Artikel für das Genderblog zum 8. März 2007 von Paula Riester

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Artikel für das Genderblog zum 8. März 2007 von Paula Riester
Artikel für das Genderblog zum 8. März 2007 von Paula Riester
"Weitergehen. Zwei Schritte vor. Keinen zurück."
Das Motto des diesjährigen internationalen Frauentags sagt es ganz deutlich: Das Ziel ist noch nicht
erreicht, wir befinden uns immer noch auf dem Weg, wir dürfen nicht umdrehen, sondern müssen
weiter machen. Vor Augen ist dabei immer das Ziel – eine Gesellschaft frei von Rollenbildern und
patriarchalischer Herrschaft, in der jede und jeder sich unabhängig vom Geschlecht frei entfalten
kann und Macht gleichmäßig verteilt ist.
Doch wo stehen wir eigentlich heute im Jahr 2007? Seit eineinhalb Jahren haben wir eine Kanzlerin,
zur Zeit versucht eine siebenfache Mutter das Familienbild der CDU umzukrempeln, in den USA
laufen sich zwei Frauen für das PräsidentInnenamt warm und Jungen sind laut PISA die
Schulverlierer. Auf der anderen Seite leben allein erziehende Mütter oftmals in Armut, Frauen
verdienen durchschnittlich 26 Prozent weniger als Männer, in ChefInnenetagen sind Frauen eine
Seltenheit, stattdessen bleibt die meiste Hausarbeit und die Kindererziehung an ihnen hängen und
die Kinderbetreuung ist hierzulande immer noch grauenhaft.
Ist ein neuer Feminismus die Antwort?
Brauchen wir angesichts dieser Tatsachen einen neuen Feminismus, wie es die Zeit im letzten Jahr
forderte? Oder entwickelt sich gerade eine „F-Klasse“ nach Thea Dorn? Feminismus gibt es seit
Jahrhunderten und muss nicht neu erfunden werden. Ehrlicherweise sollte aber erwähnt werden,
dass Frauenpolitik in den letzten Jahren nicht unbedingt Konjunktur hatte. Vielmehr waren es kleine
Gruppen, die sich sowohl wissenschaftlich, politisch als auch medial mit dem Feminismus
beschäftigt haben. So wichtig das alles ist, brauchen wir aber vor allem junge Frauen, die die Ideen
weitertragen und leben. Vielleicht ist also jetzt die Zeit gekommen, wieder mehr junge Frauen für
das Thema zu sensibilisieren und zu begeistern.
Junge Frauen und Feminismus
Wie denken eigentlich junge Frauen von heute über Feminismus? Lange Zeit waren Feministinnen
als Männerhasserinnen, Latzhosenträgerinnen und BH-Verbrennerinnen verschrieen. Es galt als
unchic sich zum Feminismus zu bekennen, schließlich schien die Emanzipation der Frauen erreicht
zu sein. Auch wenn heute noch viele Leute so denken, habe ich das Gefühl, dass sich in den letzten
Monaten etwas geändert hat. Vielleicht mag es – unabhängig von ihrer politischen Einstellung –
auch an der Wahl Merkels zur Bundeskanzlerin liegen. Wenn ich mich mit Freundinnen und anderen
Frauen über die Einschätzung ihrer Gleichstellung unterhalte, ist die Antwort kein undifferenziertes
„ist doch alles paletti“ mehr. Neben den eigenen Karrierechancen, der zukünftigen Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und der Rolle des Mannes im Haushalt tritt noch eine andere Erkenntnis ins
Bilde: Frauen werden in den Medien anders dargestellt als Männer. Plötzlich tritt die Frage auf,
warum Merkels äußeres Erscheinungsbild eigentlich so wichtig ist, obwohl Schröder lediglich Witze
über seine Haarfarbe ertragen musste. Liegt das vielleicht daran, dass bei Frauen die Taten doch
nicht genügen, sondern das Aussehen immer noch eine große Rolle spielt?
Viele junge Frauen erkennen heute also, dass die Gleichstellung von Frau und Mann noch nicht
erreicht ist. Sie sehen, dass Frauen anders dargestellt werden und mehr von ihnen verlangt wird.
Sie wollen mit ihrer Ausbildung jedoch nicht hinterm Herd stehen und alleine die Kinder groß
ziehen. Sie wollen genauso wie die Männer Karriere machen, die Welt sehen und unabhängig sein.
Doch wie sieht es eigentlich mit den eigenen vier Wänden aus, mit dem Privaten?
Ist das Private noch politisch?
Aus der Frauenbewegung der 70er Jahre stammt der Spruch „das Private ist politisch“. In der
neuen Feminismusdebatte ist nach persönlichen Einstellungen jedoch vergeblich zu suchen.
Natürlich mögen öffentliche Belange wie Krippenplätze, Lohngerechtigkeit und politische
Machtverteilung dringender sein, doch die öffentliche und sichtbare Gleichstellung ist nicht alles.
Der private Bereich darf nicht gänzlich ausgespart werden. Trotz zu schützender Privatsphäre
entwickeln und halten sich Rollenbilder am Stärksten im alltäglichen Umgang miteinander. Es ist
bequemer sich in ein Schema fallen zu lassen anstatt auszubrechen, aber wenn wir eine
ganzheitliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen wollen, muss diese auch in den
privaten Bereich Einzug erhalten. Wer macht den Haushalt? Wer schraubt das Regal an? Sind Frauen
wirklich schuhfixiert und stehen alle Männer auf Fußball? Jede und jeder sollte sich solche Fragen
von Zeit zu Zeit fragen. Selbst das Sexualleben ist oft männlich dominiert... Meine Antwort darauf
ist, dass es nicht DIE Frau und DEN Mann gibt – um daraus Realität werden zu lassen, muss dieses
Verständnis auch gelebt werden.
Wo steht also die Gesellschaft?
Es bewegt sich etwas. Die Mehrheit möchte ein flächendeckendes Betreuungsangebot für unter
Dreijährige, die erste Frau an der Spitze ist akzeptiert und selbst die CSU wird sich von den drei
„Ks“ (Kinder, Küche, Kirche) als Frauenbild verabschieden müssen. Wir sind bereit für mehr, doch
Lohngerechtigkeit und ein Ende des Männerklüngels in Politik und Wirtschaft kommen nicht von
allein. Daher müssen wir weiter kämpfen – Frauen wie Männer – ein gleichberechtigtes Leben
vorleben und in allen Bereichen einfordern. Jetzt ist die Zeit gekommen, alle mitzunehmen. Also
lasst uns viele Schritte vor gehen und nicht zurück schauen!