PDF 1/2.4. zarrentiner heimatgeschichte

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PDF 1/2.4. zarrentiner heimatgeschichte
Zarrentiner Heimatgeschichte
(Geschrieben im Jahre 1957 von den Lehrern Wilhelm Möller und Gerhard
Meyer. Stark überarbeitete Abschrift.)
1. Der Schaalsee und Zarrentin
Von welchem Uferrand man über den buchtenreichen Schaalsee blicken mag,
immer zeigt er unserem Auge ein schönes Landschaftsbild. Auf welche Weise
Gletschereis und Gletscherwasser diese ausgedehnten Wasserflächen, die Inseln,
Halbinseln, Buchten und vielfach bewaldeten Hügeln geformt haben mögen, das
bleibt uns wohl ziemlich rätselhaft! Dazu noch die vielen Felsblöcke, die dem
See zu seinem Namen verholfen haben. Denn der wendische Name Skalse heißt:
Steinsee, Schaalebach – Steinbach, Schaliß – Steinort. Viele Granitblöcke des
Schaalseegebietes sind schon von den Menschen zu Bauzwecken genutzt worden.
Ältere Bewohner erzählen, wie sie als Kinder zugeschaut haben, als der damalige
Fischer Oberländer mit Anker und Kahn viele Felsblöcke aus dem Schaalsee
geschleift hat. Diese wurden am Ufer von Steinschlägern bearbeitet und als
Kopfsteine beim Bau der Lüttower Chaussee verwendet. Auch die schönen
Steinmauern, die die Dorfstraßen und Felder von Schaliß und Boissow
begrenzten, wurden zum Pflastern der Zecher Weges abgetragen. Doch der riesige
Elefantenstein am Kirchsee steht unter Naturschutz. Eine besonders große
Anhäufung von Findlingen haben wir zwischen Groß Zecher und Seedorf: die
Teufelsbrücke. Dieses Schaalseegebiet ist als eine typische Moränenlandschaft
anzusprechen.
Aber nicht allein die Moräne spielt eine große Rolle, sondern auch die Maräne.
Dies ist ein besonders wohlschmeckender Fisch, der in den kühlen unteren
Wasserschichten des 71,5 m tiefen Schaalsees lebt und sonst in keinem der
zahlreichen Seen Mecklenburgs zu finden ist. Nur während seiner Laichzeit im
November und Dezember kommt er auch an die Wasseroberfläche und wird vom
Fischer gefangen. Der See ist fischreich, und Hechte, Barsch, Plötze, Aale,
Zugmaränen, Edelmaränen und Brachsen haben in dem klaren, kalkhaltigen
Wasser einen feinen, sauberen Geschmack und werden von den Bewohnern
Zarrentins gern gegessen. Natürlich wird der Angelsport von jung und alt eifrig
betrieben. Dabei hat der See von jeher einen besonderen Reiz auf den Menschen
ausgeübt, seine Phantasie beflügelt, so dass er durch Sagen die Geheimnisse zu
deuten versucht hat.
Zu erwähnen ist noch die aufbauende Tätigkeit des Schaalsees. Die in Nord-SüdRichtung wogenden Fluten spülen das stark kalkhaltige Wasser gegen das
Südufer, wo der Meeresboden mit einer meterdicken Kalkschlammschicht bedeckt
ist, in die man tief einsinkt. Sobald diese fast die Wasseroberfläche erreicht hat,
wächst Rohr oder Schilf darauf, und es entsteht eine Torfschicht darüber. Wo die
Kalkschicht besonders ergiebig war, wurde sie bereits abgebaut, und der Kalk
wurde als hochwertiger Düngerkalk auf die Felder gebracht. Die Torfschicht wird
als Heizmaterial abgebaut. Die dichten Rohrbestände am Rand des Schaalsees und
auf der Insel Möwenburg geben den Wasservögeln sicheren Schutz und gute
Nistgelegenheit.
2. Vögel im Schaalseegebiet
Ein Beobachtungsgang am Schaalsee lohnt sich immer. Der See ist die größte
zusammenhängende Wasserfläche Westmecklenburgs. Seine vielen Buchten,
Inseln und Halbinseln, die teilweise bewaldet sind, machen ihn zu einem der
schönsten Seen unseres Vaterlandes. An seinen Ufern sind vielfach größere und
kleinere Rohrflächen, in denen eine reiche Vogelwelt Verstecke und Nistplätze
findet. Im Sommer hören wir aus diesen Rohrwäldern den Drosselrohrsänger
seine Knarrstrophe singen, die wir mit „Karre, karre, kied, kied“ übersetzen
können. Er ist der größte Rohrsänger, fast so groß wie ein Star, und hat die
kräftigste Stimme. Seine kleineren Vettern singen leiser, aber
abwechslungsreicher. Alle bauen kunstvolle Nester mit tiefem Napf, um einige
Halme herumzuflechten, so dass sie im Winde mit hin und her schwanken
können. Meistens stehen die Nester über der Wasserfläche, manche aber auch im
Ufergestrüpp. Das Kuckucksweibchen legt gern seine Eier hinein, und die kleinen
Sänger müssen dann ein großes Stiefkind aufziehen. Im Ufergestrüpp, dicht über
dem Boden, brütet auch die Rohrammer, ein sperlingsgroßer Singvogel. Das
schwarzköpfige Männchen mit weißem Halskragen hat aber nur einen sehr
schlichten Gesang aus ein paar Tönen.
Mehr als die Singvögel fallen uns die Wasservögel am See auf. Da brütet seit
einigen Jahren wieder der Höckerschwan, so genannt, weil er am Schnabelgrunde
einen starken dunklen Höcker hat. Die Jungen bekommen erst im zweiten
Lebenssommer das schöne reinweiße Kleid der Altvögel. Der Schwan, der über
10 kg schwer wird, ist eine Zierde unserer Gewässer. Da er wenig scheu ist, lässt
er sich leicht beobachten. Heimlicher ist die Graugans, von der unsere Hausgänse
abstammen. Sei brütet neuerdings auch im Schaalsee, es ist dort jetzt nicht mehr
so unruhig wie früher. Im Oktober ziehen die Graugänse fort, Anfang März
kommen sie wieder. Jeder, der aufmerksam am See entlangwandert, wird kleine,
schwarzweiß gezeichnete Enten beobachten können, die am Hinterkopf einen
nach unten gekrümmten Schopf aus Federn tragen. Nach dieser Zierde heißen sie
Reiherenten. Es sind Tauchenten, die stets mit dem ganzen Körper nach Nahrung
untertauchen. Sie können sich daher auch auf dem tiefen Schaalsee gut ernähren
und sind Brutvögel unseres Sees. Wir dürfen sie nicht mit den Bläßhühnern
verwechseln, die auch ein dunkles Gefieder haben. Ihr Kopf ist aber kleiner und
hat eine weiße Stirnplatte. Sie gehören nicht zu den Enten, denn sie haben keine
vollen Schwimmhäute, sondern nur Hautlappen zwischen den Zehen. Sie tauchen
nach Kraut, bauen ihre Nester auf dem Wasser aus alten Halmen. Ihre grauen Eier
sind mit dunklen Punkten gezeichnet. Bei uns heißen die Vögel Zappen.
Unsere gewöhnlichste Ente ist die Stockente, die in ihrer Färbung Ähnlichkeit mit
mancher Hausente hat. Der Erpel hat eine wunderhübschen grünen Kopf, eine
weißen Halsring und eine kastanienbraune Brust. Das Weibchen ist wie alle
Entenweibchen unscheinbar gefärbt, damit es auf dem Nest nicht so leicht auffällt.
Die Stockenten sind Schwimmenten, die ihre Nahrung durch Gründeln erlangen.
„Kopf ins Wasser, Schwänzchen in die Höh.“ Sie halten sich deswegen auf
flachen Stellen des Sees und auf kleineren Gewässern auf.
Allen Besuchern des Sees wird der Haubentaucher auffallen, der einen langen,
schlanken Hals hat. Plötzlich ist er verschwunden und taucht vielleicht nach einer
Minute auf einer entfernten Stelle wieder auf. Oft hat er dann einen kleinen Fisch
im Schnabel, den er beim Schwimmen unter Wasser erbeutet hat. Beim Tauchen
gerät er manchmal den Fischern ins Netz und muss dann ertrinken. Ihre
schwimmenden Nester legen die Taucher im Rohr an. Im Sommer sehen wir sie
mit ihren Jungen am See. Die Kleinen sitzen dann manchmal auf dem Rücken der
Eltern. Plötzlich schallt ein dumpfer, zweisilbriger Ton über den See. Es ist der
Ruf der großen Rohrdommel, eines braunen Reihervogels, der die großen
Rohrflächen bewohnt. Nach dem Ruf wird er auch Moorochse genannt. Zu sehen
bekommt man diesen Vogel selten. Über dem Röhricht schwebt mit
schaukelndem Fluge ein dunkelbrauner Vogel, fast so groß wie ein Bussard, aber
schlanker und langschwänziger. Es ist die Rohrweihe, ein arger Räuber, der sich
von jungen Vögeln und kleinen Sängern ernährt. Sein Horst steht verborgen mit
im Rohr. Zuweilen sieht man auch einen Fischreiher im Wasser stehen, einen
silbergrauen Vogel in Storchgröße. Er fängt Fische und trägt sie im Kropf zu
seinem weit entfernten Horst. Einzelne Möwen und Seeschwalben (möwenähnlich
mit gegabelten Schwanz) fliegen um die Naturschutzinsel Möwenburg, wo sie
schon Brutversuche gemacht haben. Gegen Ende des Sommers fliegen abends von
allen Seiten große Schwärme von Staren zum See, um dort im Rohr zu
übernachten. Im Herbst und Wintern sammeln sich oft Hunderte von
Wasservögeln auf dem See. Sie kommen größtenteils aus dem Norden, auch
Singschwäne sind darunter. Ihr dichtes Gefieder fetten alle Schwimmvögel sehr
sorgfältig ein, so dass ihnen die Kälte des Wassers nichts anhaben kann. Aber
wenn der See immer fester zufriert, wenn sie keine Fläche mehr durch Hin- und
Herschwimmen offen halten können, dann leiden sie Not durch Hungern. Viele
gehen dann zugrunde. Bläßhühner verkriechen sich unters Gebüsch und sterben
dort. Andere werden von Seeadlern ergriffen, die sich im Winter auch gern am
Schaalsee aufhalten. Es sind unsere größten Greifvögel, sie spannen von einer
Flügelspitze zu anderen 2,30 m. Sie nehmen Beute bis zur Größe einer Gans.
Man kann sie auf dem Eise oder auf den hohen Bäumen am See sitzen sehen.
Wenn der Adler Hunger hat, erhebt er sich, fliegt zu den versammelten
Wasservögeln, die dann meistens auffliegen, wenn sie noch so viel Kraft haben.
Dann greift der Adler einen und verzehrt ihn. Einige Krähen warten in der Nähe
schon auf die Reste.
Leider gibt es auch Jungen, die in dieser Notzeit die Wasservögel jagen. Das
sollten sie nicht tun! Viel schöner ist es doch, wenn wir versuchen, die Not der
Tiere zu lindern, indem wir ihnen Futter bieten, wie es Tierfreunde in den letzten
Jahren schon bei den Schwänen gemacht haben. Wir müssen alles tun, um Vögeln
und Tieren in unserer Landschaft zu erhalten. Sie beobachten, bringt vielen
Menschen Freude und Erholung nach schwerer Arbeit. Darum werdet alle
Naturschützer.
3. Die Geschichte der Stadt Zarrentin
Auch der Mensch ist schon früh an den Schaalsee gekommen, denn hier fand es
die günstigsten Bedingungen für sein Fischer- und Jägerleben. Die zahlreichen
Kegelgrabhügel bei Schaliß und in den Neuhöfer Tannen bekunden, dass dort
schon Germanen gewohnt haben. Dort ist der Boden sandig und ließ sich mit
primitiven Geräten bestellen. Andere Grabstellen aus der späteren Bronzezeit
wurden 1 km südlich von Zarrentin beim Abfahren von Kies entdeckt. In Urnen
waren Überreste der Toten flach, kaum 50 cm tief, beigesetzt. In mehreren Urnen
wurden Beigaben aus Bronze gefunden: Fibeln, Armringe, Ketten. Ein Teil dieser
Funde wird vermutlich den Weg von Neukloster nach dem Museum in Waren
gefunden haben.
Nach der Völkerwanderung entstanden an den Flußläufen der Boize, Schaale und
Sude viele Dörfer mit wendischen Namen. Am Westufer des Schaalsees wird
Zarrentin vermutlich gelegen haben. Es hat die Bedeutung von: schwarz, böse,
düsterer Ort. Funde sind nicht vorhanden, bei der „Klemstaken-Bauweise“ der
Wenden auch nicht möglich. Der Flurname „Heidengreß“ deutet auf die Wenden
hin. Nach dem Eindringen der Sachsen durften die Wenden diese Grenze nicht
überschreiten. Vermutlich hat das wendische Zarrentin auf der heutigen Halbinsel
Strangen gelegen, die damals noch eine Insel war, von Sumpf und Wasser
schützend umgeben, wie die Wenden es für ihre Burganlagen und Opferstätten
gerne wählten.
Auf die Wenden weist mit größter Sicherheit ein Burgwall hin, der sich in den
Wiesen zwischen Valluhn, Testorf und Boize befindet. Dieser Burgwall heißt
auch heute noch im Munde der Leute „Borgwall“. Mitten in einer großen
Wiesenfläche, die von der Boize durchflossen wird, erhebt sich der runde, etwa 20
m hohe Burgberg der augenscheinlich künstlich hergestellt ist. Dieser Burgberg ist
von einem fast ebenso hohen Walle in der Wiese umgeben, dass zwischen dem
Berge und dem Walle sich eine tiefe, bis zum Niveau der Wiesenfläche
hinabgehende Einsenkung befindet, die jedenfalls früher mit Wasser gefüllt
gewesen ist. Berg und Wall sind noch heute gut erhalten. Diese Anlage diente mit
den Wasserburgen Boizenburg, Ratzeburg, Lübeck dem Schutze der wendischen
Westgrenze.
Um 1160 herum eroberten die Sachsen das wendische Mecklenburg. An diese
Zeit erinnert ein 1,5 m hoher Gedenkstein, der zwischen Waschow und
Wittenburg steht und vom Zug aus sichtbar ist. Diese Stein zeigt ein großes Kreuz
mit der lateinischen Inschrift, die auf Deutsch heißt: „Es starb Graf Heinrich, betet
für ihn.“ Damals waren Siedler aus Sachsen, Holstein und Westfalen ins Land
Mecklenburg gekommen und haben Bauernhäuser mit der großen Diele und
Pferdeköpfen an den Giebeln gebaut. Die Wenden wurden vielfach verdrängt in
sandige Gegenden oder in die Wälder, z.B. von Groß Zecher am Schaalsee nach
Westen, wo sie den Wald rodeten und Klein Zecher gründeten. Auch das
Siedlerdorf Zarrentin wurde damals an seinem jetzigen Platz aufgebaut und 1230
zuerst in einer Urkunde genannt. Am 1. November 1246 gründete der Graf
Grunzelin das Zisterzienser Nonnenkloster „Himmelspforte“, das später allgemein
„Kloster Zarrentin“ genannt wurde. Dieses gelangt durch Stiftung und Kauf bald
in den Besitz zahlreicher Dörfer. Die Bauern hatten Lieferungen an das Kloster zu
leisten. Durch das Kloster wurde die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gegend
günstig beeinflusst. Es wurden Wassermühlen errichtet, Wälder gerodet und
Ackerflächen urbar gemacht. Auch den Aalfang im Schaalsee nutzte das Kloster.
Das damals erbaute Hauptgebäude des Klosters ist noch bis auf den heutigen Tag
gut erhalten und ist ein Denkmal der hohen Baukunst aus alter Zeit.
Im Jahre 1553 wurde die Klosterherrschaft aufgehoben. Seine Besitzungen
wurden fürstliche Domänen. Das Innere des Klosters ist später durch Längs- und
Querwände wesentlich verbaut worden, doch sind die schönen Gewölbe noch gut
erhalten.
Während des Dreißigjährigen Krieges wurde auch in Zarrentin und Umgebung
vieles zerstört. In Schaliß blieben von 12 Bauern nur 4. Das Vieh war durch
Seuchen umgekommen und durch Gewalttaten der Kriegsscharen. Nach dem
Krieg trieben sich noch verwilderte Menschen in den Wäldern umher und lebten
von Plündern und Stehlen, wie es der Pastor Seidel in Perlin in dem Büchlein
„Balthasar Scharfenberg“ schildert. Aberglaube und Hexenwesen brachte die
Menschen in große Angst und Verwirrung. Es sind ausführliche Akten vorhanden
für einen Hexenprozess, der sich in den Jahre 1684 bis 1689 hier in Zarrentin
abgespielt hat. In dem hiesigen Amtsgebäude (Kloster) muss sich eine ordentliche
Folterkammer mit verschiedenen Foltergerätschaften befunden haben. In diese
trüben Zeit war es Pastor Andreä, der mit fester Hand zugriff, um die Sitten der
Bewohner zu bessern. Ferner gelang es ihm, von der berühmten Lübecker
Marienkirche für 100 lübische Mark, damals eine ansehnliche Summe, die er aus
seiner Tasche bezahlte, eine kunstvolle Kanzel zu erwerben. Die Lübecker hatten
damals nicht geahnt, welchen Schatz sie weggegeben haben, und auch die
Zarrentiner haben erst 200 Jahre später bei einer Restauration ihrer Kirche, als die
entstellende Tünche sorgfältig von den einzelnen Relieftafeln entfernt wurde, mit
Staunen den Schatz entdeckt. Die Reliefs wurden von Kennern als Meisterwerke
norddeutscher Holzschnitzereien der besten Zeit der Renaissance erkannt. Die
Entwicklung Zarrentins ging nur langsam voran, lag es doch abseits von großen
Verkehrsstraßen. Und doch gab es eine Zeit, in der auch unser Ort günstig in den
Verkehr einbezogen wurde.
Das Salz der Lüneburger Saline war früher ein wichtiger Handelsartikel, der
weithin nach Schweden und Russland verschickt wurde. Ein bedeutender
Handelsweg (heute noch in seiner ganzen Breite in den Kölziner Tannen sichtbar)
führte von Lüneburg über Kölzin, Waschow, Schwerin nach Osten. Er heißt heute
noch „de oll Soltweg“ und kreuzt den von den Lüneburger Sülfmeistern
ausgebauten Schifffahrtsweg: Schaale – Schaalsee. An der Schaalefurt in Kölzin
war eine Zollstelle: „de Schaalschriewestell“. Die Lüneburger Kapelle in der
Zarrentiner Kirche erinnert auch noch an die Salzschifffahrt.
Am Sonntag vor Ostern des Jahres 1775 brannten 40 Häuser der hiesigen
Bauernstraße nieder, und die neuerbauten Häuser mussten mit Ziegeldächern
versehen werden. Eine Scheune, das frühere Bauernhaus Thomas-Müntzer-Straße
15, trägt die Jahreszahl 1776, das Jahr des Aufbaus. Das Feuerlöschwesen wurde
ausführlich geregelt, und die Bürger wurden ernsthaft ihrer Löschpflicht
angehalten.
Der Flecken Zarrentin war im 19. Jahrhundert der Mittelpunkt des Kleingewerbes
für diese Gegend geworden. Zu erwähnen sind die Schumacherinnung, die Weber,
Färber, Töpfer und Gerber. Der Herbstmarkt 1894 wurde von 66 Ausstellern
besucht. Am 1. Juli 1875 war die erste Gemeindevertretersitzung. Als 1896 die
hiesige Eisenbahn fertig wurde, erwachte Zarrentin mehr und mehr aus seinem
Dornröschenschlaf.
An der Ecke Bahnhofstraße – Chausseestraße wurde 1897 das neue Postgebäude
errichtet. Die Bahnhofstraße, die damals noch mehr Gärten und Felder aufwies als
Häuser, wurde in den folgenden Jahren eine Straße mit geschlossener Häuserfront
zu beiden Seiten. In den Jahren 1904/05 entfaltete sich an der Stelle des heutigen
Marktplatzes eine rege Bautätigkeit. Der Marktplatz selbst, auf dessen Gelände
bislang eine alte Scheune gestanden hatte, wurde angelegt und neue Häuser an
seinem Rande gaben ihm bald festen Rahmen. Reges Leben entfaltete sich zur
warmen Jahreszeit auch auf dem Schaalsee. An der großen Landungsbrücke am
Anfang der Promenade und der jetzigen Badebrücke wurden Lasten aus- und
eingeladen. Am Landungssteg neben der großen Brücke aber lagen die neuen
Motorboote vor Anker, die regelmäßige Vergnügungsfahrten nach Techin,
Lassahn und Groß Zecher unternahmen. Andere Zarrentiner Bürger vergnügten
sich in freien Stunden auf dem Tennisplatz, der im Jahre 1910 am Anfang der
Wolfschlucht angelegt und wenige Jahre später in den Garten des Hotels
„Deutsches Haus“ verlegt wurde. Besucher von auswärts suchten am Wochenende
gern das Restaurant auf der Halbinsel Strangen auf, das sie über die Ratzeburger
Chaussee erreichten oder aber über die Promenade. An ihrem Ende stand ein
schilfgedeckter Pavillion, in dem eine Glocke hing. Auf das Läuten hin kam vom
Strangen ein Ruderboot herüber und brachte die Besucher zur Halbinsel. Doch das
hatte im Jahre 1913 schon ein Ende. Der Besitzer des Fähr- und Gasthauses, der
Apotheker Brath, ließ in den Jahren 1912/13 durch Aufschüttung eines Dammes
aus Felssteinen und Weidensträuchern von der Promenade aus eine Verbindung
zum Strangen schaffen. „Brath smit sin Geld in`n Schaalsee“, sagten die
Zarrentiner Einwohner. Diesen aber war dadurch ein hübscher Spaziergang
geschaffen worden. Ein zweiter, noch schönerer entstand ihnen ungefähr 7 Jahre
später um den Kirchensee durchs Moor hindurch vorbei am großen Elefantenstein.
So wurde die Halbinsel Strangen immer mehr zu einem beliebten Ausflugsort und
Erholungsort. Besonders Hamburger Bürger verlebten im Fähr- und Gasthaus
Strangen gern ein ruhiges Wochenende, ja, manche von ihnen bauten sich in den
späteren Jahren hinter dem Gasthaus am Schaalsee idyllische
Wochenendhäuschen auf.
Leben war zur Sommerzeit auch an der Promenade hinter der Domäne „Bauhof“.
Dort war im Jahre 1920 die erste öffentliche Badeanstalt Zarrentins eingerichtet
worden. Als weitere Anlage inmitten des Marktfleckens entstand an der alten
Kapelle im Jahre 1922 der Ehrenhain, eine Gedächtnisstätte für die Gefallenen des
ersten Weltkrieges. Der wandernden Jugend wurde unser Ort ebenfalls zum
beliebten Ruhe- und Rastplatz, besonders, nachdem 1927/28 im rechten Flügel
des ehemaligen Klosters eine Jugendherberge eingerichtet worden war.
Auch das wirtschaftliche Leben unseres Markfleckes nahm in dieser Zeit einen
Aufschwung. Die Jahre 1923/24 brachten Zarrentin das elektrische Licht. Das
bedeutete nun allerdings auch die Auflösung des 1910 eingerichteten Gaswerkes,
welches sich jetzt aus unrentabel erwies und seine Türen schließen musste. Auch
andere Arbeitsstätten schlossen in dieser Zeit ihre Tore, die Faßfabrik (Gelände
BHG) und die Kartoffelflockenfabrik (Kockscher Platz). Der dadurch entstehende
Arbeitsplatzmangel wurde aber bald beseitigt durch das Aufblühen und
Anwachsen von zwei Sägereien und Baubetrieben, den von Kock und Olhöft.
Es sollte noch schöner werden in unserem Ort. Am Süd- und Südwestufer des
Schaalsees regten sich in den 30-er Jahren fleißige Hände. Eine neue, größere
Badeanstalt mit anliegender Wiese zum Ruhen und Sonnen war bald geschaffen,
und zu ihr hin führte etwas später anschließend an die alte Promenade eine neue
Promenade. Manchen Kampf mit der Pfarre und den Bauern gab es da zu
bestehen, die ihre vermeintlichen Eigentümerrechte nicht aufgeben wollten; doch
ließ sich aus Urkunden nachweisen, dass der Schaalsee durch seinen Rückgang
dieses Ufergeländes geschaffen hatte, und somit seitens des Bürgermeisteramtes
berechtigte Ansprüche an diesen Streifen Ufergelände gestellt wurden. Somit
waren die Voraussetzungen gegeben, Zarrentin zu einem Luftkurort zu ernennen,
zumal der Fremdenverkehr von Jahr zu Jahr gestiegen war. Das geschah im Jahre
1937, gleichzeitig mit der Ernennung des Ortes zur Stadt, nachdem nun auch das
alte Rathaus noch durch einen Umbau ein neuartiges würdiges Gepräge erhalten
hatte. Auch baute sich die Stadt nach Pamprin zu und am Müllerweg weiter aus.
Im Neuhöfer Wald errichtete man ein riesiges Öllager, die Wifo. Von hier aus
wurden Truppen mit Treibstoff versorgt. Demzufolge fielen wohl auch in der
letzten Phase des Krieges am 12. April 1945 noch einige Bomben auf Zarrentin
und vernichteten ein Haus in der Töpferstraße und das Wohnhaus des
Sägereibesitzers Kock. Das schreckliche Kriegsende warf Zarrentin für einige
Jahre dann gänzlich in der Entwicklung zurück. Da unsere Stadt hart an der
Zonengrenz liegt, hörte jeglicher Fremdenverkehr auf. Die beiden großen Betriebe
(Wifo und Kock) wurden demontiert, und die Werktätigen mussten sich in
Boizenburg (Plattenfabrik und Elbewerft) und in Hagenow Arbeit suchen. Andere
aber fanden auch Arbeit in ganz neu, wenn auch noch anfangs primitiv errichteten
Arbeitsstätten der Mattenflechterei und der kleinen Schuhfabrik von Klein. Durch
Verkauf von Losen und durch den Eingang von Spenden ermöglichte die neue
Gemeindeverwaltung im Jahre 1949 den Bau eines modernen Kindergartens. Das
ehemalige Armenhaus wurde in ein freundliches, gemütliches Feierabendheim
(Altersheim) umgewandelt. Im Jahr 1954 wurde die Landwirtschaftliche
Produktionsgenossenschaft gegründet. Den werktätigen Frauen bietet die neue
Wäscherei eine große Erleichterung, und die kleinen Kinder der werktätigen
Mütter werden in der 1956 eingerichteten Kinderkrippe von morgens bis abends
betreut. Die Sportler aber treffen sich zu ihrem Training und zu ihren
Veranstaltungen auf dem hinter der Badeanstalt neu eingerichteten Sportplatz.
So hat sich das Leben in unserer Stadt allmählich wieder stabilisiert. Die
Stadtverwaltung und Gemeindevertretung aber sind weiterhin bemüht, das Leben
der Einwohner Zarrentins ständig zu verbessern.
Soweit der Rückblick in die Vergangenheit Zarrentins. Noch ist eine dicke
Stahltrosse quer durch den See gespannt. Noch stehen wir immer gleich vor den
Schlagbäumen der Zonengrenze. Wann werden die Fesseln verschwinden?
4. Sagen
a) Wie die Maränen in den Schaalsee gekommen sind
Eine Nonne des Zisterzienserklosters Zarrentin hatte in Italien die Maränen
gegessen und hatte nach ihrer Rückkehr ein unstillbares Verlangen nach dem
Fischgericht. Plötzlich war der Teufel neben ihr und versprach, die Fische bis
Mitternacht zu verschaffen, doch sie müsse ihm ihre Seele verschreiben. Sie
willigte schließlich ein. Doch gegen Abend wurde ihr angst und weh, dass sie auf
ewig dem Teufel ausgeliefert sein sollte. Schließlich erfand sie eine List und
stellte die Kirchenuhr 5 Minuten vor. Gerade als der Teufel mit den Fischen über
den See flog, hallte es zwölf durch die stille Nacht. Wütend, dass er zu spät
gekommen war, schleuderte er die Fische in den Schaalsee, wo sie fortan gut
gediehen.
b) Die Sage von der Teufelsbrücke
Ein Dargower Bauer, der spät abends oft von Groß Zecher kam, ärgerte sich
immer sehr, wenn er den langen Weg über Seedorf gehen musste, und wünschte
einen Damm durch den Schaalsee von Groß Zecher nach Dargow. Auch hier
stellte sich der Teufel ein und erbot sich bis zu ersten Hahnenschrei eine Brücke
zu bauen; natürlich musste der Bauer sich ihm verschreiben. Der Teufel ging
mächtig an die Arbeit und trug die Findlinge zu einem Damm zusammen. Doch in
Seedorf brachte man mitten in der Nacht einen Hahn zum Krähen, und der Teufel
hatte den Damm nicht fertig.
c) Der goldene Schüssel
Ein Berg am Schaalsee wird von altersher als Schlossberg bezeichnet. In dem
Berge soll durch eine Verwünschung einst ein stolzes Königsschloss versunken
sein. Darin schlummert in einer goldenen Wiege ein Königssohn. Der goldene
Schlüssel zum Schlosse aber ist in den See geworfen, und ein Hecht hat ihn
verschlungen. Wenn eines Tages der Hecht gefangen wird und der goldene
Schlüssel wieder ans Licht kommt, dann wird das Schloss wieder dastehen, und
Mecklenburg wird unter der Herrschaft des Königssohnes wieder ein mächtiges
Königreich werden, wie es vor Zeiten gewesen ist. Der Hecht aber kann nur in der
Johannisnacht gefangen werden, von einem Fischer, der Bülow heißt.
d) Der einäugige Fisch
Auch auf dem Wasser ereignen sich oft wunderbare Dinge. So waren in der
Johannesnacht einmal Fischer bei der Arbeit. Als sie bei Mitternacht beim
Aufziehen ihrer Netze waren, hörten sie eine Stimme aus dem Wasser: „Heft je
den einögten Bors nich sein? Wo is de einögten Bors?“ Voll Schrecken ruderten
sie schnell dem Fang nach und finden richtig einen sonderbaren Barsch, der nur
ein Auge hatte. Schnell setzten sie ihn wieder in den See und hatten in dieser
Nacht genug von der Arbeit. Der einäugige Fisch war überhaupt kein Fisch,
sondern der „Böse“ selbst oder ein verwünschtes Menschenkind.
e) Die Sage vom Fuchsberg
Im Dorfe Dodow bei Wittenburg lebte einst eine alte Hexe, die im Besitze eines
Fuchsriemens war, mit dem sie sich jeden Augenblick in einen Fuchs verwandeln
konnte. Das tat sie besonders dann, wenn sie Appetit auf Enten, Gänse und
anderes Geflügel hatte. Der rotwamsige Dieb aber war im Dorfe allgemein
bekannt gefürchtet, und mancher Jäger hatte ihm schon eine Ladung Blei auf den
Pelz gebrannt, doch das prallte immer von ihm ab, denn so ein verwandelter Fuchs
war nur durch eine silberne Kugel zu erlegen. Als nun eines Tages der
Schulmeister des Dorfes den Kindern von allerhand Zauberei erzählte, da erhob
sich ein kleines Mädchen – es war die Enkelin der alten Frau und sagte, dass ihre
Großmutter auch zaubern könnte, und zwar mit einem Fuchsriemen. Gespannt
horchten alle auf, und jeder wollte das merkwürdige Ding gern einmal sehen. Auf
Wunsch des Lehrers brachte es die Kleine am nächsten Tag mit in die Schule. Es
waren 2 Enden Riemen, die durch ein Sachsband zusammengehalten wurden.
„Die Großmutter hatte ihn gestern zerrissen“ erklärte das Mädchen, als sie auf der
Flucht vor zwei großen Hunden in einem Gartenzaun hängen blieb und hat ihn
nun wieder mit einem Band zusammengeknotet. Der Schulmeister, seines
Herkommens ein pfiffiger Schneider, betrachtete das Ding neugierig und fuchtelte
mit ihm immer hin und her. Plötzlich legte sich der Riemen um seine Hals, und
schon stand er, in einen Fuchs verwandelt, vor den Kindern. Die stimmten ein
schallendes Gelächter an, er aber sprang über Tische und Bänke zum Fenster
hinaus. Er lief zu einem Berg draußen vor dem Dorfe. Hier ging er, während die
Kinder keinen Lehrer hatten, alle Tage auf Raub aus. Schließlich behagte ihm ein
solches Leben nicht mehr. Er konnte auch als Fuchs die menschlichen Gedanken
nicht los werden und wollte gar zu gerne wieder Schulmeister sein, kannte aber
nicht die Entzauberungsformel, die ihn in einen Menschen verwandelte. Da fand
nach einiger Zeit in Dodow eine Treibjagd statt, und auch der verzauberte Fuchs
geriet in den Kreis der Schützen. Mehrere Jäger jagten ihm eine Kugel in Fell,
doch umsonst. Schon war er kurz vor seiner Höhle, da krachte noch ein Schuss,
und plötzlich lag vor den Augen des verblüfften Jägers der lebendige
Schulmeister. Die Kugel hatte das Sacksband getroffen, das den zerrissenen
Riemen zusammenhielt. Fröhlich kehrte der Schulmeister in die Schule zurück.
Den Fuchsriemen hatte er nie wieder in die Hand genommen. Die Dodower aber
nannten den Berg, auf dem ihr Schulmeister als Füchslein eine Zeit lang
unfreiwillig gehaust hatte, fortab kurzweg den Fuchsberg, und so heißt er heute
noch.