Ferngespräch
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Ferngespräch
SMAinfo 28 Ferngespräch Industriecomputer steuert neue ESA 35 Meter Deep Space Antenna Foto: Vertex Antennentechnik Im Jahr 2003 wird die Rosetta-Sonde der European Space Agency (ESA) die Erde verlassen und den fernen Kometen Wirtanen ansteuern. Nach etwa 9 Jahren Flugzeit und einer Strecke, die sechsmal der Entfernung zwischen Erde und Sonne entspricht, wird die Sonde den Kometen erforschen. Die gesamte Kommunikation mit der Sonde erfolgt natürlich von der Erde aus und erfordert eine Präzisionsantenne, wie sie bisher noch nie realisiert wurde. Ein wichtiges Teilsystem, die Antennensteuerung ACU8100, wird von der Duisburger Vertex Antennentechnik GmbH mit SMA-CompactPCI-Industriecomputern und dem Betriebssystem VxWorks von Windriver realisiert. Für die Steuerung von Sonden, die tief im Raum operieren, den Empfang der Deep Space Antenna mit 35 Metern Durchmesser in New Norcia tung und die quadratisch zunehmende Dämpfung mit der Entfernung erfordern eine besonders sorgTelemetriedaten für die wissenschaftliche Auswertung und die Beobachtung der Sonde allgemein sind sogenannte TT&C-(Telemetry, Tracking and Control) Antennen notwendig. Für die Rosetta-Mission ist dabei am Ende eine Strecke von 900 Millionen Kilometern (etwa 50 Lichtminuten) zu überbrücken. Es ist auf den ersten Blick klar, dass hierfür auf der Erde eine Antenne notwendig ist, die nicht nur über die erforderliche Sendeleistung und Empfangsempfindlichkeit verfügt, sondern auch sehr präzise ausgerichtet werden muss. Das für eine Raumfahrtsonde beschränkte Gewicht, die daraus resultierende maximal erreichbare Sendeleis2 Die Rosetta-Mission Die Rosetta-Mission (Homepage http://sci.esa.int/rosetta) wurde im November 1993 in das wissenschaftliche Langzeit-Programm der ESA aufgenommen. Hauptziel der Mission ist ein Rendezvous mit dem Kometen 46P/Wirtanen. Auf dem Weg dahin wird die Sonde zwei Asteroiden (Otawara und Siwa) passieren. Nach Erreichen des Kometen wird Rosetta den Kern von Wirtanen sehr detailliert untersuchen. Dazu werden verschiedene Höhenniveaus eingenommen, darunter ein minimales von einem fältige Auslegung der Empfangseinrichtungen auf der Erde. Vor allem aber bringt jeder noch so kleine Ausrichtfehler der Bodenstationsantenne von der optimalen Einstellung große Signalverluste der Antenne mit sich, die die Verbindung von und zur Sonde gefährden. Darüber hinaus muss die Antenne dem fliegenden Objekt folgen, Kilometer. Als Besonderheit wird dann auf dem Kometen ein Landemodul abgesetzt, das als Fracht verschiedene Labore beinhaltet, so zum Beispiel Gasanalyzer, Magnetometer und Strukturecholote. Alle Rosetta-Operationen werden vom ESA Ground Operations Centre (ESOC) in Darmstadt aus durchgeführt. Der vorgesehene Starttermin mit November 2001 SMAinfo 28 triebs- und Nachführsystem nebst der Antenna Control Unit (ACU) 8100 als zentralem Nachführ- und Regelungssystem. reich von weniger als 0,026 Grad (SBand) bis hinunter zu 0,006 Grad im Ka-Band. Da diese Werte alle auftretenden Fehler aus Montage, Verformung, Hochfrequenz und Wind ein- 540 Tonnen drehen im Wind schließen, ist der für die Nachführung und Regelung zulässige Fehler noch viel kleiner. Im westaustralischen New Norcia, etwa 140 km von Perth entfernt, beginnt in diesem Jahr der Bau einer Antenne mit einem Reflektordurchmesser von 35 Metern, die für diese Mission geeignet ist. Diese TT&C-Antenne wird nach ihrer Fertigstellung eine der größten der Welt sein und darf mit Fug und Recht als das Schmuckstück unter den vielen Spezialantennen des European Space Operations Centre (ESOC) bezeichnet werden. Die Antenne wird neben einem voll beweglichen Parabolspiegel über spezielle Sende- und Empfangsgeräte verfügen, die mit bis zu 20 Kilowatt Hochfrequenz-Sendeleistung im S- und XBand (2-GHz- bzw. 8-GHz-Bereich) senden. Das Empfangssystem erfordert eine Tiefsttemperaturkühlung mit flüssigen Gasen. Für spätere Missionen ist darüber hinaus eine Erweiterung für den Empfang im Ka-Band vorgesehen, das in einem Frequenzbereich von 32 GHz liegt. Mechanisch ist die Antenne bereits auf diesen höheren Frequenzbereich vorbereitet. Hauptauftragnehmer und Lieferant der gesamten Antenne einschließlich Hochfrequenzeinrichtung ist SED Systems in Kanada. Vertex Antennentechnik GmbH mit Sitz in Duisburg liefert die gesamte Mechanik der Antenne einschließlich des 35m-Reflektors und das gesamte An- Die Antenne wird eine lichte Höhe von etwa 40 Metern haben. Bei Windgeschwindigkeiten von 45 bis 60 km/h ist es Aufgabe des Servosystems, die etwa 540 Tonnen wiegende Antenne mit Abweichungen zu positionieren, die schwer vorstellbar sind. In Abhängigkeit wiederum vom Frequenzband rangiert der erlaubte Winkelfehler im Be- Für die Erfassung der Position der Antenne werden hochauflösende, optische Drehgeber mit einer Auflösung von 23 Bit der Firma Heidenhain eingesetzt. Diese Absolutwertgeber kommunizieren mit der ACU-Steuereinheit über das serielle Protokoll EnDat. Als Interface Grafik: ESA was ebenfalls besondere Anforderungen an das zugrunde liegende Servosystem stellt. sowie lange Schlafphasen der Sonde während des Fluges. Geplante Termine: Start 12. Januar 2003 MarsGravitationsdurchlauf 26. August 2005 ErdGravitationsdurchlauf 21. November 2005 einer Ariane-5 von Kourou ist für Januar 2003 vorgesehen. Um genügend Energie für den langen Flug zu gewinnen, sind ein Mars- und zwei Erdgravitationsdurchläufe vorgesehen Otawara-Vorbeiflug 11. Juli 2006 Zweiter ErdGravitationsdurchlauf 28. November 2007 Siwa-Vorbeiflug 24. Juli 2008 Rendezvous-Manöver 29. November 2011 3 SMAinfo 28 Grafik: Heidenhain Das EnDat-Protokoll Durch die serielle Datenübertragung sind 4 Signalleitungen ausreichend. Die Auswahl der Übertragung (Positionswerte oder Parameter) erfolgt mit Mode-Befehlen, welche die FolgeElektronik an das Messgerät sendet. Die Daten werden synchron zu dem von der Folge-Elektronik vorgegebenen Taktsignal CLOCK übertragen. Für den Anschluss an die ACU8100 wird der SMA-Kommunikationsslave CICP verwendet, der mit speziellen Piggy-Backs ausgerüstet ist und in seiner Firmware neben verschiedenen anderen seriellen Protokollen auch das EnDat-Protokoll implementiert hat. Einige der Vorteile eines solchen intelligenten Drehgebers sind zum Beispiel die hohe Systemsicherheit durch Alarme und Warnmeldungen, die zur Überwachung und Diagnose in der Folge-Elektronik auswertbar sind. Dazu sind keine zusätzlichen Leitungen zu diesen Drehgebern wird der serielle Kommunikationsprozessor CICP von SMA eingesetzt, der das EnDat-Protokoll ohne Belastung der Haupt-CPU durchführt. Die ACU operiert in Echtzeit und ist für alle Servoaufgaben verantwortlich. Dies beinhaltet die Positionserfassung, die Regelkreise mit den unterlagerten Servoverstärkern, die Kommunikation mit dem übergeordneten Stationsrechner sowie weiteren Assistenzsystemen, wie zum Beispiel einer speicherprogrammierten Steuerung, die als unterlagerte Ebene die Fahrbewegungen der Antenne sicherheitstechnisch überwacht. Für die Information des Bodenpersonals, zum Beispiel bei Inbetriebnahme oder Wartung, verfügt die ACU über einen 6,4-Zoll-LCD-Farbschirm mit Toucheingabe. Echtzeit Die Lösung der obigen Aufgaben in Echtzeit erforderte die Auswahl eines leistungsfähigen Echtzeitbetriebssystems. Die Wahl fiel auf VxWorks von 4 notwendig. Auch die hohe Übertragungssicherheit durch einen CyclicRedundancy Check ist erwähnenswert. Zusätzlich zu den codierten Sig- nalen werden zur Redundanz auch noch die inkrementellen Signale ausgegeben. Aus dem Blockschaltbild wird der Aufbau deutlich. Windriver. Der verwendete Industriecomputer vom Typ SMA CompactMAX bootet dabei das Betriebssystem und die Applikation aus einer Silicondisk heraus, da auf den Einsatz eines rotierenden Massenspeichers zur Erhöhung der Langzeitstabilität verzichtet wurde. Der CompactMAX ist mit einem Pentium III/500 ausgestattet und erlaubt variable Zykluszeiten für die verschiedenen Tasks, die z. T. weniger als eine Millisekunde betragen. Für die Vielzahl der Kommunikationsschnittstellen, wie Ethernet, Feldbus, Zeitsynchronisation und Positionserfassung sowie die grafische Darstellung auf dem Touchpanel, waren außerdem umfangreiche CodeImplementationen notwendig, die standardmäßig so noch nicht von VxWorks unterstützt werden. Das Ergebnis ist ein stabiles Gesamtsystem, das frei von jeglichem überraschenden Zeitverhalten ist. Notwendigkeiten bei der Rechnerauswahl. Ausgehend von einem Planungsstart in 1998 und dem Baubeginn der Antenne in diesem Jahr sind vor allem der Starttermin und die Flugdauer der Sonde wichtig. Wenn die Rosetta-Sonde etwa im Jahre 2012/2013 den Kometen erreicht, sind die Industriecomputer zur Steuerung der Antenne schon in Ehren ergraut. Es ist daher im wahrsten Sinne des Wortes „mission critical“, dass die verwendeten Komponenten nicht nur eine lange Lebensdauer, sondern auch eine ebensolche Langzeitverfügbarkeit haben. Für diese Deep Space Antenna wurde daher als Bussystem der CompactPCI-Bus ausgewählt. Bei dieser neuen Technologie, die einen internationalen Standard für 3HE-Industriecomputer darstellt, kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch noch dann Ersatzteile verfügbar sind, wenn neben der Rosetta auch weitere Missionen erfolgreich beendet worden sind. Langzeit Neben den vielen Besonderheiten der Antenne und des Projektes führt die lange Laufzeit der Mission zu einigen Klaus Willmeroth, Vertex Wolfgang K. Weber S November 2001