Zustrom
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8 / DIE PROFIS / FRANCO FODA / THEMA Text: Peter Wagner / Mitarbeit: Philipp Braunegger, Fabian Zerche / Fotos: GEPA pictures DER BAUMEISTER Die zweite Ära als Sturm-Cheftrainer hat für Franco Foda vor allem eine Konstante: Fast jährlich läuft ihm im Sommer das halbe Team davon. Acht Spieler waren es im vergangen Transferfenster – dem sportlichen Erfolg tut der personelle Aderlass aber keinen Abbruch. Das SturmEcho auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis. Die Masche wird wohl bleiben. Aber was heißt schon Masche. Das Understatement gehört bei Franco Foda dazu, auch in seiner insgesamt sechsten Saison als Cheftrainer. Tief stapeln, erfolgreich bauen. Die Rhetorik und sein Auftreten bilden ihm jenen Schutzschild, jenen Helm, der ihm gut zu Gesicht steht. Kühl und unnahbar, ja, deutsch, wirkt er immer noch, trotz der 13 Jahre, die er bereits in Graz ist. Das Deutsche, es ist eine viel zitierte Einschätzung. Die Gründlichkeit schließt direkt daran an, aber so deutsch ist er gar nicht. Im gebürtigen Mainzer steckt auch ein Venezianer, der Vater kommt aus der italienischen Lagunenstadt, lediglich die Mutter ist aus Deutschland. Vielleicht ist es eine Mischung der stereotypen Eigenschaften, die man den Völkern zuschreibt, die ihn so erfolgreich macht; die akribische Arbeit bei jedem Training und gleichzeitig die Leidenschaft, das Temperament aus dem Süden. Gerade ist er Italiener. Denn er ist wieder einmal zur Statue erstarrt. Jetzt in diesem Moment, in dem der Ärger äußerlich vorbei und nicht mehr hörbar ist, das Feuer aber innerlich noch lichterloh brennen dürfte. „Gordon!“, hatte er wenige Sekunden zuvor seinem kroatischen Innenverteidiger auf 20 Meter Entfernung entgegengeschrien, in einer Lautstärke, dass der Wutausbruch noch Stunden später in der fernen, altehrwürdigen Gruabn hörbar sein könnte. Schildenfeld war ihm etwas zu lasch auf das Spielfeld getrabt, nachdem dieser die letzten Minuten an der Outlinie behandelt werden musste. Eine leichte Mutmaßung Aber wer will ihm Emotion verdenken, heute an diesem Samstagabend. Der Erste spielt gegen den Zweiten, es geht um den lang ersehnten vierten Heimsieg der Saison nach zwei Niederlagen in Folge in der UPC-Arena. Und doch war am Ende alle Aufregung umsonst. Szabics und Kienast treffen und der Überraschungsaufsteiger Innsbruck ist in die Schranken gewiesen. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“, hallt es durchs Liebenauer Rund. Etwas mehr als ein Drittel der Meisterschaftssaison 2010/2011 ist gespielt und Sturm lacht von der Tabellenspitze. In Salzburg vermissen sie die Tore von Marc Janko und die genialen Momente von Somen Tchoyi, bei Rapid trauert Peter Pacult noch immer Branko Boskovic nach. Bei Sturm hat man es einfach wieder einmal geschafft, ganz ohne Vermissen und Nachtrauern. Auch ganz ohne rhetorische Fragen wie die Kinderfigur Bob hat der Baumeister Foda innerhalb kürzester Zeit eine Mannschaft geformt, die trotz zahlreicher namhafter Abgänge im Sommer oben mitspielen kann. Natürlich nicht ohne tiefzustapeln. „Es wird keine leichte Saison“, hatte er vor dem Auftaktspiel in Ried gemutmaßt. Zu viele Spieler habe man im Sommer ziehen lassen müssen. Acht an der Zahl genau. Die Zwillinge Daniel Beichler und Jakob Jantscher, Peter Hlinka, Mario Sonnleitner, Fabian Lamotte, Ilia Kandelaki, Christian Prawda und Klemen Lavric. Jeder hatte seinen Platz im Team, die meisten spielten regelmäßig. Vor allem die kreativen Beichler und Jantscher sowie Lavric hinterließen eine Lücke, deren Schließung sich nicht alle sicher waren. Zu nah waren die Erinnerungen an die Europa LeagueGruppenphase, wo die beiden Youngsters auftrumpften, noch näher die Erinnerungen an die Tore, die der Slowene zum Cupsieg beigetragen hatte. Die Spieler flüchten, der Trainer bleibt Dabei hätten noch etwas weiter zurückliegende Gedanken beruhigend wirken können. Immer wieder musste Franco Foda in den letzten Jahren eine Vielzahl von Spielern abgeben. Als im Sommer 2007 14 Spieler wie Christoph Leitgeb, Bojan Filipovic, Frank Verlaat oder Grzegorz Szamotulski den Verein verließen, wurde man mit einer begeistert aufspielenden jungen Mannschaft Winterkönig. Eine junge Mannschaft, deren THEMA / FRANCO FODA / DIE PROFIS / 9 Seitenwechsel Trotz oder gerade wegen des Cupsiegs verließen im Sommer wieder etliche gute Spieler, die durchaus dem Stamm der Profis zugerechnet werden konnten, den SK Sturm. Diese Tatsache überrascht niemanden mehr, weil sich dieses Szenario fast alljährlich wiederholt. Zugegebenermaßen gehört es zum Fußballzirkus dazu gehört, dass in jeder Transferzeit viele Spieler den Verein wechseln, aber bei Sturm herrscht diesbezüglich eine auffällige Regelmäßigkeit. Franco Foda wird zu Recht dafür bewundert, dass er es jedes Jahr schafft, das Team an so vielen Positionen mit neuen Spielern zu besetzen und immer im oberen Tabellendrittel zu sein. Aber wirklich ernsthaft um den Titel mitzuspielen, ist unter diesen Voraussetzungen schwer. Ivica Osim war davon überzeugt, dass die Fans die Aufstellung der Mannschaft jederzeit auswendig aufsagen können müssen. Zwar wurde auch zu seiner Zeit fleißig am Transfermarkt nach Verstärkungen gesucht, aber ein Stamm von sechs, sieben Spielern war über viele Jahre unverändert geblieben. Ein Stamm von Spielern, die sich jede Saison ihren Platz gegen die Neuerwerbungen behaupten mussten und deshalb auch zu den absoluten Leistungsträgern zählten. Das hat sich leider geändert, dafür weist der Profikader heute einen hohen Anteil an jungen Talenten auf, die ständig aus der Akademie nachrücken. Ich habe mittlerweile in meiner neuen Funktion als Jugendleiter und Akademie-Spartentrainer einen Einblick in die Nachwuchsarbeit erhalten und es überrascht mich nicht, dass bei Sturm so viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in den Profifußball schaffen. Es sind auch sie, die dafür sorgen, dass Franco Foda die vielen Abgänge jede Saison recht locker verschmerzen kann. Gilbert Prilasnig spielte von 1991 bis 2001 für Sturm und war Teil der so erfolgreichen Mannschaft unter Ivica Osim. Heute leitet er die Sturm-Jugendabteilung. DAS DEUTSCHE AN FRANCO FODA: TRAININGS WERDEN AKRIBISCH VORBEREITET UND KONZENTRIERT GELEITET Schlüsselspieler im Sommer 2008 wiederum beinahe vollständig das Weite suchten. Jürgen Säumel, Sebastian Prödl, Mark Prettenthaler, Klaus Salmutter und Thomas Krammer fanden allesamt eine neue Herausforderung, dennoch führte Foda Sturm auch zum Ende der Saison 2008/2009 auf einen Europa- Leauge-Startplatz. Manch ein Trainer würde verzweifeln, andere würden sich der Wechselfreudigkeit ihrer Spieler anschließen, und selbst eine neue Herausforderung suchen. Vor allem dann, wenn man selbst so inflationär oft mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht wird wie der 44-Jährige. Bochum, Kaiserslautern, sogar beim österreichischen Nationalteam soll Foda in der Vergangenheit Kandidat auf den vakanten Trainerposten gewesen sein. Foda blieb in Graz. „Wenn man Trainer bei Sturm ist, muss man immer wieder mit Abgängen rechnen“, sieht er den Verlust von Spielern realistisch. Und ergänzt: „In Salzburg muss man Meister werden, bei Sturm ist es eben die Herausforderung, immer wieder eine neue Mannschaft aufbauen zu müssen.“ Nüchterne Worte, die man nach dem 16. Mai 2010 nicht mehr unbedingt erwarten konnte. Ein Duo für die Dreifaltigkeit Ein Titel. Mehr war es nicht, das sich Franco Foda in den letzten Jahren wünschte. Mitte Mai wurde es in Klagenfurt Realität. Und THEMA / FRANCO FODA / DIE PROFIS / 11 Fodas erfolgreiche Arbeit in Graz. Das auch sonst in Interviews so selten verwendete „ich“ weicht nämlich endgültig, wenn man Sturms Cheftrainer auf Transfers anspricht. Dann gibt es nur mehr ein „wir“, das wir des Duos Foda/Kreuzer. Gibt es in anderen Vereinen einen Sportdirektor, der seinem Coach Spieler hinstellt ohne dessen Meinung einzuholen, so ist es bei Sturm von mehreren Personen und auch Faktoren abhängig, ob man sich das schwarz-weiße Trikot anziehen darf oder nicht. TRANSFERS DER 2. ÄRA FODA 2006/07, 7. Platz (ohne Punktabzug 4.) Sommer 2006: Dospel, Prettenthaler, Prödl* Neukirchner, Ertl Frühjahr 2007: Kampa, Lamotte, Haas Dospel Das Sinnbild der Linksverteidigersuche „Es ist ein gemeinsamer Prozess von Oliver Kreuzer und mir, natürlich immer in Verbindung mit dem Präsidium“, sagt Foda. Eine Prozess der Teamarbeit, der bereits sehr früh beginnt. „Wir wissen ja, welche Verträge auslaufen“, erklärt er und merkt an: „Die Arbeit für nächstes Jahr etwa hat bereits begonnen.“ Dass die Suche nach Neuzugängen früh beginnt, macht aber eben nicht nur aufgrund der zu erwartenden Abgänge Sinn, auch aufgrund der dreifaltigen Kriterien. „Ein neuer Spieler muss finanziell, sportlich und menschlich zu uns passen“, erklärt der Cheftrainer. Kriterien, die am besten an einem konkreten Beispiel festgemacht werden können, und noch besser an einem, das dem so erfolgreichen Duo jede Menge Kritik einbrachte. auch wenn sein Vertrag schon damals eine Laufzeit bis 2012 hatte, ganz sicher war man sich nicht, ob er nicht doch den Hans Rinner machen würde, der wenige Wochen zuvor von einer „erfüllten Mission“ sprach, und den Verein verließ. Das oft erwähnte „gute Angebot, etwa aus der deutschen Bundesliga“ kam aber nicht, und mittlerweile wird man das Gefühl nicht los, dass es ein anderer Titel war, von dem er in den letzten Jahren immer sprach. „Dafür muss in einer Saison alles passen“, sagt Oliver Kreuzer auf diesen möglichen Meistertitel angesprochen, „vor allem die Konkurrenz muss schwächeln.“ Jener Kreuzer, der seit 2008 als Sportlicher Leiter bei Sturm ist. Er ist ein wichtiger Baustein für Als im Sommer Christian Prawda aus heiterem Himmel nicht mehr Profifußballer sein wollte und Ilia Kandelaki nicht mehr leistbar war, stand Sturm vor einem Problem. Das monatelange Tauziehen um einen geeigneten zweiten Linksverteidiger begann. Mit Prawda hatte man eigentlich vorgebaut, Dominik Pürcher war aus Hartberg zurück, aber jetzt fehlte der zweite Mann für die Position. Es ist der Moment, in dem sich die sportliche Führung ihrer Kriterien besinnt. Die Nummer eins: Der Spieler soll sportlich zum Verein passen. Hier geht es nicht um ein System, wie Foda deutlich macht, die schwarz-weiße Spielphilosophie sei entscheidend. Die ist natürlich noch immer die gleiche wie schon in der Ära Osim: Man will Fußball spielen, schnell, attraktiv und direkt. 2007/2008, 4. Platz Sommer 2007: Muratovic, Stankovic, Schicklgruber, Kobras, Sonnleitner, Shashiashvilli, Jantscher*, Beichler*, Kröpfl* Szamotulski, Kampa, Sarac, Ledwon, Filipovic, Nzuzi, Leitgeb, Mörec, Rabihou, Rottensteiner, Verlaat, Rauter, Tsimba, G. Säumel 2008/2009, 4. Platz Sommer 2008: Hlinka, Hölzl, Feldhofer, Sereinig, Scherrer, Kandelaki, Prutsch*, S. Foda* Prettenthaler, Salmutter, Krammer, Lindschinger, J. Säumel, Prödl Frühjahr 2009: Baotic, Hassler, Klem*, Kaufmann* Stankovic, Schicklgruber 2009/2010, 4. Platz Sommer 2009: Prettenthaler, Kropfhofer*, Lavric, Bukva, Ehrenreich, Weber, Lukse, Schildenfeld Sereinig, Baotic, Kobras, Suppan, Shashiashvili, Kröpfl Frühjahr 2010: Weinberger*, Prawda, Kienast, Salmutter Prettenthaler 2010/2011 Vom faulen Apfel Ronald Gercaliu wäre so ein spielender Fußballer gewesen. Schon im Juni sah alles nach der zweiten Rückkehr des ehemaligen Nationalspielers aus. Er war einst aus der Sturm-Akademie zu den Profis aufgestiegen und hätte mit seinen technischen Fähigkeiten und seiner Spielintelligenz genau in das sportliche Anforderungssche- Sommer 2010: Szabics, Cavlina, Burgstaller, Standfest, Bartosch*, Kainz*, Mevoungou, Perthel, Pürcher* Kandelaki, Sonnleitner, Hlinka, Kropfhofer, Lamotte, Lavric, Jantscher, Beichler, Prawda * von den Sturm-Amateuren 12 / DIE PROFIS / FRANCO FODA / THEMA ma gepasst. Auch das zweite Kriterium für einen potentiellen Neuzugang hätte der heutige Ingolstädter erfüllt – die menschliche Seite. „Ein fauler Apfel kann nämlich die komplette Mannschaft verderben“, betont Foda und bezieht sich dabei auf die SturmFamilie. Ein zufriedenes Lächeln kommt ihm sogar aus, als er von der positiven Stimmung im Team erzählt. „Neue Spieler haben oft das Gefühl, als wären sie schon jahrelang hier. Das führt zu schneller Integration.“ Also versucht man diesen Aspekt zu steuern, indem man Spieler aussucht, die sich ins Team einfügen können. Wie das bei fremden Spielern aussehen kann, weiß Oliver Kreuzer. Bei Spielern, die man nicht aus der österreichischen Bundesliga oder von früheren gemeinsamen Tagen kennt, gehe es vor allem um Netzwerke. So war das zum Beispiel auch bei Gordon Schildenfeld. Slaven Bilic, einst Kreuzers Nachfolger als Manndecker bei Karlsruhe und heute Kroatiens Teamchef kannte den Innenverteidiger. Von ihm kam die Empfehlung, die schließlich zum Transfer führte. Der Rest ist Erfolgsgeschichte. Schildenfeld verkörpert aber nicht nur ein funktionierendes Netzwerk, sondern auch jene Spielertypen, von denen Sturm neben den eigenen Nachwuchsleuten lebt: Die Gefallenen. Immer wieder konnte man Spieler, die bei ihren Vereinen unglücklich waren und deren Karriere gerade am Stocken war, wieder aufbauen. Das galt für Lavric und Hlinka, und gilt heute für Imre Szabics. „Es braucht besondere Umstände, damit Spieler mit dieser Qualität zu uns nach Graz kommen. Lavric wollte heim nach Europa, Szabics ähnlich wie Hlinka endlich wieder spielen“, sagt Kreuzer. Nur selten fanden in der Vergangenheit begehrte Spieler wie Manuel Weber den Weg zu Sturm. Silvestre bringt Perthel Aber weiter zu Kriterium drei und zurück zu Ronald Gercaliu. Der Transfer scheiterte schließlich am Finanziellen, wie so oft. Neuer Linksverteidiger wurde Timo Perthel. Warum der Transfer so spät, nämlich erst knapp vor Transferschluss und schon mitten in der Bundesliga-Saison fixiert wurde, verwundert noch immer. „Bevor wir einen holen, der nicht dazu passt, lassen wir es lieber sein“, stellt Foda rückblickend klar und meint damit die vielen Testkandidaten wie Dennis Cagara oder Andrej Pecnik. Perthel wurde es dann auch aufgrund eines alternden Weltklassespielers. Werder Bremen verpflichtete Mikael Silvestre und der Werder-Amateur war plötzlich verfügbar. Der gebürtige Kaiserslauterer ist mit seinen 21 Jahren nicht alt, andererseits ist er nur für ein Jahr ausgeliehen und ein Ausländer. Und so ist die Geschichte von Sturms neuem Linksverteidiger nicht nur für die dreifaltigen Kriterien für neue Spieler ein Sinnbild, sondern auch für eine der negativen Seiten der Spielerfluktuation der letzten Jahre. Franco Foda macht das gerne. „Nein“, antwortet er mit einem freundlich, abwiegenden Unterton oft, auch wenn die Antwort gar nicht passt. Es ist ein Unterton, der zusammen mit diesen vier Buchstaben seinen Zuhörern gleich das Gefühl gibt, dass einem dieser Mann alles erzählen kann, man wird es ihm glauben. Bei dieser Frage ist es gerade wieder passiert. „Nein“, sagt er, „es ist halt wichtig, dass wir immer wieder Junge aus dem eigenen Nachwuchs ins Team bringen.“ Kainz und Klem seien solche Spieler und außerdem gäbe es ja noch Mario Haas. Richtig, es geht um die Identifikation der Fans mit einem Team, das man jedes Jahr neu lieben lernen muss. Auch das sieht Foda realistisch, denn wenn Salzburg mit Geld lockt oder das Ausland ruft, dann werde Sturm eben den Kürzeren ziehen. Doch nicht alles sieht er so kühl. „Es ist schade, wenn Spieler keine Geduld haben“, ergänzt er und bezieht sich damit auf zwei ehemalige Schützlinge, deren Abgänge ihm vorgehalten wurden: Leonhard Kaufmann und Christoph Kröpfl. Die beiden K&K-Jungduos Nach sieben bzw. sechs Einsätzen in der Bundesliga versuchte sich Kaufmann bei Austria Kärnten und Kröpfl bei Red Bull Salzburg. Ihr Talent und ihre Fähigkeiten sind unbestritten, der große Durchbruch blieb ihnen bis heute verwehrt, auch bei ihren neuen Arbeitgebern LASK Linz bzw. Kapfenberg. „Leitgeb, Beichler oder Jantscher haben am Anfang auch nicht immer gespielt“, erklärt Foda, „aber sie haben ihre Chance immer wieder bekommen.“ Es gehört auch zur Philosophie des Franco Foda, junge Spieler behutsam an das Profitum heranzuführen. Zu viel breche auf sie herein, sagt Foda, und bringt als Beispiel das Startformationsdebüt FODA, DER ITALIENER: AUCH EMOTION UND LEIDENSCHAFT ZEICHNEN DEN 44-JÄHRIGEN AUS THEMA / FRANCO FODA / DIE PROFIS / 13 HANDELN NACH DEM ÖKONOMISCHEN PRINZIP Auch Oliver Kreuzer wollte es nicht. Ein personeller Aderlass wie diesen Sommer soll in Zukunft nicht mehr vorkommen. Der Sportliche Leiter über bevorstehende Vertragsverhandlungen, teure Erfolge und sein Verständnis für kritische Sturm-Fans. Oliver Kreuzer, Sturm ist trotz einiger Abgänge gut gestartet. Überrascht Sie das? Nach dem großen Aderlass im Sommer konnte man nicht unbedingt davon ausgehen, dass wir nach einem Drittel der Saison auf Platz eins stehen. Wir konnten die neuen Spieler sportlich und menschlich aber relativ schnell integrieren, sodass auch gewisse Automatismen rasch verinnerlicht wurden und sich Mannschaftsgeist sowie Teamspirit schnell entwickelt haben. Kurz gesagt sind wir mit dem Start natürlich sehr zufrieden. Sie sagten einst, drei von fünf Neuzugängen sollten einschlagen. Wurde die Quote heuer erfüllt? Nicht drei von fünf, ich sagte, wenn man fünf oder mehr neue Spieler bekommt, kann es sein, dass nicht alle Volltreffer sind. Trotzdem sind wir mit unseren Neuzugängen mehr als zufrieden. Ich bin etwa der Meinung, dass wir derzeit das beste Sturmduo der Liga haben. Im Sommer 2011 laufen einige Verträge aus – welche wollen Sie verlängern? Es wird immer kleine Änderungen geben, aber im Grunde wollen wir den Kader halten. Gratzei, Weber und Pürcher haben bereits Angebote vorliegen, weitere werden folgen. Klem und Kainz konnten wir für drei bzw. vier Jahre verlängern. Warum scheitert es oft am Finanziellen, wenn man Leistungsträger längerfristig binden will? Der Konkurs und der Zwangsausgleich liegen nicht weit zurück. In dieser Zeit hat sich der Verein sehr schnell an der Ligaspitze etabliert, national sowie internationale Erfolge gefeiert. Das alles aufgrund herausragender Leistungen der Spieler, was natürlich Begehrlichkeiten weckt. Bei jedem Heimspiel sitzen Scouts auf der Tribüne. Dadurch stehen die Spieler schnell in den Notizblöcken der Spielbeobachter. Läuft der Vertrag dann noch aus und ein Verein aus dem Ausland zeigt Interresse, beginnt der finanzielle und sportliche Konkurrenzkampf, bei dem uns leider Grenzen gesetzt sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein erfolgreiches Team nicht billiger wird. Also kann man nur noch versuchen vor Auslaufen des Vertrages eine Ablöse zu lukrieren. Sollte sich abzeichnen, dass es zu keiner Einigung bzw. Vertragsverlängerung kommt, muss es das Ziel sein, für den Spieler eine angemessene Transfersumme zu erhalten. Das war etwa bei Jantscher und Beichler der Fall. Hätten wir die beiden dieses Jahr nicht verkauft, hätten wir nächstes Jahr keinen Cent gesehen und das darf uns bei Eigenbauspielern nicht passieren. Sturm versuchte zuletzt vergeblich Spieler wie Georg Margreitter zu holen. Ist es für Sie ernüchternd, wenn man aus finanziellen Gründen nicht zuschlagen kann? Der Spaß an der Arbeit hängt nicht vom Budget ab. Es ist die Herausforderung jedes Jahr mit den gegebenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen. An Magreitter waren wir sehr interressiert, er hat sich aber schnell für die Austria entschieden. So ist das Geschäft, zumal wir mit Burgstaller einen gleichwertigen Spieler für die Position verpflichtet haben. Für Magreitter hätte aber natürlich sein Alter gesprochen. Wie sieht die finanzielle Situation eigentlich derzeit aus? Durch die Transfers von Beichler und Jantscher ist unser Budget gut ausbalanciert. Da wir dieses immer ohne Transfer- oder Europacupeinnahmen erstellen, werden wir auch die Saison 2011/12 wieder nach vorhandenen Möglichkeiten planen. Hier gilt das ökonomische Prinzip, nur auszugeben, was auch eingenommen wird. Die Fans sehen nicht gern, wenn als zweiter Tormann ein älterer Ausländer geholt wird. Haben Sie dafür Verständnis? Absolut. Wichtig war, dass wir keine Nummer zwei wollten, sondern eine 1b. Die verfügbaren Österreicher waren zu teuer und dann kommt man schnell auf einen Cavlina. Er hat seine Klasse in Linz bewiesen, wo er lange Stammkeeper war. Mit Bartosch und Schachner haben wir zwei Talente bei den Amateuren – das Risiko mit ihnen als Backup war uns aber zu groß. Wir werden sehen, wie sie sich entwickeln. Ich verstehe aber die Fans, weil sie sich mit „eigenen“ Spielern mehr identifizieren. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft immer zuerst im „Hause“ umschauen, bevor ein externer Spieler kommt. 14 / DIE PROFIS / FRANCO FODA / THEMA des 17-jährigen Florian Kainz im Heimspiel gegen Juventus. „Er hat ein für ihn normales Spiel gemacht, aber die Medien haben sich auf ihn gestürzt.“ Nicht umsonst empfahl er seinem Youngster möglichst wenige Interviews zu geben. Auch Kainz saß bald wieder nur auf der Ersatzbank, die Leistungen seien eben noch nicht konstant bei den Jungen. Christian Klem geht es ähnlich. Der Jugend-Teamspieler vertraut ebenso wie Kainz der Strategie seines Trainers. Das neue K&K-Jungduo hat ihre Verträge in Graz verlängert. Wenn die Spielkultur der Effizienz weicht Kainz und Klem haben aber auch eine andere Philosophie von Foda in ihrem Spiel verinnerlicht, den attraktiven Fußball, das schnelle, direkte Spiel, das Sturm jahrelang auszeichnete. Seit der vergangenen Saison scheint es aber etwas ins Hintertreffen geraten zu sein. Sturm ist derzeit so effizient wie noch nie unter Foda, gleichzeitig war Sturm jahrelang schöner anzusehen. „Unsere Spiekultur ist keine andere“, sagt Foda trotzdem. Und wie ist dann der Spielstil im Vorjahr unter Klemen Lavric zu erklären? „Lavric war ein Strafraumstürmer, der für Kombinationsfußball, für den wir berühmt waren, nicht unbedingt geeignet war. Wenn Lavric im Team ist, musst man so agieren, dass er im Spiel seine Stärken ausleben kann.“ Auch das gelang Foda, Lavric war einer der Schlüsselspieler auf dem Weg ins Cupfinale und erzielte dort sogar das entscheidende Tor. Doch auch ohne Lavric und mit dem gut harmonierenden neuen Sturmduo Kienast/Szabics bleibt das weniger attraktivere Spiel. Klagen auf hohem Niveau, dem Foda aber einen Erklärungsansatz gegenüberstellen kann: „Wenn man immer wieder die besten Kreativspieler verliert, dann muss man diese Spielkultur wieder entwickeln. Das geht nicht von heute auf morgen.“ Die Geschichte wiederholt sich. Schon wieder. Auch im nächsten Jahr laufen einige Veträge von wichtigen Spielern aus. Zwölf sind es insgesamt. Bartosch, Ehrenreich, Feldhofer, Gratzei, Haas, Hassler, Kienzl, Mevoungou, Muratovic, Perthel, Pürcher und Weber. Auch von ihnen hat jeder seinen Platz in der Mannschaft, auch von ihnen kommt der Großteil regelmäßig zum Einsatz. „Alle Spieler, von denen wir überzeugt sind, werden wir versuchen zu halten“, sagt Foda. Wie wichtig es wäre, im nächsten Sommer nicht den nächsten großen personellen Aderlass hinnehmen zu müssen, zeigt das vergangene Jahr. Im Sommer 2009 verließ mit Shashiashvilli nur ein Stammspieler den Verein, im Gegenzug kamen Spieler wie Lavric, Bukva, Weber oder Schildenfeld. Prompt erreichte man in der Saison 2009/10 die Gruppenphase der Europa League und holte den Cup. Das lässt Foda 13 Jahre zurückdenken: „Als ich zu Sturm kam, war das Erfolgsgeheimnis der Mannschaft Kontinuität.“ Heute ist auch er es. Vielleicht hat Foda ja das Glück, dass er auch als Trainer diese Kontinuität erleben darf. Und vielleicht könnte man dann zum ganz großen Wurf ausholen. Träumen tut er zumindest schon wieder, von einem weiteren Titel bis zu seinem Vertragsende 2012. Und auch wenn er den Meistertitel nicht direkt anspricht: Was soll er sonst meinen? Aber natürlich, reden würde er konkret nicht davon. Würde auch nicht passen. Nicht zu seiner Masche. Nein, nicht das Understatement, seine Masche ist vielmehr realistisch zu bleiben. Und vielleicht ist auch genau das sein Erfolgsgeheimnis. Deutscher hin, Italiener her. Mehr zum Themenschwerpunkt: „Helden braucht das Volk“ » S. 38 „Wir hatten einen richtig guten Lauf“ » S. 50 VIER NEUE BAUSTEINE Joachim Standfest „Ich habe hier die Freude am Kicken wiedergefunden. Bei der Austria ist man Berufsfußballer, kommt zum Training und geht wieder. Statt kühlem Konkurrenzdenken um das Stammleiberl, gibt es bei Sturm echte Freundschaft untereinander.“ Standfest hat schon einige Trainer erlebt, Foda unterscheidet sich von diesen vor allem in seiner Akribie. „Wenn ihm was nicht passt, macht er dir das unmissverständlich klar. Außerdem sind die Einheiten intensiver als bei meinen bisherigen Stationen. Aber das zahlt sich aus.“ Silvije Cavlina „Franco Foda ist ein Profi was taktische Einstellungen betrifft. Zum Fußball gehört eben auch die Spielweise, nicht nur das schöne Spiel.“ Der Kroate, der zuvor beim LASK zwischen den Pfosten stand, hat schon vor seinem Wechsel an die Mur vom „Sturm-Geist“ gehört. „Den gibt es wirklich! Der Grund wieso wir so gut in die Saison gestartet sind, ist unter anderem sicher auch das Klima innerhalb unserer Mannschaft.“ Was genau dieses so besonders macht? „Das weiß ich auch nicht. Man fühlt sich einfach wohl.“ Thomas Burgstaller Der Mann, der aus Ried zu den Blackies stieß, schätzt das Training von Franco Foda: „Der Trainer bereitet nicht nur die Spiele, sondern auch die Trainingseinheiten sehr professionell vor. Man merkt bei den Übungen, dass alles sehr durchdacht ist.“ Vom Mannschaftsklima ist er ebenso begeistert: „Jeder zieht mit. Vom guten Zusammenhalt kann ja bald ein Spieler reden, hier ist es aber keine leere Floskel. Es gibt keine Stinkstiefel im Team, wir pushen uns gegenseitig.“ Timo Perthel „Alle hier sind sehr positiv eingestellt, sowohl auf als auch abseits des Platzes. Von diesem lockeren, aber trotzdem immer professionellen Klima profitiert der ganze Verein enorm.“ Auch von der Arbeit seines neuen Übungsleiters weiß der Deutsche nur Gutes zu berichten: „Man sieht ja wie viele junge Spieler er zu Leistungsträgern und Teamspielern formt. Es ist beeindruckend wie Franco Foda aus dem gegenwärtigen Personal immer das Maximum rausholt. Ich hoffe, dass auch ich von dieser Arbeit profitieren kann.“