Gegen das Vergessen – Mahnung für die Zukunft

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Gegen das Vergessen – Mahnung für die Zukunft
Gegen das Vergessen –
Mahnung für die Zukunft
Veranstaltungsreihe zu den
Stolpersteinen für die jüdische Familie
Stillschweig in Heide im August 2005
16. August
20.00 Uhr im Stadttheater Heide, Rosenstraße 17:
Film „Wer wohnte in der Synagoge von Friedrichstadt?“
Länge: 45 Min; Eintritt: 5,00 €, für Mitglieder des FilmClubs
Heide e.V. 2,50 €
Erinnerungen an eine Kindheit – Mehr als ein Jahr haben die
Filmemacherin Heike Mundzeck und der Kameramann Holger Braack den
Umbau der alten Synagoge in Friedrichstadt zu einer kulturellen
Begegnungsstätte begleitet. Dabei ging es nicht nur um das Konzept des
Projektes, das wegen seiner ungewöhnlichen Perspektive auf die
Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart mancherlei Kontroversen
aufwarf, sondern auch um den Blick zurück in jene Jahre, als die
Synagoge noch Teil des jüdischen Lebens in dieser Kleinstadt an der
Treene war, dann im November 1938 zerstört und noch im Krieg zu
einem Wohnhaus umgebaut wurde. Im Stadtarchiv fand die Autorin
zahlreiche wohlgeordnete Unterlagen zur Geschichte des 1845 erbauten
Gotteshauses und seiner schändlichen Zerstörung sowie seiner späteren
Nutzung. Mit Hilfe engagierter Friedrichstädter BürgerInnen, die alte
Fotos und persönliche Erinnerungen beitrugen, ließ sich ein Stück
Zeitgeschichte mit ihren Lebensumständen rekonstruieren, das nicht in
Vergessenheit geraten sollte.
Für die Autorin gab es für diesen Film jedoch auch noch ein besonderes
Motiv: Sie selbst hat als sechsjähriges Mädchen etwas mehr als ein
Jahr in der alten Synagoge gewohnt, ist in Friedrichstadt eingeschult
worden und hatte, bis zur Entdeckung der Geschichte des Hauses als
längst Erwachsene keine Ahnung, dass es ihr Vater war, der damals den
Umbau der zerstörten Synagoge vornehmen ließ, um seine Familie aus
dem Bombenhagel in Hamburg in Sicherheit bringen zu können. Dem
Schock folgte die Scham über diese Entweihung eines jüdischen
Gotteshauses, dann der Entschluss, das Stück eigener Biographie zum
Anlass zu nehmen, um an die Verantwortung zu erinnern, die wir
nachfolgenden Generationen haben.
Der Film wird in Zusammenarbeit mit dem FilmClub Heide e.V. und
voraussichtlich in Anwesenheit der Regisseurin Heike Mundzeck gezeigt.
Danach besteht die Möglichkeit zur Diskussion.
In Memoriam
Frieda Alexander
Geb. Stillschweig
Geboren am 17.01.1891 in Heide
12.03.1943 Deportiert von Berlin nach Auschwitz
Ermordet am 13.03.1943 in Auschwitz
Wolfgang Alexander
Sohn von Frieda
Geboren am 19.10.1924 in Berlin
12.03.1943 Deportiert von Berlin nach Auschwitz
Ermordet am 13.03.1943 in Auschwitz
David (Dagobert) Stillschweig
Geboren am 02.02.1896 in Lübeck
Flucht 1938 nach Frankreich
09.02.1943 Deportiert von Paris über Drancy nach Auschwitz
Ermordet am 11.02.1943 in Auschwitz
Martha Stillschweig
Geboren am 31.05.1906 in Heide
19.05.1943 Deportiert von Berlin nach Theresienstadt
12.10.1944 Deportiert von Theresienstadt nach Auschwitz (Nr. Eq 696)
Ermordet am 14.10.1944 in Auschwitz
Gertrud(e) Stillschweig
Geboren am 24.05.1907 in Heide
24.03.1943 Deportiert von Hamburg nach Theresienstadt (Ankunft
26.03.1943)
12.10.1944 Deportiert von Theresienstadt nach Auschwitz (Nr. Eq 734)
Ermordet am 14.10.1944 in Auschwitz
Quellen:
Erwin Rehn & Marie-Elisabeth Rehn: Die Stillschweigs, Konstanz 1998
Yad Vashem The Holocaust Martyrs' and Heroes' Remembrance Authority
V.i.S.d.P.: AK Widerstand u. Verfolgung im nationalsozialistischen Dithmarschen
David (Dagobert) wurde 1896 in Lübeck geboren, 1909 verließ er Heide,
um in Berlin Kaufmann zu lernen. Später eignete er sich das Handwerk
des Kürschners an und arbeitete in diesem Beruf. Von 1923 bis 1931
lebte er wieder in Heide und arbeitete mit im Geschäft. 1938 verließ er
Deutschland endgültig und lebte in Paris. Er wurde von dort deportiert
und am 11.2.1943 in Auschwitz vergast.
Martha wurde 1906 in Heide geboren und folgte dem Vorbild ihrer
Schwester Frieda. Ab 1923 besuchte sie ein Gymnasium in Berlin. Auch
sie studierte Medizin und arbeitete später in der Praxis ihrer
Schwester. Sie wurde am 19.5.1943 von Berlin nach Theresienstadt
deportiert.
21. August
ab 15.00 Uhr Verlegung der vier Stolpersteine in der
Friedrichstr. 4 durch Gunter Demnig zur Erinnerung an die
Heider Familie Stillschweig
ab 19.00 Uhr Veranstaltung zur Einweihung der Stolpersteine
im Kunsthaus der Brücke Dithmarschen e.V., Neue Anlage 2325 (vom Markt aus: Durchgang zwischen Sparkasse und Optik
Meerwald):
-
Die jüngste Tochter Gertrud kam 1907 in Heide zur Welt. Sie blieb hier
und übernahm nach dem Tode der Mutter den Haushalt und half ihrem
Vater im Betrieb. Auch nach seinem Tode blieb sie zunächst in Heide.
Erst 1937 konnte sie das Haus an den Uhrmacher Jessen verkaufen. Ob
der vereinbarte Kaufpreis von RM 22.000 jemals an sie ausgezahlt
worden ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Gertrud zieht nach
Hamburg und findet Arbeit in der Verwaltung des Israelitischen
Krankenhauses. Sie wurde am 24.3.1943 nach Theresienstadt
deportiert.
Am 12.10.1944 wurden Martha und Gertrud mit einem der letzten
Transporte von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Beide
wurden nach der Ankunft des Transportes am 14.10.1944 ermordet.
Diesen vier Heider Opfern der antisemitischen Vernichtungspolitik des
Nationalsozialismus zu gedenken ist unser Wunsch.
Arbeitskreis Widerstand und Verfolgung im nationalsozialistischen
Dithmarschen
-
Dia-Vortrag von Gunter Demnig zur Entwicklung der
Stolpersteine
Lesung aus dem Buch „Die Stillschweigs“
Rück- und Ausblick des Arbeitskreises Widerstand und
Verfolgung im nationalsozialistischen Dithmarschen
Im August
Übergabe des Buches „Die Stillschweigs“ durch die
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) an alle
Schulen in Heide, gestiftet von Ehrhard Roy Wiehn, der im
Vorwort geschrieben hat:
„Wer Ermordete und Tote durch Erinnern vor dem Vergessen
bewahrt, der rettet mit ihrem Andenken vielleicht sogar mehr
als nur ihre Lebenswelt. Erwin Rehn und Dr. Elisabeth Rehn
ist für diese ungewöhnliche Erinnerungsarbeit herzlich zu
danken; denn was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen
Bibliotheken der Welt gewissermaßen sichergestellt ist, bleibt
nachlesbar und wird vielleicht nicht so schnell vergessen.“
Die Stolpersteine
Die Familie Stillschweig
Menschen sollen in ihrem Alltag über Verfolgte und Opfer des
Faschismus’ stolpern. Die Steine allein haben nur eine begrenzte
Aussage. Sie bekommen ihren Sinn durch die permanente und kritische
Auseinandersetzung mit dem Faschismus und Antisemitismus. Da bald
keine ZeitzeugInnen mehr leben werden, helfen die Stolpersteine Orte
von Verfolgung zu benennen. Zukünftig müssen Bücher wie das Buch „Die
Stillschweigs“ diese Rolle übernehmen.
Marie-Elisabeth Rehn schreibt über die Erinnerungen der Heider an die
Familie Stillschweig : "Mein Vater hat ihn Opa Ziegenbart genannt,
meine Großmutter erinnert sich an die roten Zöpfe der Töchter und an
die herzkranke Frau, die man selten zu Gesicht bekam. 'Der einzige
Jude in Heide', betonen alle, die sich an ihn erinnern... Der Alte sei
irgendwann in den dreißiger Jahren gestorben, die Kinder hätten die
schlimme Zeit überlebt, die seien in Amerika, und es gehe ihnen gut.".
Wir wissen heute, daß diese Legende leider nicht wahr ist. Zwar ist der
alte Samuel 1935 im Alter von 72 Jahren in Heide gestorben. Er ist neben seiner Frau Auguste, geborene Marcus, die schon 1924 gestorben
war - in Friedrichstadt auf dem neuen jüdischen Friedhof beerdigt
worden. Samuel wurde 1862 in Ostrowo in der Provinz Posen geboren,
Auguste 1869 in Walsrode. 1888 heirateten sie und begründeten ihr
Geschäft in der Heider Friedrichstraße 4. Nach dem Versuch, auch in
Lübeck ein Geschäft aufzubauen, kehrten sie nach dreijähriger
Abwesenheit 1898 nach Heide zurück und kauften das Haus in der
Friedrichstraße.
Der erste Sohn Herbert starb im Alter von nur drei Monaten im März
1890 in Heide.
Die älteste Tochter Frieda wurde 1891 in Heide geboren. Sie besuchte wie ihre jüngeren Schwestern - die Höhere Töchterschule, bevor die
Eltern sie 1906 nach Berlin auf ein Gymnasium schickten. Nach dem
Abitur studierte sie Medizin. 1924 heiratete sie und brachte ihren Sohn
Wolfgang Alexander zur Welt. Bis 1938 praktizierte sie als
Nervenärztin in Berlin. Ab 1938 wurde ihr dies als Jüdin verboten. Sie
durfte als 'Krankenbehandlerin' nur noch jüdische Patienten behandeln.
Sie wurde - mit Wolfgang Alexander - am 12.3.1943 deportiert und in
Auschwitz vergast.

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