Der Bund - Trimea AG

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Der Bund - Trimea AG
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— Freitag, 5. April 2013
Wirtschaft
«Im Spital dämmerte mir, dass ich
womöglich nicht unersetzlich war»
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Hansueli Schläppi arbeitete sich vom Bauernsohn zum Bergbahn-Direktor und Hotelbesitzer hoch. Nach
vielen 100-Stunden-Wochen verschrieb er sich eine zweijährige Auszeit. Nun plant er erneut Grosses.
Interview: Mathias Morgenthaler
Herr Schläppi, Sie haben vor vier
Jahren Ihr Hotel verschenkt, Ihren
Job als Direktor der Lenk-Bergbahnen an den Nagel gehängt und sind
zu einer zweijährigen Weltreise
aufgebrochen. Mussten Sie fliehen?
Nein, es war keine Flucht, aber der richtige Moment für eine Auszeit. Vorher
hatte ich über zehn Jahre lang zwei Vollzeit-Jobs gleichzeitig gemacht. Tags war
ich als Bergbahn-Chef im Einsatz, abends
als Hotelier. Die Arbeit verschlang alles,
in Spitzenzeiten war ich an sieben Tagen
pro Woche 15 Stunden im Einsatz und
bestritt 600 berufliche Termine pro Jahr.
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Als Bergbauernsohn waren Sie es
sich gewohnt, viel zu arbeiten.
Ja, wir waren fünf Geschwister und haben alle schon in jungen Jahren kräftig
mit angepackt. Meine Eltern brachten
mir aber nicht nur hartes Arbeiten bei,
sondern auch den Weitblick. Obwohl wir
nicht begütert waren, gab es für uns nicht
nur den Lenker Arbeitsalltag. Mein Vater
erzählte mir regelmässig die Heldengeschichten der Polarforscher Shackleton und Amundsen. Als ich in der ersten
Klasse war, wurde im neu eröffneten
Kino an der Lenk ein Film gespielt, der
Bären beim Fischen in Alaska zeigte.
Schon damals dachte ich: «Einmal muss
ich das mit eigenen Augen sehen.»
«Es ist keine Frage des Geldes, aber es braucht den Mut loszulassen» – Hansueli Schläppi auf Weltreise im Amazonas. Foto: zvg
Stattdessen machten Sie die Lehre
bei der Bank.
Das war damals noch solides Handwerk, wir rechneten im Kopf die Zinsen
aus, ohne technische Hilfsmittel. Nach
der Lehre geriet ich bald in den Arbeitsstrudel: Mit knapp 25 Jahren war ich
Vollzeit-Bankangestellter, baute nebenbei ein Dreifamilienhaus, war Kassier
der Betelberg-Bahnen und hatte die
Regio nalleitung der Helvetia-Versicherung inne. Auch mein fünf Jahre älterer
Bruder bewältigte ein enormes Pensum. Er führte den Bergbauernhof mit
zwölf Gebäuden, war Gemeinderat,
Besamungstechniker und vieles mehr.
Manchmal fragten wir uns, warum wir
uns das alles antun. Und sagten dann
scherzhaft: «Damit einmal viele Leute
zur Beerdigung kommen.»
Das erwies sich im Nachhinein als
schlechter Scherz.
Am 20. Juli 1992 änderte sich für mich alles. Mein älterer Bruder stürzte mit der
Maschine beim Heuen an einer steilen
Stelle ab und war augenblicklich tot.
Seine Kinder waren damals sechs-, neunund zwölährig, genau wie meine. Mir
wurde mit einem Schlag bewusst, wie unwichtig eigentlich die Dinge sind, denen
ich rund um die Uhr nachrannte. Und
doch stürzte ich mich in den nächsten
Jahren noch mehr in die Arbeit. Einerseits
fühlte ich mich für die Familie meines
Bruders verantwortlich, andererseits zerbrach meine Ehe. Kurz nach der Trennung kaufte ich das seit zwei Jahren leer
stehende Parkhotel Bellevue. Wahrscheinlich wollte ich mir und der Umgebung beweisen, dass ich auch daraus eine
Erfolgsgeschichte machen kann.
Wann merkten Sie, dass Ihnen alles
zu viel wurde?
Durch die Fusion zu den Lenk-Bergbahnen 2003 wurde dieser Job noch anspruchsvoller. Ich wurde zum Allgemeingut in der Region, komplett fremdbestimmt, aber sah keine Möglichkeit,
das zu ändern. Was mir auffiel: Ich hatte
einen extremen Tunnelblick entwickelt
und war trotzdem nie ganz beim jeweiligen Gesprächspartner, weil in meinem
Kopf immer mindestens fünf Programme
parallel liefen. Einerseits war da dieser
Leistungswille, andererseits häuften sich
Gedanken an den Tod, vor allem, wenn
ich das Grab meines Bruders besuchte.
Und kurz später ärgerte ich mich wieder
darüber, wie viele Steuern ich bezahlen
«Ich inserierte für 15 000
Franken, um mein Hotel
zu verschenken.»
musste und dass ich mir trotz der Arbeitswut eigentlich nichts gönnen konnte.
Wie gelang es Ihnen, die Notbremse
zu ziehen?
Am 28. Dezember 2005 ging mir die Luft
aus. Ich brach im Lenkerhof bewusstlos
zusammen. Als ich am Silvesterabend im
Inselspital auf Herzinfarkt untersucht
wurde und realisierte, dass oben an der
Lenk trotzdem die Champagnerkorken
knallten wie jedes Jahr, dämmerte mir
erstmals, dass ich womöglich nicht so
unersetzlich war, wie ich geglaubt hatte.
Nach dem negativen Befund eilte ich
aber sofort ins Hotel zurück, um den
Jahresabschluss zu machen. Ich funktionierte weiter, aber unterschwellig arbeitete es in mir. Ich war damals ein gefragter Referent und sprach aus meinem
Hamsterrad heraus regelmässig darüber,
wie wichtig es sei, die Komfortzone zu
verlassen und Veränderungen zu wagen.
Es dauerte zwei weitere Jahre, bis ich
mich selber beim Wort nahm. Ein unschönes Erlebnis mit dem Gemeinderat
brachte das Fass zum Überlaufen und
zeigte mir, dass es Zeit war, meine
Träume zu realisieren.
Wie nimmt man sich diese Freiheit
heraus, wenn man sich zuvor unersetzlich gemacht hat?
Ich brauchte zwei Jahre vom Entschluss
bis zur Abreise. So half ich zum Beispiel
mit, aus 187 Kandidaten den richtigen
Nachfolger für die Bergbahnleitung auszuwählen, und arbeitete diesen gründlich ein. Und ich schaltete für 15 000
Franken in drei Zeitungen ein Inserat mit
dem Titel «Hotel zu verschenken». Fürs
Hotel inklusive meiner 3,5 Millionen
Franken Investitionen wollte ich nichts,
fürs Land die 2 Millionen, die ich damals
auch gezahlt hatte.
Anfang Juli 2009 flogen Sie mit
Ihrer Partnerin nach Seattle und
starteten Ihre Weltreise. War das zu
Beginn eine Erlösung oder eine
Qual?
Beides. Ich genoss es extrem, ein Nobody zu sein und für nichts mehr verantwortlich gemacht zu werden. Zuvor
konnte eine Kuh am Strassenrand ihren
Dreck deponieren – das wurde garantiert früher oder später zu meinem Problem; oder ich machte es dazu. Aber
natürlich war die Ruhe nicht nur ein Genuss. In den ersten Wochen spürte ich
die Entzugserscheinungen fast körperlich, wenn das Handy über Stunden keinen Laut von sich gab. Es dauerte mehr
als ein Jahr, bis ich eines Tages merkte:
Jetzt hat sich spürbar etwas verändert.
Jetzt kann ich nicht mehr nur mit dem
kleinen Zeh denken, sondern mit dem
ganzen Kopf. Ich hatte gar nicht mehr
gewusst, wie das ist: den Kopf frei zu haben. Das schafft man ja auch nicht in der
Schweizer Leistungsgesellschaft. Man
kann es schlecht machen oder ein bisschen geschickter, aber man ist zwangsläufig im Fleischwolf und muss rotieren
als Führungskraft.
Haben Sie die zweijährige Weltreise
nach guter Managerart minutiös
durchgeplant?
Nein, wir hatten nur einen rudimentären Plan: in den USA einen Camper kaufen und dann Nord-Süd von den Eisbären zu den Pinguinen fahren. Das gibt
eine ganz andere Erlebnisqualität. Man
muss nicht ein Maximum aus ein paar
Ferientagen herausholen, sondern lebt
fast schon zeitlos. Das weitet nicht nur
den Horizont, sondern verändert auch
den Blick auf die eigene Heimat. Ich
glaube, man muss weggehen, um zu verstehen, welches Privileg es ist, in der
Schweiz aufzuwachsen und zu leben.
Und man wundert sich sehr, über welche Nebensächlichkeiten wir uns hier
echauffieren.
Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Die enormen Kontraste. Hier die Bauern
im peruanischen Hochland, die praktisch
nichts haben, aber zufrieden wirken; da
die Goldgräberstimmung in PanamaStadt, wo 24 über 300 Meter hohe Wolkenkratzer gebaut werden, ein zweites
New York, dem wöchentlich Milliarden
Dollar aus aller Welt zufliessen, seit der
Kanal nicht mehr im Besitz der USA ist.
Nach Ihrer Rückkehr haben Sie sich
gleich wieder in die Arbeit gestürzt
und zwei Firmen gegründet.
Nein, das lasse ich nicht gelten. Die Weltreise war vor allem eine Reise zu mir selber. Ich hatte danach die Gewissheit,
dass meine Partnerin und ich in allen Lebenslagen ein unschlagbares Team sind
und dass ich keine fünf Jobs mehr brauche, um jemand zu sein. Deswegen
schmiedeten wir auch keine Pläne für
die Zeit nach der Rückkehr. Aber der
Mensch ist nicht fürs Nichtstun geschaffen, ich suche mir lieber neue Herausforderungen, als wochenlang auf der Terrasse zu liegen. Deswegen gründete ich
die Firma Chefvertreten.ch.
«Man ist zwangsläufig im
Fleischwolf und muss
rotieren als Chef.»
Welche Aufgaben übernehmen Sie
als Interims-Manager?
Ein KMU liefert einem Kunden Maschinen im Wert von 2,5 Millionen Franken,
der Kunde zahlt aber nur 2 Millionen.
Wenn das Management sich darum
kümmern muss, ist die Firma blockiert.
Ich nehme das Problem aus der Firma
raus und erarbeite eine Lösung. Andere
Aufgaben sind Nachfolgelösungen, Firmenverkäufe, Reorganisationen. Mein
Vorteil ist: Ich bin emotional nicht belastet und fachlich vielseitig. Und ich
kann mit jedem auf Augenhöhe reden,
vom Bauern bis zum Bankdirektor. Die
Nachfrage war so hoch, dass ich tatsächlich aufpassen musste, nicht wieder ins alte Fahrwasser zu geraten. Es
ist einfach, sich in Peru frei zu fühlen.
Hier in der Schweiz die Freiheit zu bewahren, verlangt täglich harte Arbeit.
Bis jetzt geht es gut. Heute zum Beispiel
mache ich nur dieses Interview und
checke Mails. Früher hätte ich sechs
Termine in den Tag gepackt.
Was planen Sie mit der zweiten
Firma, der Trimea AG?
Meine beiden Partner und ich beraten
Bergbahnen und Tourismusorganisationen und sind in der Immobilienentwicklung tätig, das ist unspektakulär.
Wichtig ist das dritte Standbein: Wir
wollen eine Hotelkette lancieren, die
ein junges urbanes Publikum dazu verleitet, in den Alpen Ferien zu machen.
Heute bringt man junge Leute aus Bern
oder Zürich nicht in ein 3-Stern-Hotel
an der Lenk – die steigen entweder in
der Jugendherberge oder im 5-SternHaus ab. Ein einzelner Hotelier kann
das nicht ändern. Wir wollen fünf bis
zehn Hotels in ausgewählten Schweizer
Bergorten bauen – Design und Technologie auf Top-Level, aber mit geringen
Erstellungskosten dank modularem
Konzept.
Zusätzlich wollen Sie auf einer
Vortragstour von Ihren Reiseerfahrungen erzählen. Welche Botschaft
steht im Zentrum?
Sie glauben gar nicht, wie viele Leute
mich mit kaum verhohlenem Neid auf
die Weltreise angesprochen haben, um
dann gleich anzufügen: «Leider kann
ich mir das nicht leisten.» Wir brauchten in den zwei Jahren aber nicht mehr
Geld, als wenn wir in der Schweiz geblieben wären. Deswegen will ich den
Leuten sagen, dass es keine Frage des
Geldes oder des perfekten Zeitpunkts
ist. Es braucht in erster Linie den Mut,
loszulassen. Wenn man den aufbringt,
wird man mit unbezahlbaren Erfahrungen reich belohnt.
Samsung heizt die Konkurrenz mit Apple
im Heimatland des iPhone-Herstellers
an. Der südkoreanische Elektronikkonzern arbeitet mit dem grössten US-Elektronikhändler Best Buy zusammen und
wird in mehr als 1400 von dessen Läden
eigene Verkaufsflächen einrichten. Bis
zum Frühsommer sollen alle SamsungShops fertig sein, teilte Samsung am
Donnerstag mit. Samsung ist der
schärfste Rivale von Apple bei Smartphones und Tablet-Computern. Erst
kürzlich hatte der Elektronikkonzern
sein neues Smartphone Galaxy S4 in
New York vorgestellt. Es soll Apples
iPhone die Kunden abspenstig machen.
Auf dem wichtigen US-Markt fährt
Samsung schon seit einiger Zeit eine aufwendige Marketingkampagne. Momentan stammt allerdings noch jedes zweite
in den USA verkaufte Smartphone von
Apple. Weltweit hat Samsung dagegen
bereits die Führungsrolle übernommen.
Apple hat in den USA bislang einen
Heimvorteil, auch weil die Kalifornier
hier viele eigene Läden betreiben. (sda)
Airbus überholt
Boeing wegen
«Dreamliner»
Der europäische Konkurrent
zieht nach dem Debakel mit
dem «Dreamliner»-Modell
am amerikanischen Flugzeugbauer vorbei.
Der Auslieferungsstopp beim «Dreamliner» macht dem Hersteller Boeing zu
schaffen. Im ersten Quartal konnten
die Amerikaner insgesamt 137 Maschinen ihrer Baureihen Kunden übergeben, wie die Firma am Donnerstag mitteilte. Der europäische Erzrivale Airbus kam im gleichen Zeitraum auf 144
Auslieferungen. Im Vorjahreszeitraum
war das Kräfteverhältnis noch andersherum. Doch während Airbus seine
Auslieferungen um zehn Prozent steigern konnte, stagnierten sie bei Boeing. Zuvor hatte der US-Konzern seine
Auslieferungen wegen der starken
Nachfrage nach Verkehrsjets regelmässig steigern können.
Boeing testet neue Batterie
Statt fünf «Dreamlinern» wie im Vorjahreszeitraum ging jetzt aber nur noch ein
einziger der Langstreckenjets raus, bevor Mitte Januar zunächst ein Startverbot und dann ein Auslieferungsstopp
verhängt wurde. Grund waren ein Feuer
und ein Schwelbrand bei den Batterien
zweier «Dreamliner» japanischer Fluggesellschaften. Derzeit testet Boeing
eine neue, sicherere Batteriekonstruktion. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass Boeing den Rückstand bei den «Dreamliner«-Auslieferungen wieder aufholt,
wenn die US-Flugaufsicht grünes Licht
für das neue Batteriedesign gibt. Die
Produktion der Langstreckenjets läuft
unvermindert.
Der «Dreamliner» findet trotz des
Startverbots weiterhin Käufer. Der
Flugkonzern IAG hat für seine Tochter
British Airways weitere 18 der besonders sparsamen Maschninen bestellt.
Der Listenpreis liegt bei um die 4 Milliarden US-Dollar. (sda)

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