Zustrom

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Zustrom
8 / DIE PROFIS / FRANCO FODA / THEMA
Text: Peter Wagner / Mitarbeit: Philipp Braunegger, Fabian Zerche / Fotos: GEPA pictures
DER BAUMEISTER
Die zweite Ära als Sturm-Cheftrainer hat für Franco Foda vor allem eine Konstante:
Fast jährlich läuft ihm im Sommer das halbe Team davon. Acht Spieler waren es
im vergangen Transferfenster – dem sportlichen Erfolg tut der personelle Aderlass
aber keinen Abbruch. Das SturmEcho auf der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis.
Die Masche wird wohl bleiben. Aber was
heißt schon Masche. Das Understatement gehört bei Franco Foda dazu, auch
in seiner insgesamt sechsten Saison als
Cheftrainer. Tief stapeln, erfolgreich bauen. Die Rhetorik und sein Auftreten bilden
ihm jenen Schutzschild, jenen Helm, der
ihm gut zu Gesicht steht. Kühl und unnahbar, ja, deutsch, wirkt er immer noch,
trotz der 13 Jahre, die er bereits in Graz
ist. Das Deutsche, es ist eine viel zitierte
Einschätzung. Die Gründlichkeit schließt
direkt daran an, aber so deutsch ist er gar
nicht. Im gebürtigen Mainzer steckt auch
ein Venezianer, der Vater kommt aus der
italienischen Lagunenstadt, lediglich die
Mutter ist aus Deutschland. Vielleicht
ist es eine Mischung der stereotypen
Eigenschaften, die man den Völkern zuschreibt, die ihn so erfolgreich macht; die
akribische Arbeit bei jedem Training und
gleichzeitig die Leidenschaft, das Temperament aus dem Süden.
Gerade ist er Italiener. Denn er ist wieder
einmal zur Statue erstarrt. Jetzt in diesem
Moment, in dem der Ärger äußerlich vorbei und nicht mehr hörbar ist, das Feuer
aber innerlich noch lichterloh brennen
dürfte. „Gordon!“, hatte er wenige Sekunden zuvor seinem kroatischen Innenverteidiger auf 20 Meter Entfernung entgegengeschrien, in einer Lautstärke, dass
der Wutausbruch noch Stunden später
in der fernen, altehrwürdigen Gruabn
hörbar sein könnte. Schildenfeld war ihm
etwas zu lasch auf das Spielfeld getrabt,
nachdem dieser die letzten Minuten an
der Outlinie behandelt werden musste.
Eine leichte Mutmaßung
Aber wer will ihm Emotion verdenken,
heute an diesem Samstagabend. Der Erste spielt gegen den Zweiten, es geht um
den lang ersehnten vierten Heimsieg der
Saison nach zwei Niederlagen in Folge in
der UPC-Arena. Und doch war am Ende
alle Aufregung umsonst. Szabics und
Kienast treffen und der Überraschungsaufsteiger Innsbruck ist in die Schranken
gewiesen. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“,
hallt es durchs Liebenauer Rund. Etwas
mehr als ein Drittel der Meisterschaftssaison 2010/2011 ist gespielt und Sturm
lacht von der Tabellenspitze.
In Salzburg vermissen sie die Tore von
Marc Janko und die genialen Momente
von Somen Tchoyi, bei Rapid trauert Peter Pacult noch immer Branko Boskovic
nach. Bei Sturm hat man es einfach wieder einmal geschafft, ganz ohne Vermissen und Nachtrauern. Auch ganz ohne
rhetorische Fragen wie die Kinderfigur
Bob hat der Baumeister Foda innerhalb
kürzester Zeit eine Mannschaft geformt,
die trotz zahlreicher namhafter Abgänge
im Sommer oben mitspielen kann. Natürlich nicht ohne tiefzustapeln. „Es wird
keine leichte Saison“, hatte er vor dem
Auftaktspiel in Ried gemutmaßt. Zu viele
Spieler habe man im Sommer ziehen lassen müssen. Acht an der Zahl genau. Die
Zwillinge Daniel Beichler und Jakob Jantscher, Peter Hlinka, Mario Sonnleitner,
Fabian Lamotte, Ilia Kandelaki, Christian
Prawda und Klemen Lavric. Jeder hatte
seinen Platz im Team, die meisten spielten regelmäßig. Vor allem die kreativen
Beichler und Jantscher sowie Lavric hinterließen eine Lücke, deren Schließung
sich nicht alle sicher waren. Zu nah waren
die Erinnerungen an die Europa LeagueGruppenphase, wo die beiden Youngsters auftrumpften, noch näher die Erinnerungen an die Tore, die der Slowene zum
Cupsieg beigetragen hatte.
Die Spieler flüchten, der Trainer bleibt
Dabei hätten noch etwas weiter zurückliegende Gedanken beruhigend wirken
können. Immer wieder musste Franco
Foda in den letzten Jahren eine Vielzahl
von Spielern abgeben. Als im Sommer
2007 14 Spieler wie Christoph Leitgeb, Bojan Filipovic, Frank Verlaat oder
Grzegorz Szamotulski den Verein verließen, wurde man mit einer begeistert
aufspielenden jungen Mannschaft Winterkönig. Eine junge Mannschaft, deren
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Seitenwechsel
Trotz oder gerade wegen des Cupsiegs
verließen im Sommer wieder etliche gute
Spieler, die durchaus dem Stamm der
Profis zugerechnet werden konnten, den
SK Sturm. Diese Tatsache überrascht niemanden mehr, weil sich dieses Szenario
fast alljährlich wiederholt. Zugegebenermaßen gehört es zum Fußballzirkus dazu
gehört, dass in jeder Transferzeit viele
Spieler den Verein wechseln, aber bei
Sturm herrscht diesbezüglich eine auffällige Regelmäßigkeit. Franco Foda wird zu
Recht dafür bewundert, dass er es jedes
Jahr schafft, das Team an so vielen Positionen mit neuen Spielern zu besetzen
und immer im oberen Tabellendrittel zu
sein. Aber wirklich ernsthaft um den Titel
mitzuspielen, ist unter diesen Voraussetzungen schwer.
Ivica Osim war davon überzeugt,
dass die Fans die Aufstellung der Mannschaft jederzeit auswendig aufsagen können müssen. Zwar wurde auch zu seiner
Zeit fleißig am Transfermarkt nach Verstärkungen gesucht, aber ein Stamm von
sechs, sieben Spielern war über viele Jahre unverändert geblieben. Ein Stamm von
Spielern, die sich jede Saison ihren Platz
gegen die Neuerwerbungen behaupten
mussten und deshalb auch zu den absoluten Leistungsträgern zählten.
Das hat sich leider geändert, dafür
weist der Profikader heute einen hohen
Anteil an jungen Talenten auf, die ständig
aus der Akademie nachrücken. Ich habe
mittlerweile in meiner neuen Funktion
als Jugendleiter und Akademie-Spartentrainer einen Einblick in die Nachwuchsarbeit erhalten und es überrascht mich
nicht, dass bei Sturm so viele Spieler aus
dem eigenen Nachwuchs den Sprung in
den Profifußball schaffen. Es sind auch
sie, die dafür sorgen, dass Franco Foda
die vielen Abgänge jede Saison recht locker verschmerzen kann.
Gilbert Prilasnig spielte von 1991 bis 2001
für Sturm und war Teil der so erfolgreichen
Mannschaft unter Ivica Osim. Heute leitet
er die Sturm-Jugendabteilung.
DAS DEUTSCHE AN FRANCO FODA:
TRAININGS WERDEN AKRIBISCH VORBEREITET
UND KONZENTRIERT GELEITET
Schlüsselspieler im Sommer 2008 wiederum beinahe vollständig das Weite suchten. Jürgen Säumel, Sebastian Prödl, Mark
Prettenthaler, Klaus Salmutter und Thomas
Krammer fanden allesamt eine neue Herausforderung, dennoch führte Foda Sturm
auch zum Ende der Saison 2008/2009 auf
einen Europa- Leauge-Startplatz. Manch ein
Trainer würde verzweifeln, andere würden
sich der Wechselfreudigkeit ihrer Spieler
anschließen, und selbst eine neue Herausforderung suchen. Vor allem dann, wenn
man selbst so inflationär oft mit anderen
Vereinen in Verbindung gebracht wird wie
der 44-Jährige.
Bochum, Kaiserslautern, sogar beim österreichischen Nationalteam soll Foda in der
Vergangenheit Kandidat auf den vakanten
Trainerposten gewesen sein. Foda blieb
in Graz. „Wenn man Trainer bei Sturm ist,
muss man immer wieder mit Abgängen
rechnen“, sieht er den Verlust von Spielern
realistisch. Und ergänzt: „In Salzburg muss
man Meister werden, bei Sturm ist es eben
die Herausforderung, immer wieder eine
neue Mannschaft aufbauen zu müssen.“
Nüchterne Worte, die man nach dem 16.
Mai 2010 nicht mehr unbedingt erwarten
konnte.
Ein Duo für die Dreifaltigkeit
Ein Titel. Mehr war es nicht, das sich Franco
Foda in den letzten Jahren wünschte. Mitte
Mai wurde es in Klagenfurt Realität. Und
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Fodas erfolgreiche Arbeit in Graz. Das auch
sonst in Interviews so selten verwendete
„ich“ weicht nämlich endgültig, wenn man
Sturms Cheftrainer auf Transfers anspricht.
Dann gibt es nur mehr ein „wir“, das wir
des Duos Foda/Kreuzer. Gibt es in anderen
Vereinen einen Sportdirektor, der seinem
Coach Spieler hinstellt ohne dessen Meinung einzuholen, so ist es bei Sturm von
mehreren Personen und auch Faktoren
abhängig, ob man sich das schwarz-weiße
Trikot anziehen darf oder nicht.
TRANSFERS DER 2. ÄRA FODA
2006/07, 7. Platz (ohne Punktabzug 4.)
Sommer 2006:
Dospel, Prettenthaler, Prödl*
Neukirchner, Ertl
Frühjahr 2007:
Kampa, Lamotte, Haas
Dospel
Das Sinnbild der Linksverteidigersuche
„Es ist ein gemeinsamer Prozess von Oliver
Kreuzer und mir, natürlich immer in Verbindung mit dem Präsidium“, sagt Foda. Eine
Prozess der Teamarbeit, der bereits sehr
früh beginnt. „Wir wissen ja, welche Verträge auslaufen“, erklärt er und merkt an: „Die
Arbeit für nächstes Jahr etwa hat bereits
begonnen.“ Dass die Suche nach Neuzugängen früh beginnt, macht aber eben nicht
nur aufgrund der zu erwartenden Abgänge
Sinn, auch aufgrund der dreifaltigen Kriterien. „Ein neuer Spieler muss finanziell, sportlich und menschlich zu uns passen“, erklärt
der Cheftrainer. Kriterien, die am besten an
einem konkreten Beispiel festgemacht werden können, und noch besser an einem, das
dem so erfolgreichen Duo jede Menge Kritik
einbrachte.
auch wenn sein Vertrag schon damals eine
Laufzeit bis 2012 hatte, ganz sicher war man
sich nicht, ob er nicht doch den Hans Rinner
machen würde, der wenige Wochen zuvor
von einer „erfüllten Mission“ sprach, und
den Verein verließ. Das oft erwähnte „gute
Angebot, etwa aus der deutschen Bundesliga“ kam aber nicht, und mittlerweile wird
man das Gefühl nicht los, dass es ein anderer Titel war, von dem er in den letzten Jahren immer sprach.
„Dafür muss in einer Saison alles passen“,
sagt Oliver Kreuzer auf diesen möglichen
Meistertitel angesprochen, „vor allem die
Konkurrenz muss schwächeln.“ Jener Kreuzer, der seit 2008 als Sportlicher Leiter bei
Sturm ist. Er ist ein wichtiger Baustein für
Als im Sommer Christian Prawda aus heiterem Himmel nicht mehr Profifußballer sein
wollte und Ilia Kandelaki nicht mehr leistbar
war, stand Sturm vor einem Problem. Das
monatelange Tauziehen um einen geeigneten zweiten Linksverteidiger begann. Mit
Prawda hatte man eigentlich vorgebaut,
Dominik Pürcher war aus Hartberg zurück,
aber jetzt fehlte der zweite Mann für die
Position. Es ist der Moment, in dem sich die
sportliche Führung ihrer Kriterien besinnt.
Die Nummer eins: Der Spieler soll sportlich zum Verein passen. Hier geht es nicht
um ein System, wie Foda deutlich macht,
die schwarz-weiße Spielphilosophie sei entscheidend. Die ist natürlich noch immer die
gleiche wie schon in der Ära Osim: Man will
Fußball spielen, schnell, attraktiv und direkt.
2007/2008, 4. Platz
Sommer 2007:
Muratovic, Stankovic, Schicklgruber,
Kobras, Sonnleitner, Shashiashvilli,
Jantscher*, Beichler*, Kröpfl*
Szamotulski, Kampa, Sarac, Ledwon,
Filipovic, Nzuzi, Leitgeb, Mörec,
Rabihou, Rottensteiner, Verlaat,
Rauter, Tsimba, G. Säumel
2008/2009, 4. Platz
Sommer 2008:
Hlinka, Hölzl, Feldhofer, Sereinig,
Scherrer, Kandelaki, Prutsch*, S. Foda*
Prettenthaler, Salmutter, Krammer,
Lindschinger, J. Säumel, Prödl
Frühjahr 2009:
Baotic, Hassler, Klem*, Kaufmann*
Stankovic, Schicklgruber
2009/2010, 4. Platz
Sommer 2009:
Prettenthaler, Kropfhofer*, Lavric,
Bukva, Ehrenreich, Weber, Lukse,
Schildenfeld
Sereinig, Baotic, Kobras, Suppan,
Shashiashvili, Kröpfl
Frühjahr 2010:
Weinberger*, Prawda, Kienast, Salmutter
Prettenthaler
2010/2011
Vom faulen Apfel
Ronald Gercaliu wäre so ein spielender
Fußballer gewesen. Schon im Juni sah alles nach der zweiten Rückkehr des ehemaligen Nationalspielers aus. Er war einst aus
der Sturm-Akademie zu den Profis aufgestiegen und hätte mit seinen technischen
Fähigkeiten und seiner Spielintelligenz
genau in das sportliche Anforderungssche-
Sommer 2010:
Szabics, Cavlina, Burgstaller,
Standfest, Bartosch*, Kainz*,
Mevoungou, Perthel, Pürcher*
Kandelaki, Sonnleitner, Hlinka,
Kropfhofer, Lamotte, Lavric, Jantscher,
Beichler, Prawda
* von den Sturm-Amateuren
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ma gepasst. Auch das zweite Kriterium für
einen potentiellen Neuzugang hätte der
heutige Ingolstädter erfüllt – die menschliche Seite. „Ein fauler Apfel kann nämlich die
komplette Mannschaft verderben“, betont
Foda und bezieht sich dabei auf die SturmFamilie. Ein zufriedenes Lächeln kommt
ihm sogar aus, als er von der positiven
Stimmung im Team erzählt. „Neue Spieler
haben oft das Gefühl, als wären sie schon
jahrelang hier. Das führt zu schneller Integration.“ Also versucht man diesen Aspekt
zu steuern, indem man Spieler aussucht,
die sich ins Team einfügen können. Wie
das bei fremden Spielern aussehen kann,
weiß Oliver Kreuzer. Bei Spielern, die man
nicht aus der österreichischen Bundesliga oder von früheren gemeinsamen Tagen
kennt, gehe es vor allem um Netzwerke.
So war das zum Beispiel auch bei Gordon
Schildenfeld. Slaven Bilic, einst Kreuzers
Nachfolger als Manndecker bei Karlsruhe und heute Kroatiens Teamchef kannte
den Innenverteidiger. Von ihm kam die
Empfehlung, die schließlich zum Transfer
führte. Der Rest ist Erfolgsgeschichte.
Schildenfeld verkörpert aber nicht nur ein
funktionierendes Netzwerk, sondern auch
jene Spielertypen, von denen Sturm neben
den eigenen Nachwuchsleuten lebt: Die Gefallenen. Immer wieder konnte man Spieler,
die bei ihren Vereinen unglücklich waren
und deren Karriere gerade am Stocken war,
wieder aufbauen. Das galt für Lavric und
Hlinka, und gilt heute für Imre Szabics. „Es
braucht besondere Umstände, damit Spieler mit dieser Qualität zu uns nach Graz
kommen. Lavric wollte heim nach Europa,
Szabics ähnlich wie Hlinka endlich wieder
spielen“, sagt Kreuzer. Nur selten fanden in
der Vergangenheit begehrte Spieler wie Manuel Weber den Weg zu Sturm.
Silvestre bringt Perthel
Aber weiter zu Kriterium drei und zurück
zu Ronald Gercaliu. Der Transfer scheiterte schließlich am Finanziellen, wie so
oft. Neuer Linksverteidiger wurde Timo
Perthel. Warum der Transfer so spät, nämlich erst knapp vor Transferschluss und
schon mitten in der Bundesliga-Saison fixiert wurde, verwundert noch immer. „Bevor
wir einen holen, der nicht dazu passt, lassen
wir es lieber sein“, stellt Foda rückblickend
klar und meint damit die vielen Testkandidaten wie Dennis Cagara oder Andrej Pecnik. Perthel wurde es dann auch aufgrund
eines alternden Weltklassespielers. Werder
Bremen verpflichtete Mikael Silvestre und
der Werder-Amateur war plötzlich verfügbar.
Der gebürtige Kaiserslauterer ist mit seinen
21 Jahren nicht alt, andererseits ist er nur für
ein Jahr ausgeliehen und ein Ausländer. Und
so ist die Geschichte von Sturms neuem
Linksverteidiger nicht nur für die dreifaltigen
Kriterien für neue Spieler ein Sinnbild, sondern auch für eine der negativen Seiten der
Spielerfluktuation der letzten Jahre.
Franco Foda macht das gerne. „Nein“, antwortet er mit einem freundlich, abwiegenden Unterton oft, auch wenn die Antwort
gar nicht passt. Es ist ein Unterton, der zusammen mit diesen vier Buchstaben seinen
Zuhörern gleich das Gefühl gibt, dass einem
dieser Mann alles erzählen kann, man wird
es ihm glauben. Bei dieser Frage ist es gerade wieder passiert. „Nein“, sagt er, „es ist
halt wichtig, dass wir immer wieder Junge
aus dem eigenen Nachwuchs ins Team bringen.“ Kainz und Klem seien solche Spieler
und außerdem gäbe es ja noch Mario Haas.
Richtig, es geht um die Identifikation der
Fans mit einem Team, das man jedes Jahr
neu lieben lernen muss. Auch das sieht
Foda realistisch, denn wenn Salzburg mit
Geld lockt oder das Ausland ruft, dann werde Sturm eben den Kürzeren ziehen. Doch
nicht alles sieht er so kühl. „Es ist schade,
wenn Spieler keine Geduld haben“, ergänzt
er und bezieht sich damit auf zwei ehemalige Schützlinge, deren Abgänge ihm vorgehalten wurden: Leonhard Kaufmann und
Christoph Kröpfl.
Die beiden K&K-Jungduos
Nach sieben bzw. sechs Einsätzen in der
Bundesliga versuchte sich Kaufmann bei
Austria Kärnten und Kröpfl bei Red Bull Salzburg. Ihr Talent und ihre Fähigkeiten sind
unbestritten, der große Durchbruch blieb ihnen bis heute verwehrt, auch bei ihren neuen Arbeitgebern LASK Linz bzw. Kapfenberg.
„Leitgeb, Beichler oder Jantscher haben am
Anfang auch nicht immer gespielt“, erklärt
Foda, „aber sie haben ihre Chance immer
wieder bekommen.“ Es gehört auch zur
Philosophie des Franco Foda, junge Spieler
behutsam an das Profitum heranzuführen.
Zu viel breche auf sie herein, sagt Foda, und
bringt als Beispiel das Startformationsdebüt
FODA, DER ITALIENER:
AUCH EMOTION UND
LEIDENSCHAFT ZEICHNEN
DEN 44-JÄHRIGEN AUS
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HANDELN NACH DEM
ÖKONOMISCHEN PRINZIP
Auch Oliver Kreuzer wollte es nicht. Ein personeller Aderlass wie diesen Sommer soll in Zukunft
nicht mehr vorkommen. Der Sportliche Leiter über bevorstehende Vertragsverhandlungen,
teure Erfolge und sein Verständnis für kritische Sturm-Fans.
Oliver Kreuzer, Sturm ist trotz einiger Abgänge gut gestartet. Überrascht Sie das?
Nach dem großen Aderlass im Sommer
konnte man nicht unbedingt davon ausgehen, dass wir nach einem Drittel der
Saison auf Platz eins stehen. Wir konnten
die neuen Spieler sportlich und menschlich aber relativ schnell integrieren, sodass auch gewisse Automatismen rasch
verinnerlicht wurden und sich Mannschaftsgeist sowie Teamspirit schnell
entwickelt haben. Kurz gesagt sind wir
mit dem Start natürlich sehr zufrieden.
Sie sagten einst, drei von fünf Neuzugängen sollten einschlagen. Wurde die Quote
heuer erfüllt? Nicht drei von fünf, ich sagte, wenn man fünf oder mehr neue Spieler
bekommt, kann es sein, dass nicht alle
Volltreffer sind. Trotzdem sind wir mit unseren Neuzugängen mehr als zufrieden.
Ich bin etwa der Meinung, dass wir derzeit
das beste Sturmduo der Liga haben.
Im Sommer 2011 laufen einige Verträge
aus – welche wollen Sie verlängern? Es
wird immer kleine Änderungen geben,
aber im Grunde wollen wir den Kader halten. Gratzei, Weber und Pürcher haben
bereits Angebote vorliegen, weitere werden folgen. Klem und Kainz konnten wir
für drei bzw. vier Jahre verlängern.
Warum scheitert es oft am Finanziellen,
wenn man Leistungsträger längerfristig binden will? Der Konkurs und der
Zwangsausgleich liegen nicht weit zurück. In dieser Zeit hat sich der Verein
sehr schnell an der Ligaspitze etabliert,
national sowie internationale Erfolge gefeiert. Das alles aufgrund herausragender Leistungen der Spieler, was natürlich Begehrlichkeiten weckt. Bei jedem
Heimspiel sitzen Scouts auf der Tribüne.
Dadurch stehen die Spieler schnell in den
Notizblöcken der Spielbeobachter. Läuft
der Vertrag dann noch aus und ein Verein
aus dem Ausland zeigt Interresse, beginnt
der finanzielle und sportliche Konkurrenzkampf, bei dem uns leider Grenzen gesetzt
sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass
ein erfolgreiches Team nicht billiger wird.
Also kann man nur noch versuchen vor
Auslaufen des Vertrages eine Ablöse zu lukrieren. Sollte sich abzeichnen, dass es zu
keiner Einigung bzw. Vertragsverlängerung
kommt, muss es das Ziel sein, für den Spieler eine angemessene Transfersumme zu
erhalten. Das war etwa bei Jantscher und
Beichler der Fall. Hätten wir die beiden dieses Jahr nicht verkauft, hätten wir nächstes
Jahr keinen Cent gesehen und das darf uns
bei Eigenbauspielern nicht passieren.
Sturm versuchte zuletzt vergeblich Spieler
wie Georg Margreitter zu holen. Ist es für
Sie ernüchternd, wenn man aus finanziellen
Gründen nicht zuschlagen kann? Der Spaß
an der Arbeit hängt nicht vom Budget ab. Es
ist die Herausforderung jedes Jahr mit den
gegebenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen. An Magreitter waren wir sehr
interressiert, er hat sich aber schnell für die
Austria entschieden. So ist das Geschäft, zumal wir mit Burgstaller einen gleichwertigen
Spieler für die Position verpflichtet haben.
Für Magreitter hätte aber natürlich sein Alter
gesprochen.
Wie sieht die finanzielle Situation eigentlich
derzeit aus? Durch die Transfers von Beichler und Jantscher ist unser Budget gut ausbalanciert. Da wir dieses immer ohne Transfer- oder Europacupeinnahmen erstellen,
werden wir auch die Saison 2011/12 wieder
nach vorhandenen Möglichkeiten planen.
Hier gilt das ökonomische Prinzip, nur auszugeben, was auch eingenommen wird.
Die Fans sehen nicht gern, wenn als zweiter
Tormann ein älterer Ausländer geholt wird.
Haben Sie dafür Verständnis? Absolut. Wichtig war, dass wir keine Nummer zwei wollten,
sondern eine 1b. Die verfügbaren Österreicher waren zu teuer und dann kommt man
schnell auf einen Cavlina. Er hat seine Klasse
in Linz bewiesen, wo er lange Stammkeeper
war. Mit Bartosch und Schachner haben wir
zwei Talente bei den Amateuren – das Risiko
mit ihnen als Backup war uns aber zu groß.
Wir werden sehen, wie sie sich entwickeln.
Ich verstehe aber die Fans, weil sie sich
mit „eigenen“ Spielern mehr identifizieren.
Deshalb werden wir uns auch in Zukunft immer zuerst im „Hause“ umschauen, bevor
ein externer Spieler kommt.
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des 17-jährigen Florian Kainz im Heimspiel gegen Juventus. „Er hat
ein für ihn normales Spiel gemacht, aber die Medien haben sich auf
ihn gestürzt.“ Nicht umsonst empfahl er seinem Youngster möglichst wenige Interviews zu geben. Auch Kainz saß bald wieder nur
auf der Ersatzbank, die Leistungen seien eben noch nicht konstant
bei den Jungen. Christian Klem geht es ähnlich. Der Jugend-Teamspieler vertraut ebenso wie Kainz der Strategie seines Trainers. Das
neue K&K-Jungduo hat ihre Verträge in Graz verlängert.
Wenn die Spielkultur der Effizienz weicht
Kainz und Klem haben aber auch eine andere Philosophie von Foda
in ihrem Spiel verinnerlicht, den attraktiven Fußball, das schnelle,
direkte Spiel, das Sturm jahrelang auszeichnete. Seit der vergangenen Saison scheint es aber etwas ins Hintertreffen geraten zu sein.
Sturm ist derzeit so effizient wie noch nie unter Foda, gleichzeitig
war Sturm jahrelang schöner anzusehen. „Unsere Spiekultur ist keine andere“, sagt Foda trotzdem. Und wie ist dann der Spielstil im
Vorjahr unter Klemen Lavric zu erklären? „Lavric war ein Strafraumstürmer, der für Kombinationsfußball, für den wir berühmt waren,
nicht unbedingt geeignet war. Wenn Lavric im Team ist, musst man
so agieren, dass er im Spiel seine Stärken ausleben kann.“ Auch
das gelang Foda, Lavric war einer der Schlüsselspieler auf dem Weg
ins Cupfinale und erzielte dort sogar das entscheidende Tor. Doch
auch ohne Lavric und mit dem gut harmonierenden neuen Sturmduo Kienast/Szabics bleibt das weniger attraktivere Spiel. Klagen auf
hohem Niveau, dem Foda aber einen Erklärungsansatz gegenüberstellen kann: „Wenn man immer wieder die besten Kreativspieler
verliert, dann muss man diese Spielkultur wieder entwickeln. Das
geht nicht von heute auf morgen.“
Die Geschichte wiederholt sich. Schon wieder. Auch im nächsten
Jahr laufen einige Veträge von wichtigen Spielern aus. Zwölf sind es
insgesamt. Bartosch, Ehrenreich, Feldhofer, Gratzei, Haas, Hassler,
Kienzl, Mevoungou, Muratovic, Perthel, Pürcher und Weber. Auch
von ihnen hat jeder seinen Platz in der Mannschaft, auch von ihnen kommt der Großteil regelmäßig zum Einsatz. „Alle Spieler, von
denen wir überzeugt sind, werden wir versuchen zu halten“, sagt
Foda. Wie wichtig es wäre, im nächsten Sommer nicht den nächsten großen personellen Aderlass hinnehmen zu müssen, zeigt das
vergangene Jahr. Im Sommer 2009 verließ mit Shashiashvilli nur ein
Stammspieler den Verein, im Gegenzug kamen Spieler wie Lavric,
Bukva, Weber oder Schildenfeld. Prompt erreichte man in der Saison
2009/10 die Gruppenphase der Europa League und holte den Cup.
Das lässt Foda 13 Jahre zurückdenken: „Als ich zu Sturm kam, war das
Erfolgsgeheimnis der Mannschaft Kontinuität.“ Heute ist auch er es.
Vielleicht hat Foda ja das Glück, dass er auch als Trainer diese Kontinuität erleben darf. Und vielleicht könnte man dann zum ganz großen Wurf ausholen. Träumen tut er zumindest schon wieder, von einem weiteren Titel bis zu seinem Vertragsende 2012. Und auch wenn
er den Meistertitel nicht direkt anspricht: Was soll er sonst meinen?
Aber natürlich, reden würde er konkret nicht davon. Würde auch nicht
passen. Nicht zu seiner Masche. Nein, nicht das Understatement, seine Masche ist vielmehr realistisch zu bleiben. Und vielleicht ist auch
genau das sein Erfolgsgeheimnis. Deutscher hin, Italiener her.
Mehr zum Themenschwerpunkt:
„Helden braucht das Volk“ » S. 38
„Wir hatten einen richtig guten Lauf“ » S. 50
VIER NEUE BAUSTEINE
Joachim Standfest
„Ich habe hier die Freude am Kicken
wiedergefunden. Bei der Austria ist
man Berufsfußballer, kommt zum
Training und geht wieder. Statt kühlem
Konkurrenzdenken um das Stammleiberl, gibt es bei Sturm echte Freundschaft
untereinander.“ Standfest hat schon einige Trainer
erlebt, Foda unterscheidet sich von diesen vor allem in seiner
Akribie. „Wenn ihm was nicht passt, macht er dir das unmissverständlich klar. Außerdem sind die Einheiten intensiver als bei
meinen bisherigen Stationen. Aber das zahlt sich aus.“
Silvije Cavlina
„Franco Foda ist ein Profi was taktische Einstellungen betrifft. Zum Fußball gehört eben auch die Spielweise,
nicht nur das schöne Spiel.“ Der Kroate, der zuvor beim LASK zwischen den
Pfosten stand, hat schon vor seinem
Wechsel an die Mur vom „Sturm-Geist“ gehört.
„Den gibt es wirklich! Der Grund wieso wir so gut in die Saison
gestartet sind, ist unter anderem sicher auch das Klima innerhalb
unserer Mannschaft.“ Was genau dieses so besonders macht?
„Das weiß ich auch nicht. Man fühlt sich einfach wohl.“
Thomas Burgstaller
Der Mann, der aus Ried zu den Blackies stieß, schätzt das Training von
Franco Foda: „Der Trainer bereitet
nicht nur die Spiele, sondern auch die
Trainingseinheiten sehr professionell vor.
Man merkt bei den Übungen, dass alles sehr
durchdacht ist.“ Vom Mannschaftsklima ist er ebenso begeistert: „Jeder zieht mit. Vom guten Zusammenhalt kann
ja bald ein Spieler reden, hier ist es aber keine leere Floskel. Es
gibt keine Stinkstiefel im Team, wir pushen uns gegenseitig.“
Timo Perthel
„Alle hier sind sehr positiv eingestellt,
sowohl auf als auch abseits des Platzes.
Von diesem lockeren, aber trotzdem
immer professionellen Klima profitiert
der ganze Verein enorm.“ Auch von der
Arbeit seines neuen Übungsleiters weiß der
Deutsche nur Gutes zu berichten: „Man sieht ja
wie viele junge Spieler er zu Leistungsträgern und Teamspielern
formt. Es ist beeindruckend wie Franco Foda aus dem gegenwärtigen Personal immer das Maximum rausholt. Ich hoffe, dass
auch ich von dieser Arbeit profitieren kann.“

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