Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern: Voraussetzungen

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Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern: Voraussetzungen
BEITRÄGE CORPORATE COMPLIANCE
Weiß, Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern:
Voraussetzungen, Interessenkonflikte, Anstellungsvertrag
und Haftung
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CB-BEITRAG
Dr. Matthias M. Weiß, RA
Vorstandsdoppelmandate im faktischen
Konzern: Voraussetzungen, Interessenkonflikte, Anstellungsvertrag und Haftung
Oft bekleidet ein Vorstandsmitglied Vorstandsämter in zwei Aktiengesellschaften zur selben Zeit. Vorstandsdoppelmandate sind rechtlich grundsätzlich zulässig und im (faktischen) Konzern an der Tagesordnung: Personelle Verflechtungen vermeiden Reibungsverluste und erleichtern die Konzernsteuerung. Dennoch ist Vorsicht geboten – gerade für jemanden, der zeitgleich in zwei verschiedenen Aktiengesellschaften als Vorstand
tätig werden möchte. Involvierte Vorstände und Aufsichtsräte sollten im eigenen Interesse mit den wesentlichen Fragestellungen vertraut sein. Der Beitrag beleuchtet die wichtigsten Punkte und beschränkt sich dabei
auf Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern.
I. Einleitung
Vorstandsdoppelmandate tauchen primär im faktischen Konzern auf –
und werfen gerade dort eine Vielzahl von Fragen auf. Die Beantwortung dieser Fragen definiert den Handlungsspielraum für Aufsichtsräte und Vorstände. Wird der Handlungsspielraum überschritten, kann
dies zu einer zivil- und strafrechtlichen Haftung führen; in erster Linie
für doppelt mandatierte Vorstandsmitglieder. Ein Vorstandsdoppelmandat liegt vor, wenn dieselbe Person Mitglied des Vorstands verschiedener Aktiengesellschaften ist.1 Ein sog. faktischer Konzern ist
ein Sammelbegriff für Zusammenfassungen von Unternehmen unter
einheitlicher Leitung; es liegt gerade kein Beherrschungsvertrag oder
eine Eingliederung vor.2 Unter einer einheitlichen Leitung versteht
man eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen
ausgerichteten Zielkonzeption sowie deren Durchführung und Kontrolle.3 Wie sich die einheitliche Leitung vollzieht, spielt keine Rolle.
Ausreichend ist jede Form der Einflussnahme, gerade auch durch
(die hier behandelten) Doppelmandate oder andere personelle Verflechtungen, gemeinsame Beratungen, Empfehlungen oder Zielvorgaben. Entscheidend ist, dass die Einflussnahme dem Zweck dient,
die Zielkonzeption des Konzerns zu verwirklichen.4 Vorstandsdoppelmandate bieten dem faktischen Konzern Vorteile. Dabei geht es im
Wesentlichen um Möglichkeiten der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf das in seinem Mehrheitsbesitz stehende abhängige Unternehmen. Anders ausgedrückt: Vorstandsdoppelmandate sind ein Instrument der Konzernsteuerung. Sie ersetzen das im
faktischen Konzern fehlende Weisungsrecht (§ 308 AktG), das im
Vertragskonzern zur Verfügung steht.5 Typische Konstellationen:
– Das Vorstandsmitglied einer Tochtergesellschaft kann die Interessen dieser Tochtergesellschaft besser durchsetzen, wenn es
zugleich im Vorstand der Muttergesellschaft sitzt. Außerdem
erhält die Konzernführung einen besseren Einblick in die Angelegenheiten der Tochtergesellschaft.6 Konzerngesellschaften
interessieren sich freilich insbesondere dann für eine solche
wechselseitige (tatsächliche) Einflussnahme, wenn die Tochtergesellschaft – etwa strategisch – besonders wichtig ist.
– Verringerung von Komplexität im Konzern durch die Trennung
von strategischer und operativer Leitung durch ManagementHoldings: Das operative Geschäft ist bei rechtlich selbständigen
Tochtergesellschaften angesiedelt. Der Vorstandsvorsitzende
dieser Tochtergesellschaft ist zugleich Vorstandsmitglied in der
Holding. Auch hier geht es um die Möglichkeit der gegenseitigen
Einflussnahme.7
Der BGH verbietet Vorstandsdoppelmandate nicht.8 Sie verstoßen
auch nicht gegen die Empfehlungen des deutschen Corporate Governance Kodex.9 Nachfolgend wird ausgeführt, was in Zusammenhang
mit Vorstandsdoppelmandaten im faktischen Konzern zu beachten
ist. Die in der Überschrift genannten Themenfelder werden nacheinander abgehandelt.
II. Voraussetzungen
Soll eine Person in verschiedenen Aktiengesellschaften zum Vorstand bestellt werden, sind einige aktienrechtliche Vorgaben zu beachten:
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Kort, in: Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl. 2002, § 76 Rn. 178.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 18 Rn. 3.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 18 Rn. 11.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 18 Rn. 12.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1149.
Passarge, NZG 2007, 441, 441.
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, S. 124.
BGH, 9.3.2009 – II ZR 170/07, BB 2009, 1834, BeckRS 2009, 13401; ähnlich
KG, 28.6.2011 – 19 U 11/11, NZG 2011, 865.
Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 453.
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1. Zustimmung der Aufsichtsräte beider
Konzerngesellschaften (§ 88 Abs. 1 S. 2 AktG)
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Vorstandsdoppelmandate
nur zulässig, wenn die Aufsichtsräte beider Aktiengesellschaften zustimmen (§ 88 Abs. 1 S. 2 AktG).10 Dies gilt auch im faktischen Konzern. Der Regelungsgehalt von § 88 Abs. 1 S. 2 AktG lässt sich wie
folgt skizzieren: Vorstandsmitglieder dürfen ohne Einwilligung des
Aufsichtsrats nicht Mitglied des Vorstands einer anderen Aktiengesellschaft sein. Das Vorstandsmitglied soll seine Arbeitskraft nicht
anderweitig einsetzen; jedenfalls nicht ohne Zustimmung des Aufsichtsrats. Im Kern geht es um die Treuebindungen des Vorstandsmitglieds zu „seiner“ Aktiengesellschaft.11 Eine „Generaleinwilligung“ ist
unzulässig: Sie muss sich auf bestimmte Betätigungen in einem klar
abgrenzbaren Bereich in einer anderen (konkret benannten) Aktiengesellschaft beziehen.12 Eine (nachträgliche) Genehmigung scheidet
aus. Ebenso eine Duldung durch schlüssiges Tun. Der Aufsichtsrat
muss bei seiner Entscheidung einkalkulieren, welche Auswirkungen
eine doppelte Vorstandstätigkeit auf die Tätigkeit bei der eigenen Gesellschaft hätte (etwa: zeitliche Belastung).13 Die Entscheidung und
damit zusammenhängende Überlegungen sollten sorgfältig dokumentiert werden. Nicht erforderlich ist es, dass der Aufsichtsrat bereits
bei der Einwilligung nach § 88 AktG den Vorstandsdienstvertrag, der
mit der anderen Gesellschaft geschlossen werden soll, genau kennt.14
Missachtet das betroffene Vorstandsmitglied diese Vorgaben schuldhaft, ist es zum Schadensersatz verpflichtet (§ 88 Abs. 2 AktG).
2. Bestellungshindernisse
Für jedes Vorstandsmitglied sind die nachfolgend dargestellten Bestellungshindernisse separat zu prüfen.
a) Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand
und zum Aufsichtsrat (§ 105 AktG)
Im „klassischen Beherrschungsmodell“15 ist es zulässig und nicht
unüblich, dass Vorstandsmitglieder der herrschenden Gesellschaft
auch im Aufsichtsrat der beherrschten Gesellschaft sitzen. Denn so
hat der Vorstand der herrschenden Gesellschaft die Möglichkeit der
Einflussnahme auf die Vorstandsbestellung in der beherrschten Gesellschaft (§ 84 AktG) und kann so (mittelbar) die Geschäftspolitik bestimmen. Dann allerdings dürfen diese Aufsichtsratsmitglieder nicht
zeitgleich im Vorstand in der beherrschten Gesellschaft sein (§ 105
AktG). Die Norm konkretisiert die Funktionstrennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat; die Geschäftsführung darf sich nicht selbst
überwachen.16 Dies bedeutet: Soll ein Vorstandsmitglied der herrschenden Gesellschaft auch in der beherrschten Gesellschaft wirken, muss im Vorfeld überlegt werden, ob eine Einflussnahme besser
durch eine Vorstandstätigkeit auch in der beherrschten Gesellschaft
(Vorstandsdoppelmandat) oder ein Aufsichtsratsmandat dort erreicht
werden kann. Ist eine Person bereits im Aufsichtsrat der abhängigen
Gesellschaft und soll (nachträglich) zum Vorstand bestellt werden,
muss ihr Aufsichtsratsmandat in der abhängigen Gesellschaft erloschen sein (etwa durch Amtsniederlegung). Ist dies nicht der Fall,
kann sie ihr Vorstandsamt nicht wirksam antreten.17
b) Gesetzlicher Vertreter des abhängigen Unternehmens
(§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG)
Das Vorstandsmitglied der abhängigen Gesellschaft darf nicht zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der Obergesellschaft sein. Dies folgt
aus § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG. Normzweck: Derjenige, der in seiner
Geschäftsführung von einem anderen abhängig ist, besitzt nicht die
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erforderliche Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit, um die
Geschäftsführung dieses anderen pflichtgerecht zu überwachen.18
Diese Überlegung greift auch bei einer bloß mittelbaren Abhängigkeit: Das Mitglied des Vertretungsorgans der Enkelgesellschaft kann
weder in den Aufsichtsrat der Mutter- noch in denjenigen der Tochtergesellschaft gewählt werden.19 Der Hinderungsgrund erstreckt sich
auch auf ausländische abhängige Unternehmen.20 Unterscheidet die
ausländische Rechtsordnung wie das deutsche Aktienrecht zwischen
(vertretungsberechtigtem) Exekutiv- und (in aller Regel nicht zur
Vertretung berechtigtem) Aufsichtsorgan, fallen Mitglieder des Aufsichtsorgans nicht unter den Begriff „gesetzlicher Vertreter“.21 Etwas
anders liegt der Fall dann, wenn die ausländische Körperschaft nach
dem One-Tier-System (Geschäftsführung und Überwachung sind institutionell nicht getrennt) organisiert ist. Ein solches One-Tier-System
oder Board System ist für den angelsächsischen Rechtskreis kennzeichnend. Die Prämissen des deutschen Aktienrechts sind mit Blick
auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen nur bedingt übertragbar.
Behält man dies bei der Suche nach pragmatischen Lösungen im
Hinterkopf bestünde eine naheliegende Möglichkeit darin, zwischen
executive- und non-executive-directors zu unterscheiden: Non-executive-directors wären dann keine gesetzlichen Vertreter i. S. d. § 100
Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG und dürften daher im Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft ein Aufsichtsratsmandat wahrnehmen.22 Tritt
nach Beginn der Amtszeit (aufgrund eines Vorstandsdoppelmandats)
ein Hinderungsgrund nach § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG ein, erlischt
die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat kraft Gesetzes.23
c) Unzulässige Überkreuzverflechtung
(§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG)
Sie liegt vor, wenn derjenige, der Mitglied des Aufsichtsrats werden
soll, gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist (bzw.
wird) und deren Aufsichtsrat bereits ein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft angehört. Der „Überwacher“ soll nicht selbst in einer
anderen Gesellschaft der Überwachung durch den Überwachten unterliegen.24 Auch hier erlischt die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat kraft
Gesetzes, wenn nach Beginn der Amtszeit ein Hinderungsgrund gem.
§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG eintritt.25
3. Kein Stimmverbot bei der Vorstandsbestellung
Das Aufsichtsratsmitglied der abhängigen Gesellschaft trifft auch
dann kein Stimmverbot bei der Bestellung des Vorstandsdoppelmandatsträgers, wenn es – wie häufig26 – zugleich dem Vorstand der
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BGH, 9.3.2009 – II ZR 170/07, BB 2009, 1834, BeckRS 2009, 13401.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 88 Rn. 1.
Spindler, in: MüKo Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 88 Rn. 24.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1152.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1152.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1148.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 105 Rn. 1.
Habersack, in: MüKo Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 105 Rn. 20.
Habersack, in: MüKo Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 24.
Habersack, in: MüKo Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 24.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 100 Rn. 5.
Engert/Herschlein, NZG 2004, 459, 460.
Engert/Herschlein, NZG 2004, 459, 460.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 100 Rn. 14.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 100 Rn. 6.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 100 Rn. 14.
Vgl. II., 2. unter a).
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Obergesellschaft angehört. Denn das Aktienrecht kennt in dieser
Konstellation kein Stimmverbot – auch wenn Motive der Vorstandskollegialität eine Rolle spielen mögen.27
III. Interessenkonflikte
1. Ausgangspunkt
Das doppelt mandatierte Vorstandsmitglied befindet sich oft in einem Interessenkonflikt. Denn es vertritt zwei Gesellschaften, deren
Interessen diametral entgegengesetzt sein können – obwohl beide
Gesellschaften zum gleichen Konzern gehören. Exemplarisch: Von
der Tochtergesellschaft ins Auge gefasste Investitionen müssen
unterbleiben, weil die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft
keine Finanzmittel zur Verfügung stellt.28 Kollidierende Interessen
sind insbesondere dann problematisch, wenn die Obergesellschaft
ihre eigenen Interessen durch eine Einflussnahme auf die abhängige Tochtergesellschaft durchsetzen will. Denn der Doppelmandatar
im faktischen Konzern leitet in seiner Funktion als Vorstandsmitglied
der Tochtergesellschaft deren Geschäfte eigenverantwortlich (§ 76
AktG). Er ist nicht dazu verpflichtet, (vorteilhafte oder nachteilige)
Weisungen des herrschenden Unternehmens entgegenzunehmen.
Nachteilige Weisungen des herrschenden Unternehmens darf er nur
dann befolgen, wenn ein Ausgleich nach § 311 AktG zu erwarten ist.29
Verstößt er gegen diese Vorgaben, läuft er Gefahr, aus § 93 Abs. 2
AktG zu haften.30
2. Grundsätzlicher Umgang mit Interessenkonflikten
Ausgangspunkt ist die „Schaffgotsch“-Entscheidung des BGH.31 Darin geht es zwar um Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern.
Die in dieser Entscheidung dargelegten Prinzipien finden aufgrund
der vergleichbaren Interessenlage aber auch auf Vorstandsdoppelmandate Anwendung.32 Für den Umgang mit Interessenkonflikten
bedeutet dies: Die Pflichterfüllung gegenüber der einen Gesellschaft
kann niemals eine Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen.33 Daraus leitet sich folgende Handlungsempfehlung für den Vorstand mit doppeltem Mandat ab: Er muss sich ausschließlich an den Interessen der Gesellschaft orientieren, für die er
gerade tätig wird.34 Er darf Interessen der anderen Gesellschaft nur
dann berücksichtigen, wenn sie mit den Interessen der Gesellschaft,
für die er gerade handelt, in Einklang stehen.35 Bei börsennotierten
Gesellschaften ist außerdem Ziff. 4.3.4 Deutscher Corporate Governance Kodex zu beachten: Der Vorstand soll Interessenkonflikte dem
Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offenlegen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren.
3. Einzelfragen
Die nachfolgend erörterten Konstellationen tauchen im Unternehmensalltag immer wieder auf:
a) Kein generelles Stimmverbot in Vorstandssitzungen
Teile des Schrifttums gehen davon aus, dass sich ein Vorstandsmitglied der Stimme enthalten müsse (analog § 34 BGB), wenn die
Interessen beider Gesellschaften berührt seien. 36 Dagegen spricht
aber, dass ein solches Stimmverbot mit der Gesamtverantwortung
des Vorstands unvereinbar wäre und auf ein Verbot von Vorstandsdoppelmandaten hinausliefe.37 Ein generelles Stimmverbot ist aber
auch deshalb abzulehnen, weil es der Unternehmenswirklichkeit
nicht gerecht wird.
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b) Stimmverbot bei Entscheidung über die eigene Entlastung
Die Hauptversammlung beschließt über die Entlastung der Vorstände (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Oft vertreten Vorstandsmitglieder der
Muttergesellschaft diese in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft. Mögliche Folge: Doppelmandatsträger entscheiden über die
eigene Entlastung.38 Vor dem Hintergrund des Verbots des „Richtens
in eigener Sache“ unterliegt der zu entlastende Doppelmandatar bei
der Vorstandsentscheidung in der Obergesellschaft über die Stimmabgabe in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft einem
Stimmverbot.39 Schließlich ist es denkbar, dass die Obergesellschaft
selbst ein Stimmverbot in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft trifft (§ 136 AktG). Dies ist nach der Rechtsprechung des
LG Köln40 jedenfalls dann der Fall, wenn der Vorstand des Mutterunternehmens mehrheitlich mit Doppelmandatsträgern besetzt ist.
c) Zusätzliche Möglichkeiten: Stimmenthaltung
und Mandatsniederlegung
Wenn Vorstände mehrere Vorstandsämter bekleiden, sind schwerwiegende Interessenkonflikte denkbar; freilich auch dann, wenn es
nicht um die eigene Entlastung geht. In einem solchen Fall ist dem
Vorstandsmitglied zu raten, sich der Stimme zu enthalten.41 Denn die
Haftung des Doppelmandatsträgers für einen gefassten Vorstandsbeschluss scheidet aus, wenn sich dieser unter Hinweis auf einen bevorstehenden Interessenkonflikt seiner Stimme enthält.42 Ggf. sollte
er auf die Teilnahme an der Vorstandssitzung verzichten43 , um (den
Anschein) eine(r) Einflussnahme zu vermeiden. Der Doppelmandatsträger möge aber darauf achten, dass der Vorstand handlungsfähig
bleibt. Besteht der Interessenkonflikt nicht nur vorübergehend, sollte
das betroffene Vorstandsmitglied die Aufgabe seines Doppelmandats
in Erwägung ziehen.44 Überdies kann dies ein wichtiger Grund zur
Abberufung sein (§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG).45
d) Kollision von Verschwiegenheits- und Informationspflicht
Das Vorstandsmitglied muss vertrauliche Informationen, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, geheim halten, die ihm bei
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Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1154.
Kort, in: Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl. 2002, § 76 Rn. 182.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 19.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 100 Rn. 19.
BGH, 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629.
BGH, 9.3.2009 – II ZR 170/07, BB 2009, 1834, BeckRS 2009, 13401; Passarge, NZG 2007 441, 441.
Passarge, NZG 2007, 441, 442.
Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, S. 214; Passarge, NZG 2007, 441, 442.
Passarge, NZG 2007, 441, 442.
Nachweise bei Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl.
2010, S. 214.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1158.
Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, S. 214.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1157; Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate
Compliance, 2. Aufl. 2010, S. 216; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149.
LG Köln, 17.12.1997 – 91 O 131/97, NZG, 1998, 193; Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, S. 214.
Eppe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, S. 216;
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1158.
Liese/Theusinger, in: Hauschka, Formularbuch Compliance 2013, S. 143;
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1158.
Wirth, in: FS Bauer, 2010, S. 1147, 1158.
Kort, in: Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl. 2002, § 76 Rn. 188.
Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149.
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seiner Tätigkeit bekannt geworden sind (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG). Auf
der anderen Seite ist er verpflichtet, seine Kollegen zu informieren.
Diese Anforderungen kollidieren, wenn der Doppelmandatsträger
in seiner Eigenschaft als Vorstand des Mutterunternehmens Informationen erhält, welche die Tochtergesellschaft betreffen, in der er
ebenfalls ein Vorstandsamt bekleidet. Wie ist diese Zwickmühle aufzulösen? Im faktischen Konzern besteht keine Informationspflicht der
beherrschten Gesellschaft. Das Vorstandsmitglied sollte bei einem
Auskunftsverlangen der herrschenden Gesellschaft prüfen, ob die
Informationsweitergabe für die beherrschte Gesellschaft nachteilig
oder ausgleichsfähig ist.46 Liegt ein Nachteil vor und ist dieser nicht
ausgleichsfähig, darf das Vorstandsmitglied die Obergesellschaft
nicht informieren.47 Verstößt der Doppelmandatsträger gegen diese
Verschwiegenheitspflicht, riskiert er nicht nur eine zivilrechtliche Haftung, sondern auch ein Strafbarkeit (§ 404 Abs. 1 AktG: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bei börsennotierten Gesellschaften).
IV. Anstellungsvertrag
Der Anstellungsvertrag ist von der (aktienrechtlichen) Vorstandsbestellung zu trennen: Der Anstellungsvertrag räumt dem Vorstand
das Recht auf eine Vergütung ein und verpflichtet ihn zum Amt. Die
Praxis kennt im Wesentlichen zwei Regelungsmodelle:48 Entweder es
wird – trotz Vorstandsposten in zwei Gesellschaften – nur ein Anstellungsvertrag geschlossen (mit der Mutter – oder der Tochtergesellschaft). Ein solcher Vertrag sieht meistens vor, dass die Vergütung
auch die Tätigkeit als Vorstandsmitglied in der anderen Gesellschaft
einschließt.49 Oder es werden zwei Anstellungsverträge geschlossen,
also jeweils ein Vertrag mit der Muttergesellschaft und ein Vertrag
mit der Tochtergesellschaft. Werden zwei Verträge geschlossen, kann
die Ausgestaltung unterschiedlich sein:50 Z. B. kann die von der Tochtergesellschaft (vor dem Hintergrund des mit ihr abgeschlossenen
Anstellungsvertrags) bezahlte Vergütung auf den mit der Muttergesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrag angerechnet werden.
Vorteil: Der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft bestimmt sämtliche
Vertragskonditionen; dem Angemessenheitsgebot (§ 87 Abs. 1 AktG)
kann ohne viel Aufwand Rechnung getragen werden. 51 Der Anstellungsvertrag mit der Muttergesellschaft sollte das Vorstandsmitglied
verpflichten, ihr den Vertrag mit der Tochtergesellschaft vorzulegen
und der Muttergesellschaft jede Vertragsänderung mitzuteilen. Nachteil: Wird die Vergütung im Anstellungsvertrag mit der Tochtergesellschaft geändert, führt dies zu veränderten Leistungen auch bei der
Muttergesellschaft (und einem damit einhergehenden organisatorischen Aufwand).52 Deshalb sehen manche Anstellungsverträge von
einer Anrechnung ab. Daneben sollte(n) der Anstellungsvertrag/die
Anstellungsverträge die in Vorstandsanstellungsverträgen üblichen
Klauseln enthalten (Aufwendungsersatz, D&O Versicherung, Change
of Control Klauseln etc.). Schließlich ist bei sämtlichen Ausgestaltungen Ziff. 4.2.2 Deutscher Corporate Governance Kodex zu beachten:
Konzernbezüge sind bei der Festsetzung der Gesamtvergütung zu
berücksichtigen.
Weiß, Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern:
Voraussetzungen, Interessenkonflikte, Anstellungsvertrag
und Haftung
Ersatzpflicht aus § 317 AktG.53 Im Folgenden geht es nur um die persönliche Haftung des Doppelmandatars:
Eine Haftung aus § 117 Abs. 1 AktG ist auch im faktischen Konzern
denkbar54 , wenn auch vor dem Hintergrund des Vorsatzerfordernisses auf Extremfälle beschränkt:55 Der Gesellschaft gegenüber haftet,
wer Verwaltungsmitglieder oder leitende Mitarbeiter zu einem Verhalten veranlasst, das der Aktiengesellschaft oder ihren Aktionären
schadet.56 Ebenso sollte auf die Haftung aus § 88 Abs. 2 AktG (s. o. II.
unter 1.) geachtet werden. Im Übrigen ist zu unterscheiden zwischen
der Haftung des Doppelmandatsträgers gegenüber der Untergesellschaft einerseits (dazu V. unter 1.), und der Haftung gegenüber der
Obergesellschaft andererseits (dazu V. unter 2.). Die nachfolgend
dargestellten (konzernrechtlichen) Haftungsnormen betreffen nicht
nur Doppelmandatsträger, sind aber insbesondere in diesem Zusammenhang von Bedeutung.
1. Haftung des Doppelmandatsträgers gegenüber
der Untergesellschaft
a) Haftung aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG
Verletzt das Vorstandsmitglied seine Pflichten, kommt eine Haftung
nach § 93 Abs. 2 AktG in Betracht. Sie greift grundsätzlich auch im
Konzern, wird aber oft durch speziellere Haftungstatbestände verdrängt.57 Die Aktiengesellschaft muss den Eintritt und die Höhe des
Schadens beweisen, ebenso die Handlung des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds sowie eine adäquate Kausalität zwischen
Handlung und Schaden.58 Das beklagte Vorstandsmitglied muss
darlegen und ggf. beweisen, dass er nicht pflichtwidrig oder nicht
schuldhaft gehandelt hat. Außerdem steht ihm der Nachweis offen,
dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten
wäre.59 Eine Pflichtverletzung scheidet aus, wenn sich das Vorstandsmitglied im Rahmen der sog. Business Judgment Rule bewegt (§ 93
Abs. 1 S. 2 AktG). Gerade bei Vorstandsdoppelmandaten wird das
Haftungsrisiko dadurch verschärft, dass sich der Doppelmandatar
verstärkt Interessenkonflikten ausgesetzt sieht (dazu oben III. unter
1.; zur Haftung in Zusammenhang mit der Verschwiegenheitspflicht:
III., 3. unter d.). Daneben kann eine Haftung ggf. auch auf den Anstellungsvertrag gestützt werden.
b) Haftung aus § 317 Abs. 3 AktG
Gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens – also der
Doppelmandatsträger in seiner Funktion als Vorstand des herrschenden Unternehmens – können neben dem herrschenden Un-
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V. Haftung
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Beeinflusst die Obergesellschaft die Untergesellschaft nachteilig,
kann die Untergesellschaft von der Obergesellschaft Ausgleich verlangen (§ 311 Abs. 2 AktG). Erfolgt kein Nachteilsausgleich, greift die
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Passarge, NZG 2007, 441, 443.
Passarge, NZG 2007, 441, 443.
Fonk, NZG 2010, 368, 371.
Zulässigkeit str. (da vergleichbar mit Drittanstellungsverträgen); dazu Fonk,
NZG 2010, 368, 370.
Fonk, NZG 2010, 368, 372.
Fonk, NZG 2010, 368, 372.
Fonk, NZG 2010, 368, 372.
Ausführlich Noack, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 847, 852.
Noack, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 847, 850; Schneider, in: Krieger/
Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, S. 242.
Schneider, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010,
S. 242.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 117 Rn. 1.
Spindler, in: MüKo Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 9.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 16.
Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 16.
Weiß, Vorstandsdoppelmandate im faktischen Konzern:
Voraussetzungen, Interessenkonflikte, Anstellungsvertrag
und Haftung
ternehmen auch ohne Verschulden haften. Dies gilt dann, wenn der
gesetzliche Vertreter die abhängige Gesellschaft zu der nachteiligen Maßnahme oder dem nachteiligen Rechtsgeschäft veranlasst
hat. Gesetzliche Vertreter sind Personen, die für die organschaftliche Geschäftsführung des herrschenden Unternehmens zuständig
sind.60 Aber nur diejenigen gesetzlichen Vertreter haften, welche die
abhängige Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der sonstigen
Maßnahme veranlasst haben.61 Veranlassung meint jede Form der
(mittelbaren) Einflussnahme – insbesondere auch ein Gewährenlassen der Angestellten des herrschenden Unternehmens.62 Allerdings:
Wer unzureichend überwacht oder mangelhaft organisiert, veranlasst
nicht.63 Der Kläger muss die Veranlassung ggf. beweisen – eine Beweiserleichterung gibt es nicht.64
c) Haftung aus § 318 Abs. 1 AktG
Die Norm regelt die Haftung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gegenüber dieser Gesellschaft. Der Doppelmandatsträger
sieht sich einem solchen Haftungsrisiko in seiner Funktion als Vorstand des abhängigen Unternehmens ausgesetzt. Die Haftung greift
nur dann, wenn das herrschende Unternehmen aus § 317 Abs. 1
AktG haftet.65 Darüber hinaus setzt die Norm eine Verletzung der
Berichtspflicht nach § 312 AktG voraus (Bericht fehlt oder ist unvollständig).66 Der Vorstand haftet nur bei Verschulden – Fahrlässigkeit
genügt.67
2. Haftung des Doppelmandatsträgers gegenüber
der Obergesellschaft
Vorstandsmitglieder – auch solche mit doppeltem Mandat – haften
„ihrer“ Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 AktG. Dies gilt auch im Verhältnis
zur Obergesellschaft. Daneben kann eine Haftung ggf. auch auf den
Anstellungsvertrag gestützt werden.68
BEITRÄGE CORPORATE COMPLIANCE
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orientieren, für die es gerade tätig wird. Die Interessen der jeweils anderen Gesellschaft darf es nur dann berücksichtigen,
wenn sie mit den Interessen der Gesellschaft, für die er handelt,
kompatibel sind.
4. Zwar unterliegt der Doppelmandatar keinem generellen Stimmverbot, wenn die Interessen beider Gesellschaften berührt sind.
Ein Stimmverbot kommt aber dann in Betracht, wenn der Doppelmandatsträger bei der Vorstandsentscheidung in der Obergesellschaft über die Stimmabgabe in der Hauptversammlung über
die eigene Entlastung entscheiden würde. Schließlich kann die
Obergesellschaft selbst ein Stimmverbot in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft treffen (§ 136 AktG). Befindet
sich das Vorstandsmitglied in einem Interessenkonflikt kann eine
Stimmenthaltung sinnvoll sein; so lässt sich eine Haftung vermeiden. Bei einem dauernden Interessenkonflikt sollte eine Mandatsniederlegung in Erwägung gezogen werden.
5. Das Anstellungsverhältnis des Doppelmandatars kann auf vielfältige Weise ausgestaltet werden; insbesondere besteht die
Möglichkeit eines oder mehrerer Anstellungsverträge. Die in Vorstandsanstellungsverträgen üblichen Klauseln (etwa D&O Versicherung, Aufwendungsersatz etc.) sollten bedacht werden.
6. Doppelt mandatierten Vorständen ist zu empfehlen jeweils im
Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang sie Informationen
an die herrschende Gesellschaft weitergeben dürfen. Andernfalls
droht ihnen eine zivil- und strafrechtliche Haftung (§§ 93 Abs. 2
AktG, 404 AktG). Auch im Übrigen sind Vorstandsdoppelmandate
haftungsträchtig – für das herrschende Unternehmen und den
Doppelmandatsträger. Die Haftungsgefahr resultiert insbesondere aus Interessenkonflikten, die der Doppelmandatar sachgerecht bewältigen muss.
VI. Zusammenfassung und Handlungsempfehlung
AUTOR
1. Vorstandsdoppelmandate sind ein Instrument der Konzernsteuerung. Sie ersetzen das im faktischen Konzern fehlende Weisungsrecht (§ 308 AktG). Der BGH verbietet Vorstandsdoppelmandate
nicht. Sie sind aber nur zulässig, wenn die Aufsichtsräte beider
Aktiengesellschaften zustimmen (§ 88 Abs. 1 S. 2 AktG). Die
Entscheidung des Aufsichtsrats und damit zusammenhängende
Überlegungen sollten sorgfältig dokumentiert werden. Das Vorstandsmitglied haftet, wenn es diese Vorgaben missachtet (§ 88
Abs. 2 AktG).
2. Bevor jemand ein doppeltes Mandat erhält, sollte geprüft werden, ob Bestellungshindernisse greifen. Insbesondere dürfen
Aufsichtsratsmitglieder der beherrschten Gesellschaft nicht
zeitgleich ein Vorstandsmandat dort ausüben (§ 105 AktG). Das
Aufsichtsratsmitglied der abhängigen Gesellschaft unterliegt
auch dann keinem Stimmverbot bei der Bestellung des Doppelmandatsträgers, wenn es zugleich dem Vorstand der Obergesellschaft angehört.
3. Der doppelt mandatierte Vorstand im faktischen Konzern leitet
in seiner Funktion als Vorstand der Tochtergesellschaft deren
Geschäfte eigenverantwortlich (§ 76 AktG). Nachteilige Weisungen des herrschenden Unternehmens darf er nur dann befolgen,
wenn ein Ausgleich nach § 311 AktG zu erwarten ist. Andernfalls
läuft er Gefahr zu haften (§ 93 Abs. 2 AktG). Das Vorstandsmitglied sollte sich ausschließlich an den Interessen der Gesellschaft
RA Dr. Matthias M. Weiß berät bei REEG
Rechtsanwälte in Mannheim nationale und
internationale Unternehmen in den Bereichen Compliance, Corporate und Dispute
Resolution. Einer seiner Schwerpunkte ist
die präventive Compliance-Beratung von
Organen, Führungskräften und Aufsichtsratsmitgliedern sowie die Abwehr und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
60 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht,
7. Aufl. 2013, § 317 Rn. 22.
61 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht,
7. Aufl. 2013, § 317 Rn. 24.
62 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht,
7. Aufl. 2013, § 317 Rn. 24.
63 Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 317 Rn. 14.
64 Schneider, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010,
S. 241.
65 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH Konzernrecht,
7. Aufl. 2013, § 318 Rn. 24.
66 Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 318 Rn. 3.
67 Hüffer, in: Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 93 Rn. 16.
68 Schneider, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. 2010,
S. 230.
Compliance-Berater | 4/2014 | 1.4.2014

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