Andrea Sawatzki

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Andrea Sawatzki
RD Wort für Wort
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Andrea Sawatzki
Im Tatort spielt Andrea Sawatzki
ihre bislang bekannteste Rolle –
in der Familie ihre wichtigste
?
NEIN, DANKE.
Hollywood
VON MICHAEL KALLINGER
as erfrischende lachen passt so gar
nicht zu ihrer kühlen Rolle: Andrea
Sawatzki, 41, groß, schlank und sommersprossig, hat im Gespräch wenig
mit der spröden Frankfurter Kommissarin Charlotte Sänger gemein, die drei Tatort-Folgen
lang nicht von ihren dominanten Eltern loskommt.
Und sie in der vierten zu Grabe trägt, ermordet. Das
wirkliche Familienleben der Wahlberlinerin mit ihrem
Kollegen Christian Berkel und zwei kleinen Söhnen
verläuft glücklicherweise weit weniger dramatisch.
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FOTO: © DPA
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RD: Wie viel Andrea Sawatzki steckt
in der Figur der Tatort-Kommissarin
Charlotte Sänger?
Sawatzki: Das lässt sich ganz schwer
sagen. Ich glaube alles, sonst würde
ich sie ja nicht spielen.
RD: Wie reagieren die Menschen
denn, wenn sie Sie erkennen?
Sawatzki: Oft tuscheln sie nur, manche
kommen auch auf mich zu und sagen,
dass sie schön finden, was ich mache.
Das ist natürlich toll, das gefällt mir.
RD: Inwieweit konnten Sie diese Figur
mitentwickeln?
Sawatzki: Ich wollte auf keinen Fall
eine Kommissarin spielen, die geschieden ist und zwei Kinder allein
aufziehen muss. Ich wollte eine Figur
mit einem ganz eigenartigen Privatleben. Dass die Frau etwas haben muss,
was für das deutsche Fernsehen ungewöhnlich ist, das war schon mein
Wunsch. Die präzise Charakterisierung haben dann aber beim Hessischen Rundfunk die Chefin des Fernsehspiels und der Drehbuchautor und
Regisseur Niki Stein vorgenommen.
RD: Sie haben ja auch schon andere
Erfahrungen gemacht, wurden zu Beginn Ihrer Karriere in Wilhelmshaven
mit Hagebutten beworfen.
Sawatzki: (lacht) Stimmt. Wo haben
Sie das denn her, das war doch vor 100
Jahren! Wir spielten Theater in einer
Schule für schwer erziehbare Kinder,
und die fanden unser Stück wohl
ziemlich doof. Und haben uns deshalb
beworfen. Kindertheater ist die härteste Schule, die man in diesem Beruf
durchlaufen kann.
RD: Wie würden Sie denn das Wesen
der Charlotte beschreiben?
Sawatzki: Die Charlotte wirkt manchmal fast sphärisch, kann aber im richtigen Moment zupacken. Sie zeigt
immer wieder dieses Überraschende,
das liebe ich so an ihr.
RD: Frauen mit kantigem Charakter
haben Sie bereits früher gespielt: In
Thrillern wie Die Mutter des Killers
oder Das Experiment. Und in zahlreichen Fernsehkrimis.
Sawatzki: Stimmt, aber ich habe genauso viele Komödien gespielt. Seit
ich den Tatort drehe, neigt der Großteil der Zuschauer dazu, mich ins Krimifach zu stecken.
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RD: War es denn weniger anstrengend,
als Sie vor kurzem mit Ihrem Mann
Christian Berkel auf der Bühne des
Berliner Renaissance-Theaters standen, um Edward Albees Die Ziege zu
geben?
Sawatzki: Wenn man ein provokantes
Stück spielt, in dem der Ehemann eine
Affäre mit einer Ziege hat, stößt man
bei einem Publikum, das sein Theater
eher besucht, um nette Komödien zu
sehen, erst einmal auf harsche Ablehnung. Es war sehr schwer, die Zuschauer jeden Abend aufs Neue in unseren Bann zu ziehen, 32-mal „en suite“.
Morgens aufzustehen und zu wissen:
Heute Abend muss ich kämpfen.
RD: Warum haben Sie sich auf dieses
Engagement eingelassen?
FOTO: © DPA
Mit Jörg Schüttauf alias „Hauptkommissar Fritz Dellwo“ bildet Sawatzki seit 2002 das
Frankfurter Ermittlergespann in der TV-Erfolgsreihe „Tatort“
Sawatzki: Christian und ich hatten
schon immer den Wunsch, zusammen
Theater zu spielen. Wir haben ja
schon etliche Filme gemeinsam gedreht, und da wir beide von der Bühne
kommen, haben wir stets gesagt: Die
Krönung wäre es eigentlich, miteinander Theater zu spielen. Was man
ja immer so denkt als Schauspieler:
Das einzig Wahre, das ist das Theater
(lacht)! Ich bin dann wohl doch eher
der Filmtyp. Dieses ständige Wiederholen liegt mir nicht – ich mache lieber jeden Tag etwas anderes.
RD: Wie ist es, mit dem eigenen Mann
zu spielen?
Sawatzki: Auf keinen Fall einfacher,
weil dabei ein Mensch, von dem ich
denke, dass ich ihn kenne, sich plötzlich in einen ganz anderen verwandelt. Das ist schon sehr befremdlich,
aber es macht auch einen irren Spaß.
RD: Wenn Sie nach der gemeinsamen
Arbeit nach Hause kommen – können
Sie Ihre Rollen spontan abstreifen?
Sawatzki: Vielleicht nicht abstreifen,
eher von einer Rolle in die andere
schlüpfen. Wobei die als Eltern unsere
wichtigste Rolle ist.
RD: Ihre Kinder sind noch recht jung ...
Sawatzki: Bruno ist 20 Monate, Moritz ist fünf Jahre alt.
RD: Sie und Ihr Mann sind viel beschäftigt. Zum Teil drehen Sie zu45
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sammen oder treten Abend für Abend
gemeinsam auf. Wie klappt das mit
der Kinderbetreuung?
Sawatzki: Wir haben viele Freunde,
die sich kümmern. Und wenn es ganz
hart kommt, hilft meine Mutter. Die
war jetzt drei Monate bei uns und hat
auf die Kinder aufgepasst. Ohne meine
Mutter könnten wir nicht arbeiten.
RD: Sie sind größtenteils allein mit
Ihrer berufstätigen Mutter aufgewachsen, haben Ihren inzwischen verstorbenen Vater erst spät kennen gelernt. Wer hat Sie als Kind betreut?
Sawatzki: Meine Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet, sie musste
halt das Geld verdienen. So war ich
eben auch bei Pflegefamilien, bei
Freunden meiner Mutter. Es war ein
sehr lustiges Leben.
Sawatzki: Ja. Ich denke mal, wenn man
so aufgewachsen ist wie ich, dann ist
es einem das Fremdeste überhaupt zu
klammern.
RD: Wie hat sich Ihre Partnerschaft
durch die Kinder verändert?
Sawatzki: Christian und ich kennen
uns ja erst seit sechs Jahren, und ich
wurde seinerzeit rasch schwanger. Es
war unser größter Wunsch, schnell
eine große Familie zu gründen. Insofern haben uns die Kinder nur sehr
glücklich gemacht. Unsere Zweisamkeit hat das kaum verändert, weil wir
auch davor selten allein waren. Wir
sind nur ein einziges Mal zu zweit verreist, für ein Wochenende nach Paris.
R D : Wi e s i e h t
ein normaler Familiensonntag
bei Ihnen aus?
Sawatzki: Wenn
wir beide zu
Hause sind, beginnt mein Tag
etwa um halb sieben, wenn Bruno
FOTO: © VISION PHOTOS
RD: Was ist der größte Luxus, den Sie
sich in Ihrer Freizeit gönnen?
Sawatzki: Mit den Kindern und meiRD: Macht es Ihnen diese Erfahrung nem Mann zusammen zu sein. Das ist
leichter, Ihre eigenen Kinder bei der das Größte. Oder Freunde einladen,
Essen gehen, schöne Reisen – selten
Oma oder Freunden zu lassen?
und daher umso
Auch beruflich ein gutes Team: Mit ihrem Ehemann Christian
kostbarer. Ab und
Berkel stand Sawatzki schon oft vor der Kamera – und nun auch
zu was Schönes
auf der Bühne des Berliner Renaissance-Theaters
zum Anziehen
kaufen ...
H O L LY W O O D ? N E I N , D A N K E .
aufwacht; Christian übernimmt meistens die Nächte. Ich gehe dann erst
einmal mit Bruno in die Küche, mache
eine doppelte Latte macchiato. Dann
spiele ich mit Bruno, bis Moritz um
acht aufwacht. Ich ziehe die beiden
an, und irgendwann geht einer von
uns mit den Kindern zum Bäcker. Wir
wohnen ja auf dem Land, also hinlaufen, frühstücken. Und dann gehen wir
entweder in den Zoo oder zu Freunden oder haben Besuch, oder wir spielen zu Hause und im Garten; versuchen abwechselnd zu joggen. Völlig
unspektakulär.
RD: Bevor Sie selbst Mutter geworden
sind, hatten Sie schon Patenkinder.
Sawatzki: Wir haben drei Kinder über
das CCF Kinderhilfswerk. Das ist eine
weltweite Organisation, die darum bittet, dass man für ein paar Euro im
Monat die Patenschaft für ein Kind
übernimmt – Kinder in Ländern wie
Brasilien oder Boliven. Kinder aus
ärmsten Verhältnissen, die durch dieses Geld in die Schule gehen und medizinisch versorgt werden können.
Ich habe zum Beispiel einen Patensohn im Senegal, der ist jetzt 17, den
habe ich bekommen, da war er acht.
Ich habe seinen ganzen Werdegang
verfolgt, und das ist ein sehr glückliches Kind.
RD: Haben Sie Ihren Patensohn schon
mal getroffen?
Sawatzki: Nein, ich hatte irgendwie
nie die Gelegenheit dazu. Aber er
schickt mir immer Fotos, und er
schreibt. Dem geht es richtig gut. Er
macht jetzt irgendwann seinen Schulabschluss.
RD: Weiß er, dass Sie hier eine sehr
prominente Persönlichkeit sind?
Sawatzki: Er hat mal gefragt, was ich so
mache. Ich habe ihm geschrieben:
Schauspielerin, und ihm ein paar Fotos
geschickt. Aber ich glaube, es verunsichert ihn eher, dass ich als Frau einen
solchen Beruf ausübe.
RD: Vermutlich würde er auch nicht
verstehen, warum Sie sich für den
Playboy nackt fotografieren haben lassen, zwei Monate nach der Geburt von
Bruno. Was hat Sie dazu bewegt?
Sawatzki: Also, man hatte mich ja gefragt, als ich gerade schwanger war –
da war das für mich natürlich völlig
undenkbar. Andererseits sind Frauen
in der Schwangerschaft ein bisschen
im Ausnahmezustand. Man nimmt
nicht mehr so richtig teil am Leben,
sieht, wie der Bauch wächst, und man
wartet auf den Tag, an dem das Kind
endlich geboren wird. Und man hat
so einen wahnsinnigen Tatendrang,
zumindest ging es mir so. Ich habe
entbunden und bin dann sofort nach
Hause. Dort haben wir erst einmal
Champagner getrunken und gefeiert,
dass das Kind da war. Dann wollte ich
auch wieder zurückfinden zu meinem
Körper und zur Erotik – obwohl
schwangere Frauen ja auch erotisch
sind. Und ich wollte das einfach auch
mal ausprobieren. Da habe ich mir einfach gedacht: Ich mache das nicht als
Andrea Sawatzki, sondern ich spiele
eine Frau, die ich gar nicht bin. Da47
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durch waren mir die Bilder dann
schon fremd, aber ich fand sie sehr
interessant, sehr ungewöhnlich.
funktionieren wie eine Maschine –
wofür? Ich kann auch hier schöne
Filme drehen.
RD: Es waren nicht Ihre ersten Nacktaufnahmen. Für die Tierschutzorganisation Peta haben Sie sich sogar
schwanger ablichten lassen.
Sawatzki: Ich muss sagen, dass ich
mich inzwischen von Peta distanziere,
weil ich den Vergleich von Tieren hinter Gittern mit Juden im Konzentrationslager geschmacklos finde. Da dreht
sich bei mir alles um. Man kann nicht
Menschen, die im Konzentrationslager
umgekommen sind, mit Hühnern in der
Legebatterie vergleichen. Ich kann nur
hoffen, dass die Peta-Leute sich eines
Besseren besinnen.
RD: Warum ist eine US-Karriere für
viele Schaupieler so erstrebenswert?
Sawatzki: Ich weiß es nicht. Es macht
einen natürlich noch prominenter. Ob
man es aber so weit bringt wie Franka
Potente oder ob man immer nur die
kleine Deutsche spielen muss ... Ich
habe mir manchmal Gedanken gemacht, wieso ich es nie versucht habe.
Es ist wohl nicht mein Weg.
RD: Viele Ihrer Kollegen haben es versucht, einige wie Armin Mueller-Stahl
oder Franka Potente mit großem Erfolg: Ist der Sprung nach Hollywood
ein Thema für Sie?
Sawatzki: Nein, das will ich nicht.
Weil meine Kinder hier ihr Umfeld
haben. Ich hätte mich auch viel früher bemühen, Kontakte knüpfen müssen. Nach Hollywood zu gelangen erfordert so viel Ehrgeiz, da muss man
RD: Ist größere Prominenz in Ihren
Augen erstrebenswert?
Sawatzki: Nein. Ich glaube, je größer
die Prominenz, umso einsamer wird
man. Ich merke das an mir selbst. Ich
wünsche mir manchmal, mit gewissen Regisseuren zu arbeiten, dann gelingt mir das, und dann denke ich: Jetzt
müsste ich doch glücklich sein. Aber
es reicht immer noch nicht. Je höher
man kommt, umso weiter nach oben
möchte man. Und ich habe keine Lust,
den Rest meines Lebens zu versuchen,
nach Hollywood zu kommen. Es gibt
einfach viel schönere Dinge. Da fahre
ich lieber in Urlaub.
WA S D I E K AT Z E N I C H T K E N N T . . .
Meine Tochter und ich gehen hin und wieder angeln. Einmal fingen
wir nur einen kleinen Fisch, der nicht einmal für ein bescheidenes
Abendessen reichte. Deshalb gaben wir ihn unseren Katzen. Die beiden beschnupperten den Fisch, wollten ihn aber partout nicht fressen.
Da stellte meine Tochter den Futternapf neben den elektrischen
Dosenöffner, ließ ihn einige Sekunden laufen, stellte den Napf wieder
auf den Boden – und sofort fielen die Katzen über den Fisch her. S. W.
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