Sonderurlaub - WILA Arbeitsmarkt

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Sonderurlaub - WILA Arbeitsmarkt
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schon auf 220 bis 230 Arbeitstage (Zeiten mit Krankmeldung nicht berücksichtigt).
© martina gade/pixelio.de
Besondere Anlässe
 IHR GUTES RECHT
Sonderurlaub
Es gibt Urlaub, und es gibt Sonderurlaub. Welche Ansprüche hat man auf Freistellung für besondere Anlässe? | Andreas Pallenberg
W
er
einer
versicherungspflichtigen
Beschäftigung
nachgeht, hat Anspruch auf
Erholungsurlaub. Dieser beträgt nach
Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) mindestens 24 Werktage inkl. Samstage,
somit 20 Arbeitstage im Jahr. In dieser
Zeit bekommt der angestellt Beschäftigte weiterhin seinen Lohn. Aus dieser
gesetzlichen Vorschrift (§8) leitet sich
aber auch ab, dass der für diese Zeit
freigestellte Mitarbeiter sich zu erholen
hat, um anschließend wieder fit für den
Job zu sein. Wer also den Urlaub nutzt,
um mit voller Kraft ein freiberufliches
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN
Und dennoch gibt es darüber hinaus Anlässe, zu denen seitens des Arbeitgebers
zusätzliche Sonderurlaube bzw. Freistellungen von der Arbeit gewährt werden. In
der Regel sind dies familiäre Anlässe wie
Hochzeit, Geburt, Begräbnis oder Umzug. Nicht alle Anlässe solcher Art lassen
sich schließlich vorausschauend planen.
Der Gesetzgeber spricht in diesem
Zusammenhang von unabwendbaren
personenbedingten Anlässen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in §
616 BGB den Sonderurlaub mit Lohnanspruch in seiner unnachahmlichen Diktion folgendermaßen:
„§ 616 Vorübergehende Verhinderung
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird
des Anspruchs auf die Vergütung nicht
dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund
ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch
den Betrag anrechnen lassen, welcher
ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung
bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“
Was ist drin?
Projekt oder den Ausbau des Daches bei
seinem Schwager umzusetzen, handelt
nicht im Sinne seines Arbeitgebers und
kann sogar arbeitsrechtliche Schwierigkeiten bekommen.
Inzwischen haben sich in Deutschland wie auch im benachbarten Ausland
tarifvertraglich
ausgehandelte
Urlaubsansprüche durchgesetzt, die weit
über dem gesetzlichen Mindestmaß liegen. Für Vollzeitbeschäftigte mit fortgeschrittenem Alter gelten durchschnittlich
30 Urlaubstage pro Jahr als üblich. Zählt
man dazu die Wochenenden und Feiertage, so schrumpft die Nettoarbeitszeit
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Wer nun glaubt, dass es für die erwähnten Anlässe feste Vorschriften über die
Länge des zu gewährenden Sonderurlaubs gibt wie bei den Erholungsurlauben
mit seiner im BGB festgelegten Mindestzeit, wird enttäuscht sein. Stattdessen
gibt es zum Beispiel für den öffentlichen
Dienst je nach Dienstverhältnis und Zuständigkeiten der Kommunen, der Länder oder des Bundes entsprechende Regelwerke. In der freien Wirtschaft gibt es
bisweilen tarifvertragliche Regelungen
oder frei zu vereinbarende Grundsätze,
aber auch Möglichkeiten, solcherlei An-
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 Bonn
[email protected], Tel. 0228/20161-15
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sprüche im individuellen Arbeitsvertrag
auszuschließen. Wobei die Freistellung
kaum verhindert werden kann, die Lohnzahlung dagegen schon.
So richtig geregelt ist also nichts, besonders wenn es sich beim Arbeitgeber
um eine Institution handelt, die sich an
bestehende Tarifverträge „anlehnt“. Dann
ist theoretisch alles möglich, praktisch
wird aber gerne auf die Gepflogenheiten
im öffentlichen Dienst zurückgegriffen,
wenn es nicht zu einer einfachen internen Regelung kommt.
Fest steht, dass bei allen angesprochenen Anlässen für den Sonderurlaub kaum
von Erholung ausgegangen werden kann.
Es geht vielmehr um die Abwicklung eines mehr oder weniger freudigen Ereignisses oder um die Bewältigung von
Umzügen mit allem damit verbundenen
organisatorischen und verwaltungstechnischen Aufwand. Deshalb gibt es bei
solchen nicht abwendbaren Anlässen
grundsätzlich einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit jenseits des Erholungsurlaubs.
Auch § 616 BGB regelt nicht, wie lange
Sonderurlaub gewährt wird. In der
Rechtssprechung wird grundsätzlich von
der objektiv dafür notwendigen Zeit gesprochen, im Alltag werden aber bei familiären Angelegenheiten in der Regel ein
bis zwei Tage Sonderurlaub gewährt.
Als übliche Freistellungszeiten werden in
verschiedenen Quellen genannt:
• Bei Hochzeit des Betroffenen (nicht
seiner Verwandtschaft) sowohl zur
standesamtlichen als auch zur kirchlichen Feier zwei Tage
• Bei der Geburt eines Kindes für den
Vater (die Mutter genießt ja bereits
Mutterschutz) zwei Tage
• Kommunion/Konfirmation des Kindes
ein Tag
• Bei Todesfällen in gerader Linie (Eltern,
Kinder) ein bis zwei Tage; bei entfernteren Verwandten wie Vettern, Tanten,
Onkel muss in der Regel auf normale
Urlaubstage zurückgegriffen werden.
• Bei Umzügen in eine andere Stadt zwei
Tage, ggfs. auch bei rein persönlich
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motivierten Umzügen. Bei berufsbedingten Umzügen gibt es noch weitere
Sonderregelungen zur Kostenerstattung etc.
Verkehrsbedingtes Fernbleiben
Wer glaubt, dass es auch bei Wetterkapriolen Sonderurlaub gibt, der täuscht sich.
Bei Glatteis oder anderen witterungsbedingten Gründen gibt es keinen Sonderurlaub bzw. keine bezahlte Freistellung
vom Dienst. Diese Gründe sind zwar unabwendbar, liegen aber nicht in der einzelnen Person, wie es §616 BGB vorschreibt, sondern an Umständen, die andere auch betreffen. Solche „höhere Gewalt“ ist das Risiko des Arbeitnehmers
und lässt sich z.B. über den Wetterbericht
voraussehen und kann durch vorausschauendes Handeln (früherer Zug, früher losfahren) verhindert werden. In diesen Fällen ist der Arbeitgeber nicht zur
Lohnzahlung verpflichtet.
Persönliche Unglücksfälle, (unverschuldete) Verkehrsunfälle, auch Einbrüche müssen im Einzelfall beurteilt werden und führen nicht immer und ohne
weiteres zu einer Sonderbeurlaubung mit
Lohnfortzahlung.
Arbeitnehmer aber arbeitsfähig, so kann
er nur dann von der Arbeit freigestellt
werden, wenn der Arztbesuch medizinisch notwendig ist.
Und wenn der sonderurlaubsfähige
Umstand innerhalb des Erholungsurlaubs
eintritt? Wenn also z.B. ein Trauerfall während des Urlaubs zu beklagen ist? Dann
hat man tatsächlich Pech gehabt. Anders
als bei Krankheitstagen im Erholungsurlaub wird der Urlaub nicht ausgesetzt,
und es ergibt sich keinerlei Verlängerung.
Wer also Sonderurlaubsanlässe hat,
sollte den Sonderurlaub rechtzeitig anmelden und detailliert begründen. Wegen der nicht eindeutigen Rechtslage
Krankheit und Arztbesuch
Sollte ein krankes Kind oder der Ehepartner zu Hause pflegebedürftig sein, kann
der Arbeitgeber bis zu fünf Tage je Krankheitsfall gewähren. Dazu muss allerdings
eine ärztliche Bescheinigung über die
Unerlässlichkeit der Pflege vorgelegt werden. Bei Kindern unter zwölf Jahren gibt
es laut § 45 SGB V eine Sonderurlaubsregelung zur Betreuung von bis zu zehn
Tagen, allerdings unbezahlt. Für diesen
Fall kann Krankengeld bei der Krankenkasse beantragt werden.
Arztbesuchstermine sind grundsätzlich so zu legen, dass die Arbeitszeit bzw.
bei Gleitzeiten die Kernarbeitszeit davon
nicht berührt werden. Wenn der Arbeitnehmer krank ist, greift ohnehin die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; ist der
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Bis zu 5 Tage je Krankheitsfall und Kind
können gewährt werden.© Anja Wichmann
bearb. v. Gerd Altmann/pixelio.de
insbesondere was die Dauer des Sonderurlaubs betrifft, sollte man einvernehmliche Lösungen anstreben. Rechtsstreitigkeiten über Sonderurlaubsansprüche
sind nur bei eindeutigen arbeitsvertraglichen Regelungen zu empfehlen. Meistens gibt es ja je nach Anlass und Empathie des Arbeitgebers kulante bis großzügige Regelungen.
Weitere Infos: http://arbeits-abc.de/
sonderurlaub-anspruch-und-regelungen/
http://w w w.euroc ura .c om/ D aten/
Arbeitsbefreiung.pdf
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