ACT 03/09 - Greenpeace

Transcrição

ACT 03/09 - Greenpeace
act
3 | SEPTEMBER – NOVEMBER 09
Interview mit
Christine Nöstlinger
1.000.000 Taten
für den Klimaschutz
Der Klimawandel
in Österreich
Verlagspostamt 1100 Wien • P.b.b.
DVR. Nr. 0462276 • Zulassungsnr. 02Z033302M
Notstand im Eisbärland
Internationale Greenpeace Aktionen
Weltweit gegen Atomkraft
actintro
Editorial
Inhalt
act intro
Foto: GP/Teresa Novotny
Manila, Philippinen, 27. 4. 2009
Zum 23. Jahrestag des Reaktorunglücks
von Tschernobyl gedenkt Greenpeace in
Manila der Opfer. 2.000 Kerzen bilden den
Schriftzug „No Nukes – keine Atomkraft“.
Zugleich mahnen die TeilnehmerInnen,
die philippinische AKW-Ruine Bataan,
ein nie in Betrieb gegangenes Kraftwerk
im Erdbebengebiet, geschlossen
zu halten.
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Fragen aus der nahen Zukunft
Der UN-Klimabericht, die seriöseste Quelle, die uns
zur Verfügung steht, spricht von 2015 als dem Jahr,
ab dem der CO2-Ausstoß der Menschheit wieder
sinken muss. Das sind sechs (!) Jahre. Dann ist alles
entschieden. Dann haben wir es geschafft, sind einen
radikal neuen Weg gegangen. Oder alles ist beim
Alten geblieben: Dann ist der Zug abgefahren. Dann
sind die zwei Grad Klimaerwärmung nicht mehr zu
halten. Dann verselbständigt sich das Ganze.
Foto: GP/ Vj Villafranca
Nordenham, Deutschland, 22. 6. 2009
Spektakulärer Protest auf dem Dach
des Atomkraftwerks Unterweser.
AktivistInnen gelangen ungehindert
auf das Dach und zeigen auf, dass das
Kraftwerk weder gegen ein Flugzeugunglück noch gegen einen Terrorangriff
aus der Luft geschützt ist.
Ein Totenkopf symbolisiert die
todbringende Radioaktivität.
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Foto: Eric de Mildt / GP
Wien, Österreich, 26. 8. 2009
Das slowakische Atomkraftwerk
Mochovce soll ausgebaut werden und der
österreichische Baukonzern Strabag versucht
mitzumischen. Greenpeace besteigt deshalb
die Fassade der Firmenzentrale in WienDonaustadt und befestigt ein riesiges
Transparent in Form eines Kühlturmes.
Hans-Peter Haselsteiner, überlegen
Sie sich das noch einmal!
Foto: GP/ Barbara Tschann
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Foto: GP / Peter Caton
Doel, 25 Kilometer nördlich von Antwerpen,
ist eines von zwei in Betrieb befindlichen
Kernkraftwerken Belgiens. 4.000 heliumgefüllte Ballons streben dort gen Himmel
und dann in alle Richtungen. Die belgischen
AktivistInnen symbolisieren damit den
radioaktiven Niederschlag und stellen die
Frage: „Wollt ihr das riskieren?“ Die Ballons
sind übrigens biologisch abbaubar.
COUNTDOWN BIS KOPENHAGEN
Greenpeace mobilisiert für den Klimaschutz.
NOTSTAND IM EISBÄRLAND
Eine Schiffsexpedition ins arktische Eis.
ERFOLGE
1.000.000 TATEN FÜR DEN KLIMASCHUTZ
Noch nie war Klimaschutz so einfach und unterhaltsam.
ZEUGEN DES KLIMAWANDELS Die Gletscher
schwinden, Greenpeace setzt ein Zeichen dagegen.
act interview
Foto: Fred Dott / GP
Tihange, Belgien, 1. 7. 2009
INTERNATIONALE AKTIONEN
EDITORIAL
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„PROBLEME, DIE VON ERWACHSENEN
VERURSACHT WURDEN, SOLLEN VON
ERWACHSENEN GELÖST WERDEN“
Interview mit Christine Nöstlinger, Kinderbuchautorin.
„ES IST WIE EIN RAUSCH“ Interview mit
Christof Straub, Musiker und Hälfte von „Papermoon“.
„WOHER SOLL DA DER GENUSS KOMMEN?“
Interview mit Werner Lampert,
Pionier der biologischen Landwirtschaft.
PROMINENTE KLIMA-BOTSCHAFTER/INNEN
„WIR HABEN ABSOLUT KEINE ALTERNATIVE“
Interview mit Anders Levermann, 36,
Professor für die Dynamik des Klimasystems
am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Lange Zeit wurde der Klimawandel als ein Problem
betrachtet, das zukünftige Generationen betrifft. Das
stimmt so nicht länger. Wir alle werden noch unangenehme Fragen beantworten müssen: Warum habt ihr
auf diese größte aller Gefahren so zögerlich reagiert?
Warum habt ihr so stur an zerstörerischen Energiequellen festgehalten? Warum seid ihr nicht viel
schneller auf erneuerbare Energieträger umgestiegen? Warum war euch alles so egal? Und warum tut
ihr jetzt alle so, als hättet ihr nichts davon gewusst?
f ac s
Dieses Heft ist ausschließlich dem Klimaschutz
gewidmet. Ende des Jahres findet in Kopenhagen der
alles entscheidende UN-Klimagipfel statt. Es geht
darum, oben genannten Fragen zuvorzukommen.
Antworten zu geben und VerANTWORTung zu
übernehmen. Wir brauchen nicht weniger als eine
Revolution im Energiebereich, aber wie sagt schon
Erich Fried: „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie
ist, der will nicht, dass sie bleibt.“
act kommentar
Roman Kellner
Chefredakteur des „act“
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DER KLIMAWANDEL IN ÖSTERREICH
Wie macht sich der Klimawandel hierzulande bemerkbar?
SCHLACHTHOF AMAZONAS In Brasilien geht die Viehzucht
auf Kosten des Amazonas. Greenpeace landet einen Coup.
FOLLOW UP
KLIMAFREUNDLICH GENIESSEN Wer auf Fleisch
verzichtet, schont das Klima und kann auch sehr gut essen.
FREUNDLICHES KLIMA?
Von der Pflicht, gegen den Strom zu schwimmen.
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inter ac ion
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GREENPEACE ERHÄLT DEN „SAVE THE WORLD“-AWARD
SPENDE DER ANDEREN ART
TESTAMENT FÜR EINE GUTE SACHE
CARTOON VON GERHARD HADERER
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Kopenhagen
Foto: GP/ Vadim Kantor
Countdown bis
Im Dezember 2009 blickt alle Welt nach Kopenhagen. Denn da geht es beim
Klimagipfel der Vereinten Nationen um nicht weniger als die Rettung der Erde,
wie wir sie kennen. Nur wenn die Staatengemeinschaft sich auf ehrgeizige
Klimaziele und taugliche Maßnahmen, diese zu erreichen, einigt, haben wir
eine Chance, den Klimakollaps zu verhindern. Greenpeace bündelt alle Kräfte,
um den Entscheidungsträgern klar zu machen: Die Signale der Erde
sind mehr als deutlich. Die Zeit der Verzögerung ist vorbei!
Moskau, Russland, 6. 7. 2009
Im Hintergrund der Kreml. Im Vordergrund ein Aufruf, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Auf eine Mauer
projiziert Greenpeace mit grüner Schrift:
„Führer der Welt, handelt! Rettet das
Klima!“ Angesprochen fühlen sollen sich
der russische Präsident Dmitry Medvedev
und US-Präsident Barack Obama,
der gerade Moskau besucht.
Foto: GP/ John Novis
Foto: Kate Davison /GP
action
Sioux Falls, USA, 9. 7. 2009
Die Präsidentenköpfe von Mount
Rushmore sind weltbekannt. Mit einer
spektakulären Aktion fordert Greenpeace
dort vom US-Präsidenten Führungsstärke
im Kampf gegen den Klimawandel.
Mehrere AktivistInnen erklimmen das
streng bewachte Monument im US-Staat
South Dakota und enthüllen neben
Abraham Lincoln ein riesiges Transparent
mit Obamas Konterfei und der Aufschrift:
„Amerika respektiert Führer, nicht
Politiker: Stoppt die Erderwärmung!“
Peking, China, 28. 7. 2009
Foto: GP/ Pratten
Foto: GP/ Alfio Giannotti
Foto: GP/ Barbara Tschann
Foto: GP/ Pierre Gleizes
Foto: Reynaers / GP
Foto: Gustavo Graf / GP
In Westpeking machen AktivistInnen auf
ein riesiges Problem aufmerksam: Chinas
Armee von Kohlekraftwerken. Sie ist die
Kehrseite des mitunter zweistelligen
Wirtschaftswachstums. Erst wenige Tage
zuvor veröffentlichte Greenpeace eine
Studie: Der CO2-Ausstoß der zehn
größten chinesischen Energieanbieter
übersteigt die gesamten deutschen
Treibhausgasemissionen um 45 Prozent.
Cuernavaca City, Mexiko, 22. 6. 2009
Brüssel, Belgien, 18. 6. 2009
Paris, Frankreich, 7. 7. 2009
Voitsberg, Österreich, 29. 6. 2009
Venedig u. a., Italien, 8.-10. 7. 2009
Cairns, Australien, 5.-7. 8. 2009
Während des ersten Vorbereitungstreffens der führenden Wirtschaftsnationen
zu den Themen Energie und Klima ruft
Greenpeace zum raschen Handeln auf.
„Rettet das Klima! Handelt sofort!“,
fordert Greenpeace klar und deutlich
auf einem Banner und ruft US-Präsident
Barack Obama auf, beim Klimaschutz
die Führung zu übernehmen.
Wenige Stunden vor Beginn eines EUGipfels verteilt Greenpeace Zeitungen
rund um den Tagungsort. Doch was
aussieht wie die „Herald Tribune“, ist
eine täuschend echt nachgemachte
Ausgabe der englischsprachigen Zeitung.
Der 19. Dezember 2009 ist ihr Erscheinungsdatum, und sie weiß von Erfreulichem zu berichten: „Historischer Deal
zum Schutz des Klimas.“ Gemeint ist ein
Durchbruch bei den Klimaverhandlungen
in Kopenhagen. Möge es wahr werden!
Einen Tag vor dem G8-Gipfel und sechs
Monate vor dem Klimagipfel von Kopenhagen setzt Greenpeace einen Eisberg
auf dem Pariser Fluss Seine aus. So
hübsch die Eismasse am Fuße des
Eiffelturms auch aussieht, so dringend ist
der damit verbundene Appell an den
französischen Präsidenten Sarkozy: Setz
dich gemeinsam mit deinen KollegInnen
für ernsthaften Klimaschutz ein!
Greenpeace sagt vor Ort deutlich nein zu
einem Kohlekraftwerk Voitsberg. Österreich hinkt weit hinter seinen Klimaschutzverpflichtungen hinterher, da kann
die Idee, dieses Kraftwerk wieder in
Betrieb zu nehmen, nur ein schlechter
Scherz sein. Weltweit gesehen gehören
Kohlekraftwerke zu den größten CO2Sündern. So viel sei garantiert: Solange
Greenpeace in Österreich aktiv ist, wird in
Voitsberg keine Kohle verbrannt werden.
Über 100 AktivistInnen belagern
zeitgleich Kohlekraftwerke in vier
verschiedenen italienischen Städten.
Anlass ist der G8-Gipfel in L‘Aquila,
wo die Regierungschefs der führenden
Industrienationen auch über den Klimawandel debattieren. Greenpeace fordert
konkrete und taugliche Maßnahmen.
Kletterer entern in Australiens größtem
Kohle-Exporthafen Hay Point Coal einen
50 Meter hohen Kohleverlader und
bringen die Arbeit drei Tage lang zum
Stillstand. Unterstützung bekommen sie
vom Greeenpeace-Schiff „Esperanza“,
das vor dem Kohleverlader ankert. Die
Forderung der AktivistInnen: Der australische Premierminister Kevin Rudd muss
eine klare Zusage geben, Australiens
Hauptbeitrag zum Klimawandel zu
beenden – den Kohleexport.
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action
Notstand
Greenpeace unternimmt
gemeinsam mit
Wissenschaftern eine
Schiffsexpedition
ins arktische Eis.
Die Klimaerwärmung
ist hier eifrig am Werk.
von Roman Kellner
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Fünf Minuten nach Mitternacht,
doch die Sonne steht am Himmel. Sie wirft
lange Schatten und färbt das Wasser und
die Eisberge in Buttergelb und ein unergründliches Blau. Dave Walsh steht an der
Reling der „Arctic Sunrise“ und bewundert zum wiederholten Mal die Küstenlandschaft Grönlands. Kurz darauf ruft er
„Polarbär, Polarbär!“, und alle, die wach
sind, stürzen an Deck. Es ist nicht der erste
Eisbär, den die AktivistInnen sehen, und
es wird nicht ihr letzter sein – und doch
sind es immer besondere Momente. Weil
es besondere Tiere sind.
„Nanuk“ oder „Nanoq“ nennen die Inuit
diesen nördlichsten Bären, „Ursus maritimus“, also Seebär, ist die korrekte wissenschaftliche Bezeichnung. In Nordwestgrön-
land sagen die Einheimischen aber auch
„Pisugtooq“ zu ihm, „der große Wanderer“. „Ich mag die Bedeutung dieses Namens. Hier sagt man, einem Bären zu folgen, heißt, wirklich etwas zu lernen“, tippt
Dave, ein Ire, der seit vielen Jahren als Fotograf und Texter für Greenpeace arbeitet,
in seinen Internet-Blog. Und er beschreibt,
was das beobachtete Raubtier weiter tut:
„Nanuk setzt sich hin, er schüttelt seinen
Kopf und schnuppert in die Luft. Offenbar
riecht er die Menschen und die Küchengerüche, die ihn von dem großen, grünen
Schiff erreichen. Sein Fell glänzt goldorange in der Sonne. Die meisten Menschen
glauben, Eisbären seien weiß wie Schnee,
aber das stimmt nicht, tatsächlich ist ihr
Fell cremefarben, wenn nicht gelb.“
im Eisbärland
Hot Spot des Klimawandels
Vermutlich hat der beschriebene Bär noch
kein Schiff gesehen, in diesen Gewässern
waren noch nicht viele Schiffe und auch
noch nicht allzu viele Menschen. Das ist
einer der Gründe, warum so wenig über
die arktische Region bekannt ist und warum so wenig beachtet wird, was sich hier
in den vergangenen Jahren abspielt. Die-
Diese noch immer fast unberührte
Region ist vom Klimawandel betroffen
wie kaum eine andere.
se noch immer fast unberührte Region ist
vom Klimawandel betroffen wie kaum
eine andere. Die Temperaturen steigen
rascher, als es die düstersten Prognosen
vorhergesagt haben, und die Eisschmelze
übertrifft alle bisherigen Klimaszenarien
(siehe auch das Interview mit Anders
Levermann in diesem Heft S. 22 bis 24).
Die „großen Wanderer“ erleben den
Klimawandel live, er zieht ihnen den
Boden unter den Füßen weg.
Um die Veränderung zu dokumentieren
und neue Daten zu erheben, hat Greenpeace Mitte Juni ein Schiff in den hohen
Norden geschickt. Vier Monate lang will
die 30-köpfige Greenpeace-Crew gemeinsam mit Eis- und Klimawissenschaftern
aus England und den USA einigen
Entwicklungen auf den Grund gehen:
dem Kollaps des Eises, der Erwärmung
des Polarwassers und dem Anstieg des
Meeresspiegels.
In einer ersten Etappe besucht Greenpeace den Petermann-Gletscher an der
Westseite Grönlands. Vor einem Jahr
brach hier ein riesiger Eisberg ab, Satellitenaufnahmen zeigen Risse, die auf einen
weiteren Abbruch hindeuten.
In einem zweiten Expeditionsabschnitt
untersucht die Crew gemeinsam mit
Ozeanographen des Woods Hole Instituts
und der Universität Maine an der Ostseite
Grönlands den Einfluss von tropischen
Unterwasserströmungen auf die Gletscherschmelze.
Und im dritten Abschnitt geht es um den
Rückgang des Meereises des Arktischen
Ozeans. Gemeinsam mit Forschern aus 07
Erfolge
Die Nordsee dankt Greenpeace
Im Sommer 2008 versenkten Greenpeace-AktivistInnen
vor der Nordseeinsel Sylt riesige Steine im Meer. Ziel
der Aktion war es, die zerstörerische Schleppnetzfischerei in diesem ausgewiesenen Meeresschutzgebiet zu
beenden (siehe Bericht im „act“ 4/2008). Nun bestätigt
ein Gutachten, dass hier tatsächlich keine Schleppnetze
mehr zum Einsatz gekommen sind und dass die über
300 Tonnen Felsgestein von zahlreichen Arten besiedelt
wurden. Während deutsche Behörden Greenpeace im
vergangenen Jahr daran hinderten, weitere Steine im
Gebiet des Sylter Außenriffs zu versenken, erkennt zum
Beispiel die schwedische Regierung den Nutzen dieser
Maßnahme an. Der Amazonas dankt Greenpeace
Der Klimawandel zieht den Eisbären den Boden unter den Füßen weg.
Greenpeace schickt die „Arctic Sunrise“ in den hohen Norden, um die Auswirkungen
Notstand im Eisbärland
Cambridge misst Greenpeace das Meereis
in der Framstraße zwischen Spitzbergen
und Grönland.
Verantwortungslose Politik
Gerade als die Crew der „Arctic Sunrise“
vor Nordwestgrönland Mitte Juli ihre
Untersuchungen durchzog, trafen sich in
Italien die Staatschefs der reichsten
...alles, was hinter den Klimazielen auf
wissenschaftlicher Basis zurückbleibt,
fällt auf uns zurück, auch wirtschaftlich.
Staaten, die zugleich auch jene mit dem
höchsten CO2-Ausstoß sind. Zwar einigte
man sich vage auf die Einhaltung eines
Zwei-Grad-Ziels, aber jede konkrete
Maßnahme blieb ausgespart. Die Expeditionsleiterin Melanie Duchin kann es
kaum fassen: „Es gibt eine große Kluft
zwischen dem, was die Länder bereit sind
zu unternehmen und dem, was die
Klimawissenschafter sagen, dass getan
werden muss.
Obama, Merkel, Sarkozy und die anderen
Staatschefs können doch ihre Augen nicht
verschließen und hoffen, dass sich das
Problem irgendwie von selbst löst. Das
wird es nicht tun. In den kommenden
Jahren und Jahrzehnten werden wir uns
noch alle fragen, was die sich eigentlich
dabei gedacht haben, als sie die großen
Probleme einfach ignorierten.“ Und die
und Veränderungen zu dokumentieren.
GREENPEACE FORDERT ...
erfahrene Kampagnerin aus Alaska ahnt,
was helfen würde: „Ich weiß, es ist naiv.
Aber ich wünsche mir so sehr, dass diese
Spitzenpolitiker nur einen einzigen Tag
mit uns an Bord verbringen und mit dem
Team unabhängiger Wissenschafter reden
würden. Sie könnten erkennen, wie sehr
der Klimawandel bereits Grönlands Gletscher und Eisfläche angreift und was das
für die USA und den Rest des Planeten bedeutet. Sie würden erkennen, dass alles,
was hinter den Klimazielen auf wissenschaftlicher Basis zurückbleibt, auf uns
zurückfällt, auch wirtschaftlich. Die Wirtschaftskrise, die wir gerade erleben, ist im
Vergleich dazu ein Kinderspiel.“ die Industrienationen auf, ihren CO2-Ausstoß
bis 2020 im Vergleich zu 1990 um mindestens
40 Prozent zu verringern.
die reichen Industrienationen auf, jährlich 110
Milliarden Euro zum Schutz des Klimas an die
Entwicklungsländer zu zahlen.
ein Moratorium gegen industrielle Ausbeutung
(Fischerei, Öl- und Gasförderung) für den
Bereich des Arktischen Ozeans, der bisher
ganzjährig von Eis bedeckt war.
Dieses Moratorium muss so lange in Kraft
bleiben, bis ein rechtsverbindliches übergeordnetes
Rahmenwerk verabschiedet worden ist, um den
Schutz des Ökosystems und der Menschen der
Arktis zu gewährleisten.
Fotos: Seite 6-9: Nick Cobbing / GP
Vier Monate lang geht die 30-köpfige Greenpeace-Crew gemeinsam mit Eis- und Klimawissenschaftern einigen Entwicklungen auf den Grund.
your
acts
TUN SIE ETWAS gegen die globale Erwärmung:
www.1000000taten.greenpeace.at/
MEHR INFORMATIONEN zur Expedition:
www.greenpeace.at/arktis.html
DIE BROSCHÜRE
„Schwarze Zeiten für die weißen Paradiese?“
www.greenpeace.at/uploads/media/
Arktis-Antarktis-Info.pdf
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Seit 2006 ist in Brasilien ein Moratorium in Kraft, das
Soja-Anbau auf frisch gerodeter Urwaldfläche untersagt. Das Abkommen, das von den Sojahändlern mitgetragen wird, ist die Folge einer jahrelangen Greenpeace-Kampagne. Nun wurde diese Atempause für den
Amazonas um ein weiteres Jahr verlängert – ein Zeitgewinn für Verhandlungen über eine nachhaltige Nutzung
des Regenwaldes. Die weltweiten Waldrodungen sind
für rund ein Fünftel der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und zählen damit zu den größten
Bedrohungen für das Klima. Kanadas Urwald dankt Greenpeace
Fünf Jahre lang führte Greenpeace in Kanada eine
Kampagne gegen Kimberly Clark – Hersteller von Marken wie Kleenex, Scott, Camelia und Hakle. Jetzt kündigt das Unternehmen an, zukünftig höhere Standards
bei der Beschaffung von Zellstoff und Papierprodukten
einzuführen und übernimmt damit in der Branche eine
Vorreiterrolle. Auch in Österreich werden jedes Jahr
durchschnittlich vierzehn Kilogramm Hygienepapier
pro „Kopf“ verwendet – wofür ganze Wälder abgeholzt
werden, um im Abfall oder im Klo zu landen. „Diese
Entscheidung ist ein Signal an alle Klopapierhersteller,
dass der Schutz der Urwälder nicht länger die Toilette
runtergespült werden darf“, freut sich Niklas Schinerl,
Klimasprecher von Greenpeace Österreich. Der Pazifik dankt Greenpeace
Seit Jahren kämpft Greenpeace für ein weltweites Netz
von Meeresschutzgebieten. Nun haben die pazifischen
Inselstaaten sowie Australien und Neuseeland einen
wichtigen Vorschlag zum Schutz der Südsee getan. Die
zuständigen Minister identifizierten vier große Areale
in internationalen Gewässern, die ab dem Jahr 2010
absolut fischereifreie Zonen sein sollen. Nun sind die
Fischereinationen und die Western Central Pacific
Fisheries Commission (WCPFC) am Zug. Fotos: (von oben) Günther Menn/ FOCUS • GP/ Daniel Beltra • Phil McCarten /GP • GP/ Danny Ocampo
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1.000.000 Taten
Die UN-Klimakonferenz Ende
des Jahres in Kopenhagen wird
die vielleicht wichtigste Tagung
der Geschichte. Bis dahin gibt es
einiges zu tun – auch für Sie!
.at /
von Roman Kellner
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Die alles entscheidende Konferenz
Zwölf Jahre nach der Klimakonferenz in
Kyoto werden im Dezember 2009 in Kopenhagen die Weichen neu gestellt. Im Rahmen
einer UN-Klimakonferenz werden PolitikerInnen aller Staaten entscheiden, was nach
2012 passiert, wenn das Kyoto-Protokoll
ausläuft. Für die folgenden Jahre gibt es
nämlich bis dato keine internationale
Klimaschutzregelung. Faktum ist: Der
Klimawandel hat sich dramatisch verschärft
und wir sind weit, weit davon entfernt, die
größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte abzuwenden.
Nun gilt es, den Druck auf die EntscheidungsträgerInnen zu erhöhen. Greenpeace
wird das auf seine Art tun und mit spektakulären Aktionen im Vorfeld und während der
Konferenz dem Thema die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen (siehe auch
„Countdown bis Kopenhagen“, S. 4–5). Doch
PolitikerInnen treffen erst dann die richtigen
Maßnahmen, wenn sie auch die notwendige
Akzeptanz in der Bevölkerung spüren.
für den Klimaschutz act
entsprechende Level. Wer noch mehr tun
will, informiert seinen Bekanntenkreis,
macht bei Online-Protesten mit oder wählt
aus anderen Angeboten aus. Die Website
bietet zahlreiche Überraschungen und Informationen – surfen Sie hin und machen
Sie sich selbst auf Entdeckungsreise.
Übrigens hat das Projekt auch bei vielen
Kooperationspartnern (FM4, Format, ÖBBPostbus, Baumax, „Zurück zum Ursprung“,
...) und prominenten Österreicherinnen
und Österreichern Anklang gefunden, siehe auch die Seiten 12 bis 17 in diesem
Heft. Natürlich werden die Taten am Ende
in einer passenden Form der österreichischen Regierung übergeben. Dann ist die
Politik am Zug.
Die Industriestaaten sind gefordert
Am meisten kommt auf die Industriestaaten zu. Während nämlich hauptsächlich
diese den Klimawandel verursachen, leiden die Entwicklungsländer am schlimmsten unter seinen Auswirkungen. Die Industrienationen müssen zuallererst ihren
CO2-Ausstoß um mindestens vierzig Pro-
10
your
acts
ES GIBT AUCH DIE MÖGLICHKEIT,
EIGENE TATEN VORZUSCHLAGEN.
Viele Hundert haben das bereits getan.
Hier sind jene Klimataten, die es bereits auf die
1.000.000 Taten-Site geschafft haben:
Was
CO2-Ersparnis /Jahr
Thermoskanne verwenden
10 kg
Duschboiler nicht auf höchster Stufe
90 kg
Zähneputzen ohne laufendes Warmwasser
9 kg
Früh ins Bett
50 kg
Besen statt Staubsauger
10 kg
SETZEN SIE TATEN
Zweisamkeit beim Duschen
und werden Sie KlimaaktivistIn:
www.1000000taten.at/
Kühlschrank-Temperatur einstellen
25 kg
ODER SIE SCHICKEN UNS
Wasserkocher statt Herd
20 kg
die Postkarte auf Seite 31.
Kein Plasmafernseher
100 kg
110 kg
Cooles Klima ist Klasse!
Vom Topfdeckel bis zur Solaranlage
Dazu hat Greenpeace in Österreich die Kampagne „1.000.000 Taten für den Klimaschutz“
ins Leben gerufen – um zu zeigen, dass die
Menschen in diesem Land Klimaschutz ernst
nehmen und bereit sind, Ihren Teil dazu
beizutragen.
Auf der Website www.1000000taten.at können alle, die sich registrieren, Klimataten
setzen. Von kleinen Tätchen, wie den Reifendruck des Autos zu verbessern oder beim
Kochen immer einen Deckel zu verwenden,
bis zu großen Taten, etwa Solarpaneele aufs
eigene Dach zu montieren oder auf Flugreisen zu verzichten. Dafür gibt es Punkte und
zent bis 2020 und um etwa 95 Prozent bis
2050 verringern. Zudem muss es zu einer
Einigung kommen, wie die Regenwälder
besser geschützt werden, denn ohne funktionierende Regenwälder ist der Kampf
gegen den Klimawandel verloren. Den
Entwicklungsländern fehlt das Geld für
die Anpassung an den Klimawandel.
Greenpeace fordert, dass die Industrieländer jährlich 110 Milliarden Euro für
den Kampf gegen den Klimawandel
bereitstellen. Solche Eckdaten müssen in
Kopenhagen in einem neuen Vertrag festgelegt werden. ion
In wenigen Wochen werden in Kopenhagen
die Weichen für die Zukunft gestellt: Steuern wir
weiter auf eine Welt zu, an die weder unsere
Gesellschaften noch unsere Ökosysteme angepasst
sind, oder reißen wir das
Ruder herum und
schaffen die Wende zu
einer nachhaltigen
Klimapolitik? Jetzt ist
Kreativität gefordert.
Wenn die Alten versagen,
sollten die Jungen ihre
Rechte einfordern: zum
Beispiel bei einem MusikEvent vor dem Parlament.
Da wollen wir den
PolitikerInnen zeigen,
dass sich Jugendliche
und Kinder auch für den
Klimaschutz engagieren!
Mit der Übergabe der
Forderungen an Abgeordnete des Nationalrats soll
erreicht werden, dass sich die PolitikerInnen in
Kopenhagen für den Klimaschutz stark machen. Viele
MusikerInnen sind auf der „FM4“-Bühne live dabei!
Hauptakteure sind jedoch die Kinder und Jugendlichen! Wenn Sie LehrerIn sind, kommen Sie mit Ihren
SchülerInnen oder schicken Sie eine Botschaft mit
den zentralen Forderungen! Wenn Du SchülerIn bist,
mobilisiere andere in deiner Schule, damit möglichst
viele aktiv werden! Zeigen wir den PolitikerInnen
gemeinsam, dass uns Klimaschutz wichtig ist!
ALLE INFOS: www.1000000taten.at und
www.klimabuendnis.at
JUGENDKLIMAEVENT:
Wann: Freitag, 16. Oktober 2009, 15.30 bis 19 Uhr
Wo: Wien, vor dem Parlament
Dr.-Karl-Renner-Ring 3
Kontakt: Hanna Schwarz
Tel.: 01/54 54 580-48
Email: [email protected]
Foto: Seite 11: Bernd Arnold / GP
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Zeugen des Klima
wandels
erlebe ich bereits die klimatischen Veränderungen in allen Bergregionen auf der
ganzen Welt hautnah mit. Jahr für Jahr
kann ich das Abschmelzen der Gletscher
beobachten. Als Ralf und ich heuer den
Lhotse bestiegen haben, war das LhotseCouloir, das ist die Rinne, durch die man
zum Gipfel aufsteigt, sehr stark ausgea-
Die Patronanz für die außergewöhnliche
Wanderung übernahmen die beiden
Extrem-BergsteigerInnen Gerlinde
Kaltenbrunner und Kurt Diemberger.
pert. Im Jahr 2006, als wir hundert Meter
unter dem Gipfel umdrehen mussten, war
diese Rinne noch mit Schnee und Eis gefüllt. Inzwischen gibt es dort rund 300
Höhenmeter Felskletterei. Auch der
Khumbu-Gletscher (dieser wird von den
Hängen des Mount Everest, Lhotse und
Nuptse gespeist) hat in den letzten Jahren
sehr stark an Mächtigkeit verloren.“
Der Gletscherschwund ist
hierzulande das sichtbarste
Zeichen für den Klimawandel.
Greenpeace und die Naturfreunde
besuchten den Goldbergkees,
um auf die Dramatik aufmerksam
zu machen. Aber auch um zu
zeigen: Wir alle können
etwas dagegen tun!
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15. August 2009, der Himmel beeindruckt mit tiefem Blau, die Berge der Hohen Tauern locken wolkenfrei. Eine Gruppe von rund 70 Wanderern trifft sich beim
Naturfreunde-Haus Kolm-Saigurn. Das
Ziel: die Gletscherzunge Goldbergkees
am Hohen Sonnblick. Was ein wenig an
einen lustigen Wandertag erinnert, hat einen ernsten Hintergrund. Denn es handelt
sich um einen der raschestschmelzenden
Gletscher Österreichs. Schon am Vortag
ist eine Hand voll Greenpeace-AktivistInnen aufgestiegen. Schließlich sollen zwei
riesige Transparente weithin sichtbar machen: Der Klimawandel bringt die Gletscher zum Verschwinden, und wir können
etwas dagegen tun. Jede/-r Einzelne.
Auch Sie! Greenpeace sammelt auf der
Internet-Plattform „www.1000000taten.
greenpeace.at“ eine Million Taten für den
Klimaschutz (mehr dazu Seite 10 und 11).
Prominente Unterstützung
Die Patronanz für die außergewöhnliche
Wanderung übernahmen die beiden
österreichischen Extrem-BergsteigerInnen
Gerlinde Kaltenbrunner und Kurt Diemberger. Wer, wenn nicht diese beiden,
wüsste besser, wie dramatisch die Veränderungen im Hochgebirgsbereich bereits sind?
Kaltenbrunner, eben erst aus der Himalaya-Region zurückgekehrt: „Seit Jahren
Es stimmt schon, nimmt man längere Zeiträume als Referenz, lässt sich beobachten,
dass Gletscher über die Jahre kommen
und gehen. Was wir allerdings derzeit beobachten, ist wohl einzigartig: Fast alle
Gletscher der Erde, auf allen Kontinenten,
verlieren Eis – und das in atemberaubendem Tempo. Die parallele Entwicklung
von steigendem CO2-Gehalt der Atmosphäre und der damit einhergehenden Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur lässt für Zweifler kaum mehr
Raum: Der Mensch hat sein Hände im
Spiel. Mit denen verbrennt er eine viel zu
große Menge an fossilen Brennstoffen wie
Öl oder Kohle.
„Reden ist gut, Handeln ist besser!“
Kurt Diemberger, Bergsteigerlegende und
einziger noch lebender Mensch, der zwei
Achttausender erstbestiegen hat, erwies
Greenpeace am Vorabend des Aufstiegs
in Rauris sogar höchstpersönlich die Ehre.
Die Begründung des 77-Jährigen: „Reden
ist gut, Handeln ist besser! Mit dieser Aktion macht Greenpeace auf die Gefähr-
action
dung der Gletscher in Österreich, aber
auch weltweit aufmerksam. Deshalb habe
ich mich dazu entschieden, diese Tat für
den Klimaschutz zu unterstützen!“
Während der Präsentation einiger Kurzfilme erzählt auch Diemberger, wie klar die
Veränderungen bereits zu sehen sind: „Als
Bergsteiger bedaure ich vor allem das Verschwinden herrlicher Eiswände wie etwa
die dahinschmelzende Königswand, die
wohl kaum mehr von einer so gigantischen
„Schaumrolle“ gekrönt sein wird wie
1956. Aber auch die Bewohner der Berge
und der Ebene an ihrem Fuß sind vom
Gletscherschwund betroffen – das Eis des
Hochgebirges ist ein wertvoller Wasserspeicher, der das Leben spendende Element nur langsam freigibt. Wo durch die
globale Erwärmung das langsam wachsende und wieder schmelzende Eis verschwindet, werden Niederschläge zur Gefahr: plötzlich verheerende Sturzfluten,
Geröll-Muren, Flüsse, die über die Ufer
treten – einst eine Ausnahme, heute beängstigend häufig.“
Bei der anschließenden Diskussionsrunde
waren sich Diemberger und die übrigen
Diskutanten, Wolfgang Schöner (ZAMG),
Regina Hrbek (Naturfreunde) und Alexander Egit (Greenpeace), einig: Es muss
rasch etwas passieren! Die GreenpeaceKampagne „1.000.000 Taten für den Klimaschutz“ zeigt, wie einfach und rasch
Klimaschutz sein kann. Deshalb unterstützt Kaltenbrunner auch die Kampagne,
„denn“, so die Besteigerin von zwölf Achttausendern, „wir müssen JETZT handeln,
damit die Gletscher nicht ganz aus den
Bergregionen verschwinden.“ Fotos: Seite 12-13: GP / Moritz Wustinger
your
acts
Rund siebzig Wanderer stiegen auf
Einladung von Greenpeace und den Naturfreunden zum Goldbergkees-Gletscher auf,
um auf die Auswirkungen des Klimawandels
vor Ort aufmerksam zu machen.
Alexander Egit (Greenpeace) ruft mit
Transparenten die österreichische Regierung
auf, sich bei der Klimakonferenz in Kopenhagen
für ein ambitioniertes Abkommen einzusetzen.
MACHEN SIE MIT!
„ÖBB Postbus“ übernahm den Gratis-
www.1000000taten.greenpeace.at
shuttledienst und wirbt für die Kampagne.
13
„Probleme, die von Erwachsenen verursacht
wurden, sollen von Erwachsenen gelöst werden.“
INTERVIEW mit Christine Nöstlinger, Kinderbuchautorin
Umweltschutz ist in Ihren Büchern kaum
ein Thema, oder?
Ich habe einmal ein Buch geschrieben
(„Nagle einen Pudding an die Wand“), da
ist der Held einer, der die Umwelt schützen will. Aber ich bin ja keine Sachbuchautorin, ich bin eine Schriftstellerin, ich
schreibe Literatur.
Spielt in der Lebenswelt von Kindern
Umweltschutz keine Rolle?
Kinder sind so verschieden, wie Erwachsene verschieden sind. Wenn Kinder in einer Familie groß werden, in der für die
Erwachsenen Umweltschutz ein Thema
ist, dann ist es auch für die Kinder ein
Thema. Es gibt natürlich auch Kinder, für
die das kaum relevant ist oder solche, die
nachbeten, dass Atomkraftwerke eh super
und harmlos sind. Kinder neigen dazu, bis
zu einem gewissen Alter ihren Eltern alles
zu glauben. Das hört dann gottlob so ab
zwölf oder 13 Jahren auf.
Sie sind bekannt für Literatur, die sehr
nah an der Lebensrealität von Kindern
dran ist. Sind Umweltthemen Kindern
nicht zumutbar?
Es gibt einen Unterschied zwischen Aufklärung und Angstmache. Kinder denken
schwarz-weiß. Wenn man ihnen alles über
Atomkraftwerke erzählt und dazu sagt,
dass man dagegen nichts tun kann, dann
wird das für manche Kinder sehr schwierig. Kindern Angst zu machen halte ich
nicht für richtig. Wenn ein Kind in einer
Umgebung lebt, wo viel für den Schutz
der Umwelt getan wird, dann wird es das
auch tun.
14
Also mit gutem Beispiel vorangehen.
Ja. Außer es wird übertrieben. Ob man einem Kind den Umweltgedanken näher
bringt, wenn man ihm Pommes frites und
alles, was schwimmend in Fett gebacken
wurde, vorenthält? Man kann da ja einen
Mittelweg gehen. Es ist immer schwierig,
Kinder so zu – ich will nicht sagen erziehen, weil davon halte ich nichts – begleiten, dass sie ganz anders sein müssen als
der Rest der Umwelt. Das haben Kinder
nicht gern, da schlägt das Pendel schnell
in die andere Richtung aus.
Ich bin weder Optimist noch Pessimist,
ich bin Realist. Was habe ich vor 20 oder
30 Jahren geglaubt, wie sich die Welt
zum Guten hin verändern wird!
Nichts davon! Aber natürlich könnte es
immer noch schlechter sein, und ich weiß
auch, dass zum Beispiel Greenpeace tut,
was es kann.
Viele argumentieren, man müsse bei den
großen Problemen auf die Kinder setzen,
auf die Kindergärten und Schulen.
Probleme, die von Erwachsenen verursacht wurden, sollen von Erwachsenen
gelöst werden. Man soll Kinder aber auch
nicht anlügen. Ich würde es mit der Sexualität vergleichen. Ich werde einem Fünfjährigen nicht alles über Sexualität erzählen, was ich weiß, aber das, was er fragt,
werde ich richtig beantworten.
Das einzige Kind, das ich, vielleicht eh
falsch, zu kennen glaube, bin ich selbst in
meiner Kindheit. Deshalb kann ich über
eine bestimmte Sorte Kinder überhaupt
nicht schreiben. Ich war immer ein total
unsportliches Kind. Ich habe über 160 Kinderbücher geschrieben, und keiner meiner Helden ist sportlich. Das bringe ich
einfach nicht. Und wenn, dann wäre es ein
sehr bösartiges Buch. Für wen schreiben Sie? Stellen Sie sich da
Kinder vor?
Nein, Schriftsteller schreiben nie für jemanden. Das macht man, weil man gerne
schreibt, weil man gerne Sätze formuliert.
Interview: Roman Kellner
Wie erreicht man die Kinder am besten?
In dem wir selber halbwegs vernünftig leben. Wenn man einem Kind 100-mal erzählt, du sollst nicht lügen, aber die Eltern
selber verlogen sind, wird sich das Kind
am Verhalten orientieren und nicht am
Gesagten. Es gibt sicher Menschen, die
sich vielleicht nicht 100-prozentig, aber
95-prozentig richtig verhalten. Ich gebe
zu, dass ich nicht zu denen gehöre.
Sie haben Enkel und schreiben Kinderbücher: Sind Sie Optimistin?
VON CHRISTINE NÖSTLINGER,
geb. 1936 in Wien, zwei Kinder, zwei Enkel,
sind über 60 Kinderbücher erschienen, etwa
„Dauerbrenner“ wie „Die feuerrote Friederike“,
„Das Austauschkind“ oder die Trilogie
„Gretchen Sackmeier“. Nöstlinger hat
zahlreiche Auszeichnungen erhalten,
darunter den „Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis“
und die „Hans-Christian-Andersen-Medaille“.
Fotos: GP/ Ingrid Fankhauser
actinterview
„Es ist wie ein Rausch“
INTERVIEW mit Christof Straub, 40, Songwriter,
50 Prozent der österreichischen Popband „Papermoon“ und Produzent von „Teenage-Rockstar“.
Greenpeace hat vor ein paar Tagen angefragt, ob du die 1.000.000 Taten-Aktion
unterstützt, und du hast sehr schnell zugesagt. Warum?
Das ist bei mir eine reine Bauchentscheidung. Für mich hat Greenpeace ein Image,
das meiner Lebenseinstellung und meiner
Haltung entspricht. Da fühle ich mich rein
emotional verbunden.
Du hast gestern, inspiriert durch das Gespräch mit Greenpeace, einen Umweltsong geschrieben. Kann ein solches Lied
Bewusstsein schaffen?
Man kann mit Musik auf ein Thema aufmerksam machen, und wenn du einen
Song immer wieder hörst, empfindest du
etwas dabei, und unbewusst werden vielleicht Rädchen in Bewegung gesetzt. Aber
ein Song kann nicht die Welt verändern.
„Imagine“ von John Lennon.
Was für mich heute von „Imagine“ übrig
bleibt, ist, dass es da eine Generation von
Träumern gab. Ich bin diesem Spirit und
auch dieser Musik stark verbunden, aber in
Wahrheit sind viele der Menschen, die bei
Woodstock gesessen sind, Teil des Systems
geworden, das sie damals angeprangert
haben, oder an Drogen kaputt gegangen.
In deinem aktuellen Projekt „TeenageRockstar“ bietest du Zehn- bis Achtzehnjährigen die Möglichkeit, auf einer
Internet-Plattform zu zeigen, was sie musikalisch können. Es endet mit einem Musikcamp Ende August und einer gemeinsamen CD. Die Arbeit mit Jugendlichen
liegt dir offenbar?
Ich habe durch meine zwölfjährige Tochter einen starken Konnex zu allem, was
Teenager derzeit so interessiert und viel
gelernt, wie man mit den Kindern etwas
tun kann, was sie interessiert. Es macht
mir aber vor allem großen Spaß, weil es da
unglaubliche Talente gibt. Wenn die Jugendlichen einmal ein Podium haben, auf
dem sie sich präsentieren können, kommen plötzlich super Beiträge. Sie haben
Spaß dabei und sie beschäftigen sich mit
Kunst, anstatt irgendeinen Blödsinn zu
machen.
Da kommt raus, was in einem drin steckt,
was raus muss.
Du bist prominent. Erwächst daraus eine
Verantwortung?
Diese Verantwortung spüre ich, ob ich jetzt
in den Medien wäre oder nicht. Auf das
Projekt bezogen, habe ich eine große Verantwortung Jugendlichen gegenüber. Es ist
mir wichtig, Fehler, die andere Formate machen, nicht zu wiederholen. Wir legen großen Wert darauf, niemanden runterzumachen, und die Leute lieben es trotzdem. Das
Gleiche gilt für Nachhaltigkeit: CastingFormate leben davon, dass sie sich jedes
Jahr komplett erneuern, dass sie die, die sie
an einem Tag in mediale Höhen hieven, am
Tag danach wieder fallen lassen. Dieser
Verantwortung werde ich mich stellen.
Müßiggang, man wird aus der Not heraus
auch kreativ. Improvisieren, Probleme, die
sich stellen, lösen: all das hat mit Kreativität zu tun.
Die Lieder schreibst du?
Ja, zu einem großen Teil.
Interview: Roman Kellner
Schreibst du für ein bestimmtes Publikum
oder weil es einfach aus dir heraus muss?
Wenn zu viel Kopf dabei ist, wird es
krampfig. Gerade wenn man so unter Zeitdruck ist wie ich, hat man gar keine Wahl.
Was ist Kreativität für dich?
Ein unglaublicher Drang, etwas schaffen
zu müssen und sich unwohl zu fühlen,
wenn man das gerade nicht kann. Eine
irrsinnige Befriedigung, wenn man etwas
geschaffen hat.
Und wann bist du am kreativsten?
Wenn mich etwas inspiriert, aber auch
wenn ich unter Druck stehe und etwas tun
muss. Für mich ist Kreativität nicht gleich
Und beim Komponieren und Texten?
Kreativität beim Songschreiben funktioniert am besten, wenn ich meinem Bauchgefühl freien Raum lasse und den Kopf
völlig ausschalte. Es ist wie ein Rausch, wo
man sich nur mehr als Instrument fühlt. Da
ist auch oft das Gefühl, das kommt jetzt
gar nicht von mir, sondern das ist ein Geschenk. Und da kann man nur danke sagen, dass ich diesen Song jetzt bekommen
habe. Woher auch immer. MEHR INFORMATIONEN zum Projekt
„Teenage-Rockstar“ unter www.teenage-rockstar.at,
die CD dazu erscheint am 3. Oktober 2009.
Mehr zu Papermoon: www.papermoon.at
Fotos: GP/ Barbara Tschann
15
actinterview
Prominente Klima-BotschafterInnen
INTERVIEW mit Werner Lampert, Pionier der biologischen Landwirtschaft,
Gründer der Marken „Ja! Natürlich“ (Rewe) und „Zurück zum Ursprung“ (Hofer) und Buchautor.
Sie leihen „1.000.000 Taten für Klimaschutz“ ihre Stimmen und ihr Bilder, um dem wichtigen Projekt noch mehr Aufmerksamkeit zu
verschaffen. Hier sind einige von ihnen. Noch mehr prominente Klima-BotschafterInnen unter: www.1000000taten.greenpeace.at
16
MEHR INFORMATIONEN:
www.zurueckzumursprung.at
Wer übrigens auf „www.1000000taten.
greenpeace.at“ die Tat „Lebensmittel mit CO2Kennzeichnung kaufen“ anklickt, kann eine von
fünf Urlaubsreisen für eine vierköpfige Familie zu
einem „Zurück zum Ursprung“-Biobauernhof
gewinnen.
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„Die Aktivisten von Greenpeace riskieren
ihre Gesundheit und Freiheit im Einsatz für
die Umwelt. Diese erfolgreichen Aktionen
sind oft die letzte Hoffnung für die gefährdete Umwelt, bedrohte Tiere und letztlich
natürlich uns Menschen, die langfristig nur
mit der und nicht gegen die Natur überleben können. Meine Teilnahme an der
Aktion 1.000.000 Taten für den Klimaschutz
ist für mich eine sehr willkommene Gelegenheit, die wichtigen Ziele von Greenpeace zu unterstützen.“
PROF. THOMAS SCHÄFER-ELMAYER, Leiter der Tanzschule Elmayer
: Eva
Der CO2-Fußabdruck wurde vom wissenschaftlichen Forschungsinstitut für biologischen Landbau
FiBL ausgearbeitet und bezieht erstmals die
gesamte Wertschöpfungskette – von Futtermittel
und Saatgut über Produktion, Verpackung bis hin
zum Transport – mit ein. Bis zu ein Drittel der
Treibhausgase wird durch die besondere
Wirtschaftsweise von „Zurück zum Ursprung“
eingespart.
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Bio-Linie von Hofer, ist Kooperationspartner von
Greenpeace bei der Aktion „1.000.000 Taten für
den Klimaschutz“. „Zurück zum Ursprung“-BioLebensmittel schützen das Klima, indem sie als
einzige weltweit ausweisen, wie viel TreibhausgasEmissionen bei ihrer Produktion gegenüber einem
herkömmlichen Produkt eingespart wurden.
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„ZURÜCK ZUM URSPRUNG“, die exklusive
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Da nicken sicher viele. Beim Einkauf ist
es wieder vergessen.
So sind wir halt. Wir haben Brüche, jeder
von uns. Aber die Sehnsucht nach einer
Interview: Roman Kellner
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Eine Motivation für Sie ist, dass Sie selbst
gerne gut essen.
Es kann doch keinen Genuss geben, wenn
die Tiere malträtiert worden sind. Wenn
alles, was Gott verboten hat, eingesetzt
wird. Wenn die Essenserzeugung eine devastierte Umwelt hinterlässt. Woher soll
da der Genuss kommen? Essen genießen,
sich ernähren, Lebensmittel, das alles ist
eine holistische Angelegenheit. Ich bin
auch überzeugt, dass das Tier- und das
Pflanzenleid Auswirkung auf unsere Gesundheit hat. Auf unsere emotionale und
auf unsere physische Gesundheit. Das
Leid löst sich nicht irgendwo im All auf.
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Foto: Sara
Was ist Ihre Vision von Landwirtschaft?
Wir müssen sehen, dass die Landwirtschaft
für einen großen Teil unserer Gesundheit
verantwortlich ist, für LEBENsmittel in allen Formen. Wir sind doch längst darüber
hinweg, dass wir versorgt werden müssen,
wir müssen an die Qualität denken, nicht
nur an die Genussqualität, sondern auch
an die inhaltliche Qualität. Dahin soll die
Landwirtschaft kommen. Landwirtschaft
kann nicht am Existenzminimum betrieben werden, wie es heute bei der Molkereiwirtschaft passiert. Wenn ich in Österreich dieselbe Qualität produziere wie in
Holland oder in Dänemark, dann kann ich
für ein österreichisches Produkt nicht mehr
verlangen. Also muss ich eine besondere
Qualität herstellen, um am Markt bestehen zu können. Die Schweiz und Österreich sind Paradiese, das ist die Zukunft
hoch qualitativer Landwirtschaft.
„Zurück zum Ursprung“ hat kürzlich eine
CO2-Kennzeichnung eingeführt.
Jeder Konsument bestimmt darüber, wie
das mit der CO2-Emission weitergeht und
was er dazu beitragen kann. Aber das geht
nur, wenn ich ihm etwas in die Hand gebe,
wo er eine klare Vorstellung hat.
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Foto: Rudo
Welche Fehlenwicklungen?
„Bio“ ist vielerorts zum Feigenblatt für
eine global agierende Wirtschaftsweise
geworden. Futter wird um die halbe Welt
gekarrt. Die Einsicht, dass wir nur von gesunden Tieren gesunde Lebensmittel bekommen können, ist aufgegeben worden.
Ebenso der Kerngedanke biologischer
Landwirtschaft, dass man niemals die
Pflanze düngt, sondern die Humusqualität
stärkt und hebt.
Die Bauern stehen da dahinter?
Die Bauern wissen ganz genau, was nicht
optimal läuft. Wenn ich mit Bauern diskutiere, dann kommt immer zuerst viel Aggression. Aber jeder geht nach Hause und
fragt sich, ist das wirklich der richtige
Weg, den ich da gehe? Ist die Bioverordnung wirklich die Bibel oder habe ich Bio
nicht aus anderen Gründen gemacht? Biologische Landwirtschaft kann nur funktionieren, wenn sie ein Herzensanliegen ist.
Sie unterstützen die Greenpeace-Klimakampagne. Warum?
Weil wir im selben Boot sitzen. Wir sind
beide überzeugt, dass der Klimawandel
die größte Herausforderung der Menschheit ist. Und dass sie nichts Abstraktes ist,
was allein von irgendwelchen Staaten
oder Politikern gemanagt werden kann,
sondern dass jeder Einzelne von uns aufgefordert ist, seinen Beitrag zu leisten. Foto: Tanzschule Willy Elmayer-Vestenbrugg GmbH
Fotos: GP / Roman Kellner
besseren Welt ist da. Jeder will doch auch
ein guter Mensch sein. Wir schaffen es nur
so wenig. Aber das heißt ja nicht, dass wir
von diesem Weg abkommen sollen.
Was ist das Besondere an „Zurück zum
Ursprung“?
Im Grunde ist „Zurück zum Ursprung“ ein
Statement gegen alle Fehlentwicklungen,
die es in den letzten zehn Jahren in der
Bio-Bewegung gegeben hat.
actinterview
Zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Österreich unterstützen die Klima-Kampagne von Greenpeace.
Foto: Arnold Poeschl
„Woher soll da der Genuss kommen?“
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17
Der Klimawandel
Das arktische Eis schmilzt, der Meeresspiegel steigt und immer mehr Menschen werden durch die klimatischen Veränder
In Österreich hat sich die Jahresdurchschnittstemperatur seit 1850 um 1,8 Grad Celsius erhöht – dreimal stärker als im
Auswirkungen
auf Tiere und Pflanzen
Schon jetzt lässt sich bei vielen heimischen
Arten ein enormer Klimastress ausmachen. Das drückt auf den Bestand der am
häufigsten vorkommenden Baumart der
Alpenrepublik, der Fichte, dafür fühlt sich
der Borkenkäfer durch die steigenden
Temperaturen plötzlich auch in höheren
Lagen wohl. Bären halten keinen Winterschlaf mehr, Rotwild findet mangels Eisund Schneedecke genügend Nahrung,
was die Verbiss-Schäden erhöht. Kaltwasserfischen wird es zunehmend zu warm,
sie flüchten ins Gebirge oder sterben aus.
Unter Landwirten und Förstern wird der
Klimawandel zunehmend ein Thema, sie
beginnen sich auf veränderte Bedingungen einzustellen.
18
Gletscherschwund ist ungesund
Die Pasterze ist mit etwa neun Kilometer
Länge der größte Gletscher Österreichs.
Seit 1856 hat sie rund die Hälfte der
Fläche des damals über 30 km2 großen
Eismantels verloren. Und die Pasterze ist
keine Ausnahme.
Die Alpengletscher sind seit dem Beginn
der Industrialisierung bis 1980 um etwa
ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse geschrumpft. Wissenschafter
sagen ein fast vollständiges Abschmelzen
der Gletscher noch in diesem Jahrhundert
voraus. 5.000 Gletscher gibt es in den Alpen. Wenn viele von ihnen für immer abgeschmolzen sind, könnte das zu empfindlichen Einbrüchen in der Wasserversorgung
führen. Denn das Süßwasser aus der Gletscherschmelze ist das wichtigste Trinkwasserreservoir in den alpinen Regionen.
Muren und Fluten
Der Rückgang der Gletscher erhöht die
Wahrscheinlichkeit für Murenabgänge
und Bergstürze, da die Funktion des (offenbar doch nicht so) ewigen Eises und der
Permafrostböden als „Klebemasse“ des
Gesteins verloren gehen. Für das Jahr 1987
wurde zum Beispiel errechnet, dass die
Hälfte aller im gesamten Alpengebiet verzeichneten Murenabgänge von Permafrostgebieten oder Gletscherrückzugszonen ausgingen. Wo sich das Eis zurückzieht,
bleiben riesige Schutthalden, die nichts
mehr zusammenhält. Skilifte oder Lawinenverbauungen, die in diesen Böden verankert sind, verlieren an Stabilität.
Ein anderes Problem sind die Hochwasser,
wie sie Österreich Anfang des Sommers
erlebt hat. Sie nehmen im Zuge des Klimawandels an Häufigkeit zu. Die begradigten und eingefassten Flüsse kommen mit
den plötzlichen intensiven Niederschlagsmengen, wie sie die Klimaveränderung
öfter bringt, nicht mehr zurecht.
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Österreich
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ungen zu Flüchtlingen. Das alles klingt irgendwie weit weg. Doch der Klimawandel macht vor unseren Grenzen nicht Halt.
globalen Mittelwert. Die Folgen der globalen Erwärmung sind auch hierzulande spürbar. Und das ist erst der Anfang.
Schneemangel – der Schrecken
des Wintertourismus
In Zukunft werden die Winter weniger
Schnee und mehr Regen bringen. Schon
bei einer weiteren Erwärmung um ein
Grad Celsius, die sehr wahrscheinlich ist,
wird die mittlere Schneebedeckung in
manchen Regionen um vier bis sechs
Wochen zurückgehen. Zusätzlich verlagert sich die Schneegrenze um einige
Hundert Meter nach oben.
In Österreich sind von dieser Entwicklung
prominente Wintertourismusregionen wie
Kitzbühel, Lienz, Oberkärnten oder Bregenz betroffen. In den Alpenländern wird
der Wintertourismus in den Regionen mittlerer Höhe bei einem ungebremsten Verlauf der Treibhausgasemissionen in ca. 20
Jahren kaum mehr möglich sein. In ca. 30
Jahren wird auch in Höhen über 1.500
Metern und in den Gletschergebieten der
Wintertourismus seine Basis verlieren.
Der Schnee ist aber nicht nur für den
Tourismus wichtig, sondern auch für die
Landwirtschaft. Wenn der Boden im Winter nicht schneebedeckt ist, fehlt im Frühjahr die Schneeschmelze, und der Boden
erhält nicht die nötige Feuchtigkeit, er ist
daher auch frostanfälliger.
Hitze und Trockenheit
Vor allem im Osten Österreichs werden
die Trockenheit und die höheren Temperaturen zu einem Problem werden. Wissenschafter rechnen damit, dass sich die
Zahl der Hitzetage, an denen das Thermometer 30° Celsius erreicht, dramatisch ansteigen wird. Für manche Gegenden, etwa
schon heute trockene Gebiete wie das
Weinviertel, kann eine weitere Erwärmung
schon bald unangenehme Folgen haben.
Wissenschaftern zufolge hat der Hitzesommer von 2003 österreichweit 130 Todesopfer gefordert. Was derzeit noch als
Jahrhundertsommer gilt, wird aber schon
in wenigen Jahren Normalität sein.
Dazu kommt es zu längeren Trockenperioden, in denen mindestens 20 Tage kein
Niederschlag fällt. Das stellt natürlich die
Landwirtschaft vor Probleme.
Da sich die Klimazonen im Gebirge verschieben, stehen viele Baumarten am falschen Standort. Die Holzerträge werden
dadurch zurückgehen. Schädlinge werden
von der Wärme profitieren, und Schädlinge, die zuvor nicht heimisch waren,
werden zuwandern.
Land der Stürme
Daria, Lothar oder Kyrill – mit solchen Namen verbinden viele Menschen Schrecken
und Zerstörung. Es ist ein Faktum: Stürme
nehmen im Zuge des Klimawandels zu,
ebenso andere Wetterextreme wie zum
Beispiel Hagel. Der Grund dafür ist das
höhere Energieniveau in einer aufgeheizten Atmosphäre.
Zwar ist es nicht möglich, einzelne Orkane
auf die Klimaerwärmung zurückzuführen,
aber die steigende Häufung entspricht
den Prognosen. Was noch vor wenigen
Jahren als extremes Ausnahmeereignis
galt, kehrt nun alle paar Jahre wieder:
Stürme, die ganze Wälder ausradieren,
Ernten vernichten und Häuser abdecken.
Kein Wunder, dass es gerade die Versicherungsgesellschaften sind, die laut und
deutlich vor dem Klimawandel warnen. Fotos: Seite 18-19: (oben von links) Ulrich Baatz / GP •
Franco Winter / GP • (unten von links) Manfred Delpho / GP •
GP / Reinhard Böhm • GP / Barbara Tschann •
Rudi Froese / GP • Ulrich Baatz / GP • Gesellschaft für
ökologische Forschung / Sylvia Hamberger
S CHL ACH THOF Amazonas
Greenpeace deckt die
Machenschaften der brasilianischen Viehindustrie im
Amazonas auf und bewirkt
erfreuliche Veränderungen. Ein
Teil der Wahrheit: unser aller
Anteil an der Zerstörung der
grünen Lungen dieser Erde.
von Verena Ahne
Wie viel Paar Schuhe stehen in
Ihrem Kasten? Schuhe von Adidas, Nike,
Geox – gar Prada? Wohlfeilere Modelle
aus dem Kaufhaus oder Versandkatalog? Haben Sie Schuhe aus Leder made
in China, Italy or Vietnam? Dann sind
Sie, Sie ganz persönlich, wahrscheinlich
im Besitz von einem Teil Amazonasrind.
Rund fünf Milliarden Paare werden
weltweit pro Jahr aus Tierhäuten hergestellt. Dazu kommen Möbel- und Autositzbezüge, Taschen, Gürtel und andere
Waren. In sehr vielen davon, und mit
besonders hoher Wahrscheinlichkeit in
jenen von Konzernen, die in Billiglohnländern produzieren lassen, steckt günstig erworbenes brasilianisches Leder.
Drei Jahre lang hat Greenpeace undercover im Umfeld der Leder- und Fleischindustrie Brasiliens ermittelt. Im Juni
wurde der Bericht „Slaughtering the
Amazonas – Wie der Urwald abgeschlachtet wird“ veröffentlicht. Ein Papier, das enthüllt, wie Rinderfarmer, von
Staat und Weltbank großzügig gefördert, systematisch den Amazonas vernichten – und zwar nur selten legal.
Von den fehlenden Kontrollen im „billigen“ Urwald profitiert die ganze Welt:
Leder geht nach Fernost, Europa oder in
die USA, Fleisch in Länder wie England,
Russland und Italien. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Fleischexport Brasiliens versechsfacht, und wenn es nach
Präsident Lula da Silva geht, soll er sich
20
bis 2018 noch einmal verdoppeln.
Klima-Wahnsinn auf vielen Ebenen.
Nicht nur furzt jedes Rind alle 40 Minuten Methan, ein Treibhausgas, 23-mal
so aggressiv wie Kohlendioxid. Der Rinder wegen werden auch große Urwaldflächen gerodet: um Soja anzubauen,
wobei seit Jahrmillionen im Boden gespeichertes Kohlendioxid freigesetzt
wird. Vor allem aber, um die Herden zu
halten. Knapp 80 Prozent der abgeholzten und heute schattenlosen Flächen
ehemaligen Regenwaldes werden für
die Rinderzucht verwendet. Weltweit
verursacht deshalb die Abholzung der
Regenwälder mehr Treibhausgase als
alle Autos und Flugzeuge zusammen.
Das Klima wandeln
Der Amazonas ist ein Lungenflügel unseres Planeten. Er speichert gewaltige
Mengen Kohlendioxid. Er absorbiert das
gleißende Äquator-Sonnenlicht und erzeugt über Verdunstung Kühle und
Feuchtigkeit – für sich selbst und für
den Rest der Erde. Der Unterschied? Ist
wie am heißesten Tag des Jahres auf einer frisch asphaltierten Straße mitten in
der Stadt zu stehen – oder im Moos an
einem Bach im Wald zu lagern.
Ein Fünftel allen Oberflächen-Süßwassers fließt durch die Adern dieses Waldes. Im Atlantik angelangt, wird es zum
Motor jener weltumspannenden Meeresströmungen, die das Klima der Erde
bestimmen. Gröbere Verschiebungen
im Zustrom, und die Wetterverhältnisse
ändern sich – vom Weizengürtel der
USA bis nach Indien.
Auch in Brasilien selbst: Schon jetzt gibt
es Ernteausfälle, weil die Niederschläge
abnehmen. Setzt sich die Entwaldung
fort, könnte das die Landwirtschaft des
gesamten Kontinents gefährden.
Und zwar umfassender, als manche
glauben mögen. Mathematische Modelle zeigen, dass ein biologisches System
den Verlust von bis zu dreißig Prozent
seiner Arten relativ problemlos verkraftet. Doch dann geht es schlagartig: Nur
ein Prozent mehr, und das System kollabiert – vollständig.
Damit ein Regenwald mit all seinen wertvollen Funktionen also überlebt, muss der
überwiegende Teil davon intakt sein. Intakt: Neu gepflanzte Bäume zählen da
ebenso wenig wie durch anhaltende Dürren und Holzeinschlag geschwächte Bestände. Schon hat sich der Teufelskreis aus
weiteren Straßen quer durch den Regenwald, aus weniger Niederschlag, größerer
Hitze und noch mehr Straßen, noch weniger Niederschlag und noch größerer Hitze
in Bewegung gesetzt. Er muss bald gestoppt werden. Sehr bald.
In Bedrängnis
Womit Präsident Ignacio Lula da Silva am
Zug wäre. Der einerseits zwar zusagt, bis
2018 die Entwaldungsrate im Amazonas
um 72 Prozent zu senken. Doch gleichzeitig
einer Partei vorsteht, die Beteiligungen an
drei der größten Viehverarbeiter des Landes hält. Und somit direkt von deren
Förderung profitiert.
Der Greenpeace-Bericht allerdings hat voll
involviert sind. Darüber hinaus wird an einem genauen Monitoring der Vertragspartner gearbeitet.
Auch international war das Echo auf den
Bericht groß. Besonders die Schuhindustrie
wurde nervös und hat auf die Proteste von
KundInnen und Greenpeace-AktivistInnen
gehört. Clarks, Adidas-Reebok, Nike und
Timberland haben sich für einen sofortigen
Stopp der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes ausgesprochen und verlangen
nun von ihren Lederzulieferern eine entsprechende Garantie. Einer der größten
Rinderverarbeiter, Bertin, setzte sich daraufhin mit Greenpeace an einen Tisch und
arbeitet gerade an einer verbesserten eigenen Firmen-Policy. Bertin möchte sich auch
für ein Moratorium auf die Rinderzucht einsetzen. Fehlen nur mehr JBS – einer der
größten Rindfleischexporteure überhaupt –
und die Supermärkte weltweit, um Druck
auf die brasilianische Regierung auszuüben. Es soll ein Rückverfolgungssystem in
f
acts
schreiben! 30 Milliarden Euro pro Jahr –
noch immer ein Bruchteil dessen, was derzeit in die Finanzmärkte gepumpt wird
– könnten die „Verluste“ der RegenwaldStaaten kompensieren. Das ist viel Geld.
Aber wohl kein zu hoher Preis dafür, uns
allen das gesunde Atmen unseres Planeten
zu erhalten. Fotos: Seite 20: (oben von links) Marizilda Cruppe / EVE / GP •
Seite 21: (von links) Ricardo Funari / Lineair •
Daniel Beltra / GP • Ricardo Funari / Lineair
your
acts
SEIEN SIE ACHTSAM beim Kauf von
Lederartikeln! Vielleicht sind Ihre Schuhe im
Kasten länger tauglich, als die Mode gerade
diktiert? Ansonsten beim Kauf von Schuhen
und anderen Lederwaren auf die Herkunft
achten. Je mehr aus heimischer Erzeugung
stammt, desto besser.
Rinderfarmer werden von Staat und Weltbank großzügig gefördert. Rund fünf Milliarden Schuhpaare werden weltweit pro Jahr aus Tierhäuten hergestellt.
eingeschlagen und vielen diese süßen Geschäfte vergällt:
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen
gegen 20 Rinderfarmen und 13 Schlachthäuser wegen des Verdachts auf illegale
Rodungen. Ihnen drohen Strafen bis zu einer Milliarde Dollar und die Verpflichtung
zur Wiederaufforstung Hunderttausender
Hektar Wald.
Die Dachorganisation der brasilianischen
Supermarktketten, denen Riesen wie WalMart und Carrefour angehören, haben ihre
Verträge mit Viehzüchtern und Schlachthäusern gekündigt, die in die Abholzungen
Brasilien etabliert werden, um zu wissen,
woher Leder oder Rindfleisch stammen.
Damit nicht genug: Greenpeace fordert außerdem eine sofortige und herkulische Anstrengung der Weltgemeinschaft, um die
Regenwälder dieser Erde zu erhalten. Der
Schuh- und Lederboykott ist zwar ein Anfang, reicht aber längst nicht aus. Zu schnell
gehen die Rodungen voran, allein im Amazonas jährlich eine Fläche von der Größe
Ober- und Niederösterreichs.
Wir müssen erreichen, dass sich die Lulas
dieser Erde dem Ziel Nullrodung ver-
ESSEN SIE WENIGER oder gar kein
Fleisch! Der weltweit steigende Fleischkonsum
ist einer der Gründe für die Urwaldzerstörung!
SCHÜTZEN SIE DAS KLIMA!
Urwaldschutz ist Klimaschutz,
aber Klimaschutz auch Urwaldschutz.
Die Erwärmung des Klimas setzt die Wälder
bereits nachweislich unter Stress.
Deshalb: Tun Sie was für den Schutz
des Klimas, zum Beispiel hier:
1000000taten.greenpeace.at/
DEN REPORT in Englisch finden Sie hier:
www.greenpeace.at/wald_service
21
actinterview
„Wir haben absolut keine Alternative“
INTERVIEW mit Anders Levermann, 36, Professor für die Dynamik des
Klimasystems am Institut für Physik der Universität Potsdam und am
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Levermann ist Leiter der
PIK-Flagship-Aktivität TUMBLE, wo es um mögliche Klima-Kippelemente
geht, und Mitautor des IPCC-Klimareports (Friedensnobelpreis 2007).
Im Juli haben sich die führenden Industrienationen beim G8-Gipfel darauf geeinigt, die Klimaerwärmung auf zwei Grad
zu beschränken. Ein Erfolg?
Das war ein Riesenschritt. Ich vermute,
dass sich die Unterzeichner noch nicht
ganz im Klaren darüber sind, was das konkret bedeutet. Nach neuesten Erkenntnissen beträgt das nötige Reduktionsziel für
CO2-Emissionen zur Einhaltung des ZweiGrad-Zieles bereits zwischen 50 und 80
Prozent bis 2050 und danach die Erreichung der Nullemission noch innerhalb
des Jahrhunderts. Nach nahezu jedem irgendwie gearteten gerechten Verteilungsschema der Emissionsrechte bedeutet das
für Länder wie die USA über 90 Prozent
Reduktion. Das sind Wege, die man nicht
allein mit Effizienzsteigerung oder Energiesparlampen beschreiten kann.
Sie sagen, die Situation verschärft sich immer weiter. Was ist denn in den letzten
Jahren an Erkenntnissen dazugekommen?
Leider sind es häufig die schnellen Reaktionen des Klimasystems auf die Erwärmung, die wir nicht vollständig verstehen.
Daher gibt es eine generelle Tendenz,
Entwicklungen als langsamer vorherzusagen, als sie tatsächlich eintreffen. Das trifft
natürlich nicht für alle Bereiche des Klimasystems zu; aber häufig ist das der Fall.
22
So unterschätzen derzeit alle Modelle den
drastischen Rückgang des arktischen
Meereises. Vergleicht man die 2001 vom
IPCC vorhergesagte Entwicklung von globaler Temperatur und Meeresspiegel mit
der tatsächlich eingetretenen, so ergibt
sich das gleiche Bild. Deshalb konzentriert
sich die Wissenschaft auch zunehmend
nicht mehr nur auf die nach derzeitigem
Wissensstand wahrscheinlichsten Ereignisse, sondern auch auf die Extrema. Bei
vielen dynamischen Effekten wissen wir
nicht, ob sie eintreten könnten. In Bezug
auf die gesellschaftliche Anpassung an
den Klimawandel müssen wir uns aber
auch auf Extrema einstellen können.
Die Niederländer etwa haben das erkannt.
Sie haben ein Gesetz, das die Regierung
verpflichtet, die Bevölkerung vor einem
Meeresereignis zu schützen, dass einmal
in 10.000 Jahren eintritt. Entsprechend hat
kürzlich die eigens dafür eingesetzte
Delta-Komission eine obere Abschätzung
für den möglichen Meeresspiegelanstieg
abgeliefert. Die von ihr erarbeitete Abschätzung ist aber meiner Meinung nach
mittlerweile als Obergrenze schon nicht
mehr haltbar. So zeigt eine neuere Studie,
dass zwei Meter Anstieg in diesem Jahrhundert nicht auszuschließen sind.
Greenpeace hat zurzeit ein Schiff in Grönland, in der Gegend des Petermann-Gletschers. Da löst sich gerade ein Stück in
der Größe von rund 100 km2.
Die Frage ist, wie viel davon ist natürlich.
Wissenschaftlich ist derzeit nicht zu belegen, dass das alles am Klimawandel hängt.
Die Gesamtlandeismenge, Norden und
Süden, nimmt aber ab?
Ja, das ist der Fall. Für Grönland zeigen
Satellitenmessungen schon seit 1992 einen
Trend von zunehmendem Eisverlust. Für
die Antarktis hat die NASA vor kurzem
bekannt gegeben, dass dort jetzt auch ein
Nettoverlust gemessen wird und dieser
bereits so groß wie der von Grönland ist.
Das bringt uns zum Thema Meeresspiegel. Im IPCC-Bericht ist noch die Rede
von einem Anstieg um 20 bis 60 Zentimeter in diesem Jahrhundert. Mittlerweile
scheint das nicht mehr haltbar zu sein.
Ich stehe hundert Prozent hinter dem
IPCC-Prozess und -Bericht, aber in diesem
einen Punkt „Meeresspiegel“ hat es tatsächlich einen Fehler gegeben. Man hat
sich auf Modellprojektionen zurückgezogen, die das Schmelzen der großen Eismassen nicht berücksichtigen. Eisverluste
von Grönland und Antarktis wurden aus
vergangenen Messungen in die Zukunft
fortgesetzt und hatten damit keinen Beitrag. Diese Annahme ist mittlerweile nicht
mehr haltbar.
Das heißt, es ist nur der Anstieg durch die
Ausbreitung des Wassers im Zuge der Erwärmung berücksichtigt?
Genau. Etwas verkürzt war der Gedanke:
Grönland gibt was ab, die Antarktis nimmt
was auf, das ergibt Null und das wird auch
in Zukunft so bleiben. Das ist mittlerweile
nicht mehr richtig.
Hängt der zukünftige Meeresspiegel nicht
von den zukünftigen Emissionen ab?
Das ist im Prinzip richtig. Faktoren, die
den Meeresspiegel beeinflussen, sind aber
relativ träge. Die Erwärmung des Ozeans
verläuft langsam, hört aber einfach nicht
auf. Das ist wie ein riesiges Schwungrad,
das Sie in Gang setzten. Wenn Sie jetzt
fragen, können es auch zwei Meter sein,
dann ist es meiner Meinung nach nicht
mehr statthaft zu sagen, nein. Es könnte
passieren. Früher war man damit Alarmist,
mittlerweile korrigieren sich die Abschätzungen stetig nach oben. Meiner Auffassung nach ist das möglicherweise noch
nicht das Ende der Fahnenstange, aber
wir haben dazu noch keine Studien.
Zwei Meter, das bedeutet, dass wir uns
von einigen Inselstaaten verabschieden
müssen.
Inselstaaten sowieso, aber auch die
Niederlande und Deutschland müssten
anfangen, sich Sorgen zu machen.
Warum nur zwei Meter, wenn in der
Westantarktis noch fünf Meter Potenzial
stecken und auf Grönland noch einmal
sieben?
Die Eismassen von Grönland und der Antarktis sind natürlich gewaltig. Aber drei
Kilometer hohes Eis müssen Sie erst mal
bewegen. Die Frage ist, wie schnell kann
sich das bewegen. Wir wissen, dass die
Westantarktis in den vergangenen drei
Millionen Jahren mehrfach zusammengebrochen ist. Der Meeresspiegel ist dann
bis zu sieben Meter angestiegen. Das hat
aber auch jeweils 7.000 Jahre gedauert.
CO2 , das einmal in der Atmosphäre ist,
bleibt da auf alle Fälle lange genug, um
Schaden anzurichten.
Die Frage ist, ob die Gesellschaft zum Beispiel 1.000 Jahre in die Zukunft denken
will. Sollen Hamburg, Amsterdam, New
York, Schanghai, Bangladesh die nächsten 1.000 Jahre bewohnbar bleiben? Das
ist eine gesellschaftliche Frage, keine naturwissenschaftliche.
Aus ethischer Sicht ist klar, dass wir auch für
einige Generationen vorausdenken müssen.
Was in Politik und Öffentlichkeit noch
nicht vorgedrungen ist: In der letzten Eiszeit hatten wir 120 Meter weniger Meeresspiegel, im warmen Pliozän vor drei
Millionen Jahren 30 Meter mehr und im
noch wärmeren Oligozän vor 30 Millionen
Jahren etwa 70 Meter mehr. In der Vergangenheit gab es pro Grad Erwärmung
zehn bis 15 Meter Meeresspiegelanstieg.
Wir können nicht sagen, wie schnell es
dort hingeht, aber das ist der Weg, auf den
wir uns gemacht haben.
Das heißt, wir haben uns das Problem ohnedies längst eingebrockt. Nur das Meer
hinkt möglicherweise hinterher.
Nicht nur möglicherweise. 0,8 Grad haben
wir schon beobachtet; es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir deutlich unter zwei
Grad bleiben. Das sind schon mal 20 bis 30
Meter auf lange Sicht. Das hört nicht auf,
das kriegen wir nicht mehr runter, wir
wissen nur nicht, wie schnell es passiert.
Bis zum vollen Ausschlag wird es sicher
einige Jahrtausende dauern.
Die zwei Grad plus gelten als Grenze des
gerade noch Verträglichen. Wie kommt
man zu dieser Zahl?
Für mich persönlich ist das eine sehr
praktische Erwägung. Wir haben in den
vergangenen 1.000 Jahren im globalen
Schnitt Temperaturschwankungen von 0,5
Grad gehabt. Genauer als ein halbes Grad
können wir also unser Klima nicht
„einstellen“. Und dann gehen Sie in
Schritten vor: Ein Grad ist klar vorbei,
drei Grad ist klar zu viel. Dagegen spricht
eine ganze Reihe von zu erwartenden
Schäden, so würde dann Grönland
ziemlich sicher eisfrei. Zwei Grad sind
möglicherweise noch erreichbar und begrenzen die Risiken auf ein möglicherweise erträgliches Maß.
Wie sieht es mit der Übersäuerung der
Meere aus?
Zusätzliches CO2 in der Atmosphäre erhöht auch den Kohlensäuregehalt der
Meere. Das ist ganz unabhängig von der
Erwärmung. Das ist sehr wichtig in Bezug
auf Geoengineering-Techniken, die jetzt
vorgeschlagen werden. Wenn man versucht, den Planeten abzukühlen ohne das
CO2 rauszunehmen, dann wirkt man der
Übersäuerung nicht entgegen. Wir haben
schon jetzt einen 0,1 Punkte saureren
pH-Wert, das hat großen Einfluss auf
Ökosysteme.
Das Problem Klimawandel ist in
der Mitte der Gesellschaft angekommen,
wir wissen, was wir tun müssen.
In Zeiten mit mehr CO2 in der Atmosphäre
waren die Meere aber auch voller Leben.
Ja, Leben kann es durchaus geben. Wir
sprechen auch in Zusammenhang mit dem
Klimawandel nicht vom Untergang der
Erde oder des Lebens, sondern davon,
dass wir auf eine bestimmte Art etablierte
Öko- und Gesellschaftssysteme massiv
stören. Die haben keine Zeit, sich anzupassen. Das IPCC hat nicht umsonst 2007
den Friedensnobelpreis gekriegt. Es geht
unter anderem um das Konfliktpotential
auf der Erde.
Neuerdings liest man, dass der Monsun
vom Klimawandel betroffen ist.
Wir beobachten starke Veränderungen
zum Beispiel im indischen Monsun. Änderungen in den großen Monsungebieten beeinflussen die Lebensmittelversorgung von
Milliarden Menschen, sodass diese Systeme sehr genau beobachtet werden
müssen. Bereits beobachtet wurde eine
Verringerung des indischen Monsunregens um neun Prozent. Zieht man aber
die für die Landwirtschaft nutzlosen
Extremniederschläge ab, so ist der Rückgang drastischer. Da nicht vollkommen
auszuschließen ist, dass Monsunzirkulationen zu den so genannten Kipp-Prozessen
gehören, muss man da genauer hinschauen. Im Allgemeinen erwarten wir in der
Zukunft eine Zunahme von Extremniederschlagereignissen, weil eine wärmere 23
„Wir haben absolut keine Alternative“
Atmosphäre mehr Wasserdampf enthält,
und das beobachten wir derzeit in Indien.
Vor ein paar Jahren ist der Golfstrom
durch den Film „The Day After Tomorrow“ in die Medien geraten. Kann die Klimaerwärmung den Golfstrom verändern?
Ja, das ist ein mögliches Kippelement. Es
ist ein Risiko, kein wahrscheinliches
Szenario. Der Film war selbstverständlich
absurd, nicht nur weil da alles in zwei
Wochen passiert ist. Wichtig ist: Es wird
AM POTSDAM-INSTITUT FÜR
KLIMAFOLGENFORSCHUNG (PIK)
untersuchen über 200 MitarbeiterInnen
wissenschaftlich und gesellschaftlich
bedeutsame Fragestellungen in den Bereichen
globaler Wandel, globale Erwärmung und
nachhaltige Entwicklung. ForscherInnen aus
den Natur- und Sozialwissenschaften arbeiten
zusammen, um fächerübergreifend Einsichten
zu gewinnen, die zur Grundlage für Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft genutzt werden können.
MEHR INFORMATIONEN:
keine Eiszeit geben. Ein Abbruch bedeutet letztendlich nur eine Umverteilung von
Wärme. In Europa würde es dann kälter
werden, sogar sehr, aber letztendlich
würde sich dadurch der Süden noch
stärker erwärmen.
Vor ein paar Jahren hat mir Dennis
Meadows („Die Grenzen des Wachstums“)
in einem Interview erzählt, er beobachte,
dass viele Leugner des Klimawandels
plötzlich umschwenken zu einer Einstellung, es sei ohnedies alles zu spät. Ein
neuer Grund, wieder nicht zu handeln.
Der Punkt ist, wir haben absolut keine Alternative. Es ist ja nicht so, dass das Klimasystem zum Beispiel bei fünf Grad plötzlich
aufhört, wir können auch zu zehn Grad
kommen. Die Reaktion des Klimas auf die
CO2-Verstärkung ist nach oben hin nicht
klar abgegrenzt. Der Unterschied zwischen
einer Eiszeit und einer Warmzeit beträgt
fünf Grad, das dauerte in der Vergangenheit etwa 5.000 Jahre. Wir könnten es in
diesem Jahrhundert schaffen, nur in die
andere Richtung – wir befinden uns bereits
in einer Warmzeit und gehen in eine noch
wärmere Periode über. Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, ist auf natürliche Weise wahrscheinlich noch nicht vorgekommen. Aber es gibt auch leider keinen
Grund zur Annahme, dass es eine Obergrenze gibt, die wir in keinem Fall erreichen können. Resignation ist daher keine
Alternative. Ich sage es ganz ehrlich: Auf
fünf Grad kann sich die Gesellschaft, so
wie wir sie kennen, nicht einstellen.
www.pik-potsdam.de
SEHR LESENSWERT auch der Klimablog
von Levermann und Kollegen:
www.wissenslogs.de/wblogs/blog/klimalounge
BUCHTIPP
S. Rahmstorf/H. J. Schellnhuber: „Der
Klimawandel“, München: C. H. Beck 2006.
Was halten Sie von technologischen
Großlösungen des Klimaproblems?
Sie sind keine Alternative zur Vermeidung. Methoden, die CO2 und Methan aus
der Atmosphäre holen, müssen aber genau unter die Lupe genommen werden.
Wir haben keine Handlungsspielräume
mehr. Dabei müssen die Risiken genau
untersucht werden. Am problematischsten
sind hier sicher die Kühlungsmethoden,
die nicht bei der Verringerung von Treibhausgasen, sondern in der Strahlungsbilanz
angreifen: Aerosole in die Stratosphäre
oder Spiegel in den Weltraum. Diese Maßnahmen wären sicher sehr riskant. Die
Gesellschaft muss entscheiden, nachdem
sie über alle Risiken aufgeklärt wurde.
Sind Letztere nicht eher Lösungen im
Sinne des Problems?
24
actkommentar
Sie haben Recht, deshalb scheint die Industrie diese auch sehr zu mögen. Weil
man da etwas machen kann und nicht
etwas vermeiden muss. Das verkennt aber
meines Erachtens das enorme Innovationspotenzial, das zum Beispiel in erneuerbaren Energien steckt. Wo ich empfindlich reagiere, ist, wenn jemand das
Klimaproblem als Vehikel benutzen will,
um die Menschheit zu verbessern. Das
Problem Klimawandel ist in der Mitte der
Gesellschaft angekommen, wir wissen,
was wir tun müssen. Und wenn da jemand
erklärt, wir müssen, um das Klimaproblem
zu lösen, erst mal alle bessere Menschen
werden, dann ist das zwar ein sehr schönes Anliegen, aber für die Klimalösung
kontraproduktiv und damit gefährlich.
Einige PIK-Wissenschafter geben sich auch
in den Medien recht streitbar. Andere Klimaforscher kritisieren das und meinen,
Wissenschafter hätten keine Forderungen
oder Handlungsanleitungen zu stellen.
Wir vom PIK stellen keine Forderungen.
Wir stellen die Folgen unseres Handelns
dar: Wenn die Gesellschaft das und das
vermeiden will, dann muss so und so gehandelt werden. Die normativen Fragen
müssen dann von der Gesellschaft beantwortet werden.
Woran liegt es, dass die Medien dermaßen
lange den Klimawandel relativiert haben?
Es gibt einen Zwang der Medien zur Kontroverse: Eine Nachricht wird spannender,
wenn jemand widerspricht. Und wenn 99
Prozent der Wissenschafter sagen, das ist
so, und ein Prozent sagt, es ist anders,
dann wird das eine Prozent eben auch immer zitiert. Und beim Leser bleibt das Gefühl der Gleichverteilung oder zumindest
„Die sind sich noch nicht einig. Warten wir
lieber noch mal ab.“
Wie begegnen Sie dem Vorwurf, Klimawissenschafter profitierten von schlechten Klima-Prognosen?
Lassen Sie es mich etwas überspitzt
ausdrücken: Ich glaube, ich könnte mehr
Geld machen, wenn ich das Gegenteil von
dem sagen würde, was Tatsache ist. Die
starken ökonomischen Interessen liegen
schon auf der den Klimawandel verneinenden Seite. Interview: Roman Kellner
Fotos: Seite 22-24: GP / Roman Kellner
Follow up
f
acts
Blinde Flecken:
Andritz lässt kein Fettnäpfchen aus
Rote Karte:
Bayer macht nicht nur Aspirin
Das Management des steirischen Maschinenbauunternehmens Andritz scheint nicht allzu lernfähig zu sein. Eben erst
wurde dem katastrophalen
Staudammprojekt „Ilisu“ in der
Osttürkei auch von der österreichischen Kontrollbank eine
Absage erteilt. Die Umweltauflagen seien nicht erfüllt. Andritz wäre dort trotzdem eingestiegen! Und schon steht das nächste rufschädigende Projekt vor der
Tür: der Bau einer riesigen Papierfabrik auf der australischen Insel
Tasmanien. Das Projekt stößt seit Jahren vor Ort auf massiven Widerstand der lokalen Bevölkerung: zu gravierend sind die Auswirkungen auf Urwald und Meer. Greenpeace hat deshalb Andritz in
Graz auf seine Art „besucht“– und wird dies wieder tun! Bei der jährlichen Aktionärsversammlung
von Bayer nutzte Greenpeace das Rederecht. Philipp Strohm, GentechnikExperte der Umweltschutzorganisation,
informierte die AktionärInnen, dass die
Konzernleitung gleichzeitig Medizin
herstellt und einen Gentech-Reis mit
Risiken für die Gesundheit. So manche
waren entsetzt.
Auch in Österreich hinterlässt die Kampagne Spuren. Viele Menschen beschwerten
sich bereits bei ihren Apotheken. Einige
Apotheker forderten daraufhin Bayer auf, die Produktion von
gentechnisch veränderten Lebensmitteln einzustellen. Machen
Sie mit! Sprechen Sie in Ihrer Apotheke vor und zeigen Sie Bayer
Fotos: (von links) GP/ Prinz Kurt • GP/ Barbara Tschann
die rote Karte. Zwei Seiten einer Medaille
Über Umwelt und Armut diskutieren
Armut und Umweltschutz waren nie zu trennen, aber in Zeiten
des Klimawandels sind sie gar nicht mehr separat zu denken.
Deshalb führen das ÖKOBÜRO und die „Armutskonferenz“
diese beiden Themen in der Tagung „UMwelt SOzial BESSER„
zusammen.
Für eine zukunftsfähige Entwicklung ist es von zentraler Bedeutung, dass Umweltanliegen und soziale Anliegen nicht gegeneinander ausgespielt werden, ein inhaltlicher Austausch und eine
Zusammenarbeit der betreffenden AkteurInnen sind wichtig.
Auf die TeilnehmerInnen dieser zweitägigen Konferenz
warten interessante ReferentInnen aus dem In- und Ausland (Wuppertal Institut, WIFO, ...).
Das Ganze findet am 26. und 27. November 2009 im Kardinal
König Haus in 1130 Wien statt.
MEHR INFORMATIONEN und Anmeldemöglichkeit unter: www.oekobuero.at
Foto: GP/ Kate Davison
Wo sich Ökonomie und Ökologie treffen:
im „Grünen FORMAT“
Um die Idee der 1.000.000 Taten zu verbreiten, ist Greenpeace
verschiedene Kooperationen eingegangen, bei denen selbstverständlich kein Geld fließt. Ein solcher Kooperationspartner ist
FORMAT. Das österreichische Wirtschaftsmagazin hat die Chancen der ökologischen Wirtschaft frühzeitig erkannt und bereits
mehrere Sonderhefte zum Thema „Grüne Wirtschaft“ publiziert.
„act“-LeserInnen, die mehr über das Verhältnis von Ökonomie
und Ökologie wissen möchten, durch welche innovativen Lösungen die Unternehmen für den Klimaschutz beitragen können
oder was Privathaushalte für den Umweltschutz tun können,
haben die Gelegenheit eines Schnupper-Abos:
LESEN SIE 10 WOCHEN lang FORMAT
um nur 5 Euro* und sichern Sie sich
somit bereits jetzt das nächste
„Grüne FORMAT“, welches mit der
Heft-Nr. 45 am 13. 11. erscheint.
Abo-Telefon: 01/95 55-100 oder
www.format.at/greenpeace
* Wenn ich mich nicht bis zum achten Heft schriftlich melde, verlängert sich das Abo zu den jeweils gültigen Bedingungen
für Quartalsabonnenten. Die Zustellung ist kostenlos. Easystorno: Ich kann mein Abo zum Ende eines Quartals mit einer
Frist von einem Monat kündigen. Bei Zahlungsart Erlagschein: Erlagscheingebühr 0,90 Euro. Aktion gültig bis 31. 12. 2009.
25
f
Leidtragende der enormen Mengen,
die jährlich produziert werden, sind
häufig die Tiere selbst, denn die Tierhaltungsstandards in der konventionellen Landwirtschaft sind sehr häufig
schlecht bis katastrophal. In der biologischen Landwirtschaft hingegen gelten hohe Tierhaltungsstandards, und
auch Gentech-Tierfutter ist verboten.
acts
Leckerer Genuss
KLIMAfreundlich genießen
Pflanzliche Produkte
sind im Trend. Kein Wunder!
Sie schmecken gut, sind gesund,
und man spart gleichzeitig CO2.
von Claudia Sprinz
Schummelschinken und Analogkäse: Was KonsumentInnen tierischer Lebensmittel von manchen Herstellern oder
Gastronomiebetrieben zugemutet wird,
sorgte in den letzten Monaten für Ärger.
Dies kann einem beim Kauf rein pflanzlicher Lebensmittel nicht passieren. Schließlich sind die KäuferInnen solcher Waren
an genau diesen pflanzlichen Produkten
interessiert. Sei es aus gesundheitlichen,
ethischen oder immer häufiger auch aus
ökologischen Gründen.
26
Enorm gestiegener
Fleischkonsum
„Fleisch bringt‘s“, lautete jüngst der Slogan der Agrarmarkt Austria Marketing
(AMA). Das ist, als wolle man Eulen nach
Athen tragen. Denn zwischen 1950 und
2008 stieg der Fleischkonsum pro Kopf in
Mitteleuropa von 25 auf rund 66 Kilogramm Schwein, Huhn oder Rind. Durchschnittlich essen Erwachsene 112 Gramm
Fleisch und Wurst pro Tag. „Vor allem der
Verzehr an rotem Fleisch, Wurstwaren und
Eiern ist eindeutig zu hoch. Die Empfehlung liegt bei 43 bis 86 Gramm“, erinnert
die Ernährungswissenschafterin Michaela
Knieli von „die umweltberatung“.
Gesundheit, Ökologie
und Tierschutz
Ein zu hoher Konsum tierischer Lebensmittel schadet dem Wohlbefinden, wie
diverse Vergleichsstudien zeigen. „Vegetarier sind signifikant weniger von den
häufigsten ernährungsbedingten Erkrankungen wie Übergewicht, Stuhlverstopfung, erhöhtem Harnsäurespiegel,
Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen und Darmkrebs
betroffen“, so Knieli. „Daher ist eine
pflanzenbetonte Kost mit hohem Anteil an
saisonalem Obst und Gemüse sowie Vollkorngetreide und nur geringen Mengen
an produzierten Fleisch- und Wurstwaren
zu empfehlen.“
Die pflanzenbetonte Ernährung ist nicht
nur gut für die Gesundheit, sondern auch
für die Umwelt. Haltung, Transport und
Verarbeitung von Nutztieren verursachen
Treibhausgase, die zunehmend das Klima
belasten (siehe auch den Artikel „GrillGut fürs Klima“ im „act“ Nr. 2/2009). Wer
pflanzliche Lebensmittel dem Fleisch vorzieht, kann mit einer vollwertigen, biologischen Ernährung bis zu 61 Prozent CO2Emissionen einsparen.
E s SC H ME C K T auch O HNE FLEISCH
Nachfolgend finden Sie einen kurzen Überblick, wie Sie tierischen Zutaten durch pflanzliche ersetzen können.
Wichtig: Hersteller bevorzugen, die Zutaten aus regionaler (Bio-)Landwirtschaft verwenden! Die größte Auswahl
an pflanzlichen Produkten gibt es in großen Supermärkten, Reformhäusern, Bioläden oder in Spezialgeschäften
bzw. Online-Shops für vegane Produkte.
Wie sieht es jedoch mit dem Geschmackserlebnis aus? Pflanzliche Produkte stehen zu Unrecht im Ruf, fade
zu schmecken. „Bei vielen traditionellen Gerichten lassen sich tierische Zutaten durch pflanzliche ersetzen. So hat
man als (ehemaliger) Fleischesser nicht
das Gefühl, auf etwas verzichten zu
müssen.“, meint Karl Schillinger. Der
Mann weiß, wovon er redet. Schillinger
und seine Frau Irene betreiben seit vielen Jahren ein vegetarisches Restaurant
im niederösterreichischen Großmugl.
Heuer haben sie expandiert und gemeinsam mit einem Arzt und Ernährungsexperten ein Hotel in Kreuzlingen am Bodensee eröffnet. Das Hotel
Swiss ist das erste Luxushotel, dessen
Gourmetrestaurant
ausschließlich
pflanzliche Speisen im Angebot hat.
Brot, Backwaren, Nudeln
Es gibt aber auch leckere Speisen, die
immer schon ohne tierische Zutaten
auskommen, von typischen Klassikern
wie klarer Gemüsesuppe, Feuerflecken, Grenadiermarsch oder Krautfleckerl über südländische Spezialitäten
wie Falafel, Tortillas oder Nudeln mit
Tomatensauce bis zu asiatischen Gerichten wie Kartoffel-Curry oder Dal.
Eier
Pflanzliche Lebensmittel versuchen
nicht, den Geschmack tierischer Produkte zu imitieren, und doch bieten sie
große Geschmacksvielfalt. Zahlreiche
Obst- und Gemüsesorten sind ebenso
wie ihre Verarbeitung in Vergessenheit
geraten, und sie schmecken roh anders
als gekocht. Bei Produkten wie Getreidedrinks oder Tofu gibt es eine breite
Auswahl
unterschiedlicher
Geschmacksrichtungen
verschiedener
Hersteller. Wer bislang vorwiegend
tierische Zutaten verarbeitet hat, benötigt am Anfang vielleicht ein wenig Experimentierfreude, um herauszufinden,
welches Produkt dem persönlichen
Geschmack entspricht. Denn das ist
schließlich nicht Wurscht. Milch
Fotos: Seite 26: Ernst Rose / Pixelio
Seite 27: Bernd Boscolo / Pixelio
Herkömmlicher Semmel- und Brotteig wird zumeist
ohne Butter, Milch oder Eier hergestellt. Semmeln,
Schwarz- und die meisten Vollkornbrote sind daher
oft rein pflanzlich. Die klassischen italienischen Nudeln werden ebenso nur aus Hartweizengrieß ohne
Eier hergestellt. Es empfiehlt sich, das Kleingedruckte zu lesen. Fertigwaren (und manche Nudeln) enthalten häufig Eier, einige Süßwaren auch Butter. Es
gibt mittlerweile sehr viele leckere Rezepte für pflanzliche Kuchen oder Torten, die völlig ohne Butter oder
Eier auskommen (siehe Butter und Eier).
Butter und Schmalz
Beim Braten heimisches Pflanzenöl (z. B. Sonnenblumen-, Distel- oder Rapsöl) verwenden, beim
Backen gibt es Rezepte mit Öl, man kann aber auch
die Butter 1:1 durch pflanzliche (Bio-)Margarine ersetzen. Auch als Brotaufstrich eignet sich die pflanzliche (Bio-)Margarine.
In Rezepten, wo Eier als Bindemittel verwendet werden, können diese häufig ganz weggelassen oder
durch Stärkemehl ersetzt werden, z. B. in Knödel. In
Süßspeisen können Eier je nach Anwendung auch
durch Seidentofu oder reife Bananen ersetzt werden.
Beim Panieren anstelle von Eiern Soja- oder
Getreidemilch verwenden, sprich: Mehl – Sojamilch
– Semmelbrösel.
Anstelle von Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch kann
man Soja-, Kokos-, Hanf-, Mandel- oder Getreidedrinks (Haferdrink, Reisdrink, ...) verwenden. Es gibt
diese Getränke neutral sowie in verschiedenen Geschmacksrichtungen (gezuckert, Vanille, Schoko, ...).
Rezeptbeispiele, wo Milch 1:1 durch Sojamilch oder
dergleichen ersetzt werden kann: Erdäpfelpüree,
Palatschinken, Knödel, Pudding, Grießkoch, Milchmixgetränke oder auch für Tee oder Kaffee.
Joghurt, Rahm & Obers
Aus Sojamilch wird Sojajoghurt, Crème fraîche oder
auch Obers hergestellt – in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Für Süßspeisen wie Mousse au
Chocolat eignet sich auch Seidentofu. Bei pflanzlichem
Schlagobers auf den Begriff „aufschlagbar“ achten!
Beispiele, wo Joghurt, Rahm oder Obers durch Sojaprodukte ersetzt werden können: Müsli, kalte Dippsaucen, Cremesuppen wie Kürbiscremesuppe, für
Nudel- oder Reisgerichte, Aufläufe, für Saucen wie
Schwammerlsauce ebenso wie süße Tortenfüllungen
oder Desserts wie Schokoladen- oder Vanillecreme.
Käse
Für bestimmte Gerichte wie Aufläufe kann man anstelle von Käse Hefeflocken oder Seidentofu verwenden. Es gibt Sojakäse, der beim Kochen oder im Ofen
nicht schmilzt, aber auch solchen, der sich zum Gratinieren eignet. Die Auswahl dieser Produkte ist
ebenso wie die geschmackliche Vielfalt zurzeit (noch)
sehr beschränkt.
Aufstriche
Die Auswahl an salzigen Aufstrichen ist groß: vom
pikanten Paprikaaufstrich über pflanzliches Schmalz
bis zum Gemüseaufstrich. Ein Klassiker der Frühstücksaufstriche kommt ganz ohne tierische Produkte aus: Marmelade!
Wurst
Vom Aufschnitt bis zum Grillwürstel – die Palette der
Sorten auf Soja- oder Weizeneiweißbasis ist breit.
Tipp: Wenn pflanzliche Produkte gegrillt werden sollen, empfiehlt es sich, sie vorher in Öl und Gewürzen
zu marinieren, da sie nicht so fett sind wie tierische
Wurst und beim Grillen leicht zu trocken werden.
Fleisch
Tofu, Tempeh, texturiertes Soja, Sojagranulat und
Yuba werden aus Sojabohnen, Seitan wird aus
Weizeneiweiß hergestellt. Der Geschmacksrichtungen gibt es viele. Einige dieser Produkte sind bereits
vorgewürzt und können gleich verarbeitet werden,
andere müssen vorher eingeweicht und danach
mariniert oder gewürzt werden. Tipp: Texturierte Soja
nach dem Einweichen gut ausdrücken, sonst
schmeckt sie schwammig. Danach wie Steaks
würzen und in Öl braten.
Viele Gerichte, die gehacktes oder fein geschnittenes
Fleisch erfordern, kann man durch zerkleinertes Gemüse oder Pilze variieren, etwa bei Nudelsaucen, für
Lasagne, für Laibchen, als Gulasch, in Eintöpfen oder
in Strudeln.
your
acts
REZEPTE, MEHR INFORMATIONEN und ein
Interview mit Karl Schilllinger finden Sie hier:
marktcheck.greenpeace.at/act
27
Freundlich e s Klim a?
Von der Pflicht, gegen den
Strom zu schwimmen.
von Wolfgang Pekny
Fünf Uhr früh, ein unauffälliger Last-
wagen hält am Ballhausplatz. Einige Menschen entladen eilig krumme Stahlrohre,
zwei junge Frauen beruhigen die nervös
herbei geeilten Polizisten. Verblüffend
schnell steht ein zehn Meter langes Treibhaus vor dem Sitz der Bundesregierung.
„Minus 30 Prozent CO2 bis 2000“ ist zu lesen. Wir schreiben das Jahr 1990, und die
Greenpeace-AktivistInnen wollen auf die
Klima-Ziel um Klima-Ziel wurde verfehlt,
die fossile Wirtschaft einzementiert,
Chancen auf Leadership vergeudet...
Gefahren des noch unbekannten Treibhauseffekts hinweisen. Zwei Jahre davor
hatten die OECD-Länder ein Minus von 20
Prozent CO2 bis 2005 als Ziel vereinbart,
bald danach war das Greenpeace-Buch
über die globale Erwärmung erschienen, in
dem alles Wesentliche zum Treibhauseffekt
bereits zu lesen ist – auch, wie man ihn
stoppen könnte. Eine Woche lang steht das
illegale Treibhaus am Ballhausplatz, eine
Woche hoher Besuche und heißer Debatten.
Die amtierende Umweltministerin Dr.
Marilies Flemming signalisiert Unterstützung. Ihr wesentlich einflussreicherer Amtskollege, Wirtschaftsminister Dr. Wolfgang
Schüssel, hingegen befindet, das Getue um
den Treibhauseffekt sei nur eine Panikmache der Fortschrittsverhinderer. Kanzler
Vranitzky lässt sich gar nicht blicken.
Verfehlte Politik
Seither ist viel Öl durch die Pipelines geflossen, Klima-Ziel um Klima-Ziel wurde
verfehlt, die fossile Wirtschaft einzementiert, Chancen auf Leadership vergeudet,
Millionen Menschen in ihrer Existenz gefährdet und Billionen an Volksvermögen
verschleudert.
Verantwortlich dafür ist – natürlich niemand. Ein klares Politikversagen! Oder war
etwa gar nichts anderes zu erwarten?
Eine an kurzfristigen Gefälligkeiten ausge-
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richtete (Tages-)Politik muss bei Generationen überschreitenden Problemen doch immer versagen. Wo die Lösung aus „Weniger“
besteht, aus Abkehr vom Herkömmlichen,
aus Teilen statt Ausbeuten, gibt es keine
wirtschaftliche und damit für lange Zeit
auch keine politische Lobby. Darüber konnten auch zahllose Aktivitäten von NGOs
nicht hinwegtäuschen. „Rettet unser Klima“, forderten große wie kleine NGOs, auf
Tausenden Demonstrationen, vor Ministergipfeln, auf Transparenten vor Kraftwerken
und Konzernzentralen.
kämpfen bleibt die Pflicht von vorausschauenden Minderheiten.
Die Pflicht der demokratischen Mehrheiten
dagegen wäre es, eine stete gesellschaftliche Auseinandersetzung auf friedliche Weise zu ermöglichen. Ungeheuerlicherweise
wird gerade dies zunehmend schwieriger.
Obwohl die Bedeutung der Zivilgesellschaft
selbst von Seiten der Politik nicht geleugnet
wird, hat die Politik der letzten Jahre Rahmenbedingungen geschaffen, die kritische
Stimmen behindern und notwendige Veränderungen hinauszögern.
Mit wenig Erfolg, denn was genau „gerettet“ werden sollte und vor allem vor wem,
blieb lange unausgesprochen. Und selbst
die engagierten AktivistInnen, der Autor
eingeschlossen, flogen weiter durch die
Welt, urlaubten in Australien, lebten auf
großem Fuß. „Rettet das Klima – aber macht
schnell, ich muss nach New York“ konnte
nicht funktionieren. Das Geheimnis der historischen Erfolge der Umweltbewegung bestand stets darin, genug Menschen für die
neuen Ideen gewonnen zu haben. Dies ist
beim Klimawandel nicht gelungen – auch
deshalb, weil konsequenter Klimaschutz
viele lieb gewordene eigene Gewohnheiten
in Frage stellt. Lange wurde von allen Seiten nicht begriffen, dass der Klimawandel
nicht die nächste Flussverschmutzung, nicht
das nächste Chemie-Unglück ist, das „jemand“ wieder gutmachen kann.
Seit Neuestem sollen zum Beispiel in Österreich zivilgesellschaftliche Organisationen
mit steuerlichen Nachteilen und der Aberkennung der Gemeinnützigkeit mundtot
gemacht werden, wenn sie sich „politisch“
engagieren. Dem nicht genug: Menschen,
die der organisierten Verantwortungslosigkeit von Staat und Wirtschaft mit persönlichem Engagement entgegentreten, werden
nun durch den Paragrafen 278a mit
strafrechtlicher Verfolgung bedroht!
Der Verschwendung ein Ende
Klimawandel ist der Beginn vom Ende des
„Bisherigen“. Es gilt zu erkennen: Die globale Erwärmung ist ein Symptom der rücksichtslosen Übernutzung des Ökosystems
Erde durch das verschwenderische Viertel
der „globalen KonsumentInnen“. Wir in
den wohlhabenden Ländern agieren wie
von Sinnen, als gebe es kein Morgen. Tatsächlich fehlen uns die „Sinne“, die Grenzen unseres Planeten zu erkennen und die
Erde als Ganzes zu begreifen. Global zu
denken ist uns nicht in die Wiege gelegt.
Schließlich erschien uns die Natur über
Hunderte Jahrtausende unserer Evolution
als unerschöpflich. „Macht euch die Erde
untertan“ war das Motto. Erst seit wenigen
Jahren ist uns die Erde dafür zu klein geworden. Nach Berechnungen des ökologischen Fußabdrucks bräuchte es heute fast
Illustrationen: Eva Kellner
drei Planeten von der Qualität der Erde, um
den Lebensstil der globalen Konsumenten
für alle Menschen zu ermöglichen. In Abwesenheit dieser Reserveplaneten passiert
das Gegenteil von Fortschritt: Armut und
Hunger nehmen zu und die Ungerechtigkeiten innerhalb der Gesellschaften und
zwischen den Ländern steigen. Ungerechtigkeiten, die durch den Klimawandel noch
verschärft werden.
All das war vorhersehbar! Leider ist uns
auch das Denken an Morgen nicht in die
Wiege gelegt. Den allermeisten Menschen
sind der Spaß und die Lust im Jetzt wichtiger als die Folgen in der Zukunft. Ob Überziehen der Kreditkarte, One-night-stand
oder Urlaubsflug, wer wüsste nicht, dass
dies üble Folgen in der Zukunft haben
kann. Was soll’s! Mit der gleichen Leichtigkeit nehmen wir in Kauf, dass Wachstumswahn und Konsumrausch von nur zwei Generationen einer globalen Minderheit die
Lebenschancen für viele Generationen gefährden.
Beharrende Kräfte
Heute wissen wir: Das Meistern der Herausforderung Klimawandel braucht nicht
weniger als die nächste „Great Transition“,
den fundamentalen Wandel hin zu einer zu-
actkommentar
Bezweifle nie, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt
verändern kann; in der Tat ist es nie anders gewesen.“ Margaret Mead
kunftsfähigen, fairen Gesellschaft, in der
auch Politik und Wirtschaft völlig neu aufgestellt werden müssen. Doch seit Menschengedenken waren die jeweils Mächtigen daran interessiert, die bestehenden
Verhältnisse zu festigen. Veränderung passiert nie von selbst. Trotzdem ist sozialer
Fortschritt feststellbar, wurden Kolonialherren entmachtet, Diktatoren gestürzt und
Könige entthront. Die Rechte der Schwächeren fanden Eingang in Verfassungen
und selbst in der jüngsten Vergangenheit
finden sich Erfolge. In unseren Flüssen kann
wieder gefahrlos gebadet werden und wir
verspeisen nicht massenhaft GentechEssen. Warum sollen globale Fairness, das
Ende von Hunger oder das Eindämmen des
Klimawandels undenkbar bleiben?
Stromaufwärts
schwimmen kostet Kraft
Gegen den Strom zu schwimmen war
allerdings noch nie einfach. Die Rolle des
zivilen Widerstands besteht dabei im
Hinterfragen, Widersprechen – und Bessermachen. Ob Arbeiterbewegung oder Frauenwahlrecht, ob Atomkraft- oder Gentechnik-Ablehnung, die Wirkungen der
kritischen Kräfte werden geschätzt, freilich
stets erst im Nachhinein, wenn sie zur
Selbstverständlichkeit werden. Dafür zu
Den Einsatz für Schwächere, das Achten
der Rechte der Zukünftigen und der Stimmlosen mit Umtrieben von Drogenbanden
gleichzusetzen, ist eine Ungeheuerlichkeit,
eine Schande für einen Rechtsstaat.
Zum Glück steigt die Zahl der Menschen,
die sich trotzdem engagieren. Diese Menschen verspüren Verantwortung und nehmen sie auch wahr. Gemeinsam lassen wir
uns nicht einschüchtern, verbünden uns,
suchen unermüdlich nach mehr politischer
Wirkung und gewinnen immer mehr Mitmenschen, die die Gestaltung einer lebensfreundlichen Zukunft aktiv in die Hand
nehmen. Zukunftsfähigkeit erfordert, selbst
aktiv zu werden. Die Initiative Zivilgesellschaft ist eine solche Möglichkeit.
Wir alle können faire Klimapolitik selbst
machen, unseren Überkonsum einschränken und die „Fünf F“ umsetzen:
Fliegen – vergiss es.
Fleisch und tierische Produkte – deutlich
weniger, dafür biologisch und fair.
Fahren mit dem Auto – weniger, nie allein,
langsamer – und sobald wie möglich mit
Ökostrom.
Wohnen wie im Fass – gut isoliert, öffentlich
erreichbar, mit eigener Energieversorgung.
Die Belohnung ist die Freude an einem guten Leben mit fairem Fußabdruck, das nicht
auf Kosten anderer geht.
Wenn wir zugleich weitere Freunde davon
überzeugen, die Nachbarn, den Kaufmann
im Ort, unsere ArbeitskollegInnen, den
Warum sollen globale Fairness, das Ende
von Hunger oder das Eindämmen des
Klimawandels undenkbar bleiben?
Bürgermeister, dann agieren wir höchst politisch. Die Politik wird – in sicherem Abstand – dem Weg der Menschen folgen. Wer
sollte sie dann auch aufhalten? Eine bessere
Welt ist möglich. Freilich nur, wenn WIR sie
schaffen! MEHR ZUM THEMA: www.footprint.at
BUCHTIPP:
Martin Balluch: „Widerstand in der Demokratie –
Ziviler Ungehorsam und konfrontative politische
Kampagnen“, Wien: Promedia 2009.
Martin Balluch liefert einen wichtigen Beitrag
zum richtigen Zeitpunkt, ein Buch, das zornig
macht, aber auch Mut gibt. Damit wir beim
täglichen Schwimmen gegen den Strom nicht
das größere Ziel aus den Augen verlieren.
Die fünf F
Freilich wäre ich ein Narr zu glauben, der
persönliche Einsatz würde reichen. Natürlich braucht Klimaschutz auch Weltpolitik.
Die beginnt aber nicht in Kyoto und sitzt
nicht in Brüssel, New York oder Kopenhagen. Dort könnten Klima- und Fairness-Pakete bestenfalls geschnürt werden. Beginnen müssen sie zuerst in unseren Köpfen
und unseren Herzen.
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Illustre Auszeichnung
inter
acttion
Greenpeace erhält den „Save the World“-Award.
Spende der anderen Art
acttion
Ein Los, ein Haus, eine Greenpeace-Spende
Es sieht aus wie ein Atomkraftwerk, es war geplant als Atom-
kraftwerk, doch es ist mittlerweile Österreichs größte Photovoltaikanlage: Zwentendorf. Und das beweist, dass manchmal doch
die Vernunft siegt. Ende Juli war der historische Ort der Grünbewegung Schauplatz einer gigantischen Show für das Gute. Die
„Save the World“-Gala brachte allerlei Prominenz und jede Menge Pomp und Glorie nach Niederösterreich. Doch immerhin: Das
Ziel, die Aufmerksamkeit auf positive Ansätze zur richten und
herausragende Gruppen oder Organisationen auszuzeichnen, ist
schön. Und: Greenpeace erhielt einen von neun Awards. Für sein
langjähriges Engagement zum Schutz des Klimas. Als der Preisträger Greenpeace genannt wurde, ließen AktivistInnen ein riesiges Banner vom Dach des ehemaligen
AKW herunter: „Energy (R)evolution,
Climate Solution“ – wohl einer der berührendsten Momente des Abends.
Thomas Henningsen, Leiter der internationalen Klimakampagne der Umweltschutzorganisation, nahm den Preis entgegen und nutzte den Moment, um vor
2.500 ZuschauerInnen ein Plädoyer für
eine Energierevolution zu halten: „Unter
all den Bedrohungen, denen die Menschheit gegenübersteht, ist der Klimawandel
wohl die bei Weitem gefährlichste. Wenn wir jetzt nicht rasch
handeln, werden Milliarden von Menschen um Lebensraum und
Trinkwasser kämpfen müssen. Schon das allein wird die Welt ins
Chaos stürzen.“
inter
Hausverkäufe mittels Verlosung sind in Österreich keine
Seltenheit mehr, doch dass
damit auch Gutes getan wird,
schon. Wenn das nebenstehende Haus verlost wird, erhält Greenpeace eine Spende
über 33.333 €. Zusätzlich wer-
den noch der Vorarlberger Gnadenhof für Tiere und die Österreichische Kinderkrebshilfe unterstützt.
Wenn Sie also schon immer einmal ein Haus
in wundervoller Lage in Vorarlberg besitzen wollten,
dann kaufen Sie sich Lose unter:
www.haushohenems.com/online/page.php?P=7&CACHE=NO-
Testament für eine gute Sache
Informationsabend zum Thema Nachlass
Vergangenen Herbst fand der Infoabend über die wichtigen
Themen Nachlass, Testament und Erbschaft im Wiener Greenpeace-Büro großen Anklang. Wenn auch heuer genügend
Interesse besteht, wird die Veranstaltung wiederholt.
Letztes Jahr hielt Rechtsanwalt Herr Dr. Sepp Unterweger dazu
den interessanten Vortrag „Wie mache ich mein Testament
richtig?“ und beantwortete viele Fragen.
Anlass war die seit 1. August 2008 ausgelaufene Erbschafts- und
Schenkungssteuer, wodurch Erben und Schenken steuerfrei ist.
Wenn Grenzwerte und einige formale Kriterien richtig eingehalten werden, kommen Schenkungen und Vermächtnisse zugunsten von Greenpeace ganz dem Umweltschutz zugute.
Bei Interesse und für eine genaue Terminanfrage
zum neuen Erbschaftsinfoabend melden Sie sich bitte bei
Annabella Priester per Mail: [email protected]
oder telefonisch unter 01/54 54 580-51
Fernkorngasse 10 • A -1100 Wien • Tel.: 01 / 54 54 580 • Fax: 01 / 54 54 588
Wenn Sie Fragen haben, senden Sie ein E-Mail an: [email protected] • Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100 • www.greenpeace.at/spenden
Fotos: GP/ Kurt Prinz
30
können Sie nicht online
Klima-Taten setzen?
✎
Dann machen wir das gerne für Sie.
Einfach ausschneiden,
das Passende ankreuzen,
Namen einfügen (so er nicht
auf der Kehrseite zu lesen ist),
Impressum
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa,
Fernkorngasse 10, 1100 Wien, Tel.: 01 / 54 54 580 - 0,
net: www.greenpeace.at/, e-mail: [email protected]
Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100 • www.greenpeace.at /spenden
Chefredaktion: Roman Kellner
Mitarbeit: Verena Ahne, Wolfgang Pekny, Hanna Schwarz, Claudia Sprinz,
Philipp Strohm, Dagmar Urban • Korrektur: Elisabeth Gräf
Wollen oder
Bildredaktion: Ingrid Fankhauser, Barbara Tschann
Grafische Gestaltung:
www.hundundkatz.at
Cartoon: Gerhard Haderer • Coversujet: Nick Cobbing / Greenpeace
Druck: Niederösterreichisches Pressehaus
„act“ erscheint viermal jährlich auf 100 % Recyclingpapier.
Ab einer Jahresspende von € 40,- wird das „act“ gratis zugesandt.
Das nächste „act“ erhalten Sie im Dezember 2009.
unterschreiben und an
Greenpeace senden. Danke!
✃
Und schließlich, liebe Spenderin, lieber Spender, ist ein Preis für
Greenpeace auch immer ein Preis für all jene, die unsere Arbeit
erst möglich machen. Thomas Henningsen: „Es ist auch ein
Award für alle AktivistInnen und alle UnterstützerInnen.“ Also
für Sie! Gratulation! Und Dank!
Wenn bei der Gala auch mitunter die Inhalte der Show geopfert
wurden, so ist die Auszeichnung doch eine bleibende Anerkennung. Und Greenpeace befindet sich in guter Gesellschaft: Die
anderen Preisträger sind Carl Lewis, Läuferlegende und Gründer
der nach ihm benannten Foundation für Kinder in Not, Karlheinz
Böhm, Gründer von „Menschen für Menschen“, Helmut Kutin,
Präsident von SOS-Kinderdorf International, Vandana Shiva,
indische Umweltschützerin und Kämpferin für Frauenrechte,
Renée Ernst, UN-Millenniumkampagne Deutschland, Alexander
Likhotal, Präsident von Green Cross International, Michael
Jackson, verstorbener Popstar und Wohltäter, und die Vorkämpferin der Ökologiebewegung Freda Meissner-Blau.
Ja, ich setze auch
folgende Klima-Taten:
Meine Klima-Taten:
Bitte
frankieren,
falls Marke
zur Hand.
Obst und Gemüse aus der
Region kaufen!
Nachfüllen statt wegwerfen!
Mit
eigener
Tasche einkaufen
Wäsche
lufttrocknen
lassen!
gehen!
Mit eigener Tasche einkaufen
Auf Ökostrom umsteigen!
gehen!
Der Betrag von EUR
wird einmalig
Ökostrom
umsteigen!
von meinemAuf
Konto
eingezogen.
Greenpeace Österreich
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Unterschrift
Unterschrift
Spendenempfänger: Greenpeace CEE, Fernkorngasse 10, 1100 Wien
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Cartoon Haderer
Na endlich! Sensibilisierte Bürger ergreifen Maßnahmen gegen die Erderwärmung!
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Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100
www.greenpeace.at/spenden

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