Patienten im Pflegeheim ohne Stress im Blick

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Patienten im Pflegeheim ohne Stress im Blick
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Innovationpreis
Patienten im Pflegeheim
ohne Stress im Blick
Von Steffen Fritzsche, Leiter Unternehmenskommunikation, UCB
Die Gewinnerin des
Innovationspreises 2011 ist
Vorreiterin in der
Versorgung von Heimen:
Irmgard Landgraf
aus Berlin.
Die Betreuung von Patienten im Pflegeheim ist für viele
Ärzte frustrierend – nicht so für Irmgard Landgraf. Die
hausärztliche Internistin aus Berlin hat einen Weg gefunden, der es ihr ermöglicht, ihre Heimpatienten bei stark
reduzierter Besuchsfrequenz deutlich besser zu betreuen.
Die Ärztin hat sich mit dem Pflegeheim mit Hilfe einer
speziellen Software virtuell vernetzt. Sie betreut ihre Patienten auch telemedizinisch.
Für diese Innovation im Praxisalltag hat Landgraf den
ersten Preis im Wettbewerb „Die innovative Arztpraxis“
gewonnen, den UCB und die Fachverlagsgruppe Springer
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Innovationspreis
Medizin 2011 zum ersten Mal gemeinsam ausgeschrieben haben. Gesucht wurden niedergelassene Ärzte, die
mit innovativen Ideen in der Praxisorganisation, für neue
Kooperationsformen oder auch für die Nutzung neuer
Kommunikationstechniken die Qualität der Versorgung
verbessert – und dabei auch wirtschaftlich profitiert
haben. Interessenten können sich auch in diesem Jahr
bewerben, der Innovationspreis wird 2012 wieder ausgeschrieben (siehe Seite 15).
FÜR DIE UMSETZUNG DER LÖSUNG
IST FÜR DIE ÄRZTIN NICHTS
WEITER NÖTIG ALS EIN LAPTOP
Irmgard Landgraf aus Berlin ist von der Lösung, die sie
im Praxisalltag in der Betreuung von Patienten im Pflegeheim nutzt, restlos überzeugt: „Es ist so einfach, dass
man sich wundert, weshalb das nicht alle machen“, sagt
die Hausarzt-Internistin. Als das von ihr betreute Pflegeheim auf elektronische Pflegedokumentation umgestellt
hat, ließ sich Irmgard Landgraf ganz einfach einen Zugang
zu dem System einrichten.
Dahinter steckt kein großer Aufwand, weder zeitlich
noch finanziell. Nötig ist nur ein Laptop. Damit wählt sich
die Ärztin von ihrer Praxis oder von zu Hause aus in das
Dokumentationssystem des Pflegeheims ein. Der Zugang
ist mit mehreren Passwörtern versehen und damit streng
gesichert. Im Dokusystem ist für jeden Patienten ein virtueller Ordner mit sogenannten Reitern angelegt. Hinterlegt sind dort unter anderem die Wunddokumentation,
Vitalwerte, Daten zu Ernährung, Flüssigkeitsaufnahme
und Ausscheidungen, Pflegeplanung, ärztliche Verordnungen und Therapien.
Irmgard Landgraf achtet vor allem auf den grünen Reiter. Hier sind die „Mitteilungen an die Hausärztin“ gespeichert. Der Reiter ist das Kommunikationsmittel der Wahl
für „alles, was ich zwar am gleichen Tag wissen muss, aber
nicht sofort“, sagt Landgraf.
„Patient klagt über Übelkeit“, heißt es da dann zum
Beispiel. Liegt es vielleicht an einem neuen Medikament?
Das prüft die Ärztin in ihrem Praxissystem über einen Nebenwirkungs-Check, ändert gegebenenfalls umgehend die
Therapie und teilt diese Änderung auch direkt im Heim
mit. Oder kann die Übelkeit die Folge eines Sturzes sein?
Das kann sie aus der Dokumentation erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Ein Patient bekommt Fieber? Irmgard Landgraf weist
die Heimpflegekräfte an, eine Urinuntersuchung durch
U-Stix durchzuführen und verordnet gegebenenfalls noch
vor einem Hausbesuch ein Antibiotikum oder organisiert
weitere Diagnostik.
Für ihre Anweisungen an die Schwestern im Heim gibt
es im System den Reiter „Mitteilungen an alle“. Spätestens der Nachtdienst sieht das und kann für den nächsten
Tag entsprechende Vorbereitungen treffen.
Natürlich lebt die praktizierte Zusammenarbeit davon,
dass beide Seiten regelmäßig in die Patientenakten sehen.
Die überzeugte Hausärztin Landgraf sieht sich dreimal
täglich die Dokumentation an. Das ermöglicht ihr ein
frühzeitiges Eingreifen. „Diagnose und Therapie werden
innerhalb weniger Stunden festgelegt und meine Anweisungen werden sofort umgesetzt“, erläutert Landgraf.
Und falls ihr im Alltag etwas entgeht, dann fällt es ihr spätestens bei der wöchentlichen virtuellen Visite auf, wenn
sie die Dokumentationen aller Patienten in Ruhe durchsieht.
Die Effekte der elektronischen Vernetzung sind vielschichtig. Irmgard Landgraf schildert sie als durchgehend
positiv. Die einfache Maßnahme spart Zeit und verbessert
die Versorgung. „Ich werde so gut wie gar nicht mehr angerufen, außer wenn’s wirklich brennt“, sagt Landgraf.
Aber auch das passiert selten.
Notfallhausbesuche am Wochenende oder abends und
sogar Krankenhauseinweisungen der Heimpatienten
sind inzwischen zur Ausnahme geworden. Auch schwere
Infekte kommen kaum mehr vor, weil sie relativ früh erkannt und sofort konsequent behandelt werden, berichtet
die Ärztin. Der Medikamentenverbrauch der Heimpatienten ist ebenfalls recht niedrig. Denn das System hat eine
Alarmfunktion zwei Wochen vor Packungsende des eingesetzten Medikamentes.
IST DAS EINGESETZTE MEDIKAMENT
VERBRAUCHT, ÜBERPRÜFT LANDGRAF,
OB WEITER VERORDNET WERDEN MUSS
Das nutzt Landgraf, um den weiteren Verordnungsbedarf zu prüfen. Die Visiten empfindet die Hausärztin als
„sehr erfreulich“. Weil Schwestern und Ärztin durch die
Nutzung der Dokumentation zum Informationsaustausch
sehr gut vorbereitet sind, dauern sie nur noch halb so lang
wie früher, sind sehr effizient und enden immer mit konkreten Maßnahmen.
Weitere Effekte durch die Nutzung der Software:
„Die Schwestern sind entlastet, weil sie immer ärztliche
Rückendeckung haben, es geht keine Information mehr
verloren, und die Dokumentation ist nicht mehr nur lästige Pflicht, sondern nützlich in der alltäglichen Betreuung“, sagt Irmgard Landgraf. Bereits seit 2001, also mehr
als zehn Jahre, arbeitet sie vernetzt mit dem Pflegeheim,
und sie möchte es nicht mehr missen. „Die Idee ist einfach, aber genial“, sagt sie.
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Innovationspreis
DR. REIKO MORTAG, Orthopäde, Frankfurt/Oder
VIDEOKONFERENZ MIT DEM EXPERTEN
Den zweiten Platz im Wettbewerb belegte der Orthopäde
Dr. Reiko Mortag aus Frankfurt an der Oder. Seine Idee:
Experten aus unterschiedlichen fachlichen Bereichen,
etwa Schulmedizin und Homöopathie, per Videokonferenz zusammenzubringen, noch während der Patient im
Sprechzimmer des Arztes sitzt. Dadurch erweitert der
Orthopäde sein Spektrum an Versorgungsmöglichkeiten.
Außerdem gewinnt die Praxis an Renommée und hat dadurch Chancen, weiter zu wachsen. Mortag bietet die Videokonferenz-Leistung als IGeL an. Er arbeitet mit einem
Homöopathen aus Baden-Württemberg zusammen.
DR. MATTHIAS BUHS, Orthopäde, Quickborn
DIGITALE TECHNIK IN DER PRAXIS
Auch den dritten Preis gewann ein Orthopäde: Dr. Matthias Buhs aus Quickborn bei Hamburg. Buhs ist dabei,
seine Praxis komplett digital durchzuorganisieren und hat
schon viel erreicht: Er nutzt zum Beispiel Tablet-PC, um
Patienten bei der Aufklärung Filmsequenzen über Knieprothese-Op zu zeigen. Die Vergabe von Terminen sowie
die Bestellung von Rezepten und Überweisungen laufen
online über die Website der Praxis. Flyer und ein großer
Bildschirm im Wartezimmer zeigen Patienten das Leistungsspektrum der Praxis. Buhs schickt außerdem einen
eigenen Online-Newsletter der Praxis an Patienten, die
das wünschen. Hauptvorteil der Nutzung digitaler Medien ist für Buhs, dass die Patienten sich gut aufgeklärt
fühlen und so besser fundierte Entscheidungen über eine
eventuell anstehende Operation treffen können.
DR. ROBERT GILBERG, Allgemeinarzt, Brühl
ÄRZTEPOOL MIT EIGENER PATIENTENAKTE
In Brühl am Rhein hat eine Gruppe von 60 beteiligten
Ärzten, zu der auch der viertplazierte Allgemeinarzt Dr.
Robert Gilberg gehört, ihre Patientenakte zusammengeführt, um weiterführende Behandlungstermine bei Kollegen im Ärztepool anbieten zu können. Das Ärztenetz hat
es auch geschafft, Kooperationsverträge mit Krankenhäusern und Pflegediensten abzuschließen; ein Personalpool
ermöglicht den effizienten Einsatz von Mitarbeitern. Auch
die Erbringung von Selbstzahlerleistungen wurde mit Hilfe des Netzes optimiert.
Investitionen werden unter den Ärzten ebenso abgesprochen wie die Auslastung von Geräten und die Preise
für Leistungen. Ziel ist es dabei gewesen, auch Kassenpatienten eine optimierte Medizin zu erschwinglichen
Preisen anzubieten. Der Ärztepool ist schon seit mehr als
zwei Jahren aktiv und erfolgreich etabliert.
DR. MARKO PFAFF, Allgemeinarzt, Teublitz
CASEMANAGEMENT BEI MULTIMEDIKATION
Für Patienten, die mehr als neun Medikamente nehmen
müssen, hat Allgemeinmediziner Dr. Marko Pfaff aus Teublitz (Platz 5) ein Casemanagement-Verfahren entwickelt.
Dadurch können Wechselwirkungen der Medikamente
vermieden werden, und unnötige Therapien werden aufgedeckt. Pfaff bezieht in seinem Casemanagement alle an
der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte mit ein.
Die Arzneibudgets der beteiligten Ärzte werden dadurch
entlastet, die Regressgefahr sinkt. Gleichzeitig fühlen sich
viele Patienten dadurch oft besser, weil sie unnötig verordnete Medikamente nicht mehr nehmen müssen, was
den Organismus entlastet.
DR. ZLATKO PRISTER, Allgemeinarzt, Frankfurt/Main
DIE PAPIERLOSE ARZTPRAXIS
Durch die konsequente Umsetzung der Möglichkeiten einer modernen Praxis-EDV hat Allgemeinarzt Dr. Zlatko
Prister (Platz 6) seine Prozesse erheblich gestrafft. Prister
speichert die gesamte Dokumentation zu einem Patienten, inklusive Labor- und Fremdbefunde, in der digitalen
Krankenakte des Patienten. Viele Prozesse sind durch die
Nutzung der Möglichkeiten von Makros in der Software
weitgehend automatisiert, so zum Beispiel die Erstellung
von Formularen oder auch der Abruf von Laborbefunden. Papier ist weitgehend aus der Praxis verschwunden.
Durch die Änderung der Abläufe gewinnt der Hausarzt
Zeit für sich und seine Patienten. Das heißt, er profitiert
von mehr Freizeit und kann doch viele Patienten betreuen. Prister hält die papierlose Arztpraxis folglich auch für
ein Mittel, um den Ärztemangel zu reduzieren.
DR. KARSTEN WELLER, Allgemeinarzt, Riesa
DAS IPAD FÜR DEN HAUSBESUCH
Über ein VPN (verschlüsselte und getunnelte Verbindung
über das Internet) kann Allgemeinmediziner Dr. Karsten
Weller aus Riesa (Platz 8) beim Hausbesuch die Verbindung zwischen seinem iPad und der Praxis-EDV herstellen. Der Hausbesuchskoffer ist so deutlich leichter geworden, da er weniger Unterlagen mitnehmen muss. Weitere
Vorteile: Auch bei unangemeldeten Hausbesuchen kann
Weller auf die Daten zugreifen. Und von zu Hause aus
kann er zum Beispiel Langzeit-EKG-Daten auswerten. /
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