Schluckbeschwerden

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Schluckbeschwerden
TITELTHEMA
Teile der Nahrung werden nicht in die Speiseröhre transportiert, sondern verbleiben im
Rachenraum (Probeschluck mit grünen
Wackelpudding)
Schluckbeschwerden
„Essen und Trinken hält Leib und Seele
zusammen“, sagt das Sprichwort und
bringt zum Ausdruck, dass Essen und
Trinken mehr ist, als die ausreichende
Kalorien- und Flüssigkeitsaufnahme. Denn
Essen und Trinken haben gerade auch für
die Lebensqualität große Bedeutung.
TEXT UND FOTO
carl-albert bader
⊷ Damit die Nahrungsaufnahme
störungsfrei funktioniert, müssen die
am Schlucken beteiligten Organe intakt sein. Organische oder funktionelle
Störungen an diesen Schluckorganen
führen zu einer „Dysphagie“ genannten
Schluckstörung, wodurch zum einen die
Nahrungsaufnahme beeinträchtigt wird.
Zum anderen sind die tiefen Atemwege
möglicherweise nicht mehr gegen das
Eindringen von Nahrung und Speichel
geschützt. Die Folge können lebensbedrohliche Komplikationen wie das
Halswirbelsäule
und Schlucken
Erkrankungen der Halswirbelsäule, vor allem strukturelle
Veränderungen, können den Schluckvorgang ungünstig beeinflussen. So kann Osteosynthesematerial (wie Schrauben
und Platten) die oberen Speise- und Luftwege vom Rücken
her einengen. Vergleichbar wirkt sich auch die „Forestiersche
Erkrankung“ aus: hierbei kommt es zur Ausbildung gutartiger
knöcherner Anbauprozesse an den Vorderkanten der Halswirbelkörper. Der Schluckvorgang kann dabei auf verschiedene Art und Weise beeinträchtigt werden: durch die
Einengung des Speisewegs, durch eine Behinderung der
Kehlkopfhebung (die für die Öffnung des oberen Schließmuskels der Speiseröhre maßgeblich ist) oder durch eine Störung
der Muskelkontraktionen im Schlund während des Nahrungstransports. (cros)
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2013 Auftreten einer Aspirationspneumonie
(Lungenentzündung, verursacht durch
das Einatmen von Fremdstoffen) sein.
Für den HNO-Arzt und den Phoniater
sind die Schluckstörungen des MundRachen-Raumes von vorrangigem Interesse. Das Problem der Bewältigung
von Nahrung (und Speichel) liegt dabei
im Bereich der Mundhöhle, des Rachens
oder des Kehlkopfes und kann unterschiedliche Ursachen haben.
Schluckstörungen treten häufig nach
Tumoroperationen im HNO-Gebiet auf,
wenn die Struktur der oberen Speiseund Luftwege operationsbedingt verändert ist. Speziell bei älteren Patienten
können zudem Veränderungen der
Halswirbelsäule das Schlucken nachteilig beeinflussen (siehe Infokasten).
Aber auch Patienten mit neurologischen
Grunderkrankungen können betroffen
sein: In der Akutphase eines Schlaganfalls liegt bei mindestens der Hälfte
der Patienten eine mehr oder weniger
ausgeprägte Schluckstörung vor. Es
existieren heute verschiedene Möglichkeiten, Schluckstörungen zu diagnostizieren: Für die Endoskopie wird
ein dünnes Fiber-Endoskop über die
Nase in den Rachen eingeführt und der
Schluckablauf unter Videodokumentation beobachtet. Die Untersuchung
belastet den Patienten wenig und ermöglicht dem Untersucher sowohl eine
Beurteilung der Speichel- und Sekretbewältigung, als auch die Beobachtung
des Schluckens bei unterschiedlichen
Nahrungskonsistenzen und –mengen.
Gerade bei Störungen am Übergang
des Rachens in die Speiseröhre ist es
sinnvoll, die Endoskopie durch eine
zusätzliche Ultraschalluntersuchung
des Halsbereichs zu ergänzen.
Die Therapie der Schluckstörungen
obliegt in der Regel der Logopädie
(vg. S. 15)
⊶
Kontakt
Klinik für Hals- Nasenund Ohrenheilkunde
Telefon 0 68 41 - 16 - 2 29 51
E-Mail [email protected]
TITELTHEMA
Wenn die Stimme versagt
Die Stimme gehört zu den wichtigsten Funktionen des Menschen. Sie
ermöglicht die sprachliche Kommunikation, sie ist ein unverwechselbares
Persönlichkeitsmerkmal und nicht zuletzt spiegelt sie unsere seelische
Befindlichkeit wider. Im Falle einer eingeschränkten
stimmlichen Belastbarkeit, einer starken Heiserkeit
oder gar eines Stimmverlusts ergeben sich meist
erhebliche Folgen für die Betroffenen: Stimmstörungen,
sogenannte Dysphonien, können die Ausübung bestimmter
Berufe unmöglich machen, zu sozialem Rückzug und zu
einer hohen psychischen Belastung führen.
TEXT UND FOTOS
carl-albert bader
Abbildung 1 – Stimmlippenkarzinom (im Bild links) erkennbar
an unregelmäßiger Stimmlippenkante
⊷ Die Ursachen von Stimmstö-
rungen sind vielfältig. Organische
Dysphonien können durch gut- oder
bösartige Neubildungen (Abbildung 1)
oder durch Lähmungen der Stimmlippen,
etwa nach Schilddrüsenoperationen,
entstehen. Auch die chronische Einwirkung von Reizstoffen - am Arbeitsplatz oder durch Genussgifte - kann
zu organischen Veränderungen des
Stimmapparats führen (Abbildung 2).
Funktionelle Stimmstörungen beruhen häufig auf einer anlagebedingten
Schwäche des Stimmapparats, auf
stimmlicher Überlastung, oder auf einer ungünstigen individuellen Stimmtechnik. Daneben können psychische
Einflüsse eine erhebliche Rolle spielen.
Von funktionellen Stimmstörungen sind
häufig stimmintensive Berufe betroffen - Lehrer, Erzieher oder Mitarbeiter
in Call-Centern. Bei anhaltend starker
Stimmüberlastung können sich an den
Stimmlippen organische Veränderungen
bilden, wie die typischen Phonationsverdickungen oder -knötchen, manchmal auch als „Sängerknötchen“ oder
(bei Kindern) als „Schreierknötchen“
bezeichnet (Abbildung 3).
Für die Abklärung von Stimmstörungen
kann auf eine umfangreiche Reihe von
diagnostischen Methoden zurückgegriffen werden. Eine besondere Bedeutung
kommt dabei den apparativ gestützten
Verfahren zu (vgl. S.16/17).
Die Ursache einer Stimmstörung bestimmt die Art ihrer Behandlung. Es
stehen prinzipiell medikamentöse, operative und physikalische Therapieansätze sowie – gerade bei funktionellen
Stimmstörungen – die logopädische
Übungstherapie zur Verfügung (vgl.
S.15). Begleitend sind in vielen Fällen
„stimmhygienische“ Maßnahmen zu
empfehlen, die Verhaltensänderungen
der Patienten beinhalten wie beispielsweise die Nikotinkarenz und die Meidung anderer schädigender Einflüsse
auf die Stimme.
Abbildung 2 – durch exzessives Rauchen verursachte
Flüssigkeitseinlagerungen in den Stimmlippen
⊶
Kontak t
s. S. 10
Abbildung 3 – „Sängerknötchen“ bei chronischer Stimmüberlastung
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Schwellung im Halsbereich
und Halstumore
Eine Schwellung im Halsbereich kann viele verschiedene
Ursachen haben, deren Abklärung einer gründlichen
Diagnostik bedarf. Solche Schwellungen können angeborene Ursachen haben, durch entzündliche Prozesse oder
als Folge von Tumoren entstehen. Die Patienten klagen
über unterschiedliche Symptome: Halsschmerzen,
Schluckbeschwerden, knotige Schwellungen, Rötungen,
Fieber, Atembeschwerden.
TEXT
Schilddrüsenund Nebenschilddrüsenoperation
durch die
Achselhöhlen
ohne Schnitt
am Hals
⊷ Die Anamnese ist eine wesentli-
che Voraussetzung für die Diagnose. Die
Angaben über Auftreten und Größenänderung, über Beschaffenheit, Lokalreaktionen, Dauer und Beschwerden einer
Halsschwellung können unterschiedlich
ausfallen. Zur Diagnostik werden neben
der Inspektion, dem Tastbefund und den
HNO-ärztlichen Untersuchungen auch
Laboranalysen, CT, MRT, Angiographie
und eine PET-Diagnostik durchgeführt.
Endoskopische Untersuchungen, Biopsie, Abstrich und die Untersuchung des
entfernten Gewebes liefern zusätzlich
wichtige Hinweise für die Differenzierung zwischen einer Entzündung und
einem Tumor.
Seit März 2012 führt die HNO-Klinik des UKS erfolgreich
Operationen mit dem robotergestützten DaVinci®-System
durch. Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenoperationen
erfolgen durch die Achselhöhlen ohne Schnitt am Hals,
und Tumoren werden durch die Mundhöhle entfernt. Die
Vorteile für den Patienten: kürzere Operationszeiten, geringerer Blutverlust, weniger postoperative Schmerzen
und kürzere Krankenhausaufenthalte.(cros)
U K S repor t I
FOTO
ute bendfeldt
Mögliche Ursachen für eine
Halsschwellung
Bei der Diagnosestellung ist beispielsweise an folgende Erkrankungen zu denken:
•
angeborene Fehlbildungen: in der Mitte des Halses (mediane) und seitlich gelegene (laterale) Halszysten
• entzündliche Schwellungen: Furunkel, Atherom (im Volks-
mund „Grützbeutel“ genannt),
Abszess
• Lymphknotenschwellungen:
Reaktionen auf akute oder chro-
nische Infektionen, bösartige Lymphome, Lymphknotenmetas-
tasen
• Entzündungen der Schilddrüse oder der Speicheldrüsen
Neue Therapieansätze
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2013 • gut- und bösartige Tumoren
Therapien
Die Therapie richtet sich nach der Diagnose. Bei entzündlicher Ursache wird
ein Antibiotikum eingesetzt. Zusätzlich kann mit lokalen Umschlägen und
Schmerzmitteln behandelt werden. Bei
Halsabszessen oder Halsphlegmonen
ist die Abszesseröffnung, Drainage
und Spülung die Therapie der Wahl.
Eine vollständige chirurgische Entfernung wird bei Halszysten, Halsfisteln
und Halstumoren empfohlen. Bei Halslymphknoten-Malignomen richtet sich
die Behandlung nach dem Stadium des
Tumors und variiert von der chirurgischen Entfernung, der Radiotherapie
bis hin zur Radio-Chemotherapie oder
der Radio-Immuntherapie.
⊶
Der Autor
Dr. Basel Al Kadah ist Oberarzt an der
HNO-Klinik des UKS.
Kontakt
s. S. 10
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Logopädie
Innerhalb der medizinischen Heilberufe spielt die Logopädie als Partnerdisziplin der
Phoniatrie und der HNO-Heilkunde bei der Behandlung von Stimm- und Schluckstörungen eine besonders wichtige Rolle. Logopäden behandeln zwar auf ärztliche Verordnung
und auf Grundlage einer speziellen ärztlichen Diagnostik, aber sie arbeiten prinzipiell
selbständig und eigenverantwortlich. Die HNO-Klinik beschäftigt derzeit zwei Logopädinnen.
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carl-albert bader
FOTO
rüdiger koop
Im Rahmen einer Artikulationsbehandlung therapiert die Logopädin Sabine
Hoffmann (links) Patienten, deren
Fähigkeit, Laute zu artikulieren,
krankheitsbedingt gestört ist
⊷ Im Falle einer Schluckstörung
hat die logopädische Behandlung das
Ziel, entweder verloren gegangene
Funktionen des Schluckablaufs wiederherzustellen oder – falls dies nicht
möglich ist - mit dem Patienten Schlucktechniken zu erarbeiten, die eine für die
Ernährung des Patienten ausreichende
und für die tiefen Atemwege gefahrlose
Nahrungsaufnahme ermöglichen. Begleitende Maßnahmen - beispielsweise
eine geeignete Nahrungsauswahl oder
die Verwendung spezieller Ess- und
Trinkhilfen - ergänzen die Therapie. Eine
wichtige Rolle spielt auch die Beratung
des Patienten und seiner Angehörigen
in Bezug auf die Konsequenzen der
Schluckstörung im Alltag.
Die logopädische Behandlung von
Stimmstörungen kann an allen Vorgängen ansetzen, die an der Stimmbildung beteiligt sind. Therapieinhalte
sind etwa die Schulung der Eigenwahrnehmung der Stimme, die gedankliche
Vorbereitung der Stimmproduktion
und des Sprechens, Übungen zur Verbesserung der Atmung, Übungen für
die Stimmerzeugung im Kehlkopf und
Maßnahmen zur Verbesserung der
stimmlichen Tragfähigkeit.
hinaus ist das häusliche Üben der in
der Behandlungsstunde erarbeiteten
Inhalte von großer Bedeutung. Die
Therapiephasen umfassen bei Stimmstörungen üblicherweise einige Monate,
bei Schluckstörungen sind teilweise auch
langfristige Behandlungen von einem
halben Jahr und mehr erforderlich.
⊶
Kontakt
s. S. 10
Die erfolgreiche Behandlung von
Stimm- und Schluckstörungen kann
nur erfolgreich sein, wenn der Patient
entsprechend motiviert ist und aktiv
an der Therapie teilnimmt. Darüber
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TITELTHEMA
Ultraschalluntersuchungen
des Halses
Der bei weitem größte Anteil der Ultraschalluntersuchungen im HNO-Bereich entfällt auf die Beurteilung
der Weichteile des Halses. Die Ultraschalluntersuchung,
auch Sonographie genannt, wird eingesetzt bei Schwellungen des Halses, bei Schluckbeschwerden und bei
Vor- und Nachsorgeuntersuchungen im Rahmen bösartiger Kopf-Hals-Erkrankungen. Der Vorteil des Ultraschalls: Er kann vom behandelnden Arzt schnell
eingesetzt werden und er verursacht keine Strahlenbelastung. Daher profitieren von dieser risikofreien Bildgebung insbesonders Schwangere und Kinder.
In der HNO-Klinik des UKS ist der Ultraschall die
wichtigste bildgebende Methode bei Fragestellungen
des Halses, so dass in der Mehrzahl der Fälle Computertomographie und Kernspintomographie entbehrlich
sind.
TEXT
klaus bumm
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hno-klinik
Die Abbildung zeigt eine gutartige Halslymphknoten-Vergrößerung. Der rundovale Lymphknoten hat
ein typisches „bäumchenartiges“ Durchblutungsmuster (rot und blau eingefärbt).
⊷
Vergrößerte Lymphknoten oder Tumorerkrankung?
Mit einer steigenden Tendenz erkranken in Deutschland jährlich etwa 7 von
100 000 Einwohnern neu an einem Tumor im Kopf-Hals-Bereich. Neben der
Tumorerkrankung, die mit Heiserkeit
und Schluckbeschwerden einhergeht,
bemerken die Patienten auch häufig
zunächst einen vergrößerten Halslymphknoten.
In der Mehrzahl der Fälle handelt es
sich dabei jedoch um eine entzündliche
Vergrößerung von einigen der über 100
Halslymphknoten. Ursachen hierfür
können unter anderem Infekte der
oberen Atemwege, Zahnerkrankungen
und Allergien sein.
Die Beurteilung von solchen Veränderungen gelingt mit Hilfe des Ultraschalls problemlos. Der Vorteil der
Sonographie zeigt sich dadurch, dass
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2013 der untersuchende Arzt die Informationen der Untersuchung selbst mit dem
Ultraschallbild abgleichen kann. Ferner
gelingt es, die im Falle einer operativen
Therapie maßgeblichen Nachbarschaftsverhältnisse klar zu definieren und für
den Kopf-Hals-Chirurgen eine präzise
Operationsplanung zu ermöglichen.
Im Bereich der Planung umfasst dies
besonders folgende Aspekte:
•
Mögliche Beteiligung von Nerven, Venen und Arterien als Gefahren
punkte bei einer geplanten Ope
ration
• Einbruch von Tumoren in Nach-
barstrukturen
• Abschätzen der Operationsdauer und des Risikoprofils
Sonographie der Schilddrüse
Gut- und bösartige Veränderungen der
Schilddrüse, die im unteren Halsbereich
zu einer sicht und tastbaren Schwellung
führen, lassen sich mit der Ultraschalluntersuchung hervorragend abgrenzen.
Entzündliche Prozesse, Tumoren oder
Beteiligungen dieser Drüsen bei Systemerkrankungen müssen nicht mittels
invasiver Methoden untersucht werden.
Dem Patienten bleiben dadurch häufig
eine Probeentnahme oder Operation
erspart.
⊶
Der Autor
Prof. Klaus Bumm ist der Leitende
Oberarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und
Ohrenheilkunde des UKS
Kontakt
s. S. 10

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