Irrtümer über Bandscheiben

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Irrtümer über Bandscheiben
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I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l
v o m
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Irrtümer über Bandscheiben
Wenn der Rücken schmerzt, liegt das häufig an Bandscheiben-Problemen
- aber eben nicht immer. "Hauptsache gesund" zeigt, welche Irrtümer
besonders oft anzutreffen sind und welche Behandlungen helfen.
EineBandscheibesiehtauswieeinHarzer Roller. Der weiße Kern des SauermilchkäsesähneltdemGallertkerneiner
Bandscheibe. Das ist der innere Puffer.
Der feste gelbe Käse außen herum ist
demFaserringderBandscheibeähnlich.
Geht dieser stabilisierende Ring kaputt,
hatdasunangenehmeFolgen.
Wenn es bei einem Riss des Faserrings
zumAustritt-zumsogenanntenVorfall
- des gallertartigen Kerns kommt,
spricht man von einem Bandscheibenvorfall.Amhäufigstenpassiertdaszwischendem30.unddem50.Lebensjahr
im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule. Im PrinzipkannaberjederTeilderWirbelsäule
betroffen sein. Die in unmittelbarer
Nachbarschaft liegenden Rückenmarksnerven, die Spinalnerven, werden dadurch gereizt oder eingeengt. Dadurch
kommt es zu den klassischen ausstrahlenden Schmerzen. Wird der Druck
stärker, kann es zu Taubheitsgefühlen
und Lähmungen der Bein- oder Armmuskulaturkommen.
Doch nicht jedes Rückenproblem, lässt
sich auf die Bandscheiben zurückführen. "Hauptsache gesund" klärt über
diehäufigstenIrrtümerauf.
Irrtum Nr. 1:
Ich hab's mit der Bandscheibe!
Auch wenn es oft so aussieht, ist ein
Bandscheibenvorfall selten die Ursache
von Rückenschmerzen. Im Schnitt trifft
es nur jeden Zehnten. In mehr als 90
Prozent der Fälle sind die akuten Rückenschmerzen die Folge von GelenkblockierungenundmuskulärenVerspannungendurchÜber-oderFehlbelastung.
Nicht jeder Bandscheibenvorfall führt
alsozwangsläufigzuSchmerzen.Esgibt
Vorwölbungen oder sogar Vorfälle der
Bandscheibe, die keinerlei Beschwerden
machen. Abnutzungserscheinungen an
den Faserringen, die mit der Zeit ihre
Elastizität verlieren und rissig werden,
lassensichauchschoninjungenJahren
beobachten. Betroffen sind besonders
diejenigen, die eine überwiegend sitzende Tätigkeit ausüben, die körperlich
schwer arbeiten oder die einseitige monotone Arbeiten durchführen. Die häufigste Ursache ist jedoch der Bewegungsmangel, weil sie zur Schwächung
derRumpfmuskulaturführt,wasinVerbindung mit Übergewicht den Verschleiß schneller vorantreibt. Auch eine
angeborene Bindegewebsschwäche und
in seltenen Fällen Verletzungen oder
UnfällekönnenzueinemBandscheiben1
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schaden führen. Bewegung erhält die
Bandscheiben und ist daher ein gutes
Mittel zur Vorbeugung von Schäden.
Dabeigiltes,dasrichtigeMaßzuhalten.
Wer wie ein Leistungssportler an die
Grenzen der körperlichen Belastbarkeit
geht, kann auch Schäden des Bewegungsapparateserleiden.Sowarenauch
prominenteSportlerwiederFußballspieler Arne Friedrich und die Schwimmerin
Kristin Otto nicht vor Bandscheibenvorfällengefeit.
Irrtum Nr. 2:
Ein Bandscheibenvorfall muss immer
operiert werden!
Das stimmt so nicht.Mitunterzeigt sich
in einem Tomogramm ein Bandscheibenvorfall, der aber gar keine nennenswerten Beschwerden verursacht. Dann
istauchkeineOPnötig.Operiertwerden
muss, wenn Lähmungserscheinungen
auftreten. Wenn die Funktion von Blase
oder Darm gestört ist, kann sogar notoperiertwerden.
Wann wird operiert?
Die Entscheidung für eine OP muss immer im Einzelfall getroffen werden.
Wenn ausschließlich Schmerzen vorhandensind,wirdheutezunächstkonservativ, d.h. ohne Operation therapiert. GehendieSchmerzendurchdieherkömmliche Therapie mit Tabletten und aktiver
Physiotherapie nicht zurück, kann versucht werden, direkt an den Nerven
Schmerzmittel oder abschwellende Medikamente zu spritzen. "Man hat ein
ZeitfenstervonetwasechsWochenund
kann versuchen, die Schmerzen in den
Griff zu bekommen. Schafft man das
nicht,isteineOPnötig.",erklärtOrthopäde Dr. Jörg Franke vom UniversitätsklinikumMagdeburg.
Bei akuten Lähmungserscheinungen
musssofortoperiertwerden.Meistwerden minimal-invasive Eingriffe mit kleinenSchnittengewählt.Sieschonendas
umliegendeGewebewieMuskeln,Kno-
chenundNerven.DerdurchBandscheibenmaterial oder Knochenverwachsungen eingeengte Nervwird durch die OP
befreit und erholt sich in der Regel innerhalbeinigerMonate.
Risiken abwägen
Wie vor jeder OP müssen auch hier die
Risiken abgewogen werden. Jeder EingriffbirgtdieGefahrvonWundinfektionen, Blutungen oder Verletzungen in
sich. Zusätzlich können sich nach einer
Operation innere Narbenstränge bilden,
die die Rückenmarksnerven einengen
und erneut Schmerzen verursachen. Je
ausgedehnter eine Operation durchgeführt wird, beispielsweise bei einem
großen Bandscheibenvorfall, desto instabilerkannderjeweiligeWirbelsäulenabschnitt werden. Die Folge sind
schmerzhafte Funktionsstörungen der
WirbelgelenkeodersogarvorzeitigeAbnutzungserscheinungen in den darüber
oderdarunterliegendenAbschnitten.
Bei richtiger Diagnose, ist die Wahrscheinlichkeitgroß,dassdieBetroffenen
durch eine Operation schmerzfrei werden oder zumindest eine deutliche Linderungspüren.DieZusammenarbeitvon
mehreren Fachärzten ist dabei sinnvoll.
DerNeurochirurgkannzumBeispielentscheiden, ob tatsächlich ein Bandscheibenvorfall für die Beschwerden verantwortlich ist. Neben einer körperlichen
UntersuchungwerdenhäufigneurologischeTestsdurchgeführtoderProbespritzenindasSchmerzgebietgesetzt.Denn
gehen die Beschwerden nicht auf die
Bandscheiben zurück, kommen die
Schmerzen nach einer OP meist innerhalbkurzerZeitwieder.Schmerzendürfen nie eindimensional betrachtet werden,insbesonderedannnicht,wennsie
durch die herkömmliche Therapie oder
eine Operation nicht gelindert werden
konnten. Depressionen oder Angsterkrankungen, Konflikte in Familie oder
Beruf, Arbeitsplatzverlust oder andere
einschneidende Ereignisse sollten bei
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SchmerzendarumimmermitinBetracht
gezogenwerden.
Bandscheibenvorfall ist nicht gleich
Bandscheibenvorfall
Bei "Hauptsache gesund" berichteten
zwei junge Frauen mit fast gleichem
Befund über ihre unterschiedliche Heilung.DenntrotzähnlicherBeschwerden
ist die Behandlung von Bandscheibenvorfall zu Bandscheibenvorfall unterschiedlich, wie die Beispiele der Frauen
zeigen:
Für Antje B. ist das Herumtollen mit ihremSohndasSchönste.Dochdasmachte der jungen Frau vor einiger Zeit
schwer zu schaffen: "Es begann, dass
ich Schmerzen im Bein hatte, erst im
Oberschenkel, dann eine Fußheberschwäche,dassmeingroßerZehleichte
Lähmungserscheinungen zeigte. Dann
wurdeessoschlimm,dassichnachdrei
Wochen nicht mehr nachts schlafen
konnte." Diagnose: Bandscheibenvorfall
im Lendenwirbelbereich. Die Fußheberschwäche zeigte an, dass in der UmgebungdesVorfallsderPatientineineirreparable Nervenschädigung drohte. Somit war sie ein klarer Fall für eine OP.
"Operiertwerdenmussdann,wennder
Nerv überhaupt nicht mehr oder sehr
schlechtfunktioniert,wennzumBeispiel
derFußnichtmehrzubewegengeht.",
erklärtDr.CarstenBochwitz,Orthopäde
am Uniklinikum Magdeburg. Bei der
Operation entfernt der Chirurg durch
eine kleine Rückenöffnung das Bandscheibenmaterial, das auf den Nerv
drückt. Im Fall von Antje B. erholte sich
der Nerv ohne Folgeschäden. "Ich fühle
mich wieder voll hergestellt, war jetzt
auch schon Ski fahren und traue mir
wiederalleszu."
Auch bei Doreen G. zeigte der Befund
einen Bandscheibenvorfall an einem
Lendenwirbel. Nur die Umstände waren
anders,diedenArztbesuchveranlassten.
"Ich hatte damals beim Oktoberfest in
der Gastronomie ausgeholfen und habe
bei den Aufräumarbeiten gemerkt, dass
ichRückenschmerzenbekomme.Ichbin
dann nach Hause gefahren - und dort
konnte ich meine Schuhe nicht mehr
ausziehen." Da sich nur schmerzhafte
Blockaden und Reizerscheinungen, aber
keine Lähmungen zeigten, wurde sie
ohne Operation behandelt. Denn das
ausgetretene Bandscheibengewebe hat
durchaus die Eigenschaft, sich selbständig zurückzubilden und keine Probleme
mehr zu bereiten. "Wenn das der Fall
ist, spielen sich natürlich diese entzündlichenProzessenichtmehrabundauch
die mechanische Beeinträchtigung des
Nervsfindetnichtmehrstatt.Undwenn
mandieseZeitohneOperationüberbrückenkann,dannhatmandemPatienten
natürlich sehr geholfen", so Dr. Bochwitz. Bei Doreen G. wurde mit Physiotherapie,Schmerzbehandlungundeiner
gezieltenInjektioninsbetroffeneGebiet
diese Zeit überbrückt. So überstand die
Frau den Bandscheibenvorfall ohne OP:
"Ich würde jetzt zwar nicht freiwillig
beimUmzughelfen.Aberichkannmeinen Sport machen und meiner Arbeit
nachgehen."
Versteifung oder Kunstbandscheibe?
Ist eine Bandscheibe stark geschädigt
oder wurde bereits mehrfach operiert,
muss häufig eine Versteifungsoperation
durchgeführtodereinekünstlicheBandscheibe eingesetzt werden. Wie und
womit die fehlende Bandscheibe ersetzt
wird, ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Bei einer Versteifungsoperation werden
zwei oder mehr Wirbel miteinander
durch Metall verbunden. Sie gilt als
StandardmethodeinderoperativenTherapie chronisch degenerativer Bandscheibenerkrankungen.AndieStelleder
BandscheibekommteinAbstandshalter,
in den körpereigenes Knochenmaterial
einwachsen kann. Dieses Implantat ist
aber unbeweglich, deshalb spricht man
von Versteifung oder Verblockung. Die
umliegenden Wirbelkörper werden zu3
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sätzlich starr miteinander verbunden.
DieEinschränkungderBeweglichkeitan
dieser Stelle muss die Wirbelsäule anderswoausgleichen.DaskannaufDauer
aber zu Folgeschäden führen. "Wenn
ich etwas versteife, müssen zwangsweise die noch mobilen Segmente diese
Bewegung übernehmen. Das könnte
dazuführen,dasssieüberlastetwerden
und damit vorzeitig degenerieren. Das
heißt, man könnte in absehbarer Zeit
eine ähnliche Problematik an anderer
Stelle bekommen", gibt Dr. Kevin
Tschöke, Orthopäde an der Uniklinik
Leipzig,zubedenken.
Die Alternative dazu ist eine künstliche
Bandscheibe. Sie kommt zum Einsatz,
wenn das betroffene Segment beweglich bleiben soll. Moderne Bandscheibenprothesen werden in den angrenzenden Grund- und Deckplatten der
Wirbelkörper des degenerierten Teiles
mit metallischen Endplatten fest verankert und haben einen aus Kunststoff
bestehendenGleitkern.EinEinsatzistan
der Hals- und Lendenwirbelsäule möglich. Manche Kunstbandscheiben sind
nur teilweise beweglich, andere ermöglichen alle Bewegungen, zum Beispiel
auch das Drehen. Ob ein künstlicher
Bandscheibenersatz wirklich eine geeignete Methode ist, hängt von der Ursache der Beschwerden ab. "Die Indikation findet sich immer dann, wenn die
benachbarten Strukturen, das heißt die
kleinen Wirbelgelenke, Haltestrukturen
oder solche, die an einer Bewegung
unmittelbarbeteiligtsind,nichtdegenerativ verändert sind. Ich kann also nur
dann eine Bewegung erhalten, wenn
alleanderenStrukturenimWesentlichen
gesund sind", so Dr. Tschöke. In jedem
Fall hat eine künstliche Bandscheibe etwa den gleichen Bewegungsspielraum
wie ihr natürliches Vorbild. Insgesamt
gehört diese Operation noch zu den
neueren medizinischen Verfahren. Deswegen sollte gerade bei jüngeren Patienten sorgfältig abgewogen werden.
Bisher existieren noch keine fundierten
wissenschaftlichen Langzeitdaten, die
belegen,dassderErhaltdesnatürlichen
Bewegungsumfangs nach einem Bandscheibenersatz auch langfristig zu einer
verminderten Belastung der angrenzendenWirbelsäulenabschnitteführt.
Dauerschmerzen im Rücken
GottfriedH.hateinenkaputtenRücken.
Seine Leidensgeschichte begann schon
inderKindheitmiteinerriskantenInfektion, die sich auf ein Bein legte. Mit 13
Jahren musste er operiert werden, um
das Bein zu retten. Danach fiel ihm das
Laufen schwer. "Das hat sich auf das
Gangbild ausgewirkt. Und dann gab es
natürlich die Schmerzen", blickt der
Rentner heute zurück. Die schwere Arbeit auf dem Hof seiner Eltern verschlimmertedieSituation.Erkonntesich
kaum noch bewegen, sodass er viele
Male er ins Krankenhaus musste. Bandscheiben und Wirbelkörper waren vorzeitigverschlissenundeskamzumehreren Bandscheibenvorfällen, denen etliche Operationen folgten. Doch die
Schmerzen blieben und ließen Gottfried
H. fast resignieren: "Wenn man
Schmerztabletten und auch andere Medikamente immer wieder nehmen muss
und keinen Erfolg sieht und das zieht
sich so lange hin, dann denkt man, das
wirdnichtwieder."DochtrotzallerMühen und Schmerzen über Jahrzehnte
hinweg ist er tapfer geblieben, obwohl
er gerade wieder mit den Folgen eines
Bandscheibenvorfalls in der Halswirbelsäulezutunhat.Dadurchkommteszu
neurologischen Störungen in den Händen. "Und dann fällt mir alles aus der
Hand.", erzählt Gottfried H.. Damit
nicht genug. Kürzlich war er in einen
Autounfall verwickelt. Sein instabiler
Rücken konnte den Kräften nicht Stand
halten. "Der obere Gurt hat das Brustbein gebrochen. Und der untere Gurt
hatte genau den dritten Lendenwirbel,
der ohnehin schon so geschwächt war,
zerbrochen." Wieder muss er operiert
werden,wiederhaterSchmerzen.Doch
diesmal war es fast einmal zu viel für
4
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ihn."Dawar die Lustam Leben weg."
Gottfried H. hat sich trotzdem noch
einmalbesonnen.DieHoffnungaufein
beschwerdefreies Leben hat er aufgegeben,aberseineisernerWilleiststark.
In Fällen wie diesem ist eine begleitende multimodale Schmerztherapie unverzichtbar. Spezialisten verschiedener
Fachrichtungen wie Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologen erarbeiten dann ein GesamtkonzeptfürdiePatienten,umdenSchmerz
erträglich zu machen und die Lebensqualitätzuerhalten.
Irrtum Nr. 3:
Rückengymnastik führt immer zur
Schmerzlinderung
Nur wer beim Üben auf die korrekte
Durchführung, die richtige Haltung und
Körperspannung achtet, kann seine
Schmerzen reduzieren. Besonders wichtig ist das Einstellen der KörperGrundspannungvorjederÜbung.Dabei
werden Bauch- und Gesäßmuskulatur
angespannt und das Becken nach vorn
geschoben, um das Hohlkreuz auszugleichen.Mansollteunbedingtdarauf
achten,dieSpannungzuhalten.Werden
die Übungen falsch gemacht, führt das
zu Schmerzen während der Übungen
oder danach, weil der Druck auf Bandscheiben und Wirbelgelenke zu groß
wird.
Gitte Baumeier - Mein Tipp:
Übungen für die tiefliegende
Rückenmuskulatur
Im Stehen: Beine leicht anbeugen,
Bauch einziehen, Schulterblätter nach
untendrücken,sichvorstellenmanwird
ganz groß. Dann die Arme anwinkeln
und schnelle, kurze Hack-Bewegungen
mit den Armen machen als ob man
ganzschnellläuft.DastrainiertdiekleinenMuskelninSchulterundWirbelsäule.
Vierfüßler-Stand: jeweils entgegengesetztArmeundBeineanhebenunddie
Grund-Spannung einige Sekunden halten, mehrmals wiederholen, dann auf
ArmundBeinderjeweiligenGegenseite wechseln und die Übung wiederholen.
Bauchlage: ähnliche Übung wie im
Vierfüßler-Stand, linken Arm und rechtes Bein minimal anheben und der
Hand hinterher schauen, Spannung
einigeSekundenhalten,mehrmalswiederholen, dann auf Arm und Bein der
jeweiligenGegenseitewechselnunddie
Übungwiederholen.
Irrtum Nr. 4:
Bei Rückenschmerzen muss ich mich
schonen
SchonungbedeutetnichtBettruhe.Zwar
ist insbesondere ein Bandscheibenvorfall
meisteinäußerstschmerzhaftesEreignis,
aber mit Hilfe einer medikamentösen
Schmerztherapie sollte frühzeitig mit
einem Bewegungsprogramm begonnen
werden. Damit wird dem raschen Muskelabbau und einer Chronifizierung der
Rückenschmerzenentgegengewirkt.
Computergestütztes Rückentraining
Physiotherapie hilft am besten, wenn
sie genau auf die individuellen Rückenprobleme abgestimmt ist. Moderne
Technik kann dabei helfen, die jeweils
beste Methode zu finden. Beim sogenannten Rücken-EKG ermittelt ein
Computer die Schwachstellen des Rückens. Den Anfang machen Bewegungsmessungen. "Wir können in drei
Bereichen der Wirbelsäule, sprich Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule,dieBewegungsrichtung
Drehung, Beugung, Streckung und die
Seitneigung messen" erklärt Torsten
Jehle, Physiotherapeut aus Braunschweig.
Patientin Roswita K. muss zuerst ihre
KopfbeweglichkeitunterBeweisstellen.
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Dabeiwirdfestgestellt,wieweitsieden
Kopf beugen und drehen kann. Die
spezielleApparaturliefertpräziseMessergebnisse, die bei einer herkömmlichen Untersuchung ansonsten nur geschätzt werden können. Mit einer
Computeranalyse sind die gemessenen
Werte am Anfang und am Ende eines
Trainingsprogramms immer vergleichbar. Die Untersuchung geht dann an
denTrainingsgerätenweiter.Eswerden
alle Bewegungsabläufe analysiert, an
denendieWirbelsäulebeteiligtist,zum
Beispiel Körperstreckung und Körperbeugung. Nächster Schritt ist die Kraftmessung. Hier geht es um das Kraftvermögen, das aus den verschiedenen
Wirbelsäulenbereichen
aufgebracht
werden kann. Die Patientin muss dabei
zum Beispiel gegen Kopf- oder Schulterwiderstände arbeiten. Alle Messergebnisse werden in einer Datenbank
dann ins Verhältnis mit den Werten
vergleichbarer Personen gesetzt. "Wir
gucken auf das Alter und das Geschlecht. Wir schauen natürlich auch
auf die Konstitution des Patienten und
vergleichen dann einen Patienten mit
einer Referenzgruppe", so Torsten Jehle. Erst danach wird der Therapieplan
erstelltundregelmäßigangepasst.
Patientin Roswita K. hat schon Erfahrung damit, auch im Vergleich zu herkömmlichenPhysiotherapien:"Ichhabe
nie eine dauerhafte Schmerzbefreiung
gehabt. Und das ist hier ganz anders.
Ichhabekontinuierlichfestgestellt,dass
derSchmerzwenigerwirdunddassich
indenmeistenPhasenauchinzwischen
schmerzfrei bin." Alle individuellen Bewegungs- und Kraftdefizite auszugleichen – darauf zielt die computerunterstützte Physiotherapie ab. Mit nachweisbar großen Erfolgen. Wenn eine
ärztliche Überweisung vorliegt, übernehmen die Krankenkassen meist die
Kosten.
Irrtum Nr. 5:
Rückenprobleme haben nur Ältere
Schon 40 Prozent der 13- bis 14Jährigen klagen über Rückenschmerzen.
Das hat eine bundesweite ForsaUmfrageunter100Kinder-undJugendärzten im Auftrag der Krankenkasse
DAK in Hamburg ergeben. Während
KinderbisfünfJahrederUmfragezufolge beschwerdefrei sind, haben schon
sechs Prozent der Sechs- bis AchtjährigenRückenprobleme.BeidenNeun-bis
Zehnjährigensindes15Prozentundbei
denElf-bisZwölfjährigenschon21Prozent. Als Ursache sehen die Ärzte, dass
sich die Kinder mit Schuleintritt immer
wenigerbewegen.
Rückenschule für Kinder
Der Landessportbund Sachsen hat sich
zum Ziel gesetzt, Sport- und Bewegungsangebote für Vorschul- und
Schulkindern zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen Sportvereinen
und Schulen und Kindertagesstätten
voranzutreiben. "Kinder zeigen heute
zunehmendschonSymptome,diefrüher
erst bei Erwachsenen auftraten. Wie
Rückenprobleme oder Haltungsschwäche.",soDr.EckartHenkervomLandessportbund Sachsen. Dieser Entwicklung
entgegen zu wirken, bietet der Landessportbund gesundheitsfördernde Spezialprogramme an. Unter anderem eine
Kinderrückenschule, Sport mit übergewichtigen Kindern und gezielte spielerische Koordinations- und Haltungsschulung. Diese Angebote werden nur von
Personen durchgeführt, die eine entsprechende
Qualifikation
haben
(Übungsleiter "Prävention") und über
den Landessportbund ausgebildet wurden. Aber auch Eltern oder Großeltern
können Kinder mit kleinen Spielen zu
mehr Bewegung animieren. Kinder ab
fünfJahrensolltenzumBeispiel"inKaffeebohnen" rückwärts laufen können
undaufeinemBeinstehendKreiseoder
ZahlenindieLuftschreibenkönnen.
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Irrtum Nr. 6:
Schwere Lasten soll man nur
aus der tiefen Hocke anheben
Gewichte aus der tiefen Hocke heraus
mit stark gebeugten Knien und senkrechtem Rücken anzuheben, galt bisher
als der Inbegriff des rückengerechten
Verhaltens.WiePhysiotherapeuteneiner
Schweizer Rehabilitationsklinik beim
berufspezifischen Training herausgefunden haben, ist das ein Irrtum. Der gesamte Vorgang ist unökonomisch, weil
derKörperschnellermüdetundnurgeringeGewichtebewegtwerdenkönnen.
Die Belastung für die Knie ist außerdem
unverhältnismäßig hoch. Die Studienergebnisse zeigen, dass bei den verschiedenen Hebetechniken nur geringe Un- Experte im Studio:PDDr.med.Jörg
Franke,OrthopädischeUniversitätsklinik
Magdeburg
Anschrift:
MDRFERNSEHEN
RedaktionWissenschaftundBildung
"Hauptsachegesund"
04360Leipzig
Faxabruf:01803151534(0,09Kpro
MinuteausdemFestnetz,Mobilfunk
max.0,42KproMinute)
E-Mail:[email protected]
www.mdr.de/hauptsache-gesund
Thema der nächsten Sendung am
24.11.2011: SchmerzenindenHänden
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