Bligg bläst zum überraschenden Brass

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Bligg bläst zum überraschenden Brass
Montag, 7. November 2011 | az
17
KULTUR
«Filme mit Frauen mit
High Heels und Pistolen
sind grossartig.»
Amanda Seyfried über ihren
neuen Actionfilm «In Time»
Bligg bläst zum überraschenden Brass-Spass
Pop Mit «Brass aber herzlich», der Bläser-Version seines Erfolgsalbums «Bart aber herzlich», verblüfft der Musiker einmal mehr
VON STEFAN KÜNZLI
eute vor genau
einem Jahr ist
«Bart aber herzlich» von Bligg in der Schweizer Album-Hitparade auf Platz 1 eingestiegen. Niemand hielt es damals für möglich, dass das Album den Erfolg des
Vorgängers «0816», in dem der Zürcher Musiker Hip-Hop mit Schweizer
Volksmusik versöhnte, toppen würde.
Doch das Unvorstellbare ist eingetroffen: Mit bisher 110 000 verkauften Einheiten hat «Bart aber herzlich» den Vorgänger (100 000, ohne Platin-Edition)
bereits überholt – ein Ende ist nicht
abzusehen. Und jetzt setzt Bligg mit
«Brass aber herzlich» noch eins drauf:
Am kommenden Freitag erscheint die
Platin-Edition von «Bart aber herzlich»
in der Brass-Version mit der grossartigen amerikanischen Youngblood Brass
Band.
«Zuerst hatten wir etwas mit einem
grossen Orchester geplant», erzählt
Bligg, «weil das jetzt alle machen, haben wir davon abgesehen.» Die BrassVersion war insofern naheliegend, als
schon im Original die dreiköpfige Bläser-Sektion eine wichtige Rolle eingenommen hatte. Auf «Brass aber herzlich» geht Bligg aber noch einen
Schritt weiter und überlässt den Blechbläsern die Hauptrolle. Kein Blech! Mit
der Youngblood Brass Band aus Madison (Wisconsin) hat Bligg eine der
spannendsten Brass-Bands der USA gewinnen können.
Hochexplosive Band
Wie die meisten amerikanischen
Brass-Bands bezieht sich auch die
neunköpfige Truppe aus Madison auf
den traditionellen Brass-Sound aus
New Orleans. Doch vielleicht gerade
weil sie aus dem Niemandsland
stammt, ist sie offener gegenüber
anderen Stilen wie Jazz und Hip-Hop
als die meisten Brass-Band-Kollegen
aus New Orleans. Zwei Trompeten,
zwei Saxofone, Posaune, Bassklarinette, Sousafon und zwei Perkussionisten
bilden das Soundgerüst dieser hochexplosiven Band. Das Herz ist der Sousafon-Virtuose Nat McIntosh, der nicht
nur für die aberwitzigen Bass-Linien
verantwortlich ist, sondern seinem
imposanten Instrument auch Töne
und Sounds entlockt, die man dem
schwerfälligen Instrument kaum zutrauen würde.
Bligg betont: «Es war ein riskantes
Abenteuer, als wir im Spätsommer
Die Youngblood Brass Band aus Madison (USA) verwandelte die Bläser-Sätze der Originale in ein spektakuläres Stimmengeflecht. ADRIAN BRETSCHER
nach Madison reisten, und wir waren
schon etwas nervös. Wir kannten die
Jungs ja nicht und wussten nicht, was
sie mit unserer Musik anstellen würden.» Die Bedenken waren unbegründet. «Die Band war hoch motiviert»,
sagt Bligg. Dabei hätte es sich die
Brass-Band leicht machen können: Mit
wenig Aufwand hätte man die Original-Arrangements einfach brassmässig
aufmotzen können. Mit dieser «BilligVariante» wollten sich Bligg und die
US-Bläser aber nicht zufriedengeben.
«Bart aber herzlich» wurde in den
Staaten neu interpretiert, aufgenommen und in weiten Teilen sogar neu
erfunden. Die Youngblood Brass Band
verwandelte die soliden, aber etwas
braven und statischen Bläser-Sätze der
Originale in ein spektakuläres, rhythmisch komplexes, polyfones Stimmengeflecht. So erinnert auf «Mit Paukä & Trompetä» nur noch der Refrain
an das Original «Exklusiv Introview».
Aus dem etwas tranigen Spiegel wird
ein rhythmisch vertrackter Song mit
Haken und Ösen. «Okay» beginnt als
New Orleans Funeral March und entwickelt sich dann zum Reggae. «Annie
Mae» sowie die Single «I’d Kill For You»
lassen in der Brass-Version die FalcoAnleihen vergessen. Am besten kommen die Qualitäten der wilden Truppe
aber in den Up-Tempo-Nummern «Romeo & Julia» und «Fahr Emol» zur Geltung. Ein ekstatisches Spektakel. Das
grösste Highlight des Albums ist aber
«Rendezvous»:
Passend zum thematisierten Treffen mit dem Sensenmann beginnt
der Song mit bedrohlichen dissoBligg
nanten Harmonien, steigert sich
dann im grandiosen Finale, im Showdown mit dem
Tod, zur fulminanten New-OrleansKollektiv-Improvisation.
Nicht nur Arrangement und Charakter der Songs wurden geändert, angepasst hat Bligg auch rund ein Viertel
seiner Lyrics. Oft nur Details und Gags
wie in «Fahr Emal», wo plötzlich Kaspar E. Glättli auftaucht, der Polizist,
der im Duett-Song «Au Poste» mit
Kumpel Stress erfunden wurde. Text-
«Einige der Songs sind
in der Brass-Version
noch geiler geworden.»
Zum 25. Geburtstag neue Räume für das Swiss Institute
Das Swiss Institute (SI) in New York
hat zu seinem 25-Jahr-Jubiläum neue
Räume im New Yorker Stadtteil Soho
bezogen. Die hohen, weissen Schauräume bieten viel Platz und sind dazu bequem vom Strassenniveau zu
erreichen. Zur Benefiz-Veranstaltung
am Freitagabend lud die Schweizer
Einrichtung für zeitgenössische Kunst
rund 250 Gäste aus der europäischen
und der amerikanischen Szene.
Die Präsidentin des Swiss Institute,
Fabienne Abrecht, erinnerte in ihrer
Rede an die Gründung des Kunstinstitutes 1986, zuerst im kleinen Swiss
Town House auf der Westseite Manhattans, später versteckt im dritten Stock
eines Geschäftshauses am Broadway.
Die neuen Räumlichkeiten bedeuteten
einen grossen Schritt in die Öffentlichkeit, sagte der Direktor des SI, Gianni
Jetzer. «Jetzt geht es darum, nicht
mehr nur Geheimtipp zu sein.»
Rist und Co. unter dem Hammer
«Als eine Bastion der New Yorker
Kultur» bezeichnete Alexander Gilkes,
Jungstar des Auktionshauses Philipps
De Pury, das Swiss Institute. Es mische
das Beste der Schweizer Kunst mit
lich komplett überarbeitet hat Bligg
«I’d Kill For You». Und «Rendezvous»
hat ein anderes Ende: Der Sensenmann
stirbt nicht, sondern verabschiedet
sich bei Bligg mit einem «Mer gsend
üs wider, bis zum nächschte Mal» …
Nicht alles ist gelungen. In «Manhattan» und «Legändä & Heldä» etwa
ist die unbändige
Lust am Verändern zum Nullsummenspiel geworden. «Es war
nicht unsere Absicht, das Original zu verbessern. Wir wollten
nur eine andere
musikalische Seite zeigen», sagt Bligg
dazu. Doch wir pflichten Bligg bei,
wenn er sagt: «Einige der Songs sind
in der Brass-Version noch geiler geworden.» Mehr noch: «Brass aber herzlich» ist aus musikalischer Sicht das
Beste, was Bligg bisher geboten hat.
Seit 2008 dominiert Bligg die Jahreshitparaden, ist der mit Abstand erfolgreichste Schweizer Musiker und
verkauft in der Schweiz mehr Ton-
dem feinsten Geschmack der Welt,
befand der 29-jährige Brite, der durch
die Versteigerung führte. Er ermunterte die Gäste, Werke von Künstlern
wie Roman Signer, Olaf Breuning, Pipilotti Rist oder John Armleder zu erstehen, die diese zugunsten des Swiss
Institute zur Auktion freigegeben hatten. Der jährliche Preis des Swiss Institute, mit dem Persönlichkeiten geehrt
werden, die sich um die Kunst verdient gemacht haben, ging an den Direktor der einflussreichen Serpentine
Gallery in London, den Zürcher HansUlrich Obrist. (SDA)
Nachrichten
Grafikdesign Plakatfestival
zeichnet Schweizerinnen aus
Das Luzerner Plakatfestival Weltformat will mit seiner dritten Ausgabe
die Förderung von gutem Plakatdesign ausbauen: Seit Samstag und bis
zum 13. November sind in Luzern 20
von 400 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen aus 20 Ländern zu sehen.
Gewonnen haben die beiden Studentinnen Nina Wagner und Lorenza Di
Fiore von der Hochschule der Künste
Bern mit «Heute mache ich Blau /
Dein Plakat». (SDA)
träger als alle anderen. Erstaunlich dabei: Er ändert den Kurs permanent,
ändert sein Erfolgsrezept immer wieder. Bligg ruht nicht aus, bleibt nicht
stehen, sondern bietet seinen Fans
immer wieder Neues. Wie jetzt mit
«Brass aber herzlich». «Es ist das teuerste Projekt, das ich je gemacht habe», stöhnt Bligg. Doch es hat sich
gelohnt. Der Kerl hat es wieder geschafft: Wir sind verblüfft und angenehm überrascht.
Bligg Brass aber herzlich, De-luxe-Edition
mit der Original-CD «Bart aber herzlich»
und der DVD «Bart aber herzlich – der
Film», Dokumentation über die Entstehung der beiden Produktionen, die Tour,
Interviews. Universal, ab 11. November.
Tour mit der Youngblood Brass Band:
18. 3. 2012, Stadtsaal, Zofingen; 20. 3.,
Pentorama, Amriswil; 21. 3., Bierhübeli,
Bern; 23. 3., Volkshaus, Zürich.
Hören Sie online, wie der Sound von Bligg
mit der Youngblood Brass Band klingt.
Film «Melancholia» Favorit
für Europäischen Filmpreis
Mit acht Nominierungen geht Lars
von Triers Streifen «Melancholia» am
3. Dezember in Berlin als Favorit ins
Rennen um den Europäischen Filmpreis. Immerhin dreimal (Regie, Kamera, Filmmusik) ist die Schweizer
Koproduktion «The Turin Horse» des
ungarischen Regisseurs Béla Tarr
Preisanwärter. Insgesamt 45 Filme
aus 32 Ländern waren für die Nominierungen auserwählt worden; aus
der Schweiz war neben «The Turin
Horse» auch «La petite chambre» von
Stéphanie Chuat und Véronique Reymond vornominiert gewesen. (SDA)

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