war früher alles besser?

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war früher alles besser?
nachrichten
feste feiern
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■ angedachtes
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visAvie
Nr. 4 – Dezember 2007
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war früher alles besser?
warum und wie
die zieglerschen ihre
traditionen pflegen
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■ just: sozialministerin
eröffnet einzigartige
jugendsuchttherapie
das magazin der zieglerschen
Inhalt Heft 4 – 2007 / Impressum
inhalt
impressum
titelthema
visAvie
Das Magazin der Zieglerschen
Dezember 2007, Nr. 4
War früher alles besser? – Die Zieglerschen Anstalten und ihr Verhältnis zur Tradition . . . . 6
Charismatisch und voller Gottvertrauen – Johannes Ziegler zum Gedenken . . . . . . . . . . . . . 8
Auf den Spuren eines Wilhelmsdorfer Geheimnisses – der Psalmenspaziergang . . . . . . . . . . 11
aktuelles
Na bitte, es geht doch: drei Jugendliche mit Behinderungen lernen Mofa-Fahren . . . . . . . . . 4
Überraschende Spende: Seniorenzentrum Erolzheim erhält ein rollstuhlgerechtes Auto . . . . 4
Prominenz im Hör-Sprachzentrum: Politiker besuchen das Sprachheilzentrum . . . . . . . . . . . . 5
Frischer Wind in der Vöhringer-Schule: die Altenpflegeausbildung hat eine neue Leitung . . . 5
Wilhelmsdorf–Shanghai und zurück: großer Empfang für die erfolgreichen Volleyballer . . . 14
Neues von der Baustelle: die erste Bau-Etappe im Martinshaus ist geschafft . . . . . . . . . . . . . 14
Premiere in Hohenrodt: erster Beratungsstellentag mit guter Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
porträt
Eine leicht verspätete Kinderliebe – die ungewöhnliche Geschichte des Reinhard Sauter . . . 12
feste feiern
Clean und dann … zu JUST! – Sozialministerin eröffnet eine einzigartige Suchttherapie . . .16
Neue Köpfe in den Zieglerschen (1): Sven Lange führt künftig die Behindertenhilfe . . . . . . 18
Neue Köpfe in den Zieglerschen (2): Ursula Belli wechselt ins Hör-Sprachzentrum . . . . . . .19
wir
Kürbis-Pommes und Gewächshaus-Kaffee – die neue Rotach-Gärtnerei ist fertig! . . . . . . . 20
„Schau doch meine Hände an“ – spektaktuläre Neuauflage der Gebärdensammlung . . . . . 22
Anruf bei… Monika Materna, Hausleitung im Seniorenzentrum Bad Waldsee . . . . . . . . . . 24
11 Fragen an… Karl-Otto Kannapinn, Schulleiter im Hör-Sprachzentrum Sigmaringen . . . 25
angedacht
Wie sprechen Sie mit Gott? – Angedachtes von Anne Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Herausgeber
Hans-Peter Züfle, Vorstandsvorsitzender der
Zieglerschen Anstalten e.V., Wilhelmsdorfer
Werke ev. Diakonie
Erscheinungsort
Wilhelmsdorf
Erscheinungsweise
vierteljährlich
visAvie ist die Zeitschrift für Kunden,
Freunde, Förderer und MitarbeiterInnen der
Zieglerschen Anstalten
Redaktion
Christof Schrade, Referent für Öffentlichkeitsarbeit (verantw.)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser
Ausgabe:
Anne Beck (AB), Christian Glage (CG),
Heike Engelhardt (HE), Martina Heidinger
(MH), Rainer Kössl (RK), Martin Kunze
(MK), Katja Müller (KM), Birgit Liede (BL),
Ivana Oppold (IO), Christof Schrade (CS),
Elke Schübert (ES), Goran Svigir (GS), Jens
Walther (JW), Peter Weder (PW)
Bildnachweise
Titelfoto: Archiv Zieglersche Anstalten/
Photocase.com/dixiland (auch S.6/7)
Collage: Ruta Kaliunaite
Weitere Bilder: Zieglersche Anstalten/ Rolf
Schultes (S.3, S.19), Zieglersche Anstalten/
Archiv (S.8), privat (S.10), Zeichnung: Karlheinz Brecheis (S.11), Photocase.com/agraulich
(S.21), Gebärdensammlung „Schau doch
meine Hände an“ (S.22/23), Made Höld/ ZfP
(S.16), Autor/innen der Beiträge (S.4, S.5, S.9,
S.12, S.13, S.14/15, S.18, S.24, S.25), Archiv
nullzwei (S.25), Photocase.com/patzita (S.27)
Anschrift der Redaktion
Zieglersche Anstalten e.V.
Christof Schrade
Saalplatz 4, 88271 Wilhelmsdorf
Telefon (07503) 929-255
Telefax (07503) 929-252
E-Mail: [email protected]
Für alle Fragen zu visAvie
Grafisches Konzept, Satz,
Redaktion, Produktion
nullzwei – Büro für Kommunikation, Köln
Redaktion: Petra Hennicke
Gestaltung: Ruta Kaliunaite
www.nullzwei.net
Druck
Grafische Werkstätte, Reutlingen
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Hausmitteilung
liebe leserinnen, liebe leser,
noch einmal wollen wir mit diesem Heft in die Geschichte der Zieglerschen Anstalten eintauchen – nach 2005, als wir mit 100 Jahre Suchtkrankenhilfe und dem 175-jährigen Bestehen der
Diakonie in Wilhelmsdorf gleich zwei große Jubiläen begehen konnten. In diesem Jahr und
in diesem Heft geht es vor allem um Johannes Ziegler, den Namensgeber der Zieglerschen
Anstalten. Sein Todestag jährte sich im September zum 100. Mal. Aus diesem Anlass haben
wir, gemeinsam mit der Evangelischen Brüdergemeinde Wilhelmsdorf und der politischen
Gemeinde, Zieglers wichtigstes Buch, „Wilhelmsdorf. Ein Königskind“, neu herausgebracht.
Professor Dr. Hermann Ehmer, Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart, hat Interessantes über das Leben und Werk Zieglers herausgefunden. Seinen Vortrag in Wilhelmsdorf
veröffentlichen wir in diesem Heft.
Ist das nicht ein bisschen viel Geschichte? Wenden wir uns der Vergangenheit zu, weil früher
sowieso alles besser war und der Alltag so schwierig ist? So könnte der eine oder andere fragen.
Keineswegs. In Zeiten wachsender Unübersichtlichkeit ist es wichtig, sich zu vergewissern,
woher man kommt, wo die Wurzeln sind, wie die Motive der Gründerväter aussahen. Dass
wir damit nicht falsch liegen, zeigt auch eine ganz einfache Tatsache. Das Interesse an der
Geschichte der Zieglerschen Anstalten wächst beständig – in der eigenen Mitarbeiterschaft
und bei vielen Menschen überall im Land.
Und die Gegenwart kommt natürlich nicht zu kurz. Weder im Alltag der Zieglerschen Anstalten
noch in diesem Heft. Ein Beispiel: Das Buch „Schau doch meine Hände an“, die bekannteste
Sammlung von Gebärden in Deutschland für nicht hörende und nicht sprechende Menschen mit
geistiger Behinderung, ist in Berlin mit viel Prominenz und Medienbegleitung vorgestellt worden. Es ist nicht nur modern, es ist zukunftweisend. Ohne die intensive Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behindertenhilfe hätte es nicht produziert werden können.
Ein anderes Thema: in den vergangenen zehn Jahren sind die Zieglerschen Anstalten stetig
gewachsen. Mit der Altenhilfe und der Jugendhilfe sind zwei neue Hilfearten dazu gekommen,
viele neue Standorte – und natürlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Arbeiteten vor zehn
Jahren rund 1.000 Menschen bei den Zieglerschen Anstalten, so sind es heute mehr als 2.500.
Mit „Elf Fragen“ und „Anruf bei…“ haben wir zwei neue Rubriken eingeführt, in denen wir
ab jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorstellen, die erst seit kurzem dabei sind. Dieses Mal
sind es Karl-Otto Kannapinn, der seit kurzem die Sprachheilschule in Sigmaringen leitet, und
Monika Materna, Hausleitung im Seniorenzentrum in Bad Waldsee.
Viel Spaß beim Lesen und eine gesegnete Adventszeit wünscht Ihnen
Hans-Peter Züfle
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Aktuelles
ALTENHILFE
mit spenden zum rollstuhlgerechten auto
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■ Große Begeisterung im Seniorenzentrum Erolzheim: der
Freundeskreis übergab als Spende ein nagelneues, rollstuhlgerecht ausgestattetes Fahrzeug! „Wir freuen uns sehr, dass wir
das Vorhaben bereits im zweiten Jahr nach unserer Gründung
verwirklichen konnten“, berichtet Heinz Schiefer, Vorsitzender
des Freundeskreises über die Spendenaktion. Mit seinen mittlerweile 68 Mitgliedern hat der Freundeskreis viel vorangetrieben. So wurden zum Beispiel beim traditionellen Erolzheimer
Nikolausmarkt selbst gebackener Kuchen und allerlei selbst
gebastelte Kleinigkeiten für den guten Zweck verkauft – der
Erlös wanderte ohne Umweg in die Spendenbüchse. Wie bei
allem, was in den letzten zwei Jahren unternommen wurde.
Zusammen mit den Jahresbeiträgen der Mitglieder des Freundeskreises und zahlreichen Spenden Erolzheimer Bürgerinnen
und Bürger und lokaler Firmen wurde die Aktion schnell eine
runde Sache, und das Erolzheimer Seniorenzentrum wurde
mehr und mehr ein Teil der Gemeinde. Nun steht das Auto
abfahrbereit vor dem Seniorenzentrum. Der erste Ausflug mit
zwei Bewohnern ins Allgäu nach Bolsterlang wurde bereits
zur großen Freude der Beteiligten absolviert. Künftig soll das
Fahrzeug neben Ausflügen und Fahrten zum Arzt auch zum
Transport der Tagespflegegäste genutzt werden. BL
„ICH HAB JETZT FÜHRERSCHEIN!“ – WAS HORST SCHLÄMMER ALIAS HAPE KERKELING KANN, KÖNNEN DIESE DREI SCHÜLER DER HEIMSONDERSCHULE HASLACHMÜHLE SCHON LANGE. GUT SECHS MONATE LERNTEN SIE ZUSAMMEN MIT NICHT
BEHINDERTEN JUGENDLICHEN IN DER FAHRSCHULE MOFA-FAHREN – MIT ERFOLG!
HÖR-SPRACHZENTRUM
der kick mit den
ehemaligen
BITTE RECHT FREUNDLICH… EHEMALIGE UND AKTUELLE SCHÜLER
DER GEHÖRLOSENSCHULE WILHELMSDORF KURZ VOR DEM KICK
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■ Elite-Internate wie Salem machen es vor: sie pflegen ihre
Ehemaligen und knüpfen Netzwerke. Auch im Internat des HörSprachzentrums Wilhelmsdorf weiß man, wie wichtig Ehemalige
sind – nicht zuletzt als erwachsene Vorbilder für gehörlose Jugendliche. Ende November war es wieder soweit: Frühere und aktuelle
Schüler traten im Fußball gegeneinander an. Ein kleiner Kick mit
großer Geschichte, denn die Gäste sind Mitglieder im GehörlosenSportclub Bodensee, der eine eigene Jugendabteilung gegründet
hat, die sich aus gehörlosen Wilhelmsdorfer Jugendlichen rekrutiert. Dahinter steckt Erzieherin Susanne Rabus, die Fußballtraining
für hör- und sprachbehinderte Schüler anbietet – seit 18 Jahren! JW
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17 864
Kilometer, von Wilhelmsdorf nach Shanghai und zurück, legten die Sportler der Wilhelmsdorfer
Unified Volleyballmannschaft zurück, um an den Special Olympics 2007 teilzunehmen. Die fünf Athleten belegten dort den vierten Platz und wurden bei der Eröffnungsfeier von über 80 000 Zuschauern
bejubelt. Mehr dazu lesen Sie auf Seite 15.
HÖR-SPRACHZENTRUM
polit-prominenz zu besuch im
sprachheilzentrum ravensburg
UNTERSTÜTZT WURDE DAS „PROJEKT FÜHRERSCHEIN“
VON LEHRERIN SANDRA HORNSTEIN UND DER GEMEINDE HORGENZELL, DENEN EINE BESSERE MOBILITÄT DER
JUGENDLICHEN AUF DEM LAND AM HERZEN LAG. MH.
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■ Polit-Prominenz im Sprachheilzentrum
Ravensburg: Dr. Andreas Schockenhoff,
Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis
Ravensburg-Bodensee und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, sowie Rolf Engler, Stadt- und
Kreisrat in Ravensburg, folgten einer
Einladung ins Sprachheilzentrum Ravensburg. Schulleiter Peter Weder führte die
Gäste durchs Haus und erläuterte das
Prinzip der „Durchgangsschule“. Ziel sei
es, die Schüler nach einer Förderphase
möglichst bald wieder in ihre Heimatschulen zu entlassen, deshalb werde nach
dem normalen Bildungsplan öffentlicher
Schulen plus Extra-Förderung unterrichtet.
Die Sprachförderung, wie sie das HörSprachzentrum seit vielen Jahren anbietet,
sei absolut notwendig, da ein Viertel
aller Kinder so sprachauffällig ist, dass sie
Unterstützung benötigen. Entsprechend
gefragt sei die kostenlose Beratungsstelle
der Schule. „Hier helfen wir den Eltern
mit ausführlicher Diagnostik“, erläuterte
Weder. „80 Prozent der Kinder kann ambulant geholfen werden, nur zehn Prozent
brauchen Förderung in unserem Schulkindergarten oder unserer Schule“. PW
KEIN SITZSTREIK, SONDERN HARTE ARBEIT:
MDB ANDREAS SCHOCKENHOFF (L.) UND
GEMEINDERAT ROLF ENGLER (M.) LASSEN
SICH AUF DIE STOTTER-THERAPIE EIN.
BEHINDERTENHILFE
SCHULE FÜR SOZIAL- UND GESUNDHEITSBERUFE
willkommen und im
„anderssein“ akzeptiert
frischer wind in der
altenpflegeausbildung
■
■ Das Integrationsprojekt des Schulkindergartens Haslachmühle und des Ravensburger Johanneskindergartens hat sich
erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Bei einem Fachtag an
der Fachhochschule Ravensburg stellte Petra Bongartz-Demelt,
Leiterin des Schulkindergartens Haslachmühle, das Projekt mit
einem Informationsstand vor. Sie erläuterte den interessierten
Besuchern die praktischen Erfahrungen bei der Integration von
beeinträchtigten oder sozial benachteiligten Kindern, die sich
willkommen und „in ihrem ‘Anderssein‘ akzeptiert“ fühlen
können. Das Integrationsprojekt wird jetzt ausgeweitet: in Kindergärten in Altshausen und Wilhelmsdorf. MH / IO
■
■ Die Altenpflegeschule der Gotthilf-Vöhringer-Schule hat eine
neue Leiterin: Fanny Drewing. Sie ist in Gera / Thüringen geboren,
arbeitete zunächst mehrere Jahre als Altenpflegerin und absolvierte
dann ein Studium der Pflegepädagogik. Ihre Diplomarbeit schrieb
sie über „Interkulturelle Aspekte in der Altenpflegeausbildung“, und nach dem Studium zog sie
aus privaten Gründen an den Bodensee. Hier
arbeitete sie zunächst als Lehrkraft an einer
Altenpflegeschule in Immenstadt/ Allgäu, ehe es sie dann zu den Zieglerschen
Anstalten zog. ES
Titelthema
Im Jahr 2005 fing es mit dem großen Jubiläumsjahr
zum 100. Geburtstag der Suchtkrankenhilfe an. Dann
folgten „175 Jahre Diakonie in Wilhelmsdorf “ und
jetzt die Feiern zum 100. Todestag von Namensgeber
Johannes Ziegler. Die Zieglerschen Anstalten pflegen
ihre Wurzeln mit Akribie, nicht zuletzt in dieser Ausgabe
von visAvie. So lesen Sie auf der folgenden Seite einen
Vortrag über das Leben von Johannes Ziegler, gehalten von Prof. Dr. Hermann Ehmer, dem Direktor des
Landeskirchlichen Archivs, bei der Gedenkmatinee zu
Ehren Zieglers am 30. September. Sie erfahren, wie und
warum wir mit „Wilhelmsdorf. Ein Königskind “ einen
historischen Bestseller neu aufgelegt haben. Und wir
nehmen Sie mit auf den „Psalmenspaziergang“, einen
ungewöhnlichen Ortsrundgang durch Wilhelmsdorf,
hinter dem sich ein kleines Geheimnis verbirgt. Tauchen
Sie ein in eine spannende Geschichte – viel Spaß!
war frü
■
■ IM JAHR 2005 FING ES AN, mit dem großen Jubiläumsjahr
zum 100. Geburtstag der Suchtkrankenhilfe. Dann folgten „175
Jahre Diakonie in Wilhelmsdorf“ und jetzt die Feiern zum 100.
Todestag von Johannes Ziegler. Die Zieglerschen Anstalten
feiern sich und ihre Historie in dichter Folge – ein bisschen zu
viel? Wenden wir uns der Vergangenheit zu, weil früher alles
besser war? Blicken wir zurück, weil der Alltag und das Heute
so viel schwieriger sind?
KEINESWEGS. Und doch ist es wichtig, sich zu vergewissern,
woher man kommt, wo die Wurzeln sind, in Zeiten wachsender
Unübersichtlichkeit wichtiger denn je. Von Benjamin Franklin ist
der Satz überliefert: „Tradition heißt das Feuer hüten und nicht
die Asche aufbewahren.“ Und genau darum geht es den Zieglerschen: das Feuer nicht nur hüten, die Tradition nicht bloß auf
kleiner Flamme weiterkochen, sondern neu anfachen. Rückbesin-
nung auf die Wurzeln, auf diejenigen, die das Feuer diakonischen
Engagements in Wilhelmsdorf und anderswo entfacht haben.
DASS WIR DAMIT NICHT FALSCH LIEGEN, dass die Beschäftigung mit der Geschichte der Wilhelmsdorfer Diakonie kein
Hobby von Wenigen ist, zeigt auch eine ganz einfache Tatsache:
das Interesse bei vielen Menschen überall im Land – und vor
allem auch in der eigenen Mitarbeiterschaft – ist riesengroß.
Die Zieglerschen sind gewachsen, in den letzten zehn Jahren
um mehr als das Doppelte. Neue Hilfearten sind dazugekommen, neue Standorte, neue Aufgaben – und viele neue
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie wollen wissen: Woher
kommen die Zieglerschen, welche Wurzeln haben sie? Gerade
in einer Phase eines nie dagewesenen Wachstums ist Rückbesinnung wichtig, um zu wissen, wohin die Reise gehen soll.
Die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte ist ein deutliches
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Titelthema
her alles besser?
Signal nach innen und außen: Wir wissen, woher wir kommen,
die Fragen, Antworten und Motive der Gründerväter sind noch
heute für uns entscheidend.
DIE NEUEN WOLLEN WISSEN, WOHER die Zieglerschen
kommen. Und die Alten wollen sehen, wohin die Zieglerschen
gehen. So war es kein Zufall, dass zur Gedenkstunde anlässlich
des 100. Todestages von Johannes Ziegler zahlreiche Abkömmlinge der Ziegler-Dynastie nach Wilhelmsdorf gekommen
waren. Ziegler selbst war kinderlos geblieben, nicht aber seine
Brüder, die er nach und nach auf verantwortliche Positionen
nach Wilhelmsdorf holte. Von diesen Brüdern stammt die weit
verzweigte Sippe ab – und für sie war es selbstverständlich, ins
entfernte Wilhelmsdorf zu kommen. Dazu eingeladen hatten
übrigens nicht nur die Zieglerschen Anstalten, sondern auch
die Evangelische Brüdergemeinde und die politische Gemeinde
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Wilhelmsdorf. Denn auch das ist hier gute Tradition: ein Miteinander von Gemeinde, kirchlicher Gemeinde und Unternehmen.
HANS-PETER ZÜFLE, Vorstandsvorsitzender der Zieglerschen
Anstalten, beschreibt das Traditionsverständnis des von ihm
geführten Unternehmens so: „Die Zieglerschen Anstalten tragen
den Namen Johannes Zieglers ganz bewusst und mit Stolz. Wir
verbinden Gottvertrauen mit seinem Namen und deshalb stehen
wir dazu.“ Das Erbe Zieglers und der Zieglerschen Anstalten
lebt also weiter – und Wilhelmsdorf ist nach wie vor ein ganz
besonderer Ort, um Visionen zu entwickeln und möglich zu
machen. Noch einmal Hans-Peter Züfle: „Zieglers praktische,
weltzugewandte, diakonische Tatkraft ist heute noch vorbildhaft.“ Und: „Der Name ‚Zieglersche Anstalten’ stand und steht
für ein klares Bekenntnis: zu Jesus Christus als dem Herrn der
Diakonie. Zu ihm und zu unserem Auftrag.“ CS/PH
charismatisch, umtriebig
und voller gottvertrauen
JOHANNES ZIEGLER, NAMENSGEBER DER ZIEGLERSCHEN ANSTALTEN UND „EINE DER GROSSEN DIAKONISCHEN
PERSÖNLICHKEITEN DES 19. JAHRHUNDERTS“, STARB VOR 100 JAHREN. EIN HISTORISCHES PORTRÄT.
■
■ Johannes Ziegler, geboren am 25. März 1842 in Heubach
unter dem Rosenstein (bei Schwäbisch Gmünd), war ein begabtes
Kind. Bereits als Fünfjähriger erzwang er seine Einschulung.
Doch der frühe Tod der Eltern veränderte sein Leben und das
seiner beiden Brüder. So sollte Johannes Ziegler nach dem Willen
seines Vormunds ursprünglich ein Handwerk lernen, erreichte
aber, dass dieser ihm schließlich die Ausbildung zum Volksschullehrer ermöglichte. Nach dreijähriger Hospitation konnte Ziegler
auf das Schullehrerseminar in Nürtingen gehen.
Seine erste Stelle als Provisor oder Lehrgehilfe trat Ziegler 1862
in Vorbachzimmern bei Weikersheim an. Der Unterricht füllte
den umtriebigen jungen Mann nicht aus, er gründete einen Turnund Gesangverein und war bei vaterländischen Anlässen ein
gesuchter Festredner. Die Wende seines Lebens brachte der Brief
eines Seminarkameraden aus Wilhelmsdorf, in dem dieser
beiläufig vom Tod eines jungen Mädchens berichtete, das mit
den Worten gestorben sei: „Heim, heim, heim.“ So wolle er
auch sterben können, nahm sich Ziegler vor, und bewarb sich
um eine Stelle in Wilhelmsdorf. Er wurde Gehilfe des Lehrers
Oßwald an dessen Taubstummenanstalt.
Wilhelmsdorf war 1824 auf Veranlassung des Königs Wilhelm I.
von Württemberg von Korntal aus gegründet worden. Die pietistischen Ansiedler sollten das Lengenweiler Ried trockenlegen
und fruchtbar machen. Dies bot jedoch keine ausreichende Existenzgrundlage für die Gemeinde. Erst die Rettungsanstalten
wurden die Rettung Wilhelmdorfs. Diese Wandlung zur Anstaltsgemeinde vollzog sich vor allem unter dem Vorsteher Wilhelm
Friedrich Thumm, war aber schon früher eingeleitet worden.
Nach dem Vorbild Korntals hatte man schon 1830 eine Rettungsanstalt für Knaben eingerichtet. Es folgten weitere Gründungen;
am wichtigsten wurde vorerst die Taubstummenanstalt, die 1837
von August Friedrich Oßwald begonnen worden war. Johannes
Ziegler wurde nun Oßwalds Helfer. 1868 heiratete er dessen
Tochter Mathilde Oßwald.
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Titelthema
Ziegler übernahm 1873 die Leitung der Taubstummenanstalt,
als Oßwald in den Ruhestand trat. Mit dieser Anstalt verbunden
war ein Internat, das Knabeninstitut. Ein Neubau wurde notwendig, zu dem sich Ziegler durch sein Neujahrslos 1873, den
Anfang von Psalm 91, ermutigt sah. Die Bauten, die Ziegler in
den kommenden Jahren errichtete, wurden mit Worten aus diesen Psalmversen benannt. Beide Anstalten wuchsen beständig,
so dass Ziegler immer wieder bauen musste. 1879 wurden die
beiden Anstalten getrennt.
Die Bautätigkeit und die ständige Erweiterung der Arbeit waren
nur möglich durch zahlreiche Unterstützer, die auf den Jahresfesten und durch die Jahresberichte über die Arbeit informiert
wurden. Überhaupt war Ziegler ein begabter Öffentlichkeitsarbeiter, der durch die Grünen Blätter, Sammlungen von Geschichten
aus dem Wilhelmsdorfer Leben, mit seinen ehemaligen Schülern
Verbindung hielt. Seit 1905 gab er eine Monatschronik aus dem
Knabeninstitut Wilhelmsdorf heraus. Die Geschichte des Ortes
beschrieb er in der seit 1905 in Heften erscheinenden Schrift
„Ein Königskind“. Besonders aber lag ihm daran, durch häufige
Besuche die Verbindung mit den pietistischen Gemeinschaften
im Land aufrecht zu halten.
Im Knabeninstitut zeigte sich Zieglers erzieherische Begabung.
Manches aus seiner pädagogischen Praxis muss heute als überholt gelten. Daneben zeigte Zieglers Arbeit aber auch durchaus
zukunftweisende Züge, mit denen er seiner Zeit voraus war,
etwa dass Sport, Spiele und Feste einen festen Platz im Schulleben hatten. Von den Schülern kamen anfänglich viele aus der
französischen Schweiz; seit den 1890er Jahren verlagerte sich
das Einzugsgebiet auf das Rheinland, Westfalen und natürlich
Württemberg. Die Schule führte zur mittleren Reife, sie bis zur
Universitätsreife zu führen, hätte den Betrieb zu kompliziert
gestaltet. Ziegler war es wichtig, die Schüler nicht nur zu tüchtigen Menschen, sondern auch zu Christen zu erziehen. Das
kinderlose Ehepaar Ziegler ging ganz in dieser Arbeit auf; die
„Zöglinge“ des Knabeninstituts nannte Ziegler seine Söhne.
1878 übernahm Ziegler von Wilhelm Friedrich Thumm, dem
Leiter des Töchterinstituts, auch das Amt des Ortsvorstehers.
Man mag die Häufung von Macht und Einfluss in einer Person
heute für problematisch erachten. Für eine weitgehend patriarchalisch verfasste Gesellschaft war dies nicht ungewöhnlich.
Zieglers Traum von einer Eisenbahn von Friedrichshafen nach
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„wie alles begann…“ –
historischer bestseller
wurde neu aufgelegt
Das „Wilhelmsdorfer Königskind“ ist wieder da! Anlässlich des
100. Todestages von Johannes Ziegler haben die Zieglerschen
Anstalten, die Evangelische Brüdergemeinde Wilhelmsdorf und
die politische Gemeinde das Hauptwerk Zieglers in einem Nachdruck der 4. Auflage von 1929 wieder herausgebracht.
In „Wilhelmsdorf. Ein Königskind“ erzählt Johannes Ziegler die
Anfänge des Ortes und der Gemeinde und die Entwicklung zum
Anstaltsdorf. Da er selbst daran den größten Anteil hatte, trägt
das Werk auch stark autobiographische
Züge und gibt Einblicke in den Alltag, in
die Sorgen, Nöte und Erfolge eines der
Pioniere der württembergischen Diakonie. Ausdrücklich für jugendliche Leser
verfasst, insbesondere für die Schüler
des Wilhelmsdorfer Knabeninstituts,
die Ziegler stets seine „Söhne“ nannte,
ist die Schrift aber auch ein Buch, das
jungen und erwachsenen Menschen „zur
Glaubensstärkung“ dienen soll.
Ziegler selbst, am 4. September 1907 gestorben, hat die vierte Auflage seines Buches nicht erlebt. Seine Nachfolger haben aber interessante Details hinzugefügt. Frühe Fotografien geben Einblick ins
Dorfleben, die Namen der ersten Siedler sind verzeichnet, der ersten
Vorsteher der Brüdergemeinde, der Pfarrer, der Anstaltsleiter.
Für ein begleitendes Nachwort konnten die Herausgeber den Leiter
des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart, Professor Dr. Hermann
Ehmer gewinnen, der das Buch geschichtlich einordnet. Den hochwertig und liebevoll gemachten Nachdruck besorgten die Grafischen
Werkstätten in Reutlingen. CS
Kostenlos zu beziehen ist „Wilhelsmdorf. Ein Königskind“ über:
Zieglersche Anstalten e.V.
Frau Stefanie Heier
Saalplatz 4, 88271 Wilhelmsdorf
Telefon (07503) 929-216,
E-Mail: [email protected]
Titelthema
Stuttgart, die über Wilhelmsdorf führte,
ließ sich nicht verwirklichen. Hingegen
konnte er den Straßenbau fördern und
eine moderne Wasserversorgung einrichten. Im Übrigen diente er der Gemeinde
auch in anderer Weise, indem er gelegentlich als Prediger aushalf.
Nach außen wirkte Ziegler nicht nur
durch seine Kontakte zu den Gemeinschaften. Er veranstaltete in Wilhelmdorf
auch pädagogisch-theologische Kurse für
Lehrer und Studentenkonferenzen. 1896
nahm das Knabeninstitut zunächst vier,
schließlich 16 Armenierkinder auf, die in
den Verfolgungen zu Waisen geworden
waren. Gleichwohl kamen Ziegler später Zweifel, ob es richtig war, diese in
Deutschland zu erziehen.
In der Taubstummenarbeit kam es 1882 zu
einer Differenzierung, indem die Betroffenen getrennt wurden in Normalbegabte und
Schwachsinnige. Dieser Gedanke war ganz
neu, er war bei einer Tagung geäußert
worden, an der Ziegler teilnahm. Der Vorschlag leuchtete ihm ein, weshalb er ihn
sogleich umsetzte. Dies war ohne Weiteres
möglich, weil er allein es war, der über
seine Anstalten bestimmte.
1905 kaufte Ziegler die Haslachmühle,
eine modern eingerichtete Mahl- und
Sägemühle, verbunden mit einer größeren Landwirtschaft. Hier wollte er einen
neuen diakonischen Arbeitszweig eröffnen, nämlich eine Heilstätte für Trinker
und andere Abhängige. In seiner pädagogischen Arbeit war Ziegler mehr und
mehr dazu gekommen, den Alkohol nicht
mehr in Erscheinung treten zu lassen;
den Schülern des Knabeninstituts war
der Wirtshausbesuch selbstverständlich
verboten.
TRADITION & WISSENSCHAFT
Die Traditionspflege der Zieglerschen
Anstalten beruht nicht zuletzt auf einer
langjährigen Zusammenarbeit mit dem
Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart.
Die Kooperation begann damit, dass
Archivmitarbeiterin Inga Bing-von
Häfen die Geschichte der Zwangsarbeiter in der Wilhelmsdorfer Diakonie
während der Nazi-Diktatur aufarbeitete.
Im Anschluss ordnete sie das gesamte
Archiv der Zieglerschen, das mittlerweile im Haus des Landeskirchlichen
Archivs wissenschaftlich weitergeführt
wird. Im Zuge der Zusammenarbeit
entstanden mehrere historische Beiträge,
unter anderem zur Geschichte des Martinshauses, zum 175-jährigen Bestehen
der Diakonie in Wilhelmsdorf und jetzt
zum 100. Todestag Johannes Zieglers.
Am 1. Juli 1906 wurde das Zieglerstift
Haslachmühle eingeweiht. Die Organisation, der Betrieb und das Personal dieses
neuen Arbeitszweigs hatten Ziegler viele
Sorgen und schlaflose Stunden beschert,
die wohl auch mit zu seinem frühen Tod
beigetragen haben. Hinzu kam 1902 ein
Unfall, bei dem er sich einige Rippenbrüche zuzog, die nur notdürftig verheilten.
In der Folgezeit litt er zunehmend unter
Atemnot, die dann auch Herzbeschwerden
verursachte.
Am 4. September 1907 starb Johannes
Ziegler. Mit ihm ging eine der großen
diakonischen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts dahin, ein Mann, der seine bedeutenden pädagogischen und organisatorischen
Fähigkeiten, die in seinem Glauben wurzelten, in das Werk eingebracht hatte, das
später seinen Namen tragen sollte.
Mit dem Tod Zieglers stellte sich die Frage,
wie es weitergehen sollte. Die Anstalten
waren seine Privatunternehmung, wie es
bei solchen Einrichtungen nicht selten
vorkam. Dies war im Grunde eine gewagte
Konstruktion, denn sie erforderte zwar
keine Gremienarbeit, bot aber auch keine
abgesicherte Existenz. Die ständige Ausweitung der Arbeit, wie sie Ziegler betrieb,
zog immer wieder neues Hangen und Bangen nach sich. Das war nur mit einem
großen Gottvertrauen möglich, damit, dass
immer wieder Türen, Herzen und Hände
aufgingen, um die Arbeit zu fördern. Ziegler
hat gewusst, dass das Werk ganz mit ihm
und von ihm und aus seiner Person lebte.
Er dachte folglich auch nicht an einen
Ruhestand.
Nach dem Tod Zieglers ging die Arbeit
weiter. Jakob Ziegler, ein Verwandter,
übernahm die Leitung des Knabeninstituts.
Bis Kriegsbeginn 1914 konnte die Arbeit
auch durch die Errichtung neuer Bauten
ungehemmt ausgeweitet werden. Eine neue
Struktur wurde erst 1916 durch die Gründung des Vereins der Zieglerschen Anstalten
e.V. in Wilhelmsdorf geschaffen. Diese
Form hat sich in den heute bestehenden
Zieglerschen Anstalten erhalten, in denen
der Name von Johannes Ziegler weiterlebt.
Der Autor, Prof. Dr. Hermann Ehmer
ist Leiter des landeskirchlichen Archivs
Stuttgart. Er hielt diesen Vortrag anlässlich der Matinee zum 100. Todestag
von Johannes Ziegler. Die vorliegende
Fassung des Vortrags erschien zuerst in
den „Konsequenzen“,
der Zeitschrift des diakonischen Werks Württemberg. Wir danken für
die freundliche Genehmigung zum Nachdruck.
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wilhelmsdorfer psalmenspaziergang
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mit dem psalm in der hand
durch das dorf der diakonie
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DER PSALMENSPAZIERGANG, EINE HALBSTÜNDIGE TOUR DURCH WILHELMSDORF, OFFENBART EIN KLEINES GEHEIMNIS
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stalten
zieglersche an
zieglersche an
stallten
lageplan
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wilhelms
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psalmenspaziefeer
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Garte
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Straß
11
Der „Wilhelmsdorfer Psalmenspaziergang“ kann bezogen werden
bei: Zieglersche Anstalten e.V., Frau Stefanie Heier, Telefon
(0 75 03) 929-216, E-Mail: [email protected]
ger
Pfrun
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Zußdorfer Straße
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Karl-Heinz Brecheis
| Zeichnungen:
n: nullzwei.net
Über die Zieglersc www.gemeinde-wilhelmsdorf.de.
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en Sie sich eben
Sie auch bequem
falls im Internet
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Broschüren zu
den einzelnen Arbe informieitsbereichen
Zieglersche Ans
talten e.V.
Wilhelmsdorfer
Werke ev. Diak
onie Telefon:
Saalplatz 4
(07503) 929-00
88271 Wilhelms
info@zieglersch
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heanstalten.d
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| © 2007
m 91
Konzept & Realisatio
Sieben markante Gebäude in Wilhelmsdorf, dem „Dorf der Diakonie“, haben nicht gerade alltägliche Namen. „Schatten“ heißen
sie, „Schirm“, „Hoffnung“ und „Zuflucht“. Wieso heißt ein Haus,
in dem Menschen mit geistiger Behinderung wohnen, ausgerechnet „Schatten“? Immer wieder fragen Besucher danach und auch
viele Mitarbeiter der diakonischen Einrichtungen wissen es nicht.
Jetzt ist die Antwort ganz leicht: anlässlich des 100. Todestags
ihres Namensgeber Johannes Ziegler haben die Zieglerschen
Anstalten einen ganz ungewöhnlichen, handlich gefalteten und
liebevoll illustrierten Ortsplan herausgebracht, der diese Frage
und einige mehr beantwortet. Benannt sind die Häuser nach
den Anfangszeilen des Psalms 91, der für Johannes Ziegler und
für die diakonischen Einrichtungen im Ort eine ganz zentrale
Bedeutung hat. Mit dem „Wilhelmsdorfer Psalmenspaziergang“
in der Hand kann man auf einer etwa halbstündigen Tour zu Fuß
durch den Ort einiges über „Schirm“ und „Höchsten“ und andere
Häuser erfahren. Der Ortsplan selber wurde eigens von Karlheinz
Brecheis gezeichnet. Brecheis gehört zu den bedeutenden und
bekannten Vertretern der bundesdeutschen Cartoonisten-Szene.
lehrer sein heiß
REINHARD SAUTER GEHT IN RENTE. DIE GEOGRAFIE
SEINER SEELENLANDSCHAFT LÄSST SICH, ETWAS
HOLZSCHNITTARTIG, SO BESCHREIBEN: ER LIEBT
SEINE FRAU BRIGITTE, ER LIEBT KINDER UND ER LIEBT
DEN BODENSEE UND DIE BERGE. FAST EIN GANZES
GRUNDSCHUL-LEHRER-LEBEN LANG UNTERRICHTETE ER
■
■ Es sah zuerst gar nicht danach aus, dass Reinhard Sauter
Lehrer werden würde. Sein Vater war Lehrer, sein Großvater,
sein Onkel, seine Tante. Das mag ihn nicht unbedingt dazu
motiviert haben, auch in die Schulstube zu wechseln. Nach seinem Abitur an der LOS (Lehreroberschule) Saulgau zog es ihn
zuerst zur Bundeswehr. Nicht weil ihm das Soldat-Sein auf den
Leib geschrieben war, sondern die Berge zogen ihn an. Er ging
zu den Gebirgsjägern nach Mittenwald und verließ sie zwei
Jahre später als Oberleutnant der Reserve.
AM HÖR-SPRACHZENTRUM ALTSHAUSEN, DIE LETZTEN
15 JAHRE ALS ABTEILUNGSLEITER DER GRUNDSCHULE.
EIN PORTRÄT. VON RAINER KÖSSL
Und dann? Bauer zu sein hätte er sich gut vorstellen können.
Oder Förster. Oder etwas Technisches. Der Berufsberater riet
von allem ab, diese Berufe hätten keine Zukunft, er solle Lehrer
werden. Und so tat Reinhard Sauter, was 30 seiner 33 Klassenkameraden damals auch taten – er studierte für das Lehramt.
12
Porträt
Er kann den Zeitpunkt seiner leicht verspäteten, pädagogischen
Geburt ziemlich genau angeben. Seine erste Stelle war die Gehörlosen- und Blindenschule in Schramberg-Heiligenbronn. Die
Franziskanerinnen, die diese Schule leiteten, ihre Liebe und ihre
Strenge, mit denen sie mit den behinderten Kindern umgegangen sind, hat ihn tief und lebenslang geprägt. „Die Arbeit dieser
Schwestern hat mich regelrecht elektrisiert. Ich habe in Heiligenbronn das gefunden, was ich werden wollte.“ Reinhard Sauter
erzählt von der Begegnung mit einer kleinen Zweitklässlerin, die
stark schwerhörig war. Um ihr zu helfen habe er sich zu ihr niedergebeugt. Plötzlich habe das Mädchen laut aufgelacht und auf
seinen Kopf gezeigt mit den Worten: „Kaputt, kaputt“. Gemeint
habe sie die beginnende Glatze. „Da habe ich kapiert, was die
Sprachmöglichkeiten eines schwerhörigen Kindes sind“.
Erziehen ist eine Kunst und hat viel mit Kreativität und Sensibilität zu tun. Die Liebe zum Kind hat man nicht ein für allemal
und kann sie dann sozusagen in den pädagogischen Tresor
stellen. Sie muss sich in jeder neuen Situationen immer wieder neu verfeinern. So war Reinhard Sauter auch Mitglied der
berühmten Altshausener Nikolausgilde. Mit Klaus Oldenkotte
zusammen bildeten sie ein bekanntes Tandem: Oldenkotte der
Nikolaus und er der wilde Knecht Rupprecht. Als sie an einem
t kinder mögen
Vor einiger Zeit traf er seinen ehemaligen Pädagogik-Professor
von der PH Weingarten Dr. Ludwig Kerstiens. „Ich habe mich
ihm vorgestellt“, so der ehemalige Jungstudent, „allerdings mit
etwas klammem Gefühl, weil ich die hohe und hehre Pädagogik
während des Studiums so gar nicht verstanden habe. Um ehrlich
zu sein, auch nicht verstehen wollte.“
Heute ist er eine Vaterfigur. Wer ihn als Lehrer vor und mit seinen Kindern erleben darf, kann diese anfängliche Ferne zur
Pädagogik nicht verstehen. In einer Religionsstunde erzählt er
ihnen von Jesus und seinen Jüngern. „Stellt euch vor, ihr wäret
diese Freunde von Jesus.“ Ein Mädchen darauf: „Aber wir
sind doch nur elf in der Klasse!“ Reinhard Sauter: „Ich gehöre
doch auch dazu!“ Die Kinder haben ihn in ihr Herz geschlossen und er sie.
13
dieser 5. Dezember seine eigene Tochter aufsuchten und diese
heftig weinte, schwante ihm etwas: Der Rupprecht passt vielleicht nicht zu jedem Kind. Gefragt, ob er seinen beiden Enkelkindern Sophia-Marie und Nikolas den Besuch von Rupprecht
wünschte, überlegt er lange. „Nein, bei ihnen nicht mehr.“
Geboren wurde der Neu-Rentner am 11.11. 1943. Er kennt die
Anspielungen auf dieses Datum nur zu gut. Nein, ein lustiger
Mensch sei er nicht, eher schon ein hintergründig-humorvoller
Typ. Auf das Stichwort „Tod“ angesprochen antwortet er sehr
langsam, Wort für Wort: „Wenn man das Gefühl hat, dass man
ein Leben hatte, das verantwortet werden konnte, in der Familie
wie im Beruf, dann kann man den Tod auch kommen lassen.“
Aber zuerst will er noch einmal wandern: in den Bergen, am
Bodensee und in seinem Althausener Garten.
Aktuelles
JUGENDHILFE
neues von der baustelle:
erste etappe ist geschafft
■
■ Freude auf der Großbaustelle im Martinshaus Kleintobel:
die erste Etappe auf dem Weg zur neuen Schule ist genommen! Im Frühherbst wurde der erste Bauabschnitt beendet,
so dass mit Beginn des neuen Schuljahres die ersten Räume
bezogen werden konnten. In den Klassenräumen, die in der
ehemaligen Aula eingerichtet wurden, lernen jetzt die Schüler
der Klassen 5–7.
Die Komplettsanierung der Schule für Erziehungshilfe, Bildungsgang Realschule im Martinshaus Kleintobel hat 2006
begonnen. Sie war nötig geworden, weil sich das alte Schulgebäude in einem zunehmend schlechten baulichen Zustand
befand. Die umfangreiche Baumaßnahme wird mit Fördermitteln des Bundes und mit Eigenmitteln der Zieglerschen
Anstalten finanziert. Durch den milden Winter 2006/2007
sind die Bauarbeiten gut vorangekommen. „Hier ist ja nichts
mehr wiederzuerkennen“ ist die häufigste Reaktion von Eltern,
Ehemaligen oder Gästen, die derzeit das Martinshaus in Kleintobel besuchen. Nach dem ersten Bauabschnitt geht es jetzt
Schlag auf Schlag: die übrigen Gebäude folgen zum kommenden Schulhalbjahr sowie zum Sommer nächsten Jahres. Und
die Einweihung des gesamten Gebäudes ist für den Herbst
nächsten Jahres geplant. Wir bleiben dran. CG
EIN FOTO FÜR‘S HISTORIEN-ALBUM: DIE VOLLEYBALLER AUS WILHELMSDORF
ALTENHILFE
neue bereichsleitungen
in der altenhilfe
VORHER – NACHHER – DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE…
■
■ Die Altenhilfe der Zieglerschen Anstalten freut sich
über zwei neue Bereichsleitungen. Seit Mitte September ist
Dagmar Hennings als Bereichsleitung West für die sieben
Altenhilfe-Einrichtungen in den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Tuttlingen zuständig. Frau Hennings kommt aus
den Reihen der Altenhilfe: Sie war bisher als stellvertretende
Hausleitung im Katharinenstift und Wohnstift Radäcker in
Esslingen tätig. Der neue Leiter für den Bereich Süd, das
sind die Einrichtungen und Ambulanten Dienste der Altenhilfe in den Landkreisen Ravensburg und Biberach, heißt Steffen Bucher. Genau wie Dagmar Hennings ist er Diplom-Pflegewirt – und ebenso wie sie Absolvent der Fachhochschule
in Esslingen. BL
14
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut,
sondern auch für das, was man nicht tut.
L
AOTSE
BEHINDERTENHILFE
wilhelmsdorf – shanghai
und erfolgreich zurück
■
■ Ein Empfang, wie er sich für erfolgreiche Olympioniken gehört: die Sportler des Unified Volleyball-Teams aus
Wilhelmsdorf, frisch zurück von den
Olympics World Summer Games 2007
in Shanghai, wurden in Wilhelmsdorf
feierlich begrüßt. Michael Kachler und
Steffi Guth, beide Volleyballspieler aus
Wilhelmsdorf, hatten das Team Deutschland ins Shanghai Stadion zum weltweit
größten Sportereignis des Jahres 2007
geführt. Und das vor 80 000 Zuschauern!
Und: neben Filmstar, Ex-Bodybuilder
und US-Politiker Arnold Schwarzenegger, der an der Spitze des amerikanischen Teams ins Stadion marschierte!
„Da kriegt man schon Gänsehaut“
berichtet Trainer Michael Stäbler über
dieses geradezu historische Ereignis.
Zurück in der Heimat ließ es sich eine
Delegation aus Vertretern der Behindertenhilfe der Zieglerschen Anstalten, der
Gemeinde Wilhelmsdorf und der TSG
Wilhelmsdorf nicht nehmen, die Sportler
persönlich zu begrüßen. „Wir sind stolz
auf euch“, sagte Rudolf Österle, leitender
Mitarbeiter der Behindertenhilfe der
Zieglerschen. Und: „Wir sind froh, dass
ihr alle wohlbehalten zurück seid.“ Der
überragende internationale Erfolg von
behinderten und nicht behinderten Volleyballspieler aus dem kleinen Wilhelmsdorf wird ermöglicht durch eine langjährige und äußerst fruchtbare Kooperation
der Behindertenhilfe mit dem örtlichen
Sportverein (TSG) in Wilhelmsdorf. MH
BEI DEN SPECIAL OLYMPICS IN SHANGHAI
SUCHTKRANKANKENHILFE
premiere in der fachklinik hohenrodt: der
erste beratungsstellentag war ein erfolg
■
■ Premiere in der Fachklinik Hohenrodt:
die vor Jahresfrist von den Zieglerschen
übernommene Suchtklinik lud zum ersten
Informations- und Beratungsstellentag ein –
und es kamen zahlreiche Kolleg/innen
aus Suchtberatungs- und Adaptionseinrichtungen, aus benachbarten Kliniken
sowie Verantwortliche der Kostenträger.
Das Team um Hohenrodt-Gesamtleiterin
Katja Müller nutzte die Gelegenheit, den
neuen ärztlichen Leiter, Alexander Simon
und den neuen therapeutischen Leiter,
Herbert Galonska, vorzustellen. Simon
15
und Galonska teilen mit ihren Patienten
wichtige Erfahrungen: Sie haben Migration
selbst erlebt und können mit den Patienten
in deren Muttersprache reden. Herbert
Galonska ist in Polen geboren und Chefarzt Alexander Simon, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, in Kasachstan.
Darüber hinaus skizzierte Katja Müller
die Entwicklung der Klinik in den letzten
Monaten und stellte weitere Mitglieder
des bunt gemischten therapeutischen
Teams vor: aus Deutschland, Russland,
Kasachstan und Kroatien. GS/KM
GRUPPENBILD MIT DAME: NEBEN KATJA
MÜLLER (M.) STELLTEN SICH BEIM 1. BERATUNGSSTELLENTAG IN HOHENRODT
ZWEI NEUE VOR: HERBERT GALONSKA
(L.) UND ALEXANDER SIMON (R.).
Feste feiern
DER SCHLEIER IST GELÜFTET: ES FREUEN SICH ZA-VORSTAND
HANS-PETER ZÜFLE, SOZIALMINISTERIN MONIKA STOLZ, DIE
ERSTEN KLIENTEN, ZFP-GESCHÄFTSFÜHRER WOLFGANG RIEGER
UND JUST-GESCHÄFTSFÜHRERIN RENATE SCHEPKER (V. L.)
clean und dann … zu just!
LANDESSOZIALMINISTERIN DR. MONIKA STOLZ GAB DEN STARTSCHUSS FÜR „JUST – DIE JUGENDTHERAPIE“ UND
ERÖFFNET DAMIT DIE ERSTE REHABILITATIONSSTATION FÜR SUCHTKRANKE JUGENDLICHE IN BADEN-WÜRTTEMBERG
■
■ Der Startschuss fiel erst vor wenigen Tagen. Am 23. November eröffnete Sozialministerin Dr. Monika Stolz in Ravensburg
ein landesweit einzigartiges Projekt: „JUST – die Jugendsuchttherapie“. JUST, ein Gemeinschaftsprojekt der Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie und der Zieglerschen Anstalten,
bietet eine Langzeitbehandlung für schwer suchtkranke jugendliche Patienten im Alter von 14 bis 18 Jahren an. Und einzigartig an JUST ist nicht nur das Behandlungsangebot, einzigartig
ist auch die Finanzierung: Jugendhilfe, Krankenkassen und die
Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg teilen sich
die Kosten für die im Regelfall neun Monate dauernde Behandlung. 16 Plätze werden angeboten.
Die Jugendlichen, die zu JUST kommen, haben meist nicht nur
eine schwere Suchterkrankung, sondern auch psychische Störungen und Probleme in Schule und Familie, kurz: sie brauchen
umfassende Hilfe. Die bekommen sie bei JUST: die Fachleute
aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ravensburg und ihre
Kolleginnen und Kollegen aus der Suchtkrankenhilfe und der
Jugendhilfe der Zieglerschen Anstalten bilden ein Team, das die
für die Behandlung nötigen Kompetenzen einbringen kann.
JUST war von vielen Fachleuten seit Jahren dringend erwartet
worden, denn bisher gab es für Jugendliche, die eine Entwöhnungsbehandlung durchlaufen hatten, kein passendes Folgeangebot. Diese Versorgungslücke wurde jetzt geschlossen.
Wie Sozialministerin Dr. Monika Stolz sagte, sei mit JUST
eine „Komplexleistung gelungen, die ihresgleichen sucht“.
Gerne habe ihr Haus die Moderation bei den schwierigen
Verhandlungen der verschiedenen Kostenträger übernommen,
weil die Sucht- und Drogenpolitik des Landes einen Fokus auf
Jugendliche gerichtet habe. Die Ministerin persönlich überreichte die so genannte Projektvereinbarung für JUST an das
Geschäftsführer-Duo: Professor Dr. Renate Schepker von den
Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie hat die fachliche
Geschäftsführung inne, Christoph Arnegger, Kaufmännischer
Geschäftsführer der Suchtkrankenhilfe der Zieglerschen
Anstalten, übernimmt diese Position auch bei JUST.
Obwohl JUST mit seinen 16 Behandlungsplätzen kein großes
Projekt für die Zieglerschen Anstalten ist – hier arbeiten immerhin 2.500 Mitarbeiter für ca. 4.000 Menschen – sei es doch ein
16
Feste feiern
Für die an den Verhandlungen beteiligten Krankenkassen sagte
Kyriake Mastroyannis, Referatsleiterin Rehabilitation bei der
AOK Baden-Württemberg, dass es für die Krankenkassen von
besonderer Bedeutung sei, ein Nachsorgeangebot geschaffen
zu haben für die Jugendlichen, die im Anschluss an eine Entwöhnungsbehandlung weitere Maßnahmen benötigten. Auch
sie ging auf die Verhandlungen der verschiedenen Kostenträger
ein. Es sei für alle Beteiligten neu gewesen, „Anteile in einen
gemeinsamen Topf hineinzugeben“. Aber dies sei der richtige
Weg. Schließlich gehe es darum, den betroffenen Jugendlichen
bestmöglich zu helfen, und so „haben wir unser Handeln den
Bedarfen der Jugendlichen angepasst“. Mastroyannis lobte
JUST als eine „kleine, aber bedeutende Sensation“.
sehr wichtiges Projekt, betonte deren Vorstandsvorsitzender
Hans-Peter Züfle. JUST setze mit der erfolgreichen Kooperation der Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie und der
Zieglerschen Anstalten ein sozialpolitisches Signal, dadurch,
dass Expertinnen und Experten aus Kinder- und Jugendpsychiatrie, Suchtkrankenhilfe und Jugendhilfe hier zusammenarbeiten.
Wolfgang Rieger, Geschäftsführer der Südwürttembergischen
Zentren für Psychiatrie, bezeichnete den Tag als „wahres Wunder“, angesichts der Höhen und Tiefen, die die jahrelangen
Verhandlungen insbesondere zur Frage der Finanzierung des
Projekts mit sich gebracht hatten. Er dankte vor allem Walter
Fessel vom Sozialministerium, der auch in scheinbar aussichtlosen Situationen die Verhandlungen weiter gebracht hatte. Die
Weissenau, das Ravensburger Zentrum für Psychiatrie, sei mit
ihrem niederschwelligen Entwöhnungsangebot „clean.kick“
schon immer eine Vorkämpferin bei der Suchttherapie Jugendlicher gewesen. Deshalb freue er sich besonders, dass es nun
auch gelungen sei, „JUST“ zu etablieren.
Dieter Meschenmoser, Leiter des Regionalzentrums Ravensburg
der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, räumte
ein, dass die Rentenversicherung „über ihren Schatten springen
musste“, um sich bei der „Poolfinanzierung“ zu beteiligen.
Die Rentenversicherung habe ja eigentlich zum Ziel, durch
Rehabilitationsmaßnahmen die Erwerbsfähigkeit Erwachsener
wiederherzustellen. Noch vor Jahren habe keiner daran gedacht,
dass dies auch schon bei 14- oder 15jährigen einmal nötig
sein würde. Die Rentenversicherung beteilige sich aber voller
Überzeugung an diesem Projekt, denn eine Suchterkrankung
in früher Jugend sei die denkbar
schlechteste Voraussetzung für eine
spätere Berufstätigkeit.
Die Kinder- und Jugendpsychiaterin Professor Dr. Renate
Schepker, gleichzeitig Fachliche Geschäftsführerin von JUST,
beleuchtete in ihrem Vortrag eindringlich die vielfältigen Probleme suchtkranker Jugendlicher, die oft auch noch eine psychiatrische Störung mitbringen. Eine klassische „Behandlungskette“, von niederschwelligen bis zu vollstationären Angeboten
ansteigend, sei oft nicht das Richtige für die Jugendlichen, die
nicht brav einen Schritt nach dem andern tun. „Jugendliche
gehen keinen geraden Weg und schon gar nicht abhängige
Jugendliche“. Sinnvoll sei eher ein „Behandlungsnetz“, das
viele „Hin- und Herbewegungen“ erlaube: „von der Intensivstation gleich zur Spezialberatungsstelle, von dort zur Drogenberatung vor Ort, von dort zum Hausarzt, von da nach clean.kick,
von dort weggelaufen… und dann zu JUST“. Eine Aufgabe von
JUST sei es auch, dass die Helfer an den verschiedenen Stationen im „Behandlungsnetz“ von einander und ihren jeweiligen
Hilfebemühungen wüssten.
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Die Ravensburger Sozialdezernentin Diana E. Raedler bezeichnete JUST als „wichtigen fachlichen und sozialpolitischen“
Schritt. Das Angebot sei überfällig gewesen. Der Kreis Ravensburg sei stolz darauf, solch eine Einrichtung zu haben. Der
Landkreis, derzeit selbst in der Suchthilfeplanung aktiv, werde
das Projekt auch weiterhin unterstützen.
CHRISTOF SCHRADE
HEIKE ENGELHARDT
Feste feiern
WILLKOMMEN BEI DEN ZIEGLERSCHEN: SVEN
LANGE (L.) ERHÄLT VON ZA-VORSTAND HANSPETER ZÜFLE EIN BEGRÜSSUNGSGESCHENK.
von der öffentlichen wohlfahrt
zu einem freien träger
SVEN LANGE, BISHER STELLVERTRETENDER SOZIALDEZERNENT DES LANDKREISES SIGMARINGEN, WECHSELT ZU
DEN ZIEGLERSCHEN ANSTALTEN UND WIRD NEUER FACHLICHER GESCHÄFTSFÜHRER DER BEHINDERTENHILFE
■
■ Sven Lange, 35, ist bei einer Feierstunde im Oktober in sein
neues Amt als Fachlicher Geschäftsführer der Behindertenhilfe
der Zieglerschen Anstalten eingeführt worden. Lange, bisher Leiter des Fachbereichs Jugend und Soziales im Landratsamt Sigmaringen und stellvertretender Sozialdezernent des Landkreises
Sigmaringen, steht damit gemeinsam mit dem kaufmännisch
Verantwortlichen Willi Hiesinger an der Spitze der zweitgrößten
Tochtergesellschaft der Zieglerschen Anstalten. Sven Lange folgt
auf Ursula Belli, die zum neuen Schuljahr als Fachliche Geschäftsführerin ans Hör-Sprachzentrum wechselte (siehe Seite 19).
Gemeinsam mit seinem Geschäftsführer-Kollegen Willi Hiesinger
ist Sven Lange künftig verantwortlich für etwa 600 Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter und mehr als 500 Menschen mit geistiger
Behinderung, die die Dienste der Behindertenhilfe in Anspruch
nehmen.
Für den Vorstandsvorsitzenden der Zieglerschen Anstalten,
Hans-Peter Züfle, war die Einführung Langes willkommene
Gelegenheit, um einen der Grundpfeiler der Unternehmenspolitik
zu benennen: die vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege in der Region
zugunsten der Menschen mit Behinderung. Mit dieser jahrzehntelang guten Zusammenarbeit habe man für die Menschen viel
erreicht. Sven Lange stehe für eine glaubwürdige diakonische
Beziehungsarbeit in der Behindertenhilfe, er sei motiviert und
18
Feste feiern
„diakonisch profiliert“. Züfle schilderte ihn als den Fachmann,
der in der Lage sei, individuell passgenaue aber auch überregional bedeutsame Angebote der Behindertenhilfe der Zieglerschen
Anstalten weiterzuentwickeln.
Langes bisheriger Chef, Sozialdezernent Franz-Josef Schnell
hob die gute, siebenjährige Zusammenarbeit hervor. Sven Lange
sei „belastbar und innovativ“. Seine Aufgabe werde durch den
Wechsel von der öffentlichen Wohlfahrt zu einem freien Träger
nicht einfacher, denn der auch in Zukunft zunehmenden Zahl von
Menschen mit Behinderung stünden weiterhin die engen Finanzrahmen der öffentlichen Hand gegenüber. Dass Langes bisherige
Arbeit im Landkreis Sigmaringen sehr geschätzt wird, betonte
nicht nur Sozialdezernent Schnell. Auch die Anwesenheit zahlreicher Bürgermeister und Oberbürgermeister aus dem Kreis Sigmaringen und aus angrenzenden Landkreisen zeigte, dass Lange
sich bereits mit 35 Jahren in der öffentlichen Wohlfahrtspflege der
Region einen Namen gemacht hat.
Auf die Zusammenarbeit mit Sven Lange freute sich auch Josef
Fuchs, Bürgermeisterstellvertreter aus Wilhelmsdorf. Fuchs
strich heraus, dass Menschen mit Behinderung in Wilhelmsdorf
„voll integriert“ seien und dass es keine Berührungsängste
zwischen Behinderten und Nichtbehinderten gebe. „Das soll im
Dorf so bleiben“, wünschte er sich von dem neuen Amtsinhaber.
Sven Lange selbst, seit knapp einem Monat im Dienst der Zieglerschen Anstalten, konnte bereits feststellen, dass an seinem
neuen Arbeitsort nicht nur „Diakonie draufsteht, sondern auch drin
ist“. Er wolle dafür sorgen, dass der „Wissenstransfer“ zwischen
den Einrichtungen, der Politik und den Kostenträgern zugunsten
der Menschen mit Behinderungen noch intensiver werde. CS
kein sprung ins kalte wasser
URSULA BELLI WECHSELT VON DER SPITZE DER BEHINDERTENHILFE AN DIE SPITZE DES HÖR-SPRACHZENTRUMS
■
■ Seit 1. August 2007 bekleidet mit Ursula Belli erstmalig eine
Frau den Posten als Fachliche Geschäftsführerin des Hör-Sprachzentrums. Eingeführt in ihr neues Amt wurde sie im Sommer, als
ihr Vorgänger Karl Wollmann nach 19-jähriger Tätigkeit verabschiedet wurde (wir berichteten). Vor ihrem Wechsel an die Spitze
des Hör-Sprachzentrums hat sie viele Jahre in der Behindertenhilfe der Zieglerschen Anstalten gearbeitet. Die Wurzeln ihres
beruflichen Werdegangs liegen in der Haslachmühle, in der sie in
verschiedenen Arbeitsfeldern als Lehrerin, über Abteilungs- und
Schulleiterin und schließlich als Fachschuldirektorin vielfältige
Erfahrungen sammeln konnte. Zuletzt war Ursula Belli Fachliche
Geschäftsführerin der Behindertenhilfe.
Der Wechsel an die Spitze des Hör-Sprachzentrums, das sie
gemeinsam mit ihrem kaufmännischen Kollegen Michael Martin
führt, ist somit für Ursula Belli kein „Sprung ins kalte Wasser“,
sondern eine „große Herausforderung und Bereicherung“. Sie
schätze die hohe Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in den verschiedenen Arbeitsfeldern des Hör-Sprachzentrums und
den guten Umgang mit den anvertrauten Kindern und Jugend-
19
lichen. Nachdem Vorgänger Karl Wollmann die Dezentralisierung
und Regionalisierung des Hör-Sprachzentrums durch den Ausbau
ambulanter Diensten oder der Errichtung neuer Schulstandorten
erfolgreich voran gebracht hat, geht es Ursula Belli zu Beginn
ihrer neuen Tätigkeit darum, „die bisherige gute Arbeit und die
aktuellen Schwerpunkte, wie z.B. die Prävention von Sprachauffälligkeiten, gemeinsam mit den Mitarbeitern weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sollen die neun Standorte besser miteinander
vernetzt und die eigene Identität gestärkt werden“. JW
Wir
schau doch
meine hände an
DAS STANDARDWERK DER GEBÄRDEN FÜR NICHT SPRECHENDE UND NICHT HÖRENDE MENSCHEN ERSCHEINT IN EINR
SPEKTAKULÄREN NEUAUFLAGE – ÜBERARBEITET VON DEN EXPERTEN DER BEHINDERTENHILFE DER ZIEGLERSCHEN
■
■ „Schau doch meine Hände an“ – dieses Standardwerk der
Gebärden für nicht sprechende und nicht hörende Menschen mit
geistiger Behinderung in Deutschland ist jetzt in einer völlig neuen
Auflage erschienen. Entscheidenden Anteil an der Entstehung hatte
die Behindertenhilfe der Zieglerschen Anstalten. Das neue Ringbuch und die gleichnamige DVD enthalten mehr als 1.000 Gebärden. Produziert wurde es vom BeB (Bundesverband evangelischer
Behindertenhilfe) in Zusammenarbeit mit den Zieglerschen. Wesentlicher Finanzierungspartner war die „Aktion Mensch“, deren Vertreter Friedhelm Pfeiffer das Werk lobte, weil es „wunderbarerweise
einen wichtigen Beitrag zur Alltagsbewältigung wie auch zur Aufklärung über die Situation nicht sprechender Menschen“ leiste.
Ursula Belli, bis vor kurzem fachliche Geschäftsführerin der
Behindertenhilfe und jetzt des Hör-Sprachzentrums (siehe
S.19), ist seit Jahrzehnten in der Entwicklung der speziellen
Gebärdensprache für Menschen mit geistiger Behinderung
engagiert. Sie stellte das Buch bei einer Präsentation Anfang
November in Berlin vor. Eingeladen hatten der BeB und die
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter
Menschen, Karin Evers-Meyer (SPD).
Die Wurzeln des Buches, so Ursula Belli, „reichen zurück in die
60er Jahre und liegen in der praktischen Arbeit mit hör-sprachbehinderten Kindern und Jugendlichen mit zusätzlichen kognitiven
Beeinträchtigungen“. Seit 1991 die erste Auflage erschien, auch
sie schon maßgeblich von Mitarbeiter/innen der Haslachmühle
geprägt, war das Ziel, nicht sprechenden und nicht hörenden
Menschen mit geistiger Behinderung eine Ausdrucksmöglichkeit
an die Hand zu geben – im wahrsten Sinne des Wortes.
Nicht zuletzt durch den Einfluss des mittlerweile in 14 Auflagen erschienen Buches sei es gelungen, den Austausch der
Fachdisziplinen anzuregen. „Damit tritt das Thema Kommunikation und Gebärden aus der Hörgeschädigtenpädagogik heraus
und wird interdisziplinär und umfassend in der Geistigbehindertenpädagogik und vor allem in der Körperbehindertenpädagogik diskutiert. Und so wird das Gebärden neben anderen
Formen der Kommunikationshilfen in den großen Kontext des
Fachbereichs der so genannten „Unterstützten Kommunikation“
eingebettet.“
Wie Ursula Belli weiter sagte, halte sie den Titel „Schau doch
meine Hände an“ auch weiterhin für passend, auch wenn er nur
unzureichend die komplexe Kommunikationsform mit Gebärden beschreibe: „Gebärden ist viel mehr als nur der Einsatz von
Handzeichen, sondern umfasst den Einsatz von Mimik, Gestik
und Körper, wodurch eine sehr lebendige und ausdrucksstarke
Kommunikation entsteht. Und das Gebärden ist ausgesprochen
benutzerfreundlich, denn: dieses Kommunikationsmittel trägt
man immer bei sich“.
Die Arbeit am und mit dem Gebärdenbuch geht auch nach der
Präsentation weiter: die Behindertenhilfe veranstaltet am 6. und 7.
Juni 2008 in der Haslachmühle einen Fachtag zu diesem Thema.
MODERN IN INHALT UND FORM: DIE NEUAUFLAGE VON „SCHAU
DOCH MEINE HÄNDE AN“ ALS RINGBUCH UND AUF DVD
MARTINA HEIDINGER
20
„VATER – UNSER [IM] – HIMMEL … SO SIEHT DAS VATERUNSER IN DER GEBÄRDENSAMMLUNG AUS
21
Wir
kürbis-pommes und
gewächshaus-kaffee
MEHR ALS 1.000 BESUCHERINNEN UND BESUCHER FEIERTEN DIE OFFIZIELLE EINWEIHUNG DER UMGEBAUTEN
ROTACH-GÄRTNEREI / ATTRAKTIVE ARBEITSPLÄTZE FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN – MIT „BIOLAND“-SIEGEL
■
■ Mit einem Tag der Offenen Tür und einer offiziellen Einweihungsfeier hat die neue Rotach-Gärtnerei in Wilhelmsdorf
den Betrieb aufgenommen. Die Bioland-Gärtnerei, die künftig
16 statt der bisherigen acht Arbeitsplätze für Menschen mit
Behinderung bietet, will sich vor allem auf Gemüse-Veredelung
spezialisieren.
Weit mehr als tausend Besucher ließen sich am ersten Sonntag
im Oktober den Tag der Offenen Tür in der Gärtnerei am Ortsrand von Wilhelmsdorf nicht entgehen. Während die vielen,
vielen Kinder Blumentöpfe bunt bemalten, kleine Kakteen
einpflanzen durften, in der Pferdekutsche mitfuhren, oder eine
Runde auf einem nostalgischen Karussell drehten, ließen sich
die Erwachsenen durch die neue Gärtnerei führen, probierten
frisch frittierte „Kürbis-Pommes“ und tranken im Gewächshaus
eine Tasse Kaffee.
Mehr als 900.000 Euro haben die Zieglerschen Anstalten in
neue Gebäude und Gewächshäuser investiert. Knapp 700.000
Euro kamen davon als Zuschüsse oder Darlehen. Das alte
Gebäude sei nicht mehr zu sanieren gewesen, die technische
Ausstattung war mangelhaft. „Das alles sind gute Gründe. Aber
zuallererst haben wir diese Gärtnerei für die Menschen gebaut,
die uns anvertraut sind. Es ging und geht darum, zeitgemäße
und attraktive Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu
schaffen“, sagte Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Züfle bei der
Einweihungsfeier.
22
Wir
Nach wie vor kann man in der Gärtnerei Gemüse und Salate in
Bioland-Qualität kaufen. Dabei wird nur sehr wenig zugekauft,
wie Gärtnermeister Helmut Rotter betont. „Regional“ und
„saisonal“ heißen die Leitlinien: Gemüse und Salate stammen
entweder vom eigenen Acker oder aus der unmittelbaren Nachbarschaft und entsprechen der Jahreszeit. Die Privatkunden, die
jetzt dienstags und freitags im schönen, neuen Verkaufsraum
ihre Waren auswählen können, sind mit diesen Leitlinien sehr
einverstanden, wie die Gärternei-Mitarbeiter wissen.
Ein echtes Team sind die Gärtnerinnen und Gärtner mit und
ohne Behinderung. Sie sind gemeinsam auf dem Acker, im
Gewächshaus und natürlich auch im Verkauf. Und seit kurzem
stehen sie auch gemeinsam an ihren nagelneuen Veredelungsmaschinen. Denn diese Arbeit wird der neue Schwerpunkt
der Rotach-Gärtnerei: veredeltes Biogemüse für Großküchen.
Veredeln heißt in diesem Fall, den Küchen Arbeit abzunehmen.
Salat gibt’s geputzt, gewaschen und geschnitten. Karotten werden gestiftelt, geraspelt und gestückelt, ganz wie der Kunde
es will. Hier, so sind die Verantwortlichen nach intensiven
Markstudien überzeugt, ist die Nische, wie Wilhelm Hiesinger,
Kaufmännischer Geschäftsführer der Behindertenhilfe der
Zieglerschen, bei der Einweihung sagte.
Das sehen auch die Kooperationspartner so: Christine Funk,
Geschäftsführerin der Pro Regio, stellte fest, dass durch den
neuen Arbeitsschwerpunkt der Gärtnerei eine „große Lücke in
der Vermarktung hochwertiger Produkte in Landkreis und Region“ geschlossen werde. Ziel sei es, „die Wertschöpfungskette
zu stärken“, indem heimische Produkte vom Acker auf den heimischen Speisenteller gebracht würden.
Ein gutes Fünftel der Gesamtkosten der Maßnahme trägt der
KVJS (Kommunalverband für Jugend und Soziales). Wie dessen
Vertreter Dr. Eckart Bohn sagte, seien dazu Mittel aus der sogenannten „Ausgleichsabgabe“ verwendet worden. Diese Abgabe
müssen Betriebe zahlen, die nicht genügend Schwerbehinderte beschäftigen.
Die Verwendung hier in Wilhelmsdorf, wo von diesem Geld direkt
Arbeitsplätze für behinderte
Menschen entstehen
könnten, sei deshalb
besonders sinnvoll,
so Bohn. CS
STRESS HINTER DER KASSE: MEHR ALS 1.000 BESUCHERINNEN UND BESUCHER KAMEN ZUR ERÖFFNUNG DER ROTACH-GÄRTNEREI
23
Wir
ANRUF BEI…
nruf b
ei
a
guten tag, was machen sie gerade?
Monika Materna, Hausleitung im
Seniorenzentrum Bad Waldsee
■
■ Gut, dass Sie jetzt anrufen, bis vor ein
paar Minuten habe ich Interessenten unser
Haus gezeigt, nun werde ich demnächst
eine neue Bewohnerin im Seniorenzentrum begrüßen dürfen.
Mir geht es sehr gut, ich bin jetzt seit gut
einem Monat hier in der Einrichtung und
fühle mich wohl. Zu 100 Prozent bin ich
noch nicht eingearbeitet, aber ich komme
jeden Tag ein Stück voran. Ich war ja
lange im ambulanten Bereich tätig und
da gibt es schon einige Unterschiede und
Regelungen, mit denen ich mich nicht auseinandersetzen musste. Positiv daran ist,
dass ich sozusagen mit dem „Blick von
außen“ viele Dinge betrachte und angehe.
Das stellen auch meine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest, die mich übrigens sehr freundlich und zuvorkommend
begrüßt haben. Da fällt die Eingewöhnung
natürlich leicht. Gleich zu Beginn konnte
ich mir bei den Einführungstagen auch ein
Bild von den Zieglerschen verschaffen,
das hat mir gut gefallen.
Gemeinsam mit den Mitarbeitern habe ich
auch schon einige Dinge angepackt, beispielsweise schauen wir gerade, wie wir
Abläufe im Haus und auch die Gestaltung
der Wohnbereiche verändern können. Was
mir sehr gut gefällt ist, dass das Seniorenzentrum mit den 33 Plätzen eher klein
ist und ich mich den Bewohnerinnen und
Bewohnern intensiv widmen kann. Das
war im ambulanten Dienst oft nicht möglich. Deshalb nutze ich gerne jede Gelegenheit zum Kontakt und Gespräch.
DIE ANRUFERIN WAR BIRGIT LIEDE
GESCHENKTIPP:
elch, hase, seehund
■
■ Jedes Jahr das gleiche: Weihnachten kommt immer so plötzlich und damit kommt auch
der Schreck: Ich brauch ja noch Geschenke!!! Hier ein Tipp für alle, die ihre Lieben bedenken und gleichzeitig etwas Sinnvolles tun möchten: Verschenken Sie doch ein paar Ausstecher aus den Rotach-Werkstätten! Die Ausstecherle, hergestellt von der Behindertenhilfe der
Zieglerschen Anstalten seit rund sieben Jahren, sind längst zum Verkaufsschlager geworden.
Allein in diesem Jahr wurden fast eine Million der originellen Metallförmchen produziert.
Ob Elch, Katze, Seehund, Fledermaus oder 235 weitere Formen – die Auswahl ist nahezu
unerschöpflich und kann im Laden „Kunterbunt“ in Wilhelmsdorf erworben oder per Telefon
bestellt werden.
Kontakt: Laden „Kunterbunt“, Zußdorfer Str. 28, 88271 Wilhelmsdorf, Tel. 07503/ 929 653
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 8.30 – 12 Uhr und 13.30 – 16.30 Uhr,
Donnerstag 8.30 – 12 Uhr, Freitag 8.30 – 12 Uhr und 13.30 – 15.30 Uhr
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1. Wie sind Sie zu den Zieglerschen An
stalten gekommen?
Über einen Umweg. Ich wa
r 2004 für kurze Zeit Konre
ktor im
Martinshaus Kleintobel. Zu
vor habe ich an der Uni Mü
nch
en
Sprachbehindertenpädagogi
k und Psychologie studiert
mit
der
Verleihung des Akademische
n Grades eines Magisters der
Sonderpädagogik, daher der M.
A. hinter der Namensführung
.
Nach
Jahren der Tätigkeit in freier
Praxis als Sprach- und Legasth
enietherapeut kam ich dann über
Kleintobel an das Hör-Sprachz
ent
rum
nach Sigmaringen. Seit Au
gust 2007 leite ich diese Sch
ule.
K a rl -O
tt
Hör-Sp o Kannapinn
rachze
ntrum (46), Schulle
Sigm a
ringen iter im
2. Wenn Sie Kinder oder auch keine
haben: Was wünschen
Sie jungen Leuten von heu
te für ihre Zukunft?
Ich wünsche meinen eigene
n zwei Kindern und meinen
Kindern
in der Schule, dass sich ihre
Träume erfüllen mögen. Un
d
dass
sie Menschen treffen, die ihn
en Wegbegleiter in ihrem Leb
en
sind.
Joseph Ratzinger: Salz der Erd
e. Ich suche gerade auch als
Katholik den Wandel in der Kirche
und finde Ansätze dazu in dem
Buch des jetzigen Papstes.
5. Welche Lebenserfahrung möchten
Sie nicht missen?
Ich habe mit Suchtkranken
gearbeitet. Ich war fünf Jah
re in
einem Kloster. Ich habe pro
fessionell Musik gemacht. Ich
möchte
keinen dieser Wege missen,
denn es waren alles Wege nac
h
innen, durch die ich mich und
damit auch andere kennenlern
enund mögenlernen konnte.
6. Mit welchen Menschen der Gesch
ichte oder der Gegenwart
möchten Sie einmal ein Ge
spräch führen?
Mit dem Islam-Experten Pet
er Scholl-Latour. Mit dem Qu
erdenker Eugen Drewermann, des
sen psychoanalytische Interp
retation
von Märchen ich sehr eindru
cksvoll finde. Mit der Sterbe
for
scherin Elisabeth Kübler-Ross. Da
ss unsere Seele drei Tage bra
uche,
um die sterbliche Hülle zu
verlassen, dieser Gedanke von
Fra
u
Kübler-Ross lässt mich nic
ht los.
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8. Wie sieht Ihr Traumurlaub aus?
Nordsee, Elba, Prag.
9. Sie gewinnen eine Million im Lotto.
Was machen Sie mit
dem Geld?
Zusammen mit einem Freund
unterstütze ich Häuserproje
kte in
Afrika. Hier können für 200
0 Häuser mit fließendem Wa
sser
erstellt werden. Dahin würde
das Geld zum großen Teil flie
ßen.
10. Was ist Glück für Sie?
Mich auf die Suche nach mir
selbst zu begeben.
11. Ihre größte Tugend?
Meinen Mitmenschen in Wü
rde zu begegnen. Jegliche For
m der
Gewalt nicht zuzulassen. In
meiner täglichen Arbeit darauf
zu
achten, dass es den Menschen, für
die ich Verantwortung trage,
gut geht.
RAINER KÖSSL
4. Welches Buch lesen Sie gerade?
VON
Meine Großmutter und meine
Urgroßmutter wurden 97 bzw
.
100 Jahre alt. So alt möchte
ich auch werden. Ich habe näm
lich
noch viel vor.
Glaube?
Als ich 12 war sollte ich zur
Firmung gehen. Bis einen Tag
davor war das auch ganz kla
r. Doch dann ist irgendwas
mit
mir passiert. Ich weigerte mic
h, zur Firmung zu gehen, den
n
ich stellte diesen kirchlichen
Akt plötzlich in Frage. Was
für
ein Drama! Die Verwandten
waren eingeladen usw. Gott
sei
Dank ging meine Schweste
r am gleichen Tag wie ich zur
Firmung, sodass die Vorbereitung
en nicht ganz umsonst waren
.
Ich danke meinen Eltern, das
s sie mich gewähren ließen
und
konnte mich mit 17 Jahren
für die Erwachsenenfirmung
fre
iwillig und überzeugt entsch
eiden. Die katholische Kirche
hat
mir so manche Verletzungen
zugefügt und ich habe viel
Zei
t
mit evangelischen Christen
und der Diakonie verbracht
. Doch
ich schaffe es nicht, meine „ka
tholischen Wurzeln“ aufzug
eben.
AUFGEZEICHNET
3. Wie stellen Sie sich Ihr Alter vor?
7. Welche Bedeutung hat für Sie der
Angedacht
wie sprechen
sie mit gott?
ANGEDACHTES
VON
ANNE BECK
■
■ Zwei Schüler auf dem Heimweg von der Schule. Fragt der
eine: „Sag mal, betet ihr zu Hause vor dem Essen?“ Sagt der
andere: „Nein, meine Eltern können beide ganz gut kochen.“
WIE IST DAS MIT DEM BETEN BEI IHNEN? Das Gebet ist ein
Gespräch. Ein Gespräch nicht mit irgendjemandem, sondern
mit Gott, dem Vater. Das heißt also: beten ist mehr als nur ein
Nachsprechen von alten überlieferten Versen oder gar eine rein
rationale Übung. Das Gebet ist DIE Kommunikation zwischen
den Menschen und Gott!
WIE KOMMUNIZIEREN SIE MIT GOTT? Die Gespräche der
Menschen mit Gott sind so verschieden wie die Menschen und
ihre Lebenslagen. Auch in der Bibel finden wir in den Psalmen
Menschen, die zu Gott beten. Einige befinden sich in freudigen
Situationen, die sie zum Lobgebet anregen. David beispielsweise bringt in Psalm 9 mit folgendem Satz seine Freude zum Ausdruck: „Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle
alle deine Wunder. Ich freue mich und bin fröhlich in dir und lobe
deinen Namen, du Allerhöchster, dass meine Feinde zurückweichen mussten; sie sind gestürzt und umgekommen vor dir.“
ANDERE ABER sind in schwierigen Lebenslagen, die sie Gott
dann auch anvertrauen oder ihm sogar enttäuscht vorwerfen. So
hadert etwa David in Psalm 35 mit Gott und betet: „Herr, führe
meine Sache wider meine Widersacher, bekämpfe, die mich
bekämpfen! Ergreife Schild und Waffen und mache dich auf,
mir zu helfen! Zücke Speer und Streitaxt wider meine Verfolger! Sprich zu mir: Ich bin deine Hilfe!“
UND GOTT? Er hört ihnen allen zu. Gott hört auch uns zu. Doch
es kommt noch viel besser, er hört nicht nur passiv zu, er – der
Schöpfer aller Dinge – ERHÖRT unser Gebet. Das glauben Sie
nicht!? Sie haben es schon so oft versucht, aber Gott hat einfach
nicht gemacht, was Sie sich von ihm gewünscht haben? Gott als
Wunschautomat, der sich von uns sagen lässt, was richtig für uns
ist? Nein, Sie merken, das kann nicht sein. Wir Menschen messen
uns und unsere Mitmenschen nach menschlichen Maßstäben,
die uns unter Leistungsdruck setzen und die wir teilweise nicht
erfüllen können. Gott jedoch misst uns nach seinem Maßstab.
GÖTTLICHER MASSSTAB? Gott ist die Liebe! Die Liebe ist der
zentrale Maßstab Gottes. Liebe – und damit auch Nächstenliebe
erwartet Gott von uns und lässt sie uns wunderbar in unendlich
großem Maß zuteil werden. Aussagen über die Liebe finden wir
viele in der Bibel, unter anderem in Römer 13, 10, wo sogar zu
lesen ist, die Liebe ist das Entscheidende an Gottes Gesetz.
LIEBEN UND GELIEBT WERDEN – das ist erleichternd! Gott
sagt uns also zu, dass er uns liebt. Seine Liebe ist unendlich groß
und wir dürfen sicher sein, dass wir zu ihm kommen können wie
wir sind. Diese Gewissheit nimmt uns den Leistungsdruck, alles
richtig machen zu müssen und hilft uns, diese Liebe auch an
unsere Nächsten weitergeben zu können. Diese Zusage erinnert
uns aber auch daran, immer im Gespräch mit Gott zu bleiben, um
stets wie im Psalm 91 beten zu können: „Wer unter dem Schirm des
Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt“,
der kann sich sicher sein, dass Gott seine Zuversicht, seine Burg,
seine Zuflucht, sein Schirm und sein Schild ist. Und bleibt.
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Angedacht
interesse an zivildienst,
praktikum oder
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