicht in zwei Reiche. Er denkt vielmehr
noch sehr stark in der Kategorie einer gottgewollten Ordnung, der sich auch der König unterordnen muss. Somit erscheint er als reformierter Christ ohne jegliche Brüche. Unter
dem Vorbehalt, dass eine Bezeichnung immer
eine Verkürzung sein muss, würde ich Daniel
den Dogmatiker der Brüder von der Heydt
nennen. Auf seinen Bruder Carl passt eher die
Bezeichnung Gelehrter. In dem Kampf um die
Kirchenordnung trat er sehr viel leiser auf als
sein Bruder Daniel. Einige Arbeit leistete er im
Verborgenen, zum Beispiel half er Kohlbrügge
bei der Abfassung der theologischen Schrift
„Das alte Testament nach seinem wahren Sinn
gewürdigt aus den Schriften der Evangelisten
und Apostel“.72 Er hinterließ auch eigenständige theologische Werke.73 In einem Konflikt,
der sich an seinem Sohn Karl Friedrich entzündete, erwies er sich zudem als toleranter. Ich
komme darauf weiter unten zurück.
August schließlich wäre eher ein Pragmatiker zu nennen. Schon im Elberfelder Schulkampf bewies er einiges Verhandlungsgeschick, als er die Forderungen der Regierung
unterlief und so den Untergang der Lateinschule verhindern konnte. Auch in den Auseinandersetzungen um die Union trat er mit sicherem Gespür für den gegebenen Handlungspielraum auf. So jedenfalls kann man seinen auf
rechtlichen, nicht theologischen Argumenten
aufgebauten Versuch deuten, die Kirchenwahlen zu stoppen. Auch die Ausnutzung der ministeriellen Beziehungen spricht dafür. Dabei ist
er wie seine Brüder von der Auffassung durchdrungen, dass ihn Kirche „etwas angeht“.
Aus der Generation der Enkel:
Karl Friedrich und Bernhard
Für die Frage, ob und wieweit die religiöse
Prägung von Daniel und Wilhelmina das Leben der Nachkommen beeinflusste, ist die Betrachtung der Enkel Karl Friedrich, kurz Fritz
genannt, und Bernhard relevant.74 Fritz von der
Heydt wurde am 24.2.1829 in Elberfeld geboren. Sein Vater war Carl von der Heydt. Fritz
von der Heydt wirkte seit 1854 als Teilhaber
der Bank. Seniorchef wurde er allerdings
nicht, da er bereits am 10.3.1861 starb.
Im Winter 1856 erregte die Bekanntgabe
seiner Verlobung mit Maria Therese von Hurter
öffentliches Aufsehen in der niederländisch-reformierten Gemeinde, in der er seit einem Jahr
das Amt eines Diakon bekleidete. Es gibt verschiedene Versionen über den Hergang der Angelegenheit, die sich rasch zu einer ernsthaften
Gemeindekrise ausweitete.75 Der Prediger der
niederländisch-reformierten Gemeinde, Kohlbrügge, hatte auf die Verlobungsnachricht von
Fritz von der Heydt ausgesprochen verärgert
reagiert.76 Hinzu kam, dass Fritz am 15.11.1856
in der Gesellschaft „Casino“ ein Konzert besucht hatte, was nach den strengen reformierten
Grundsätzen seiner Gemeinde als weltliches
Vergnügen missbilligt wurde.77
33
Fritz von der Heydt geriet immer mehr in
die Schusslinie. Nach einer Sonntagspredigt
am 16.11.1856 entstand gar der Eindruck in
der Gemeinde, dass Kohlbrügge wegen der aktuellen Auseinandersetzung von einer Reise
nach Holland, die er wenige Tage später unternahm, nicht nach Elberfeld zurückkehren wolle. Ob Kohlbrügge das wirklich in Erwägung
gezogen hatte, ist nicht bekannt. Nach seiner
Rückkehr jedenfalls stellte er ein Ultimatum:
Entweder unterstelle sich Fritz von der Heydt
der Kirchenzucht, oder er, Kohlbrügge, trete
von seinem Predigeramt zurück. In der Gemeinde herrschte helle Aufregung. Einige Älteste versuchten zwischen Vater und Sohn von
der Heydt und Kohlbrügge zu vermitteln; Daniel von der Heydt und der Schwager Louis
Frowein, damals Kirchmeister der niederländisch-reformierten Gemeinde, schalteten sich
ein. Schließlich setzte sich Kohlbrügge durch:
Er brachte die Mehrheit des Presbyteriums und
die Gemeindeversammlung hinter sich und
verlangte, dass Fritz von der Heydt Abbitte leisten sollte.78
In Absprache mit seinem Vater verweigerte
er das und trat aus der Gemeinde aus. Mit ihm
verließen auch sein Vater und dessen Familie,
die Familie Louis Frowein, die Presbyter August Wolff und Johann Conrad Fabian sowie
der Organist die Gemeinde. Daniel von der
Heydt allerdings blieb Mitglied der niederländisch-reformierten Gemeinde; er brach nach
dem Austritt seiner Verwandten den persönlichen Kontakt mit ihnen ab und verließ auch
das gemeinsame Geschäft.
Fritz erklärte sich die Eskalation damit,
dass ihn Kohlbrügge wohl selbst als Ehekandidaten für seine Tochter in Betracht gezogen
hatte. Diese Erklärung greift sicherlich zu kurz
– es wäre eine völlige Überreaktion Kohlbrügges, wegen entsprechend enttäuschter Hoffnungen die gesamte Gemeinde in solchen Aufruhr zu bringen. Außerdem dürfte ihm eine
Verbindung seiner Tochter mit dem „Weltkind“ Fritz nicht wünschenswert erschienen
sein. Auch die Tatsache, dass Maria von Hurter
nicht der niederländisch-reformierten, sondern
der reformierten Gemeinde angehörte, kann
kaum die Ursache für eine solche Kraft-
34
probe gewesen sein. Schließlich duldete man
„Mischehen“ durchaus.79
Betrachtet man die Auslassungen Fritz von
der Heydts über seinen Austritt aus der Gemeinde, werden die Hintergründe der Auseinandersetzung verständlich. Er marginalsierte
die Kritik an seinem Konzertbesuch am
15.11.1856 als „künstliche Aufregung“ und
schrieb:
Vor mehreren Jahren hatte ich diese Frage
[der Konzertbesuche] mit Pastor K.[ohlbrügge] besprochen. Die Bedenken, die er mir damals dagegen mit Nachdruck aussprach [...]
konnte ich nicht als berechtigt und seine Gründe nicht als stichhaltig anerkennen. Er bedauerte schließlich meinen Entschluss, ohne aber
von ferne durchblicken zu lassen, dass ein
Concertbesuch je Anstoß zu einem Act der Kirchenzucht geben könne.80
Er habe weiterhin Konzerte besucht und
nie sei deswegen Kritik geäußert worden. Aus
heutiger Sicht macht Kohlbrügge eine schlechte Figur; er wirkt kleinlich, wenn er die bisher
geduldeten Konzertbesuche mit einem Mal so
scharf ins Visier nimmt. Seine Haltung wird
verständlicher, wenn man bedenkt, dass Fritz
die Regeln kannte, sich aber einfach über die
Ermahnungen des Pastors hinwegsetzte. Er
stellte somit die Autorität des Pfarrers in Frage.
Fritz begründete dies sehr ausführlich. Seine Auslassungen zeigen, wie sehr er sich von
den Grundsätzen der reformierten Gemeinde
emanzipiert hat. So führt er aus, dass die
„Mehrzahl“ der Gemeindeglieder „weltliche
Belustigungen“ ablehnten, und er das Recht
des Christen gewahrt wissen wollte, all diejenigen Dinge zu unterlassen, welche nach der
jeweiligen „Lebenswürdigung“ und nach dem
„Stand der Bedürfnisse“ für ihn nicht in Frage
kommen. Er plädiert hier für Toleranz gegen
den anders Lebenden und wendet sich damit
gegen „das Volk“, das die „Fienen“ wegen ihrer asketischen Lebensführung verspottete.81
Jeder Christ solle sein „äußeres Leben“ so einrichten, wie es mit seinem inneren Denken und
Sein übereinstimme, fordert er. Die freiwillig
gewählte Askese sei nicht nur äußere „Selbstbeschränkung, sondern vielmehr Betätigung
christlicher Freiheit“.
Dieselbe Toleranz, die er den Strenggläubigen hier zugesteht, nimmt er ganz selbstverständlich auch für sich in Anspruch. Der Christ
solle die „höheren Güter“, wie Kunst und Wissenschaften, nicht ablehnen, da sie ihm die
Freude an den „ewigen Dingen“ nicht
schmälere.82 So wie Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten, Gefallen an schöner
Kleidung, Einrichtung oder Gärten, Reisen
oder gutem Essen und Trinken als „unverfänglich“ gelten würden, so müsse auch der Konzertbesuch als Beschäftigung mit „höheren
Dingen“ erlaubt sein.83 Andernfalls laufe die
niederländisch-reformierte Gemeinde Gefahr,
„ein schablonenmäßiges Christentum hervorzurufen“ und „die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu hindern.“84
Fritz von der Heydt fordert in seiner Stellungnahme zum Gemeindekonflikt das Recht
auf Selbstbestimmung. Für ihn bedeutet christliche Freiheit immer zugleich die Freiheit des
Individuums. Die Rechte des Individuums gehen dabei auch zu Lasten der Geschlossenheit
der Gemeinde. Einen besonders massiven Angriff auf ihre Einheit enthalten seine folgenden
Zeilen:
Es schien mir bedenklich, dass jeder mit
demselben Maß gemessen, dass von jedem
dieselbe Lebensauffassung gefordert werden
sollte, ohne Rücksicht auf Bildung u.[nd]
Stand, ohne Rücksicht auf die Gefühle u.[nd]
Bedürfnisse der Jugend in Gegensatz zu denen
des Alters, ohne Rücksicht auf individuelle Eigenthümlichkeiten und Entwicklungen.85
Das heißt im Klartext, dass für den Gebildeten andere Lebensregeln gelten als für den
Nicht-Gebildeten oder junge Menschen anders
leben dürfen als alte; die „Rücksicht“ auf die
„Eigentümlichkeiten“ unterwirft die gesellschaftlichen Normen der Freiheit des Individuums. Die Allgemeinverbindlichkeit der kirchlichen Normen ist damit aufgehoben.
Von daher muss Fritz von der Heydt auch
die Autorität Kohlbrügges in Frage stellen –
und er tut dies in dem Gespräch mit den Presbytern am 2.12.1856, in dem er aufgefordert
wird, sich der Kirchenzucht zu unterwerfen. Er
versucht, seine Einwände gegen die ihm gemachten Auflagen „vernünftig“ zu besprechen,
ohne zu begreifen, dass die Presbyter sich auf
eine solche Diskussion nicht einlassen können.
Vorwurfsvoll schreibt er:
Eine Diskussion aber war mit diesen Männern nicht zu führen, sie hielten sich an den
Satz: ein Prophet in seinem Amte könne nicht
irren, K.[ohlbrügge] sei ein Prophet, folglich
auch sein Thun das eines Propheten und dem
göttlichen Willen und Worte gemäß, und da
müsse sich das Gemeindeglied dem Worte unterwerfen.
Fritz reagiert mit völligem Unverständnis
auf den absoluten Anspruch des göttlichen
Wortes, wie ihn Kohlbrügge vertritt. Er hält
das Recht auf Selbstbestimmung und die Kraft
der Vernunft diesem zumindest für ebenbürtig.
Die Abstimmung persönlicher Lebensgestaltung mit den von Kohlbrügge vorgegebenen
Grundregeln des Glaubens scheinen ihm verhandelbar. Er hatte dies ja auch schon in einem
früheren Gespräch mit Kohlbrügge versucht.86
Eine solche Einstellung konnte Kohlbrügge
unmöglich akzeptieren. Von seinem Standpunkt aus war es folglich unabdingbar, die so
nebensächlich scheinenden Konzertbesuche zu
unterbinden.
In Fritz von der Heydt trat Kohlbrügge
nicht nur ein harmloser Konzertbesucher entgegen, sondern in ihm personifizierte sich eine
fortschreitende Entkirchlichung. Den strengen
Normen der niederländisch-reformierten Gemeinde wollte Fritz von der Heydt sich nicht
unbedingt unterwerfen. Dies bedeutete keine
Absage an seinen Glauben, denn er war sich
sehr wohl des Unterschiedes zwischen der
„Welt und den Kindern Gottes bewusst“.87 Der
Gegensatz zwischen Weltkindern und Kindern
Gottes sei ein tief innerlicher, so heißt es bei
ihm. Aber, so fährt er fort, sie haben „im äußerlichen“ die meisten Gebete gemeinsam. Mit
dieser Haltung öffnet sich Fritz von der Heydt
seiner Umwelt sehr deutlich.
Die freizügigere Lebensart geht dabei vermutlich auf den Einfluss seiner Mutter zurück.
Jedenfalls berichtet die Cousine von Fritz, Alwine Lischke, von dem Einfluss der „weltlicheren Tante Carl“, der Frau von Carl von der
Heydt, Julie.88 Zum Beispiel habe Julie von der
Heydt für die Verlobungsfeier von Alwine und
35
Carl Lischke eine Opernsängerin engagiert.
Nach deren Auftritt verließ Kohlbrügge mit
seiner Tochter, die selbstverständlich eingeladen waren, das Fest. Der Konflikt mit Fritz von
der Heydt im Jahr 1856 hatte also durchaus ein
Vorspiel – Alwine und Carl heirateten 1854. Es
war keineswegs so, dass Kohlbrügge von ihm
als Fehlverhalten angesehenes Benehmen stillschweigend duldete, wie es Fritz von der
Heydt darstellt.
Offensichtlich hatte auch die Lebensführung
seiner Eltern schon im Vorfeld Anstoss erregt.
Die Verlobung und der Konzertbesuch waren
demnach nur der sprichwörtliche Tropfen, der
das Fass zum Überlaufen brachte. Kohlbrügge
musste um die Identität seiner Gemeinde fürchten, wenn sich selbst ihre Funktionsträger nicht
an seine Leitsätze hielten. Hinzu kam sicherlich
eine veränderte kirchenpolitische Lage. Friedrich Wilhelm IV. betrieb eine sehr viel
gemäßigtere Kirchenpolitik als sein Vorgänger.
In diesem Klima gediehen Bemühungen um eine Wiedervereinigung der reformierten und der
niederländisch-reformierten Gemeinde, die wesentlich von den Brüdern August und Carl von
der Heydt betrieben wurden.89
Ihr Verhalten dokumentiert bei aller Frömmigkeit, die man ihnen allen sicherlich nicht
absprechen darf, ein sehr ausgeprägtes bürgerliches Selbstbewusstsein. Indem sie sich hinter
Fritz von der Heydt stellen, unterstützen sie
dessen Verlangen nach bürgerlicher Selbstbestimmung. Anders als Daniel erkennen sie das
Wort Kohlbrügges nicht als „prophetisch“ und
damit unantastbar an.
Carl und Daniel von der Heydt waren noch
bereit, für ihren Glauben eine Auseinandersetzung mit der staatlichen Obrigkeit in Kauf zu
nehmen. Bei Fritz von der Heydt haben sich
die Prioritäten verschoben. Er streitet für seine
bürgerliche Freiheit gegen die kirchliche Obrigkeit. Seinen Glauben hat er deswegen aber
keineswegs verloren. Schließlich arbeitete
auch er als Presbyter und Diakon aktiv in der
Gemeinde mit. Zu einem Konflikt mit der Gemeinde kam es erst, als er eine Entscheidung
zwischen seinem bürgerlichen Lebensstil und
den strengen Regeln der reformierten Religionsausübung treffen musste. Vor diese Wahl
36
gestellt, entschied er sich dafür, seine bürgerlichen Rechte zu verteidigen.
Auch sein Vetter Bernhard geriet als junger
Mann in ernsthafte Konflikte mit den Grundsätzen seiner frommen Erziehung.90 Anders als
sein Vetter Fritz konnte er sich aber aus den familiären Zwängen nicht befreien. Bernhard
von der Heydt wurde am 25.9.1840 als Sohn
des Ministers August von der Heydt geboren.
Abweichend von der Familientradition ergriff
er den Beruf des Landwirts. Bernhard von der
Heydt starb am 9.1.1907 in Berlin.
Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr lief
sein Leben in geordneten Bahnen. Zwar wirkte
sich der Umzug der Eltern nach Berlin nachteilig auf seine schulischen Leistungen aus, aber
schließlich schaffte er doch noch sein Abitur.
Sein Alltag verging in geradezu ödem Gleichmaß. Morgens ging er zur Schule, nachmittags
erhielt er zusätzlichen Unterricht bei einem
Hauslehrer, in den freien Stunden wurde er
spazierengefahren; sonntags besuchte er die
Kirche und anschließend ebenfalls in Berlin
wohnende Verwandte, zum Beispiel seine Tante Johanna, die mit dem Hofprediger Friedrich
Strauß verheiratet war. Kontakt zu Gleichaltrigen pflegte er nur wenig, was er bedauerte,
aber wohl von den Eltern so gewünscht wurde.
Im Großen und Ganzen wuchs er ausgesprochen behütet auf.91
Im Herbst 1860 verließ Bernhard von der
Heydt Berlin und begann auf dem Gut von August von Rospatt, das nördlich von Berlin bei
Briese lag, eine Ausbildung als Landwirt. Zu
seiner Berufswahl schrieb er:
Worauf sich nun gerade diese Vorliebe für
den landwirtschaftlichen Beruf begründete,
kann ich eigentlich nicht genau angeben, glaube indessen der Wahrheit am nächsten zu kommen, wenn ich ihn auf die mir angeborene
Liebhaberei für Thiere zurückführe.92
Liebe zu Tieren scheint nun nicht gerade
hinreichend für die Berufswahl. Fest steht
aber, dass sich Bernhard von der Heydt für ein
Studium nicht begabt hielt. Der Beruf des
Landwirts hingegen schien ihm geeignet, weil
man weder „positive Kenntnisse zu besitzen,
noch sich geistig zu rühren nötig hätte“.93
Schon bei dem Zwanzigjährigen zeigt sich
mithin eine Rentnermentalität, die sich sehr
deutlich von den Lebenszielen seiner ambitionierten Verwandten absetzt. Von seinem Leben
als Landwirt entwarf Bernhard von der Heydt
eine idyllische Vorstellung. Das „höchste Ziel
seiner Wünsche“ sei es gewesen, eine „bescheidene ländliche Besitzung“ sein Eigentum
zu nennen, dieses selbst zu bewirtschaften und
neben der herrlichen Landschaft ein glückliches Familienleben zu genießen. Vor allen
Dingen aber suchte er ein „treues braves
Weib“.94
Bei seiner Ankunft in Briese fand er seinen
Vorstellungen entsprechende Verhältnisse vor.
Die Familie von Rospatt nahm ihn „wie einen
Sohn“ auf, er fand „einen so schönen Ersatz
für das eben verlassene Vaterhaus“.95 Auch die
Suche nach einem „treuen und braven Weib“
schien ihm bereits mit Erfolg gekrönt: Er verliebte sich unsterblich in die Tochter des Hauses, Jenny. In seinem Lebensspiegel schreibt er
rückblickend auf seine Jugendliebe:
Ich werde nie, niemals die selige, beglückende Stunde vergessen, als unsre liebenden Herzen einander fanden, als wir gemeinsam mit bebenden Lippen, unter stillen Thränen der Wehmuth, um den göttlichen Segen für
unsere Liebe flehten!96
Nach seinem Tagebuch ist diese Begegnung wahrscheinlich eine von wenigen Gelegenheiten, die Jenny und Bernhard von der
Heydt allein zusammen waren. So findet sich
unter dem Datum des 25.10.1860 ein Hinweis
auf eine nächtliche „Huldigung“, die offenbar
kurz vorher stattgefunden hatte und nicht unbemerkt geblieben war.97 Die „beglückende
Stunde“ datiert auf den 27.10.1860, wie die
Beschreibung einer dieser ganz ähnlichen Szene durch Bernhard von der Heydt belegt.98 Am
darauf folgenden Tag trifft er Jenny abermals
allein. Auch am Montag, den 29.10., gelang
den beiden eine Verabredung, die aber wohl
nur ein „Viertelstündchen“ dauerte.99 Eine
ganze Stunde Zeit verbrachten die beiden in
der Abgeschiedenheit von Bernhards Zimmer
am Dienstag.100 Am Donnerstag und Freitag –
Mittwochs war Jenny nicht auf dem Gut gewesen – trafen sie sich abends im Orangeriehaus.101 Samstag kam Jenny abermals auf
Bernhards Zimmer, wo sie eine Stunde
blieb.102 Weitere Gelegenheiten ergaben sich
am Sonntag, den 4.11.1860, am Montag und
am Dienstag.103
Dann trifft am 7.11.1860 der Brief seines
Vaters ein, dem Bernhard von der heimlichen
Verlobung geschrieben hatte, und in dem August von der Heydt die Beziehung strikt untersagte. Bernhard wurde nach Berlin zitiert; er
kam zwar noch einmal nach Briese zurück, um
seine Sachen zu packen, doch sah er Jenny
nicht wieder. Leider ist der Brief des Vaters unauffindbar, darum liegt nur die Wiedergabe aus
dem Tagebuch vor. Darin heißt es:
Ich [Bernhard] müsse mir klar darüber
sein, dass ich in meinem Alter und in der Lage,
in welcher ich mich befinde, nicht berechtigt
gewesen sei, ein derartiges [Verlobungs-] Versprechen zu geben, welches mich für die Zukunft binde. Sie [die Eltern] könnten dazu
nicht nur nicht ihre Zustimmung geben, sondern dürften auch jetzt in keiner Weise eine Erklärung für die Zukunft abgeben.104
Ganz ähnlich hatten sich bereits die Eltern
von Jenny in einem Gespräch, dass am
25.10.1860 stattfand, geäußert. Auch sie hielten Bernhard von der Heydt für zu jung; Jenny
hingegen sei schon „mannbar“.105 In seinem
rückblickenden Lebensspiegel erwähnt Bernhard übrigens die Absage von Jenny´s Eltern
nicht. Auch die Haltung seiner Eltern kritisiert
er wenn, dann nur andeutungsweise. Er deutete
die Liebe zu Jenny und auch den Verzicht auf
diese als Willen Gottes:
[...] als mein Herz damals in aller jugendlichen Treue der ersten reinen Liebe und dem
beseligenden Gefühl erwiderter Liebe erglühte, da führte ich all´ mein Glück auf die sichtbare unmittelbare Führung des lieben Gottes
zurück. [...] Doch als mir der Herr durch die
unerwartete Enttäuschung meiner wahrhaftig
so aufrichtigen und gläubigen Zuversicht, eine
bittere, harte Prüfung auferlegte, da bestand
ich diese nicht; ich haderte mit meinem Gott,
der Bau meines Gottvertrauens wankte, das
kindlich fromme Gemüth erhielt seinen ersten
Stoss.106
Bernhard von der Heydt suchte die Schuld
für das Scheitern seiner Verbindung mit Jenny
37
bei sich, sein Glauben daran, dass Gott seine
Gebete erhören musste, wenn er der Gnade
Gottes wert sei, zerstörte sein Selbstwertgefühl. Mit „kindlich-frommen Gemüth“ habe er
noch in reiferen Jahren – Bernhard ist zum
Zeitpunkt dieser Niederschrift gerade 26 Jahre
alt – geglaubt, dem Gebet müsse die Erhörung
auf dem Fuße folgen.107 Diese Zuversicht habe
er nach der Begebenheit mit Jenny verloren.
Seine erste große Liebe stürzt Bernhard
von der Heydt in eine tiefe Identitätskrise. Er
gerät in einen unauflöslichen Konflikt zwischen seiner erwachenden Sexualität und den
Glaubensgrundsätzen seiner reformierten Erziehung. Er war in dem Glauben an einen allmächtigen, strafenden Gott erzogen worden:
Auf der einen Seite standen die „Verheißungen
des göttlichen Wortes“, auf der anderen die
„Furcht vor der Strafe, eine unbestimmte Ahnung des Bösen“.108 Aber die ihm abverlangte
sexuelle Enthaltsamkeit überfordert ihn. In seinen Augen zeigt dies seinen persönlichen
„Verfall“.109 Nach seiner Rückkehr nach Berlin, wo er dann seiner Militärpflicht nachkam,
sei eine „gänzliche Wandlung“ sowohl hinsichtlich seiner „Sittlichkeit“ als auch seines
„religiösen Lebens“ eingetreten. Das „weibliche Geschlecht“ sei nun zum „Ziele verwerflichen Trachtens“ geworden. Er habe seinen „erwachten eigenen sinnlichen Trieben“ nachgegeben und vom „Baum der Erkenntnis“ gekostet, er habe mit „verächtlichen Kreaturen des
weiblichen Geschlechts verbotenen Umgang
getrieben.“110 Schon seine Wortwahl zeigt, wie
sehr Bernhard von der Heydt seine Sexualität
mit der Sünde schlechthin synonym setzt.
Auch die Herabsetzung von Frauen gehört in
diesen Zusammenhang.
In seinen Äußerungen finden sich die
Normvorstellungen der evangelischen Kirchen
über das Verhältnis von Mann und Frau, die
wesentlich auf der Überzeugung von polaren
„Geschlechtscharakteren“ beruhte.111 Männer
galten darin als aktiv, rational, Frauen als eher
passiv und emotional. Ihre Vollendung als
Menschen erlangten sie nur als eheliches
Paar.112 Die Ehe galt dabei natürlich nicht als
partnerschaftliche Beziehung, sondern als
Ebenbild der mystischen Lebensgemeinschaft
38
zwischen Christus und der Kirche.113 Auch
Bernhard von der Heydt suchte, ganz gefangen
in dieser Vorstellung, nach einem „treuen, braven Weib“.114 Als ihm dieses Ideal versagt
blieb, erlag er den weiblichen Versuchungen.
Seine Anspielungen auf den Sündenfall sind
deutlich: Er habe „vom Baum der Erkenntnis
gekostet“.115 Seine religiöse Erziehung lässt
ihn seinen „Sündenfall“ als Kampf zwischen
dem Guten und Bösen erscheinen. Bezeichnend ist auch die sich an das Bild vom gefallenen Engel anlehnende Formulierung „ich
fiel“.116 Mit ihr erhält der Kampf zwischen Gut
und Böse die Dimension des Kampfes zwischen dem Reich Gottes und dem Reich der
Finsternis, des Teufels, um die Seele des Menschen. Grundlage einer solchen Erziehung ist
die pietistische Erziehung prägende pessimistische Anthropologie. Die Sündhaftigkeit des
Menschen verlangt nach dieser Auffassung
nach einer besonders strengen Zucht, die Erziehung muss unbedingten Gehorsam einfordern, sonst gewinnt die verdorbene Natur die
Oberhand.117 Bernhard von der Heydt gelingt
es nicht, diesen Anspruch der Religion und seine Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen.
Bei ihm zeigt sich ein psychologisches Symptom, dass eindrucksvoll als „Gottesvergiftung“ beschrieben worden ist.118
Aus der Generation der Urenkel: Karl
Im Sinne der hier anstehenden Prämisse
lohnt eine Betrachtung von Karl von der
Heydt.119 Er wurde am 31.7.1858 in Elberfeld
als Sohn von Fritz geboren. Da sein Vater
starb, als Karl gerade drei Jahre alt war, oblag
seine Erziehung seinem Großvater Carl. Die
Erziehung des Großvaters unterlag den strengen Regeln seines reformierten Glaubens. Jeden Morgen wurde ein Psalm und ein Kapitel
aus dem Neuen Testament gelesen, jeder
Abend schloss mit einem Kapitel aus dem Alten Testament. Kontakte zu Gleichaltrigen
richteten sich nach den hohen Ansprüchen des
Großvaters, der den Umgang mit „Weltkindern“ strikt verbot. Anders als sein Onkel
Bernhard litt Karl aber nicht unter der strengen
Erziehung. In einer Schrift „Meine Jugend“
schildert Karl den Großvater als besonders liebevollen Erzieher, der spannende Geschichten
erzählte und in liebenswerter Inkonsequenz zu
Weihnachten den Besuch bei der „weltlichen“
Familie der Mutter, den von Hurters, erlaubte,
wo es einen im großväterlichen Haus verpönten Weihnachtsbaum gab.
1872 ging Karl nach Berlin und trat dort
seinen Militärdienst an. Nach der Rückkehr
nach Elberfeld immatrikulierte er sich an der
philosophischen Fakultät in Bonn, brach sein
Studium aber nach kurzer Zeit wieder ab und
trat 1881 als Teilhaber in das Familienunternehmen ein. Immerhin 14 Jahre arbeitete er
dort, bis er sich 1890 entschloss, nach Berlin
zu gehen und dort eine eigene Bankfirma „von
der Heydt & Co.“ zu gründen. Am 1.1.1900
schied er endgültig aus der elterlichen Bank
aus.120 Er starb am 9.8.1922 in Bad Godesberg.
Karl von der Heydt beschäftigte sich intensiv mit Literatur und verfasste auch selbst Dramen und Prosa.121 Zu Rainer Maria Rilke
pflegte er dauernden Kontakt.122 Eine dieser
ähnlichen Beziehung unterhielt er auch zu dem
Bildhauer Wilhelm Neumann-Torburg.123 Besonders aber engagierte er sich in seinen jungen Jahren für die entstehende deutsche Kolonialbewegung, die sich um den Elberfelder
Missionsinspektor Friedrich Fabri und den
Afrikareisenden Carl Peters sammelte.124
Sowohl im Zusammenhang mit Fabri als
auch mit Peters fällt immer wieder der Name
Karl von der Heydts. Bereits 1884 wurde er
Mitglied in Fabris „Westdeutschem Verein für
Kolonisation und Export“.125 1885 finanzierte
er die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“
von Peters mit einer Einlage von 100.000
Mark und rettete diese damit vor dem Bankerott.126 Dabei beließ er es keineswegs bei einer stillen Teilhaberschaft. Vielmehr begann
er, nachdem er Dank seiner Finanzkraft Vorstandsmitglied geworden war, die Stellung von
Peters systematisch zu untergraben, was ihm
auch durch die Umwandlung der „DeutschOstafrikanischen Gesellschaft“ in eine Aktiengesellschaft und, als diese Maßnahme nicht
den gewünschten Erfolg zeigte, in eine Korporation, gelang.127 Nunmehr lag die Entschei-
Karl von der Heydt (1858–1922). – Alle Abbildungen dieses Aufsatzes sind entnommen aus:
Marie-Luise Baum: Die von der Heydts aus Elberfeld, 1964.
dungsgewalt der Gesellschaft bei der Hauptversammlung, in der die kapitalkräftigsten
Mitglieder dominierten.
Während er als Finanzier offenkundig
tüchtig war – das zeigen zum Beispiel seine
Erfolge aus der Umstrukturierung der
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft – trat
er politisch programmatisch in der Kolonialbewegung nicht in Erscheinung. Seine Äußerungen zur Kolonialpolitik sind eher versteckt.
Hemmungen, weitgesteckte politische Ziele offenzulegen, zeigten sich bereits bei zwei
anonym im „Deutschen Wochenblatt“ veröffentlichten Artikeln „Auf der Schwelle des
Weltkrieges“ aus dem Oktober 1891.128 In diesen befürwortete er, allerdings ohne mit seinem Namen dafür einzustehen, einen „Weltkrieg“, der dem Deutschen Reich den nötigen
39
„Ellbogenraum“ verschaffen würde. Deutschland sei seiner „mehr als 1000jährigen (sic!)
Kultur verpflichtet“. Es greift meines Erachtens zu kurz, die von Karl von der Heydt öffentlich geübte Zurückhaltung mit auf das Ansehen der Familie und der Bank gerichtetem
Kalkül zu erklären.129 Das würde bedeuten, das
es einen „echten“ Karl von der Heydt gegeben
habe und einen, der seine Ziele und Motive zu
verschleiern suchte. Doch dazu fehlte es seinem politisches Handeln eindeutig an Stringenz.
Karl von der Heydt unterstützte mit seinem
Geld und seinem Namen, aber er ging nicht
voran und trat beispielsweise als Redner auf.
Ein Mann der vordersten Linie war er offenkundig nicht. Auch seine praktische politische
Arbeit, wie seine Tätigkeit im Allgemeinen
Deutschen Verband, zeugt von mangelnder politischer Durchsetzungskraft. Auf der einen
Seite wehrte er antisemitische Offensiven ab,
auf der anderen Seite unterstützte er den Rassetheoretiker Gobineau.130 Desgleichen ist sein
gescheiterter Versuch zur Gründung einer Nationalpartei aus dem Allgemeinen Deutschen
Verband ein Zeugnis für seine politische Unbedarftheit. Seine politischen Äußerungen und
sein politisches Handeln sind merkwürdig diffus und entbehren nicht der inneren Widersprüche, sind dabei aber deutlich völkisch akzentuiert. Innerhalb des Alldeutschen Verbandes sind sie allerdings nicht durchsetzungsfähig. Bei einer Vorstandswahl 1893 unterliegt
Karl von der Heydt dem Gegenkandidaten.
Für Karl von der Heydt bedeutete das den
endgültigen Abschied von der aktiven Politik.
Es ist sicher kein Zufall, dass seine literarischen Veröffentlichungen aus der Zeit nach
seinem Austritt datieren. Es scheint so, als hätte er sich der Literatur verschrieben, nachdem
er als Politiker gescheitert war.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass
Karl von der Heydt nur ungefähr zehn Jahre
politisch zu wirken versuchte. Er zeichnete
sich wohl vor allem durch seinen Reichtum
aus. Von daher ist sehr zu bezweifeln, dass er
ein Politiker „mit großem wirtschaftlichen und
politischen Aktionsradius“ war.131 Eher als ein
„Macher“ war er wohl ein „Mitmacher“.
40
Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik setzte bei Karl von der Heydt offenkundig
ein Umdenkungsprozess ein, der in seinen
Schriften reflektiert ist. In seinen literarischen
Werken thematisierte er auffallend häufig
Konflikte aus Liebesbeziehungen. So ist zum
Beispiel das Drama „Madame Roland“ nur am
Rande ein Schauspiel mit dem Thema französische Revolution.132 Vorrangig geht es um die
Begegnung von zwei Frauen im Gefängnis von
Paris, die den selben Mann lieben. Eben davon
handelt auch „Ada“. In „Schicksalsfittiche“
zerstört die Beziehung einer Mutter zu zwei
Männern die Liebe ihrer Kinder, die, ohne es
zu wissen, Geschwister sind.
„Konrad von Thüringen“ beginnt ebenfalls
wie eine Liebesgeschichte. Im Fortgang entwickelt sich aus Konrad, dem erfolgreichen
Heerführer, ein Mann, der um Vergebung für
seine Sünden ringt. Schließlich begegnet ihm
seine ebenfalls geläuterte Geliebte, Alheydis,
mit der er der Welt entsagt und so Buße tut.
Karl von der Heydt selbst hatte in einem Brief
an Rilke das Schauspiel als Darstellung einer
„seelischen Wandlung durch mystische Versenkung“ bezeichnet.133 Wie hier widmete sich
Karl von der Heydt auch in der Novelle „Der
Priester“ einem religiösen Thema, eingebettet in ein Eifersuchtsdrama. Mit dem Drama
„Jehanne d´Arc“ wandte sich Karl von der
Heydt der Gestalt der von religiös-nationalem
Sendungsbewusstsein beseelten lothringischen
Freiheitskämpferin zu. Gegenüber Schillers
Johanna von Orleans schuf er eine säkularisierte Variante. Seine Jehanne sei eine „Hallucinantin, die Erscheinungen von Engeln sehe
und deshalb glaube, dass sie Abgesandte Gottes sei“, schrieb Karl von der Heydt in seinem
Vorwort.134 Die Besonderheit seiner „Jehanne“
sei die Stärke ihres Glaubens, so fährt Karl von
der Heydt fort.
Der kurze Überblick zeigt, dass er in seinen
literarischen Werken immer wieder religiöse
Fragen thematisierte. Nach seiner politisch aktiven Zeit nahm er eine religiöse Weltsicht an:
„Die Menschheit denkt in Mythen“, räsonierte
er in der Schlussbetrachtung seiner „Herbsttage in Rom“.135 Und er fährt fort:
Und der Mythus, der das ganze Leben einer
Zeit, eines Volkes, einer Menschheit erfasst,
der die Dominante aller ihrer Akkorde bildet,
ist die Religion.136
Nunmehr ist ihm das allesbestimmende
Moment der Weltgeschichte die Religion. In
sichtlich religiösen Deutungsmustern analysiert er an dem Beispiel der Memoiren der Sozialistin Lily Braun die Sozialdemokratie. Die
Sozialdemokratie versteht er als Mythos der
Gegenwart, und er versucht das zu belegen, indem er die Biographie Lily Brauns als Märtyrergeschichte deutet.137 Besonders deutlich beherrschen religiöse Vorstellungen aber seine
Analyse des ersten Weltkriegs.138 Angesichts
des Todes der jungen Soldaten in den Schützengräben fragte Karl von der Heydt nach dem
Ziel dieses Krieges und dem Sinn des Sterbens
auf dem Schlachtfeld. Und er antwortete:
Das Ziel war Gott, denn es galt ja Gott neu
aufzubauen in der Welt. Das war ihre Arbeit zu
der sie gebraucht wurden. Und das war das Namenlose was in der Welt geschah. Sie bauten
Gott mit ihrem Blute und ihren klopfenden
Herzen, und es war als ob die ganze Welt dröhne von ihren Hammerschlägen.139
Seine Gegenwart ist ihm einer „dunklen
Macht“ unterworfen, die Menschen sind
„kraft- und willenlos gegen das Übermächtige“, die Menschen sind die „Spielpuppen, Gott
ist der „Spielleiter“.140 Es sei etwas „riesengroß“ und „riesenstark“ geworden, so heißt es
weiter, und es sei „zulässig, das Gott zu nennen“.141 Gegenüber dieser Macht Gottes verlieren die alten Werte ihre Bedeutung, er nennt
ausdrücklich und in dieser Reihenfolge Vaterland, Freiheit, Weltherrschaft, Demokratie.142
Den Verlust des bisher gültigen thematisiert Karl von der Heydt an zwei weiteren Stellen.143 Die Zukunft aber, so sieht er es, liegt in
Gottes Hand. „Es gibt kein Zurück. Ob es ein
Vorwärts gibt, und ob irgendwie der Weg in eine neue leuchtende Welt führt, das weiß nur
Gott.“144 Dieser Gott ist durchaus kein „deutscher“ Gott, sondern der Herrscher über alle
Völker.145 Auch die Feinde sind dem Willen
Gottes unterworfen. Von daher ließe sich auch
nicht sagen, dass Gott dem deutschen Volk den
Sieg bestimmt habe, denn die „Gigantenkräfte“ wären in allen Völkern entfesselt wor-
den.146 Karl von der Heydt schließt seine Gedanken über den Krieg mit einer flehentlichen
Bitte an Jesus Christus: „Möge er bald herabkommen und die Wogen befrieden. Bald. Denn
es ist die Zeit!“147 Verzweifelt bittet er um Erlösung.
Die „Gedanken über den Krieg“ zeigen einen gewandelten Karl von der Heydt, der nicht
mehr von der Weltherrschaft des deutschen
Volkes träumt, sondern sein Schicksal und das
Schicksal des deutschen Volkes ganz unter die
Fügung von Gottes Willen gestellt sieht. Als
evangelischer Christ gehörte er mit dieser Haltung einer Minderheit an, denn die Mehrzahl
der deutschen Protestanten verlieh dem Krieg
als dem Ausdruck göttlichen Willens eine fast
theologische Dimension.
Aus der Generation der Ururenkel:
Eduard (1882)
Aus der Generation der Ururenkel entziehen sich zwei Nachkommen der Betrachtung.148 Besonders bedauerlich ist dies im Fall
des Sohnes des Museumsgründers. Zwar führte auch dieser ein Tagebuch, doch handelt es
sich dabei mehr um ein Protokoll.149 August
von der Heydt notierte minutiös seine Aktivitäten: Er berichtet von Besuchen bei Verwandten, Konzerten, im Zoologischen Garten. Immer führt er auf, in wessen Gesellschaft er sich
dabei befand. Sein Tagebuch wird so zu einem
kleinen „who´s who“ der Elberfelder Gesellschaft. Sein Lebensstil und die häufige Erwähnung von Damenbekanntschaften lassen ihn
wie einen Playboy der Jahrhundertwende erscheinen. Hinweise auf sein Denken oder
Fühlen lassen sich dem aber nicht entnehmen.
Nach dem Eintritt in das elterliche Bankhaus wurde er zusehends ruhiger. Ein sehr bekanntes Portrait zeigt ihn als schmal gebauten
Mann mit ernstem Gesicht, gekleidet in eine
dunkle Jacke, in deren Ausschnitt auf einem
breiten Tuch ein Kreuz sichtbar wird.150 Da
sein Tagebuch 1937 endet, ist die Ursache seiner Wandlung leider nicht mehr nachvollziehbar. Auch in den Briefen, die er seinem Bruder
Eduard schrieb, tritt seine Persönlichkeit nicht
41
hervor.151 Allerdings erfährt man aus ihnen,
dass August wegen seiner angegriffenen Gesundheit im Sommer des Jahres 1906 einen
längeren Sanatoriumsaufenthalt antreten muss.
1912 wurde August Mitinhaber des Bankhauses, und er bekleidete wie seine Vorfahren öffentliche Ämter. So war er Armenpfleger und
Vorsitzender des Zoologischen Gartens Elberfeld. Näheres über seine Tätigkeiten ist aber
nicht bekannt.152 August von der Heydt starb
am 11.3.1943 in Elberfeld.
Sehr viel mehr ist über seinen Bruder bekannt. Der am 26.9.1882 als Sohn von August
und Selma von der Heydt in Elberfeld geborene Eduard von der Heydt folgte der Familientradition insoweit, als er den Beruf des Bankiers ergriff. Später machte er sich auch als
Kunstsammler einen Namen. Eduard von der
Heydt starb nach einem sicherlich erfüllten,
aber auch konfliktreichen Leben am 3.4.1964
in seinem Haus auf dem Monte Veritá, wo er
die letzten Jahre seines Lebens zurückgezogen
verbrachte.
In seinem Nachlass fand sich eine „Deutsche Christenbibel“ mit Unterstreichungen und
Anmerkungen, die es ermöglicht, Eduard von
der Heydt aus einer bisher unberücksichtigten
Perspektive zu betrachten: als Leser der Bibel.153 Er las sie vermutlich im Bett oder auf einer Zugfahrt; die Unterstreichungen sind
schief, die Fragezeichen und andere Marginalien krumm und teilweise unleserlich. An manchen Stellen strich er Bibelverse in offensichtlicher Erregung mit kräftigen Bleistiftstrichen
in der Form eines großen „X“ durch. Ein Bezug
zu einer bestimmten Lebenssituation lässt sich
nicht mit Sicherheit herstellen. Das Erscheinungsjahr – 1934 – grenzt immerhin hinsichtlich seines Alters ein: Eduard von der Heydt ist
mindestens über 50 Jahre alt. Lediglich vermuten kann man den aktuellen Anlass seiner Bibellektüre. Sollte er in dem Erscheinungsjahr
der Schrift zu lesen begonnen haben, kämen als
Hintergrund Zurückweisungen, die Eduard von
der Heydt in seiner Bereitschaft, Bilder aus seinem Besitz in deutschen Museen auszustellen,
in Frage. Aber selbstverständlich ist auch ein
späterer Zeitpunkt denkbar.
Bei der von ihm benutzten, nur 124 Seiten
42
starken „Deutschen Christenbibel“ handelt es
sich um Texte aus dem Neuen Testament. Der
Herausgeber Barnikol wählte für seine „Christenbibel“ in einem ersten Teil Passagen aus
dem Markus Evangelium über das Leben Jesu
in Galiläa, auf dem Weg nach Jerusalem und
schließlich in Jerusalem, seine Ankündigung
des Weltgerichts sowie seine Passion.154 Der
zweite Teil subsummiert Passagen aus der
Apostelgeschichte und verschiedener PaulusBriefe zur Auferstehungstheologie. In einem
dritten Teil finden sich Bibelstellen, die die jesuanische Ethik verdeutlichen.
Für eine Betrachtung von Eduard von der
Heydts Zugang zur Bibel bieten sich Textstellen aus dem ersten Teil an, weil die Lebensgeschichte Jesu auch bei Nichttheologen als bekannt vorausgesetzt werden darf. Hinzu genommen werden Bibelstellen aus dem letzten
Teil, da ihn diese, wie man an den häufigen
und kräftigen Anstreichungen erkennen kann,
offensichtlich besonders beschäftigt haben.
Besonders hervorgehoben hat Eduard von
der Heydt den Vers Markus 6.1.: Die Stelle
„Und er konnte allda nicht eine einzige Tat tun.
Und er verwunderte sich ihres Unglaubens“ ist
unterstrichen, an der linken Seite doppelt senkrecht angestrichen und mit einem Ausrufungszeichen versehen.155 Er handelt von der ungläubigen Heimatstadt Jesu, Nazareth. Dort
stößt Jesus auf Ablehnung und Kritik und wird
schließlich abgewiesen. In der biblischen
Überlieferung ist der Unglaube der Nazarener
die Ursache dafür, dass Jesus in dieser Stadt
keine Wunder wirken kann. Der Vers enthält
aber auch Hoffnung, denn Jesus setzt die Verkündigung seiner Botschaft fort. Eduard von
der Heydt betont mit seinen Anstreichungen
das Versagen von Jesus.
Der nächste Vers, der Eduard von der
Heydt offensichtlich besonders beschäftigte,
war Markus 7.1.: „Mit ungewaschenen Händen das Brot essen“ ist unterstrichen und am
Rand mit einem Fragezeichen sowie „why“
hervorgehoben. Ebenfalls unterstrichen sind
„sondern was von ihm ausgeht, das ist´s, was
den Menschen gemeine macht“ und [Alle diese bösen Stücke gehen von] „ innen heraus und
machen den Menschen gemein“.156 In diesem
Vers geht es vordergründig um eine Diskussion
der jüdischen Reinheitsvorschriften. Jesus tadelt die Vorschrift des Händewaschens als von
Menschen erdachtes Gebot, das das Gesetz
Gottes verfehle. Eduard von der Heydt fasst
das Händewaschen wohl als rein hygienische
Maßnahme auf; er verkennt mithin die Bedeutung der „wahren Reinheit“, auf die Jesus hier
abzielt, als die Reinheit des inneren Menschen,
die Reinheit seines Denkens und Handelns.
Zugang zu der Bibelstelle verschafft ihm erst
die Erläuterung, die Jesus selbst gibt.157
Verständnisprobleme hat Eduard von der
Heydt auch mit dem Bekenntnis des Petrus in
Markus 8.27.: „Da antwortete Petrus und
sprach zu ihm: Du bist der Messias“ ist unterstrichen, der folgende Absatz ist mit einem
großen Fragezeichen und „Why“ versehen. Das
ist insofern begreiflich, als Barkinol die Leidensankündigung Jesu unterschlägt, die zwischen dem Bekenntnis des Petrus „Du bist der
Messias“ und „Gehe hinter mich, Satan“ steht.
Jesus blickt darin voraus auf seine Leiden, sein
Sterben und seine Auferstehung.158 Von daher
ist die Frage „Why“, die Eduard von der Heydt
dem Text stellt, durchaus verständlich; sie zeigt
aber auch, dass er nicht bibelfest ist.
Mit der Prophezeiung der eigenen Leidensgeschichte verbindet Jesu an zwei Stellen (Mk
9.34 und Mk 10.38) den Gedanken des Dienstes als Grundlage für die Gemeinschaft.
Eduard von der Heydt vermerkte an beiden
Stellen am Rand „silly“.159 Der Gedanke „Will
einer Erster sein, so sei er letzter von allen und
aller Diener“ erschien ihm offensichtlich
dumm.160
Ebenfalls mit „silly“ kommentiert Eduard
von der Heydt den letzten Satz aus Markus
11.32: „So sage ich euch auch nicht, aus was
für Macht ich solches tue.“161 Dieser Satz ist
die Antwort Jesu auf die Frage vor dem Hohen
Rat der Juden nach seiner Vollmacht nach seinem Einzug in Jerusalem und der Vertreibung
der Händler aus dem Tempel. Vorangestellt
hatte er die Frage nach der göttlichen oder
menschlichen Vollmacht des Johannes. Als
diese vom Hohen Rat unbeantwortet bleibt,
lässt er auch die Frage nach seiner eigenen Legitimation offen. Damit betont er seine Ge-
meinschaft mit der Verkündigung des Johannes
von der Gottesherrschaft, die ihre Kraft aus
ihrem Inhalt gewinnt.
Erst in dem sich anschließenden Gleichnis
von den Winzern (Mk 12.1) spricht Jesus von
seiner Vollmacht als Sohn Gottes. Auch diese
Passage hat Eduard an einer Stelle mit der Bemerkung „silly“ versehen.162 Die dadurch vorgenommene Betonung geht am Kern der Textstelle vorbei. Es geht nicht darum, dass der Besitzer des Weinberges unbeirrt Knechte zur
Eintreibung der Abgaben aussendet, obwohl
bereits mehrere von den Pächtern umgebracht
wurden. Zentral ist vielmehr, dass der Vater,
obwohl auch sein Sohn getötet wird, Sieger
bleibt. Das Gleichnis endet „Was wird nun der
Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und
die Weingärtner umbringen und den Weinberg
anderen geben.“ (Mk 12.9).
Die nächste besondere Hervorhebung –
wieder „silly“ – nahm Eduard an der Szene des
betenden Jesus auf dem Ölberg vor: „Und er
kam und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfst du?“ (Mk 14.36).163 Nach
der Feier des Letzten Abendmahls (Mk 14.12–
25) hatte sich Jesus auf den Ölberg zurückgezogen. Dort offenbarte er einigen Jüngern seine Angst vor dem kommenden Leidensweg
und bat sie, bei ihm zu wachen. Im Gebet rang
er um die Kraft, seinem Vater zu gehorchen:
„Lass diesen Kelch vorübergehen an mir; doch
nicht, was ich will, sondern was du willst!“
(Mk 14.36). Als er zurückkehrt, sind seine Jünger eingeschlafen. Die Ölberg-Erzählung
nimmt noch einmal die Prophezeiung des
Letzten Abendmahles vom Abfall der Jünger
auf, die sich dann nach seiner Gefangennahme
erfüllt. In ihr verdichtet sich das Schicksal Jesu. In der Überlieferung betritt Jesus den ihm
vorgeschriebenen Leidensweg keineswegs als
göttlicher Held, sondern als Mensch voller
Angst. Und er betritt den Leidensweg allein.
Während Eduard von der Heydt immerhin soviel Einfühlsvermögen hat, dass er die Angst
Jesu bemerkt – er entsprechende Satz ist unterstrichen – qualifiziert er die Erwartung Jesu,
dass seine Jünger wach bleiben würden, als
„dumm“ ab.164
In der Ausgabe „Deutsche Christenbibel“
43
schließt Barkinol mit Markus 15.39, dem Tod
Jesu am Kreuz und dessen Auswirkungen.165
Bei Eduard von der Heydt steht an dieser
Stelle ein Fragezeichen.166 Das muss nicht
unbedingt bedeuten, dass ihm die Bedeutung
der Kreuzigung verschlossen blieb, es könnte
auch durchaus eine Absage an den christlichen
Glauben sein. In der Theologie ist die Kreuzigung Jesu sowohl der Tod eines Gescheiterten als auch der Durchbruch zur Erkenntnis:
In dem Moment seines letzten Atemzuges
zerreißt der Vorhang im Tempel, und der römische Hauptmann, der dem Kreuz gegenüberstand, erkannte Jesus als Gottes Sohn (Mk
15,38).
Die Bemerkungen, mit denen Eduard von
der Heydt die Lebensgeschichte Jesu begleitet,
lassen den Schluss zu, dass er die Bibel nicht
wie die Heilsgeschichte liest, sondern eher wie
einen Roman. Dies ist seit der Entdeckung des
„historischen Jesus“ durch die Theologie sicher legitim, birgt aber die Gefahr, den Charakter der Evangelien als Glaubenszeugnisse
zu verkennen.167
Besonders deutlich wird seine Unsicherheit
mit den Glaubensinhalten der Bibel, wenn er
sich von dem als Biographie des historischen
Jesus zu lesenden Markus-Evangelium lösen
und den Geboten der jesuanischen Ethik oder
seiner Verkündigung zuwenden muss.
Dies zeigt beispielsweise sein Umgang mit
dem Liebesgebot, das Jesus mit der bekannten
Geschichte vom barmherzigen Samariter (Lk
10.25–37) verdeutlichte.168 Auch die in den
Volksmund übernommene griffige Formel
„Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun,
tut ihnen ebenso“ (Mt 7.12.) findet seine Beachtung. Die Stelle ist mit einem großen „X“
durchgestrichen
und
an
der
Seite
angestrichen.169 Während diese Bibelstellen
von Eduard von der Heydt besonders hervorgehoben werden, übergeht er das eigentlich revolutionäre des jesuanischen Liebesgebotes:170
Mit „Liebet eure Feinde“ (Mt 5.43) wies Jesus
über die alttestamentarische Nächstenliebe
hinaus. Probleme bereitet Eduard von der
Heydt offenkundig auch der Gedanke der Gottesherrschaft, wie sie beispielsweise in Lukas
17.20 ausgedrückt ist. „Wann kommt das
44
Reich Gottes?“, ist senkrecht angestrichen,
teilweise unterstrichen, mit einem großen „X“
durchgestrichen. Auf die Frage, wann das
Reich Gottes komme, antwortete Jesu: „Denn
seht, das Reich Gottes ist in eurer Mitte.“171 Jesus sah in seinem Wirken die Herrschaft Gottes bereits angebrochen.172
Mit seinen teilweise heftigen Reaktionen
auf bestimmte Textstellen weist Eduard von
der Heydt wesentliche christliche Glaubensinhalte zurück. Frage- und Ausrufezeichen sowie
die Bemerkung „silly“ verweisen dabei auf
problematische Stellen: Entweder handelt es
sich um offensichtliche Verständnisprobleme,
wie beim Bekenntnis des Petrus, oder um Probleme bei der Erfassung des geistlichen Gehaltes, wie bei der Kreuzigungsszene. Hier wie
auch bei den Unter- und Anstreichungen
drückt sich ein eher negatives Verhältnis zur
Bibel aus. Er reagiert auf die Lektüre mit Unverständnis, Zweifel und Ablehnung.
Einige Stellen, wie die Geschichte von der
wahren Reinheit oder das Gleichnis mit dem
Winzer, lassen Rückschlüsse auf die Lesart
Eduard von der Heydts zu. Indem er ganze
Passagen nach ihrem wörtlichen Gehalt auffasst, zeigt er sich als ungeschulter Leser, der über
ein in der persönlichen Erfahrung steckenbleibendes Verständnis der Bibel nicht hinauskommt. Aber völlig entfremdet ist der Bibel
wiederum auch nicht. Schließlich nimmt er sie
offenkundig zur Hand, um bei ihr Antworten
zu finden. Vielleicht zeigt sich in diesem Versuch, dass er, obwohl er der Kirche und ihren
Lehren keineswegs nahestand, ein Fragment
der christlichen Tradition seiner Familie bewahrt hat.
Abschließend stellt sich damit die Frage,
wie es um das protestantische Profil der Familie von der Heydt bestellt ist. Zu erkennen ist,
dass die religiösen Konturen keineswegs aus
einem Guss sind. Bereits in der Generation
nach Daniel Heinrich zeigen sich Differenzierungen, die die Einheitlichkeit der protestantischen Prägung der Familie zweifelhaft erscheinen lassen. Trotz dieser Unterschiede war den
Vertretern dieser Generation die Ausübung des
Glaubens und die Befolgung der biblischen
Lehren noch eine Selbstverständlichkeit. Bei
Fritz und Bernhard von der Heydt beginnt die
Umsetzung der Glaubensgrundsätze in das täglichen Leben zu bröckeln. Die bei ihren Vorfahren noch ungeteilte Identität löst sich in Teilidentitäten auf. Man könnte den Konflikt, in
den Fritz mit seiner Gemeinde gerät, als Auseinandersetzung zwischen seiner bürgerlichen
und christlichen Identität treffend beschreiben.
Einem ähnlichen Konflikt unterliegt Bernhard.
Er erfährt seine christlichen Überzeugungen
seinen Bedürfnissen als junger Mensch als diametral entgegen gesetzt. Ein Widerspruch, den
er lange Zeit nicht auflösen kann. In den nachfolgenden Generationen setzt sich dieser Prozeß fort. Bei Karl und Eduard erscheinen die
biblischen Lehren nur noch verzerrt. Besonders Eduard von der Heydt betrachtet das Leben von Jesus unter rein weltlichen Aspekten.
Ein protestantisches Bewußtsein, wie es das
Denken und Handeln ihrer Vorfahren bestimmte, geht ihm völlig ab. Diese kontinuierlich
nachlassende Bindungskraft religiöser Überzeugungen kennzeichnet das protestantische
Profil der Familie von der Heydt. Sie ist im
Vergleich zu anderen Wuppertaler „fienen“ Familien sehr stark ausgeprägt.173 Dennoch – das
Thema „Religion“ im weiteren Sinne beschäftigt auch Eduard noch.
3
4
Anmerkungen
* Die vorliegende Arbeit wurde großzügig vom
von der Heydt-Museum gefördert und wird in
der Publikation „Die von der Heydts, hrsg.
von Sabine Fehlemann u.a. (2001)“, erscheinen.
1 Die Stadt Wuppertal entstand 1929 aus der Zusammenlegung der Städte Elberfeld und Barmen mit den umliegenden Städten, so Ronsdorf, Beyenburg, Cronenberg und Vohwinkel.
2 Schon für das Jahr 1591 ist ein reformiertes
Konsistorium in Elberfeld nachzuweisen, eine
lutherische Gemeinde in Elberfeld bestand seit
1690, ein Jahr später wurde die reformierte
Kirche in Elberfeld eingeweiht. Es folgten die
lutherische Gemeinde Elberfeld (1728), die lutherische Gemeinde Wichlinghausen (1743),
die reformierte Gemeinde in Gemarke (1778),
die lutherische Gemeinde Wupperfeld (1779),
5
6
7
die lutherische Gemeinde Ronsdorf 1789, die
reformierte Gemeinde Ronsdorf (1790), Huttel, Klaus Peter: Wuppertaler Bilddokumente.
Ein Geschichtsbuch zum 19. Jahrhundert in
Bild und Text, hrsg. von Karl-Hermann Beeck,
Bd. 2, Wuppertal 1985, S. 610. Vgl. Norden,
Günther van: Entstehung und Entwicklung der
Kirchengemeinden und der Stadt Ronsdorf
1740–1840, Ein Überblick, in: Goebel, Klaus
(Hg.): Von Eller bis Dürselen, Neue Beiträge
zur Kirchen-und Stadtgeschichte von Wuppertal-Ronsdorf, Köln 1981, S. 161–187; Hübner,
Johannes: Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Barmen-Wupperfeld von
1777–1952, Wuppertal 1953; Werth, Adolf:
Geschichte der reformierten Gemeinde Barmen-Gemarke, Barmen 1902.
Eine Übersicht gibt Illner, Eberhard: Bürgerliche Organisierung in Elberfeld 1775–1850,
Neustadt/Aisch 1982, S. 187.
Bergengrün, Alexander: Staatsminister August
Freiherr von der Heydt, Leipzig 1908, S. 4f,
bezeichnet die Kirchen- und Stadtverwaltung
„auf das innigste miteinander verbunden“.
Vgl. Herberts, Hermann: Alles ist Kirche und
Handel... Wirtschaft und Gesellschaft des
Wuppertals im Vormärz und in der Revolution
1848/49, Bergische Forschungen Bd. 12, Neustadt an der Aisch 1980, S. 81. Der Einfluss
der Honoratioren ging soweit, dass selbst der
preußische Staat Anstoß an der Zusammensetzung des Stadtrates nahm. Die Düsseldorfer
Bezirksregierung verlangte am Ende des Jahres 1827, dass ein neuer Stadtrat zu bilden sei,
in dem „alle Stände sowie die Stadtviertel und
Kirchspiele gehörig vertreten sein sollten„,
weil namentlich in Elberfeld bloß die vermögende Klasse repräsentiert scheine, ebd.
Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel
Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, Die Familien der Söhne, bearb. von Gisela Schniewind, Sonderdruck aus: Deutsches
Familienarchiv, Bd. 67, Neustadt/Aisch 1977,
S. 178.
200 Jahre von der Heydt-Kersten & Söhne
(1754–1954), o.O., o.J. (1954), S. 23. Vgl.
Kurzrock, Hans: Von der Heydt-Kersten &
Söhne, Elberfeld 1754–1929, Elberfeld o.J.
(1929); Institut der bankhistorischen Forschung e.V. (Hg.): Deutsche Bankengeschichte, Bd. 2, Frankfurt/M. 1982.
Breitenbach, Erich: Die Entwicklung der Gesellschaft „Casino“ in Elberfeld 1775–1927,
45
Elberfeld 1927, S. 1–17.
8 Zahn, Adolph (Hg.): Frauenbriefe von Anna
Schlatter, Wilhelmina von der Heydt und
Kleophea Zahn, Halle 18632. Vgl. Zahn,
Adolph: Eine reformierte Frau, [Wilhelmina
von der Heydt] in: ders.: Aus dem Leben eines
reformierten Pastors, Barmen 1881. Adolph
Zahn war mit einer Enkelin von Wilhemina
und Daniel Heinrich verheiratet.
9 Bernhard von der Heydt: Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, abgeschlossen am
23.3.1860, Archiv des Von der Heydt-Museums (MA) II 3 e, S. 8.
10 Hesse, Klugkist H.: Kirchenkunde der evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld, Elberfeld o.J. (1926), S. 22–23.
11 Bergmann, Rudolf: 300 Jahre reformierte Diakonie in Elberfeld, Wuppertal 1977, S. 23.
12 Die Bergische Bibelgesellschaft wurde am
13.6.1814 in Elberfeld gegründet. Sie hatte die
weltweite Bibelverbreitung zum Ziel. Brückmann, Hans: Bibelverbreitung im Rheinland.
175 Jahre Evangelisches Bibelwerk im Rheinland – gegründet als Bergische Bibelgesellschaft im Jahre 1814, Köln 1989, S. 26ff. Vgl.
Diederich, Gustav: Die Bergische Bibelgesellschaft 1814–1914. Festschrift zur 100jährigen
Jubelfeier der Gesellschaft am 15. und
15.7.1914, Elberfeld 1914, Diederich, Gustav/
E. Thienes: 125 Jahre Bergische Bibelgesellschaft, Wuppertal-Elberfeld 1939.
13 Vgl. die Gründung der Elberfelder Missionsgesellschaft durch den Lederhändler Johannes
Ball bei Diederich, Gustav: Die Elberfelder
Missionsgesellschaft von 1799 bis 1899. Eine
Gedenkschrift zur Feier ihres hundertjährigen
Bestehens am 3.6.1899, Elberfeld 1899. Vgl.
Diederich, Gustav: Die Vereine und Anstalten
der Äußeren und Inneren Mission im Wuppertal, Elberfeld 1895.
14 Vgl. Nipperdey, Thomas: Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München
1988, S. 7. Vgl. die These von der „Verbindung
von reformierter Ethik mit kapitalistischem
Geist“ bei Köllmann, Wolfgang: Sozialgeschichte der Stadt Barmen im 19. Jahrhundert,
Tübingen 1960, S. 109. Vgl. Hölscher, Lucian:
Die Religion des Bürgers. Bürgerliche Frömmigkeit und protestantische Kirche im 19.
Jahrhundert, HZ Bd. 250 (1990), S. 595–630.
15 Wie Nipperdey, Religion, aaO., S. 7–8. Vgl.
die These von dem Wandel eines religiös motivierten zu einem ethisch motivierten Verant-
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wortungsbewusstsein bei Vorländer, Herwart:
Evangelische Kirche und soziale Frage in der
werdenden Industriestadt Wuppertal. Eine Untersuchung aufgrund der Unterlagen aus der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Düsseldorf 1963, und die Veränderung vom christlichem Liebesdienst zu bürokratisch organisierter Selbstkontrolle bei Reulecke, Jürgen: Das
Wuppertal, ein Vorreiter im deutschen Modernisierungsprozess, in: Herberts, Alles ist Kirche, aaO. (wie Anm. 4), S. 250.
So erscheint Johanna von der Heydt, Tochter
von Daniel Heinrich und Wilhemina, als die
treue Ehefrau des späteren Hofpredigers Gerhard Friedrich Strauß. Strauß, Gerhard Friedrich: Abend-Glocken-Töne. Erinnerungen eines alten Geistlichen aus seinem Leben, Berlin
1868. Ebenso blass bleibt die mit Adolph Zahn
verheiratete Enkelin von Daniel Heinrich und
Wilhemina namens Pauline in Zahn, Adolph:
Der Großvater [Daniel von der Heydt], Stuttgart 1881.
Bernhard von der Heydt, Tagebuch, aaO., S.
13.
Bergengrün, Staatsminister, aaO. (wie Anm.
4), S. 22. Die Familiengeschichte der Blanks
bestätigt die angespannte finanzielle Situation
des Brautvaters, Blank, Wilhelm: Materialien
zur Geschichte der Familie Blank, Elberfeld
1910, Eintrag 1 (Johann Wilhelm Blank).
Er war vom 6.12.1848–1.10.1862 und vom
5.6.1866–28.20.1869 preußischer Handelsund Finanzminister.
Dazu ausführlich und differenziert Brophy, James M.: Die Grenzen des rheinischen Liberalismus. August von der Heydt und die Revolution von 1848/49, in: Knieriem, Michael
(Hg.): Michels Erwachen – Emanzipation
durch Aufstand? Studien und Dokumente zur
Ausstellung, Neustadt an der Aisch 1998, S.
210–220.
Allgemeine Deutsche Biographie, S. 358–363,
Neue Deutsche Biographie, S. 74–76.
Bergengrün, Staatsminister, aaO., S. 21.
Bernhard von der Heydt, Tagebuch, aaO., S.
13–14.
Bickerich, Wolfgang: Die Liebesarbeit der
Evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld
in fünf Jahrhunderten, in: H. Höhler (Hg.): Besinnung. Gemeindebuch der Evangelisch-reformierten Gemeinde Elberfeld zur 400–JahrFeier, Wuppertal 1952, S. 52.
Bergisches Magazin (22. Stück) vom 17.12.
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1788, zitiert nach: Lube, Barbara: Mythos und
Wirklichkeit des Elberfelder Systems, in: Karl
Hermann Beeck (Hg.): Gründerzeit. Versuch
einer Grenzbestimmung im Wuppertal. Abhandlungen und Spezialbibliographie, Köln
1984, S. 158–185, hier 164.
So Bürgermeister Brüning in den Annalen der
Stadt Elberfeld 1825, S. 146.
Lube, Mythos, aaO., S. 165.
Bickerich, Liebesarbeit, aaO., S. 47. Vgl.
Werth, Adolf: Die reformierte Armenpflege in
Barmen von der Reformation bis zur Gegenwart. Vortrag, gehalten beim 50–jährigen Bestehen des Gemarker Provisoren-Verbandes
am 29.6.1888, Barmen o. J. [1888].
Lube, Mythos, aaO., S. 166f.
Wie es Lube ebd. deutet.
Bergengrün, Staatsminister, aaO., S. 21. Interessanterweise findet sich auch bei Bernhard
von der Heydt, Tagebuch, aaO., kein Hinweis
über die Dauer der Armenfürsorge seines Vaters.
Hesse, Kirchenkunde, aaO. (wie Anm. 10), S.
11.
Jorde, Fritz: Geschichte der Schulen in Elberfeld mit besonderer Berücksichtigung des ältesten Schulwesens, Elberfeld 1903, S. 58–98,
hier 78ff.
Ebd. S. 61.
Sitzung der Schulkommission am 24.11.1831,
Stadtarchiv Wuppertal (StAW) D IV 109.
Scheibe, L.: Zeittafel der Geschichte der Lateinischen Schule und des aus ihr hervorgegangenen Gymnasiums in Elberfeld. Festschrift zur Feier des 300jährigen Bestehens,
Elberfeld 1893.
Bergengrün, Staatsminister, aaO. (wie Anm.
4), S. 16, Lomberg, A.: Bergische Männer, Elberfeld 1921, S. 289.
Baum, Marie-Luise: Die von der Heydts aus
Elberfeld, Wuppertal 1964, S. 20ff.
Diederich, Gustav: Die Elberfelder Missionsgesellschaft, aaO. (wie Anm. 13), S. 14
Aus diesem Anlass wurde der Name der Bank
am 1.7.1827 in „Von der Heydt-Kersten &
Söhne“ umbenannt, 200 Jahre von der HeydtKersten & Söhne, aaO. (wie Anm. 6), S. 37f.
Vgl. Siekmann, Birgit: Religiöse Einstellungen Wuppertaler Unternehmer im Zeitalter der
Industrialisierung, in: Christian Kleinschmidt/
Werner Plumpe (Hg.): Kulturalismus und Unternehmensgeschichte, Essen 2000, vgl. Lube,
Barbara: Mythos, aaO., (wie Anm. 25), Ber-
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ger, Giovanna: Die ehrenamtliche Tätigkeit in
der Sozialarbeit. Motive – Tendenzen – Probleme, dargestellt am Beispiel des „Elberfelder Systems“, Frankfurt/M. u.a. 1979 (Diss.),
Stadtverwaltung Wuppertal (Hg.): Hilfe von
Mensch zu Mensch, 100 Jahre Elberfelder Armenpflegesystem 1853–1953, Wuppertal-Elberfeld 1953.
Zum Beispiel widmet ihm Marie Luise Baum
kein eigenes Kapitel, Baum, Die von der
Heydts, aaO. Auch in der NDB wird er übergangen.
Baum, Die von der Heydts, aaO., S. 30; 200
Jahre von der Heydt-Kersten & Söhne, aaO.,
S. 38.
Siehe Heinrichs, Wolfgang: Freikirchen – Eine
moderne Kirchenform. Entstehung und Entwicklung von fünf Freikirchen im Wuppertal,
Köln 1989.
Nach wie vor grundlegend Elliger, Walter: Die
evangelische Kirche der Union. Ihre Vorgeschichte und Geschichte, Witten 1967.
Vgl. zur Situation in Elberfeld Wichelhaus,
Manfred: Einheit und Freiheit im preußischen
Kirchenkampf des 19. Jahrhunderts. Die Elberfelder Kirchenspaltung 1847, in: MEKGR,
25.1976, S. 33–64, vgl. zur presbyterial-synodalen Kirchenordnung in Berg Norden, Jörg
van: Kirche und Staat im preußischen Rheinland 1815–1838. Die Genese der RheinischWestfälischen Kirchenordnung vom 5.3.1835,
Köln 1990, S. 14ff.
Einzelheiten ebd.
Wichelhaus, Einheit, aaO., S. 35.
Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 23.
Zahn, Großvater, aaO. (wie Anm. 16), S. 47.
Ebd. S. 48.
Ebd. S. 49.
Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 31.
Ebd. S. 32f.
Auszugsweise abgedruckt ebd., S. 34–35.
Schreiben vom 7.12.1835 an das Presbyterium, vollständig abgedruckt ebd., S. 453–456.
Schreiben Daniel von der Heydts vom
2.4.1837, abgedruckt bei Zahn, Großvater,
aaO., S. 51–53.
Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 49.
Schreiben Daniel von der Heydts vom
8.11.1843, abgedruckt ebd. S. 53–55.
Die Resolution ist auszugsweise abgedruckt
bei Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 74–76.
Protokollbuch des Presbyteriums der reformierten Gemeinde, Blatt 152. Vgl. Wichel-
47
haus, Einheit, aaO. (wie Anm. 46), S. 42.
62 Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 91, deutet das
Ersuchen Kohlbrügges als Überraschung. Meines Erachtens übersieht er dabei die Initiative
der von der Heydts vom 13.8.1846. Was die
von der Heydts sicherlich befremdete, war die
euphorische Reaktion von Friedrich Wilhelm
Krummacher, der den Beitritt Kohlbrügges in
den „Palmblättern“ als Sieg über die Opposition feierte. Kohlbrügge konnte dieses Missverständnis aber schnell aufklären. Schreiben
Kohlbrügges an Johannes Wichelhaus, in: Langen, Johann Jakob (Hrsg.): Briefe von Dr.
theol. H. F. Kohlbrügge, weiland Pastor der
niederländisch-reformierten Gemeinde zu Elberfeld an Johannes Wichelhaus, weiland
außerordentlicher Professor der Theologie zu
Halle an der Saale aus den Jahren 1843–1857.
Ein Beitrag zum Verständnis der Persönlichkeit
Dr. H. F. Kohlbrügges und zur Geschichte der
Gründung seiner Gemeinde, Elberfeld 1911, S.
39–44. Vgl. Palmblätter Nr. 3/1846, S. 433.
63 Ansprache des Königs an den Berliner Magistrat am 2.10.1845, in: Berliner Allgemeine
Kirchenzeitung vom 25.10.1845, Spalte 889,
zitiert nach Wichelhaus, Einheit, aaO., S. 41f.
64 Patent, die Bildung neuer Religionsgemeinschaften betreffend, vom 30.3.1847, abgedruckt in: Ernst Rudolf Huber/ Wolfgang Huber (Hg.): Staat und Kirche im 19. und 20.
Jahrhundert. Dokumente des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1973, S. 454f.
65 Der Aufruf ist abgedruckt bei Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 100f.
66 Immediatvorstellung vom 30.4.1847 ebd. S.
105.
67 Zahn, Großvater, aaO., S. 68.
68 Den Namen schlug Schwerin in einem Schreiben vom 20.4.1848 vor, Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 116.
69 Rahe, Hans Wilhelm: Bischof Roß. Vermittler
zwischen Rheinland-Westfalen und Preußen
im 19. Jahrhundert, Köln 1984, S. 323. Vgl.
Brederlow, Jörn: „Lichtfreunde“ und „Freie
Gemeinde“. Religiöser Protest und Freiheitsbewegung im Vormärz und in der Revolution
von 1848/49, München/ Wien 1976, S. 18, der
eine Übereinstimmung von kirchlicher und
politischer Opposition sieht.
70 Zahn, Großvater, aaO. S. 55.
71 Ebd. S. 56.
72 Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 73.
73 Carl von der Heydt (Hrsg.): Das Neue Testa-
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ment, Elberfeld 1856; Exegetischer Kommentar zu neun Briefen des Apostels Paulus, Elberfeld o.J. [1882].
Für das Thema unergiebig und aus diesem Grunde hier nicht behandelt werden: August von der
Heydt (*1825), Sohn des Ministers August. Er
trat 1854 in die elterliche Bank ein, verstarb aber
bereits im Jahr 1867. Eine öffentliche Tätigkeit
ist für ihn nicht nachgewiesen. Offenkundig war
er ernsthaft herzkrank. Kurzrock, Von der
Heydt-Kersten & Söhne, aaO. (wie Anm. 6), S.
97. Weder bei Baum, Die von der Heydts, aaO.
(wie Anm. 38), noch in der ADB bzw. NDB oder
in den Wuppertaler Biographien wird er erwähnt. Auch über seinen Bruder Eduard (*1828)
ist so gut wie nichts bekannt. Ein Bruder Julius
stirbt als Kind. Vgl. Bernhard von der Heydt:
Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs, aaO.
(wie Anm. 9). Ein weiterer Bruder, Robert
(*1837), geht ins Ausland. Auch der einzige
Sohn von Daniel von der Heydt, Daniel (*1838)
übernimmt die Tradition des Vaters nicht. Vgl.
Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen,
aaO. (wie Anm. 5).
Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict
mit der niederländisch-reformierten Gemeinde
im Winter 1856, Reformiertes Predigerseminar Elberfeld, mir freundlicherweise von
Wolfgang Heinrichs zur Verfügung gestellt;
Brief von Alwine Lischke an Bernhard von der
Heydt, Historisches Zentrum Wuppertal/ Restnachlass von der Heydt; Presbyterium der niederländisch-reformierten Gemeinde: Kurze
Darlegung der Thatsachen betreffend die Ausübung der Kirchenzucht bei Diakon Carl Friedrich von der Heydt, Dezember 1856; vgl.
Heinrichs, Freikirchen, aaO., S. 157ff.
Eine entsprechende Mitteilung war ihm von
dem Vater von Fritz, Carl von der Heydt, am
6.11.1856, einen Tag nach der offiziellen Verlobung, gemacht worden. Carl Friedrich von
der Heydt: Mein Conflict, aaO., Bl. 4.
Angehörige der Familie von der Heydt waren
seit der Gründung der Gesellschaft Mitglieder:
1799 ist Daniel Heinrich Präses, 1843 nehmen
Wilhelm von der Heydt jun., Hermann von der
Heydt, Daniel von der Heydt an der Generalversammlung teil, in der Mitgliederliste der
Gesellschaft Casino des Jahres 1844 sind Vater und Sohn August von der Heydt sowie die
drei Verwandten aus der Linie von Johannes
von der Heydt ausgewiesen, 1844–1848 ist
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August von der Heydt dort Vorsitzender, 1847
wird Eduard von der Heydt als wirkliches Mitglied aufgenommen, 1848 tritt Fritz von der
Heydt als wirkliches Mitglied bei, 1858 zeichnen August und Daniel von der Heydt mit anderen für den Wiederaufbau des abgebrannten
Gesellschaftsgebäudes
außerordentliche
Beiträge, Breitenbach, Erich: Die Entwicklung
der Gesellschaft „Casino“, aaO. (wie Anm. 7).
Die Einberufung der Gemeindeversammlung
war dem Verfahren nach sehr undurchsichtig:
Zu den vorbereitenden Sitzungen des Presbyteriums war nicht wie sonst üblich von der
Kanzel aus eingeladen worden; Louis Frowein
wurde das Wort verweigert, Daniel von der
Heydt war zumindest zeitweise abwesend, die
Familie Carl von der Heydt befand sich in Berlin. Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict, aaO., Bl. 37.
Der Sohn von Daniel von der Heydt, Daniel,
war zum Beispiel mit Anna Boeddinghaus verheiratet, deren Vater Repräsentant bzw.
Kirchmeister der lutherischen Gemeinde war.
Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.): Daniel
Heinrich von der Heydt und seine Nachkommen, aaO., S. 226. Ebenfalls in „Mischehe“
lebte der Sohn von August, August, der mit
Marie Helene Boeddinghaus verheiratet war,
ebd. S. 15.
Carl Friedrich von der Heydt: Mein Conflict,
aaO., Bl. 12–13.
Ebd. Bl. 15.
Ebd. Bl. 17.
Ebd. Bl. 18.
Ebd. Bl. 20.
Ebd.
Vgl. Zitat S. 22.
Ebd. Bl. 16.
Brief von Alwine Lischke an Bernhard von der
Heydt, aaO. (wie Anm. 75).
Heinrichs, Freikirchen, aaO. (wie Anm. 44), S.
158.
Bernhard von der Heydt war ein ausgesprochen fleißiger Tagebuchschreiber. Von ihm liegen außer der bereits zitierten Einleitung zum
Dritten Teil des Tagebuchs, aaO. (wie Anm. 9),
folgende Texte vor: Tagebücher: II. Teil
(1857–1880), III. Teil (1860–1862), nebst einer biographischen Einleitung [Reinschrift der
Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs],
IV. Teil (1862–1864), V. Teil (1865–1866), VI.
Teil (1867–1870), VII. Teil (1870–1871), VIII.
Teil (1872–1873), IX. Teil [nicht abgeschlos-
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sene Fortsetzung], Stadtarchiv Wuppertal
(StAW), Nachlass Marie Luise Baum 64–67;
Mein Lebensspiegel. Ein Manuskript zum Anfang meines Tagebuches, geschrieben im September 1866 in Schlangenbad, STAW, Nachlass Marie Luise Baum 47.
Einleitung zum Dritten Teil des Tagebuchs,
aaO.
Mein Lebensspiegel, aaO. Bl. 5.
Ebd.
Ebd. Bl. 12.
Ebd.
Ebd. Bl. 13.
Tagebuch II. Teil, S. 152. Die Szenen, die sich
auf seine Begegnungen mit Jenny beziehen,
sind in einer Geheimschrift verfasst, die ich
entschlüsseln konnte.
Ebd. S. 154. Vgl. S. 175.
Ebd. S. 157.
Ebd.
Ebd. S. 158.
Ebd.
Ebd. S. 160–161.
Ebd. S. 162.
Ebd. S. 153.
Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 18–19.
Ebd. Bl. 17.
Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 16.
Ebd. Bl. 14.
Ebd. Bl. 15.
Hausen, Karin: Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der
Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben,
in: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der
Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart
1976, S. 363–394, hier S. 363, vgl. Baumann,
Ursula: Protestantismus und Frauenemanzipation in Deutschland 1850–1920, Frankfurt/M.
u.a. 1992, S. 56ff.
Lipp, Carola: Das Private im Öffentlichen. Geschlechterbeziehungen im symbolischen Diskurs der Revolution 1848/49, in: Karin Hausen/ Heide Wunder, Heide (Hg.): Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, Frankfurt/M. u.a. 1992, S. 99–116, hier S. 103. Vgl.
die Bedeutung der „polaristischen Geschlechtsphilosophie Fichtes bei Hausen, Polarisierung, aaO. S. 373.
Besonders deutlich in der oft zitierten Stelle:
Die Frauen seien ihren Männern untertan wie
dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der
Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche
ist, die er bewahrt als seinen Leib.“ (Epheser
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5, 22–23).
Vgl. S. 11.
Vgl. Genesis 3.
Mein Lebensspiegel, aaO., Bl. 19.
Vgl. Scheuerl, Hans: Geschichte der Erziehung. Ein Grundriss, Stuttgart u.a. 1985, S.
74ff.
Moser, Tilmann: Gottesvergiftung, Frankfurt/M. 19802. Vgl. Böhme, Wolfgang (Hg.):
Ist Gott grausam? Eine Stellungnahme zu
Tilmann Mosers „Gottesvergiftung“, Stuttgart
1977.
Es entfallen in dieser Generation zwei als Kinder verstorbene Nachkommen: Eduard August
(*4.8.1858, †20.3.1862), Sohn von Eduard
und Enkel des Ministers August, und Reinhold
Heinrich, genannt Heinz, (*14.8.1859,
†25.5.1869), Sohn von Fritz und Enkel von
Carl sowie Daniel (*1864), Sohn von Daniel
und Enkel des Gründers der niederländisch-reformierten Gemeinde Daniel. Er lebte in England.
Baum, Die von der Heydts, aaO. (wie Anm.
38), S. 35–43; Von der Heydt-Kersten & Söhne, aaO., S. 11–12.
Unsere Reise nach Egypten, Elberfeld o.J.
(1891); Eine Herbstreise nach Italien (1894);
Variationen über das Thema Weib und Rhythmen, darin: Madame Roland, Klara und Anna,
Sibylla von Jerusalem, Ada, Schicksalsfittiche, Gedichte (1903), Madame Roland, Klara
und Anna sowie Sibylla von Jerusalem liegen
als Sonderdrucke vor. Sie fehlen in der 3. und
erweiterten Auflage von 1931, die „Schicksalsfittiche“ sind verändert. Johanne Arc (ca.
1905); Konrad von Thüringen (1906); Aphrodite; Schauspiel in drei Akten (1907); Ein
phantastischer Dialog von Antole France, von
Auguste Rodin, von Rainer Maria Rilke und
von Paris, Bad Godesberg 1909; Griechische
Herbstfahrt (1912); Herbsttage in Rom (17.31. Oktober), Reisenotizen, Privatdruck; Der
Priester (o.J.); Gedanken über den Krieg, Leipzig o.J. [1917]; Zwei Erzählungen, Darmstadt 1927, darin Der Priester und Ostergespräche auf dem Palatin.
Vgl. Schnack, Ingeborg/ Scharffenberg, Renate (Hg.): Rainer Maria Rilke. Die Briefe an
Karl und Elisabeth von der Heydt. 1905–1922,
Frankfurt/Main 1986.
Briefwechsel von Elisabeth und Karl von der
Heydt mit Neumann-Torburg, MA Briefe der
Familie von der Heydt.
124 Ich nenne Carl Peters hier sehr zurückhaltend
„Afrikareisenden“, er wird auch sehr häufig
als Psychopath bezeichnet. Bade, Klaus J.:
Friedrich Fabri und der Imperialismus in der
Bismarckzeit. Revolution, Depression, Expansion, Freiburg/ Breisgau 1975, S. 288 oder
Müller, Fritz Ferdinand: Deutschland – Zansibar – Ostafrika. Geschichte einer deutschen
Kolonialeroberung 1884–1890, Berlin 1959,
S. 98.
125 Ebd. aaO., S. 141.
126 Soénius, Ulrich S: Koloniale Begeisterung im
Rheinland während des Kaiserreichs, Köln
1992, S. 102.
127 Der genaue Ablauf seiner gegen Peters gerichteten Agitation ist nachzulesen bei Büttner,
Kurt: Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik in Ostafrika, Berlin 1959.
128 Karl von der Heydt: Auf der Schwelle des
Weltkrieges“, in: Deutsches Wochenblatt Nr.
41 vom 8.10.1891 und Nr. 42 vom 15.10.1891.
Vgl. den Nachweis seiner Autorenschaft bei
Studberg, Joachim: Globetrotter aus dem
Wuppertal, Eine Untersuchung großbürgerlicher Mentalität anhand autobiographischer
Reiseaufzeichnungen aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs, Pfaffenweiler 1991
(Diss.), S. 363.
129 Wie es Studberg ebd. S. 49, tut.
130 Chickering, Roger: We men who feel most
german. A cultural study of the Pan-German
League 1886–1914, Boston u.a. 1984, S. 241.
131 So Büttner, Kurt: Die Anfänge der deutschen
Kolonialpolitik, aaO. (wie Anm. 127), S. 99
unten.
132 Karl von der Heydt gibt Madame Roland irrtümlich den Vornamen Marie Jeanne. Richtig
hieß sie mit Vornamen Manon; ihr Mann trug
den Vornamen Jean Marie. Schulin, Ernst: Die
französische Revolution, München 19892.
133 Brief von Karl von der Heydt an Rilke vom
17.2.1907, zitiert nach Schnack, Ingeborg/
Scharffenberg, Renate (Hg.): Rilke, aaO. (wie
Anm. 122), S. 334.
134 Zitiert nach ebd., S. 298.
135 AaO., S. 91–92.
136 Ebd. S. 92.
137 Ebd. S. 94.
138 Karl von der Heydt: Gedanken über den Krieg,
aaO. (wie Anm. 121).
139 Ebd. S. 17.
140 Ebd. S. 32.
141 Ebd. S. 34.
142 Ebd. S. 35.
143 Ebd. S. 31, heißt es: „Das Leben ist unwirklich
und uns fremd geworden.“
144 Ebd. 46.
145 Ebd. S. 41 und 47.
146 Ebd.
147 Ebd. S. 50.
148 Daniel Heinrich von der Heydt, Sohn von Wilhelm, Urenkel von Daniel, *9.6.1901, und August von der Heydt, Sohn des Museumsgründers August und Enkel des Ministers,
*8.10.1881.
149 Tagebuch von August von der Heydt, STAW
Nachlass Marie Luise Baum 38. Das Tagebuch
besteht aus zwei Teilen, beginnt 1897 und endet 1937. Die Aufzeichnungen nehmen dem
Umfang nach deutlich ab.
150 Baum, Marie Luise: Die von der Heydts, aaO.
(wie Anm. 38), S. 47.
151 Briefe von August an seinen Bruder Eduard
aus den Jahren 1903 bis 1913, MA II 1 m.
152 Anders als seinem Vater und seinem Bruder
wird seine Lebensgeschichte nicht in die Reihe „Wuppertaler Biographien aufgenommen.
Auch die NDB nennt nur seinen Vater und seinen Bruder. Gerda-Dorothea de Weerth (Hg.):
Daniel Heinrich von der Heydt und seine
Nachkommen, aaO. (wie Anm. 5), S. 16, widmet ihm vier Zeilen, seinem Bruder 34!
153 Deutsche Christenbibel. Das Evangelium im
Lutherdeutsch als Heilsgeschichte. Eine
Handreichung für die Gemeinde und für Suchende von Ernst Barnikol, Halle 1934, MA
Separata I.
154 Zum Vergleich mit der „Deutschen Christenbibel“ wurden folgende Bibel-Kommentare herangezogen: Gerhard Iber/ Hermann Timm
(Hg.): Neues Testament. Einführungen, Texte,
Kommentare, München 1972; Mann, Dietrich:
Das Neue Testament verstehen. Einführung,
Auslegung und Hinführung zu einem lebendigen Glauben, Konstanz 1984; Egger, Wilhelm:
Kleine Bibelkunde zum Neuen Testament, Innsbruck 1981; Schilling, Alfred: Verstehst du
auch, was du liest? Vom rechten Umgang mit
der Bibel, Freiburg/Breisgau 1989.
155 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 8.
156 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 9–10.
157 Mk 15: „Nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, kann ihn verunreinigen“.
158 Mk 8,31: „...der Menschensohn müsse vieles
leiden, von den Ältesten und Hohenpriestern
und Schriftgelehrten verworfen und getötet
werden, nach drei Tagen aber auferstehen.“
159 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 12 und S. 15.
160 Mk 9.34, vgl. Mk 10.38: „Nicht so soll es sein
unter euch; sondern wer ein Großer sein will
unter euch, der sei euer Diener. Und wer unter
euch der Erste sein will, der sei der Knecht aller.“
161 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 18.
162 Abermals sandte er einen anderen, den töteten
sie. Und viele andere; etliche stäupten sie, etliche töteten sie.“ Deutsche Christenbibel, aaO.,
S. 20.
163 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 27.
164 Mk 14.33: „Dann nahm er Petrus, Jakobus und
Johannes mit sich und begann zu zittern und
zu zagen.“
165 Die Botschaft von der Auferstehung fehlt hier.
166 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 31.
167 Vgl. Michel, Karl Heinz: Anfänge der Bibelkritik. Quellentexte aus Orthodoxie und Aufklärung, Wuppertal 1985.
168 „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von
ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen
Kräften und von ganzem Gemüte und deinen
Nächsten wie dich selbst.“ Deutsche Christenbibel, aaO., S. 114. „Von ganzem Herzen“ ist
einfach, „deinen Nächsten“ doppelt unterstrichen
169 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 93; vgl. S.
124 (Mt 25.40).
170 Die Stelle ist nur einfach unterstrichen, Deutsche Christenbibel, aaO., S. 98.
171 Deutsche Christenbibel, aaO., S. 87.
172 Vgl. Mt 11.1–15 und die Unterstreichungen,
senkrechten Anstreichungen und Durchstreichungen in Deutsche Christenbibel, aaO., S.
107.
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