meinl European land ltd.: getäuschte Anleger bekommen
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meinl European land ltd.: getäuschte Anleger bekommen
Rechtsprechung Johannes Peter Gruber Meinl European Land Ltd.: Getäuschte Anleger bekommen Geld zurück und Probleme mit einer Sammelklage Die Meinl Bank hat in den Jahren 2006 und 2007 Anteile an der Meinl European Land Ltd., einer Tochtergesellschaft, verkauft und für diese Anteile mit zwei Verkaufsbroschüren Werbung gemacht. Anfang 2009 entschied der OGH, dass der Text der Broschüren geeignet war, die Anleger zu täuschen. Jetzt fordern die Anleger ihr Geld zurück. Zu Recht, wie der OGH jetzt in bereits mehreren Einzelfällen entschieden hat. Allerdings ist es bei einer ebenfalls eingebrachten Sammelklage zu Schwierigkeiten gekommen. Es droht ihre endgültige Abweisung. 1. Die Vorgeschichte Die Meinl European Land Ltd. (MEL) hat ihren Sitz auf der Kanalinsel Jersey. Sie wurde 1997 nach dem Recht dieser Insel(1) gegründet. Ihre Anteile werden seit 2002 an der Wiener Börse gehandelt. In den Jahren 2006 und 2007 veröffentlichte die Meinl Bank zwei mehr oder weniger gleiche Verkaufsbroschüren, in denen die Anteile an der MEL unter anderem mit folgenden Slogans beworben wurde: zz zz zz zz „Investieren in Immobilien – aber mit Köpfchen“ „Chancen in Zentral- und Osteuropa“ „Was ist MEL? MEL notiert als eine der führenden Immobilienaktiengesellschaften seit November 2002 an der Wiener Börse“ „Sicherheit. Langfristiger Substanzwert und stabile Einnahmen – Immobilieninvestitionen, eine sichere Anlage in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen. Zusätzliche Sicherheit durch breite geografische Streuung.“ MEL hat entgegen dieser Ankündigung ihr Gesellschaftsvermögen aber nicht direkt in Immobilien investiert. Die Gesellschaft hat stattdessen Kredite bei Banken aufgenommen, um den Kaufpreis ihrer Immobilien zu bezahlen. Um diese Kredite abzusichern, räumte MEL den Banken entsprechend hohe Pfandrechte an den Immobilien ein, sodass letztlich die Banken die Verfügungsgewalt über die Immobilien hatten: Wenn MEL die Kredite nicht rechtzeitig zurückzahlen kann oder – noch schlimmer – in Konkurs geht, können die Banken die Immobilien für sich verwerten. MEL und die Anleger bekommen das, was übrig bleibt (wenn etwas übrig bleibt). Die Anleger waren und sind bei einer solchen Konstruktion in keiner Weise – wie etwa bei einem Immobilien-Investmentfonds(2) – besonders geschützt.(3) 2. Die erste Entscheidung Der OGH stellte bereits Anfang 2009 fest, dass die Verkaufsbroschüren zur Irreführung der Anleger geeignet waren.(4) Eine Gesellschaft, die ihr Gesellschaftsvermögen in Ländern des ehemaligen Ostblocks investiert, dürfe ihre (1) Jersey gehört – wie Guernsey und die Isle of Man – nicht zum Vereinigten Königreich und ist nicht vom britischen Parlament abhängig, untersteht aber als Kronbesitz (engl. crown dependency) der britischen Krone. Jersey verfügt über eine eigene Gesetzgebung, Verwaltung und ein eigenes, völlig unabhängiges Steuersystem, das dank niedriger Steuersätze (Einkommensteuerhöchstsatz von 20 %) viele ausländische Investoren anlockt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jersey). Alle drei Inseln gehören auch nicht zur Europäischen Union; vgl. Art 355 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV; bis 30. 11. 2009: EG-Vertrag). (2) Bei einem Investmentfonds stehen die Immobilien formell im Eigentum der Fondsgesellschaft. Die Fondsgesellschaft ist aber nur Treuhänderin der Anleger. Die Immobilien können daher im Konkurs der Fondsgesellschaft „ausgesondert“ werden, das heißt, sie gehören wirtschaftlich den Anlegern und werden im Ergebnis vom Konkurs nicht erfasst; vgl. § 1 Immobilien-Investmentfondsgesetz; weiterführend Heidinger/Paul/Schmidt/Spranz/ Urtz/Wachter, Kommentar zum Immobilien-Investmentfondsgesetz (2004) § 1 Rz. 10 bis 14. (3) Was mit dem für die Anteile eingezahlten Gesellschaftsvermögen tatsächlich geschehen ist, beantwortet die Entscheidung nicht, weil es darauf im gegebenen Zusammenhang nicht ankam. (4) § 2 Abs. 1 UWG lautet: „Eine Geschäftspraktik gilt als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben ... enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über einen oder mehrere der folgenden Punkte derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte: ...“ 3/2011 Aufsichtsrat aktuell Dr. Johannes Peter Gruber ist Rechtsanwalt in Wien. 25 Rechtsprechung Tätigkeit nicht als „Immobilieninvestitionen“ bezeichnen, wenn sie das Geld der Anleger nicht tatsächlich direkt in Immobilien investiere. Es handle sich dann gerade nicht – wie von der Meinl Bank beworben – um eine „sichere Anlage“ in Zeiten „stark schwankender Aktienmärkte“.(5) Eine solche Werbung sei eine unlautere Geschäftspraktik und daher in Zukunft zu unterlassen.(6) 3. Irrtum und Schadenersatz Die benachteiligten Anleger erkannten rasch das Potenzial dieser Entscheidung. Die Aussage, dass eine bestimmte Werbung die Anleger in die Irre geführt haben könnte, bedeutet zwar noch nicht, dass das in jedem Einzelfall auch tatsächlich so war. Aber sie macht einen Irrtum der einzelnen Anleger doch relativ wahrscheinlich. Die dazu seit vergangenem September ergangenen mehr als 20 Entscheidungen des OGH lassen sich wie folgt zusammenfassen: 3.1. Bekommen die Anleger ihr Geld zurück? Kaufverträge können ganz allgemein angefochten werden, wenn sich der Käufer über eine Eigenschaft der gekauften Sache geirrt hat und der Verkäufer diesen Irrtum „veranlasst“ hat.(7) Mit „veranlasst“ ist ein bloßes Verursachen gemeint, das heißt, es genügt, dass die irreführenden Angaben einfach „passiert“ sind. Der Verkäufer muss nicht schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt haben. Der Irrtum muss sich aber auf eine bestimmte Eigenschaft der gekauften Sache beziehen. Es ist allgemein bekannt, dass Wertpapiere nach dem Ankauf mehr oder weniger unbeeinflussbaren Kursschwankungen unterliegen. Einen Irrtum über diese Eigenschaft wird man daher nicht nachweisen können. Anders, wenn eine besondere Sicherheit – durch den Erwerb von Immobilien – vorgetäuscht wird, die es tatsächlich nicht gibt. Die Meinl Bank hat einem solchen Anleger den Kaufpreis gegen Rückgabe der Anteile zurückzuzahlen.(8) 3.2. Können die Anleger auch noch den entgangenen Gewinn verlangen? Sind dem Anleger zusätzliche Nachteile entstanden, kann er unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatz fordern. Für Schadenersatz ist aber – anders als beim Irrtum – ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Verkäufers oder des Anlageberaters erforderlich: Er muss vorsätzlich („absichtlich“) oder fahrlässig falsch beraten haben. Ein Beratungsfehler liegt in der Regel vor, wenn der Berater den Anleger nicht ausreichend aufgeklärt hat. Auch hier kommt es jeweils auf den konkreten Einzelfall an. Wenn der Anlageberater eine besondere Sicherheit durch die Investition in Liegenschaften versprochen hat, dann dürfte das wohl für einen Schadenersatzanspruch reichen. 3.3. Wie ist der Schaden zu berechnen? Bisher war der aktuelle Wert der erworbenen Anteile vom Kaufpreis abzuziehen; die Differenz wurde als Schaden des Anlegers angesehen.(9) Kritische Kommentare der Lehre(10) haben den OGH jetzt veranlasst, diese Rechtsprechung aufzugeben.(11) Nun muss das hypothetische Vermögen des Anlegers ermittelt werden, wenn er richtig beraten worden wäre. Dieses hypothetische Vermögen ist seinem aktuellen Vermögen gegenüberzustellen. Die Differenz ist wiederum der Schaden (natürlich nur, wenn das hypothetische Vermögen höher ist als das tatsächliche). 3.4. Wie wird das hypothetische Vermögen ermittelt? Man könne – so der OGH – jedenfalls in der Regel nicht einfach davon ausgehen, dass der Anleger bei richtiger Beratung sein Geld auf ein Sparbuch gelegt hätte.(12) Der Anleger würde bei einer richtigen Beratung meist in eine seinen Vorstellungen entsprechende Veranlagungsform investiert haben. Entscheidend seien die konkreten Umstände des Einzelfalles bei Abschluss des Beratungsvertrages. (5) Eine nach dem Recht der Insel Jersey gegründete Gesellschaft darf Anteilsrechte an ihrem Gesellschaftsvermögen nicht als „Aktien“ bewerben und die Gesellschafter „Aktionäre“ nennen. Eine Gesellschaft darf auch nicht damit werben, dass sich die Anteile an ihr „nahezu zur Gänze im Streubesitz“ befinden, wenn ein einzelner Investor ein Drittel der Anteile hält (OGH 20. 1. 2009, 4 Ob 188/08p). (6) OGH 20. 1. 2009, 4 Ob 188/08p; vgl. J. P. Gruber, Irreführung der Anleger, Aufsichtsrat aktuell 3/2009, 28. (7) § 871 ABGB. (8) OGH 22. 9. 2010, 8 Ob 25/10z; 31. 8. 2010, 4 Ob 65/10b. (9) OGH 11. 5. 2010, 9 Ob 85/09d; 10. 3. 2008, 10 Ob 11/07a; 23. 2. 2006, 8 Ob 123/05d. (10)Linder, ZFR 2006, 105 (Entscheidungsanmerkung); Leupold/Ramharter, Zum Verhältnis von irrtumsrechtlicher und schadenersatzrechtlicher Rückabwicklung bei Aufklärungspflichtverletzungen, ÖJZ 2010, 807 (808 FN 6); dies., Anlegerschaden und Kausalitätsbeweis bei risikoträchtiger hypothetischer Alternativanlage, ÖBA 2010, 718. (11)Vgl. die Übersicht in OGH 28. 1. 2011, 6 Ob 231/10d. (12)OGH 11. 3. 2010, 4 Ob 28/10m; so schon OGH 24. 1. 2008, 6 Ob 104/06x. 26 Aufsichtsrat aktuell 3/2011 Rechtsprechung Als Veranlagungsziele des Anlegers würden z. B. eine Veranlagung in einen „seriösen österreichischen Immobilienfonds“ oder der Erwerb „festverzinslicher österreichischer Wertpapiere“ in Frage kommen. Vom Kurswert der Alternativveranlagung sei zur Berechnung des Schadens der Kurswert der tatsächlich gekauften Wertpapiere heranzuziehen.(13) Was aber, wenn es z. B. mehrere österreichische Immobilienfonds gibt, die aus der Sicht des Anlegers gleichwertig waren, sich aber ganz unterschiedlich entwickelt haben? Diese Frage lässt die bisherige Rechtsprechung noch offen. 3.5. Ist eine Sammelklage möglich? Eine „Sammelklage“, wie man sie vor allem Seite 27 183x107 aus den Vereinigten Staaten kennt, gibt es in Österreich nicht. Eine amerikanische class action erfasst automatisch alle in Frage kommenden Kläger, bekannte und unbekannte, und wirkt auch für Personen, die gar nicht am Verfahren beteiligt waren.(14) Bei der „Sammelklage nach österreichischem Recht“ können dagegen nur namentlich bekannte Einzelpersonen ihre Ansprüche einer anderen Person (meist handelt es sich um einen Verband) abtreten. Dieser Verband kann dann diese Rechte als eigene Rechte einklagen und das gewonnene Geld später (im Innenverhältnis) an die Berechtigten weiterleiten.(15) Da es allerdings bei der Irrtumsanfechtung auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ankommt, gibt es – wie der OGH Ende März entschieden hat – keinen Grund, ein gemeinsames Verfahren zu führen. Er hat die Sammelklage aus verfahrensrechtlichen Gründen wieder an die zweite Instanz (OLG Wien) verwiesen, die laut Website der Meinl Bank die Klage Mitte Mai endgültig abgewiesen haben soll. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Wenn der Kläger ein Rechtsmittel erhebt, landet das Verfahren wieder vor dem OGH. Es scheint sehr zweifelhaft, ob diese Anleger doch noch zu ihrem Geld kommen können.(16) 4. Die wichtigsten Entscheidungen OGH 23. 2. 2011, 3 Ob 2/11g; 28. 1. 2011, 6 Ob 231/10d; 15. 12. 2010, 4 Ob 190/10k; 22. 9. 2010, 8 Ob 25/10z; 31. 8. 2010, 4 Ob 65/10b. (13)Leupold/Ramharter, ÖBA 2010, 718 unter Hinweis auf OGH 11. 3. 2010, 4 Ob 28/10m. Sollten dieser Rechtsprechung ältere Entscheidungen des OGH entgegenstehen, so wären sie „durch die jüngere, von der Literatur überwiegend gebilligte Rechtsprechung überholt“, so ausdrücklich OGH 28. 1. 2011, 6 Ob 231/10d. (14)Kodek, Die „Sammelklage“ nach österreichischem Recht, ÖBA 2004, 615. (15)Es kann dabei ein „Prozesskostenfinanzierer“ eingeschaltet werden, der gegen Zahlung einer Erfolgsquote (in der Praxis: um die 30 %) das Prozesskostenrisiko übernimmt. (16)OGH 23. 2. 2011, 3 Ob 2/11g. Pflichten des Aufsichtsrats, insbesondere in der Krise und Insolvenz Organhaftung des Aufsichtsrats Sorgfaltsmaßstab des Aufsichtsrats nach Lehre und Rechtsprechung Krisenindikatoren für den Aufsichtsrat Konkursverschleppungshaftung des Aufsichtsrats Schönbacher 2009, 328 Seiten, kart. ISBN 978-3-7073-1391-8 EUR 68,– MMag. Dr. Jörg Schönbacher Legal Counsel der SensorDynamics AG, Lektor für Unternehmensrecht an der FH Campus 02 in Graz. [email protected] www.lindeverlag.at 3/2011 Aufsichtsrat aktuell 27 DER SCHUTZBRIEF FÜR AUFSICHTSRÄTE BESTELLEN SIE JETZT! Aufsichtsrat aktuell-Jahresabo 2011 (Heft 1–6) EUR 118,– Bestellschein Fax +43 1 24 630-53 Ich / Wir bestelle(n) hiermit umgehend direkt durch die Linde Verlag Wien GmbH, Scheydgasse 24, 1210 Wien, Tel.: +43 1 24 630 • Fax: +43 1 24 630-23 • www.lindeverlag.at • E-Mail: [email protected] Ex. Aufsichtsrat aktuell-Jahresabonnement 2011 (Heft 1–6) EUR 118,– Alle Preise exkl. MwSt. und Versandspesen. Das Schnupperabo endet automatisch. Abbestellungen des Jahresabonnements sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis spätestens 30. November des Jahres schriftlich erfolgen. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement automatisch auf ein Jahr und zu den jeweils gültigen Abopreisen weiter. Preisänderung und Irrtum vorbehalten. 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