Der Niedersachsen liebster Fisch

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Der Niedersachsen liebster Fisch
Der Niedersachsen liebster Fisch ...
... ist die Forelle. Welchen Grund sollte es sonst haben, dass die Produktion der Forellen
jene der anderen Fische (Karpfen, Wels, Aal etc.) deutlich übersteigt. Im Jahr 2008 wurden
in Niedersächsischer Aquakultur schätzungsweise 1600 t Regenbogenforellen, 740 t Aale,
260 t Karpfen und 115 t Europäische Welse produziert. Im deutschlandweiten Vergleich der
Forellenproduktion liegt Niedersachsen auf Platz 4 nach Bayern, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen [4]. Die Regenbogenforelle gehört nicht zu den einheimischen
Binnenfischen Deutschlands. Sie wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts aus
den Vereinigten Staaten eingeführt [12]. Da die Forelle ernährungsphysiologisch sehr
wertvoll ist (ca. 103 kcal/100 g, unter 3 % Fett) [13], ist und bleibt sie in Niedersachsen ein
Verkaufsschlager.
Europaweit sind Dänemark, Frankreich und Italien die größten Forellenproduzenten. Danach
erst folgen Deutschland, Polen, Spanien und Großbritannien [5]. Unterschiedliche Herkunft
bedeutet unterschiedliche Produktionskosten. So mag es vorkommen, dass ausländischer
Fisch preisgünstig als in Niedersachsen produzierte Ware angeboten wird. Der Fisch kann
zwar ähnliche Qualität besitzen, er entspricht aber nicht dem Wunsch des Konsumenten,
heimischen Fisch auf dem Tisch zu haben. Aufgrund unterschiedlicher Produktionskosten
wird zusätzlich ein Gewinn abgeschöpft, der zu Lasten der niedersächsischen Fischwirte
geht.
Es wäre schön, wenn man unterscheiden könnte, ob die Forelle aus Aquakultur kommt oder
geangelt wurde, ob sie aus Niedersachsen stammt oder woanders her. Mit diesem Thema
beschäftigt sich im Lebensmittelinstitut Oldenburg eine Dissertation, deren erste Ergebnisse
nachfolgend vorgestellt werden sollen. Das Werkzeug für diesen Zweck ist die Stabilisotopenanalyse. Mehr Informationen über diese Analysenmethode gibt es zum Ende dieses
Beitrages.
Zur Untersuchung standen 21 Forellen zur Verfügung. Weil das Fett und das Muskelfleisch
unterschiedliche δ13C-Werte1 aufweisen und dadurch verschiedene Fettgehalte bereits
Unterschiede in den δ13C-Werten vortäuschen würden und weil das Stickstoffisotopenverhältnis nur im Muskel gemessen werden kann, werden den Forellen Filets entnommen,
die zur Vorbereitung der Messung fein zerkleinert, entfettet und getrocknet werden. Zur
Messung gelangt dann die so genannte fettfreie Trockenmasse, man kann auch sagen das
Forellenprotein.
Die Kohlenstoffisotopenverhältnisse des Forellenproteins liegen bei den untersuchten
Forellen zwischen -22,3 und -20,3 ‰ VPDB und die Stickstoffisotopenverhältnisse zwischen
9,2 und 12,5 ‰ AIR (Tabelle 1).
13
δ C
δ15N
N
21
21
Mittel
-21,0
10,4
Median
-20,9
10,3
max.
-20,3
12,5
min.
-22,3
9,2
SD2
0,55
0,92
‰ VPDB3
‰ AIR4
Tabelle 1: Kohlenstoff- und Stickstoffisotopenverhältnisse in der fettfreien Trockenmasse der Forellen
1
Maßzahlen für die Stabilisotopenverhältnisse
SD: Standardabweichung
3
Vienna Pee Dee Bee; versteinerter Belemnit; Bezugsmatrix für die Stabilisotopenanalyse von
Kohlenstoff
4
englisch "air", Luft, Bezugsmatrix für die Stabilisotopenanalyse von Stickstoff
2
Zusätzlich wird ein Teil der Filets verwendet, um das Wasser, das sie enthalten von ihnen
abzutrennen. Im Wasser werden die Stabilisotopenverhältnisse des Sauerstoffs und des
Wasserstoffs gemessen.
2
δH
δ18O
N
21
21
Mittel
-72,5
-10,5
Median
-74,2
-11,1
max.
-58,2
-7,1
min.
-83,7
-12,2
SD
9,07
1,61
‰ VSMOW5
‰ VSMOW
Tabelle 2: Sauerstoff- und Wasserstoffisotopenverhältnisse des Gewebewassers der Forellen
Wenn neben dem Fisch auch eine Probe des Teichwassers, dem der Fisch entnommen
wurde, zu Verfügung stand, wurden auch im Teichwasser die Stabilisotopenverhältnisse des
Sauerstoffs und des Wasserstoffs ermittelt (Tabelle 3).
δ2H
δ18O
N
??
??
Mittel
-51,5
-8,0
Median
-53,2
-8,3
max.
-36,3
-4,2
min.
-58,1
-9,3
SD
6,70
1,42
‰ VSMOW
‰ VSMOW
Tabelle 3: Sauerstoff- und Wasserstoffisotopenverhältnisse des Teichwassers
Die Sauerstoff- und Wasserstoffisotopenverhältnisse im Gewebewasser der Forellen reichen
von -12,2 bis -7,1 ‰ VSMOW für Sauerstoff im Gewebewasser und von -83,7 bis -58,2 ‰
VSMOW für Wasserstoff im Gewebewasser und sind negativer als die im zugehörigen
Teichwasser. Die Differenzen zwischen Teichwasser und Gewebewasser schwanken von
-15,4 ‰ bis -28,6 ‰ bei den Wasserstoffisotopen und von -1,8 ‰ bis -4,0 ‰ bei den
Sauerstoffisotopen (Tabellen 2 und 3, Diagramm 1).
-40
-50
δ2H [‰ VSMOW]
-60
-70
-80
-90
-100
-13
-12
-11
-10
-9
-8
-7
Forelle
Teichwasser
δ18O [‰ VSMOW]
Diagramm 1: Vergleich der Messwerte im Gewebewasser der Forellen mit denen im Teichwasser
sortiert nach Entnahmeort
5
Standard Mean Ocean Water; Bezugsmatrix für die Stabilisotopenanalyse von Sauerstoff und
Wasserstoff
Wie man deutlich in Diagramm 2 erkennen kann, überspannen die δ-Werte der Forellen aus
niedersächsischen Aquakulturen einen geringeren Wertebereich. Weitere Untersuchungen
werden zeigen, ob einzelne Regionen in Niedersachsen eigene Charakteristiken aufweisen.
Auch ein Unterschied zu Forellen aus Dänemark zeichnet sich deutlich ab.
-30
-40
δ2H [‰ VSMOW]
-50
-60
-70
-80
-90
-100
-13
-12
-11
-10
-9
-8
-7
-6
Dänemark
Deutschland
Unbekannt
δ18O [‰ VSMOW]
Diagramm 2: Vergleich der Messwerte im Gewebewasser der Forellen sortiert nach Herkunftsland
Unterschiedliche Isotopenverhältnisse können durch verschieden lange Hälterung erklärt
werden. Häufig werden ausgewachsene Forellen in Dänemark gekauft und nur vor Ort
gehältert. Die Dauer der Hälterung ist entscheidend für den Austausch von Gewebewasser
mit dem Wasser aus der Umgebung. Die Dauer der Hälterung für den vollständigen Wasseraustausch ist nicht bekannt. Die bereits erzielten Ergebnisse werden aber zum Anlass
genommen, diesen Sachverhalt weiter zu erforschen. Darüber hinaus müssen weitere
Proben aus Dänemark untersucht werden, um die Ergebnisse zu bestätigen.
Die im LI Oldenburg gemessenen Werte für Kohlenstoff und Stickstoff unterschieden sich
deutlich von den in der Literatur veröffentlichten Werten (Tabelle 4). Die Unterschiede in den
δ15N-Werten können durch die Ernährung der Fische erklärt werden. Alle in der Literatur
veröffentlichten Werte beziehen sich auf mit Fischmehl gefütterte Fische. Ein Anteil an
Pflanzenprotein im Futter kann zur Senkung der Stickstoffisotopenverhältnisse im
Fischgewebe führen.
Die unterschiedlichen Kohlenstoffisotopenverhältnisse können auf das unterschiedliche
Nahrungsangebot in natürlichen Gewässern bzw. durch die Fütterung zurückgeführt werden
[7].
Niedersachsen, D Donzag, Frankreich [1] Keele, UK [10] Zoppola, Italien [8]
δ C -21,0
-22,7
-18,3
-20,5
δ15N 10,4
12,1
12,6
12,4
13
Tabelle 4: Vergleich der Kohlenstoff- und Stickstoffisotopenverhältnisse bei Forellen mit
Literaturwerten
Keine der erwähnten Studien beschäftigten sich mit den Sauerstoff- und Wasserstoffisotopenverhältnissen im Gewebewasser der Fische sowie mit dem organisch gebundenem
Sauerstoff und Wasserstoff im Protein bzw. im Fett.
Anhang:
Ursachen für unterschiedliche δ-Werte bei Fischen
Stickstoffisotopenverhältnisse unterliegen einer massenabhängigen Fraktionierung (≈3,5 ‰
Anreicherung gegenüber dem Futter) an jeder trophischen Stufe und spiegeln die Ernährung
der Fische wieder. Tierisches Futter hat in der Regel höhere Stickstoffisotopenverhältnisse
als pflanzliches Futter. Je höher die Fische in der trophischen Stufe liegen, desto länger ist
deren Nahrungsmittelkette und umso höher sind deren Stickstoffisotopenverhältnisse.
Demzufolge resultieren δ15N-Werte für jedes Individuum an einem bestimmten Zeitpunkt aus
der trophischen Stufe, an der der Organismus sich ernährt [6].
Einer der wichtigsten Faktoren für die Fraktionierung der Kohlenstoffisotope ist die
Photosynthese. Infolge der Massenunterschiede endet die kinetische Variation der
Reaktionen in einer Fraktionierung der schweren Isotope im Endprodukt der Photosynthese
und des Stoffwechsels. Dadurch weisen unterschiedliche Pflanzengruppen verschiedene
Kohlenstoffisotopenverhältnisse auf: C3 von -24 bis -34 ‰, C4 von -6 bis -19 ‰, CAM von 14 bis -34 ‰ [11]. Ca. 85 % aller Pflanzen betreiben die C3-Photosynthese, bei C4- und
CAM-Pflanzen sind es nur ca. 5 % bzw. 10 % [2]. Eine Anhäufung einer bestimmten
Pflanzenart in einem Wasserbereich kann dann die Kohlenstoffisotopenverhältnisse der
herbivoren und dadurch auch der karnivoren Fische beeinflussen.
Die Isotopenfraktionierung der Sauerstoff- und Wasserstoffisotope ist temperaturabhängig
und wird meist in natürlichen Prozessen von Massentransfers wie Verdunstung,
Kondensation und Diffusion (kinetische Isotopenfraktionierung) beobachtet [2].
Sauerstoffisotopenverhältnisse scheinen gute Indikatoren für die geographische Herkunft der
Fische zu sein. In den Regionen um den Äquator wurden höhere Sauerstoffisotopenverhältnisse im Wasser gemessen als in anderen Regionen. Die nördlichen Regionen der
Nordhalbkugel und die Westküste Südamerikas weisen die niedrigsten δ18O-Werte im
Wasser auf [3].
Eine Abreicherung der Sauerstoff- und Wasserstoffisotope im Regen- und Oberflächenwasser entsteht mit steigenden Breitengraden, steigender Höhe und der Entfernung
vom Ozean. Zudem werden δ18O- und δ2H-Werte von dem Verdunstungs-NiederschlagGleichgewicht und Wechselwirkungen mit dem atmosphärischen Dampf beeinflusst.
Verdunstung bewirkt in der Regel den Anstieg der schweren Sauerstoffisotope im
Seewasser [9].
[1] Beltran M, Fernandez-Borras J, Medale F, Perez-Sanchez J, Kaushik S, Blasco J (2009) Natural
15
13
abundance of N and C in fish tissues and the use of stable isotopes as dietary protein tracers in
rainbow trout and gilthead sea bream. Aquaculture Nutrition, 15, 9 – 18
[2] Boutton TW, Shin-ichi Yamasaki (1996) Mass spectrometry of soils, Marcel Dekker, New York
[3] Bowen GJ, Wassenaar LI, Hobson KA (2005) Global application of stable hydrogen and oxygen
isotopes to wildlife forensics, Oecologica, 143, 337 – 348
[4] Brämick U (2006) Jahresbericht zur deutschen Binnenfischerei 2006, Institut für Binnenfischerei e.
V., Potsdam-Sakrow
[5] Definition of Data Collection needs for Aquaculture, Reference No. FISH/2006/15 – Lot, Final
Report, May 2009, Part 1, Review of the EU Aquaculture Sector and Results of Costs and
Earnings Survey
[6] DeNiro MJ, Epstein S (1978) Influence of diet on the distribution of carbon isotopes in animals,
Geochimica et Cosmochimica Acta, Vol. 42, 495-506
[7] DeNiro MJ, Epstein S (1981) Influence of diet on the distribution of nitrogen isotopes in animals,
Geochimica et Cosmochimica Acta, Vol. 45, 341-351
[8] Moreno-Rojas JM, Tulli F, Messina M, Tibaldi E, Guillou C (2008) Stable isotope ratio analysis as
a tool to discriminate between rainbow trout (o. mykiss) fed diets based on plant or fish-meal
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[9] Nelson CS, Northcote TG, Hendy CH (1989) Potential use of oxygen and carbon isotopic
composition of otoliths to identify migratory and non-migratory stocks of the New Zealand common
smelt: a pilot study, New Zealand Journal of Marine and Freshwater Research, Vol. 23, 337 – 344
13
15
[10] Pinnegar JK, Polunin NVC (1999) Differential fractionation of δ C and δ N among fish tissues:
implications for the study of trophic interactions, Functional Ecology, 13, 225 – 231
[11] Radtke RL, Showers W, Moksness E, Lenz P (1996) Environmental informations stored in otoliths:
insights from stable isotopes, Marine Biology, 127, 161 – 170
[12] Riedel, Dietmar „Fisch und Fischerei“, Eugen Ulmer, 1974
[13] Souci, Fachmann, Kraut „Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwerttabellen“, 7. revidierte
und ergänzte Auflage