Insulin-Antikörper: Nebenwirkung der (kurzwirkenden) Insulin

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Insulin-Antikörper: Nebenwirkung der (kurzwirkenden) Insulin
15. Juni 2014
G2813
Pressepostsendung - Entgelt bezahlt
Euro 3,50
32. Jahrgang
unabhängig-insulinabhängig
Insulin-Antikörper:
Nebenwirkung der
(kurzwirkenden)
Insulin-Analoga?
107
www.insuliner.de
Information
Ernste Nebenwirkung der (schnellen) Insulin-Analoga?
Die Untersuchung von Dr. med. Bernhard Teupe, Bad Mergentheim,
‘Late revenge of analogue insulin among T1D-patients?’ mit 277 Typ
1-Diabetikern zeigt, dass eine gewisse Zahl von Insulin-Antikörpern im
Blut die Wirkung des gespritzten Insulins verringert. Übersteigt die Zahl
der Insulin-Antikörper eine bestimmte Grenze, ist ein Typ 1-Diabetes
allein durch Insulininjektionen nicht mehr behandelbar.
Die Wirkung von Insulin und alles, was darauf Einfluss hat, ist seit 32
Jahren Thema des INSULINERs. Als Typ 1-DiabetikerInnen spüren wir
täglich, wie sehr wir auf eine zuverlässige Insulintherapie angewiesen
sind, um als Menschen ohne eigene Insulinproduktion gut und zufrieden
funktionieren zu können. Konsequenzen und Fragen, die sich durch die
Arbeit von Dr. Teupe ergeben, müssen daher zügig, intensiv und unabhängig bearbeitet werden.
In dem nachfolgenden Gespräch mit Dr. Teupe stellen wir seine Arbeit
und die sich ergebenden Folgen vor.
Was sind Insulin-Antikörper?
Antikörper haben innerhalb des Immunsystems eines Lebewesens verschiedene
Aufgaben. Eine bedeutende ist das
Abwehren von Eindringlingen, also von
körperfremden Stoffen. Die hier thematisierten Antikörper sind Eiweiße, die Insulin binden und es nach dem Massenwirkungsgesetz, also konzentrationsabhängig, wieder freisetzen.
Das Massenwirkungsgesetz ist die Grundlage aller (chemischen) Bindungsreaktionen. Es beschreibt das konstante Verhältnis der Konzentrationen der Reaktionsprodukte und dem Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe.
lin durch die Antikörper gebunden werden. Es kommt zu hohen BZ-werten, die
mit noch mehr Insulin korrigiert werden...
Wenn über längere Zeit - wie in der Nacht
- kein Bolus- oder Korrekturinsulin gegeben wird, also weniger (meist nur basales) Insulin ins Blut gelangt, kommt es zu
einer Freisetzung des vorher an die Antikörper gebundenen Insulins. Diese Insulin-Freisetzung verursacht schwere Unterzuckerungen.
Es scheint, dass dabei weder die Eiweißstruktur des Insulins durch die Antikörperbindung und -freisetzung zerstört wird,
noch
weitergehende
zerstörerische
Immunprozesse ausgelöst werden.
Damit ist zu erklären, warum DiabetikerInnen mit vielen Insulin-Antikörpern
am Tag hohe Blutzuckerwerte und in der
Nacht starke Hypoglykämien haben: Tagsüber, wenn viel Insulin zum Essen und
Korrigieren gespritzt wird, kann viel Insu-
Woher kommen Insulin-Antikörper?
Es ist nicht normal, Insulin-Antikörper zu
haben oder zu produzieren - aber es ist
zunächst auch noch keine Krankheit, solche zu bilden. Es gibt vier Möglichkeiten,
woher diese Antikörper kommen können:
Information
• aus dem Entstehungsprozess des Typ 1Diabetes, wobei die Menge an InsulinAntikörper im Laufe der Zeit wieder
abnimmt,
• durch die Insulin-Injektion unter die
Haut als ein für das Insulin unnatürlicher
und deshalb immunogen stimulierender
Ort,
• durch den nicht-humanen Ursprung
(Fremdeiweiß) wie z.B. bei tierischem
Insulin,
• sehr selten durch eine bekannte Genetik
bei Nicht-Diabetikern.
Insulin-Insulinantikörper-Komplex: IgGMolekül, mit leichten und schweren Ketten
und den Erkennungspeptiden, in dem sich
ein Insulinmolekül (gelb) verfangen hat.
Wie kann ich erkennen, dass es in meinem
Körper Insulin-Antikörper gibt?
Hinweise darauf können sein:
• hohe Blutzuckerwerte am Tag bei vermehrter Insulinzufuhr (basales, Essensund Korrektur-Insulin) und starke Unterzuckerungen in der Nacht bei meist deutlich geringerer Insulinzufuhr (oft nur
basales, kaum Essens- oder KorrekturInsulin)
• eine ständig steigende Dosis des täglichen Insulinbedarfs,
• intravenös (i.v.) gespritztes Insulin wirkt
wie subcutan (s.c.) verabreichtes Insulin
im Normalfall wirkt.
Was ist erforderlich, um die Insulin-Antikörperzahl zu messen?
Jeder Arzt kann Blut abnehmen und es in
einem Labor auf Insulin-Antikörper untersuchen lassen. Für Diabetiker ist die Insulin-Antikörperbestimmung, die etwa € 35,kostet, Kassenleistung - ohne Auswirkung
auf das Budget des Arztes.
In Karlsruhe gibt es das Labor Volkmann,
das sich auf die Bestimmung von Antikörper spezialisiert und entsprechende Methoden dafür entwickelt hat. Dieses Labor hat
einen deutschlandweiten Abholdienst eingerichtet. Jeder Arzt kann also diesen
Abholdienst bestellen.
Bevor man allerdings bei deutlich erhöhten
Insulin-Antikörper-Konzentrationen davon ausgehen kann, dass bei vorliegenden
Symptomen diese auf die Insulin-Antikörper zurückzuführen sein könnten, sollten
erst andere Therapiefehler ausgeschlossen
werden, wie z.B. eine chaotische Insulintherapie, Spielen mit Insulin, psychische
Auffälligkeiten ... .
Ab welcher Anzahl von Insulin-Antikörpern kommt es zu den beschriebenen BZHoch-Tief-Symptomen?
Nach meinen bisherigen Erfahrungen
macht eine nachgewiesene Anzahl von
Insulin-Antikörpern bis etwa 6.000 nU/ml
keine Therapieschwierigkeiten. Bei einer
Konzentration bis 15.000 nU/ml haben
schon einige Diabetiker Probleme. Allerdings gibt es unter meinen PatientInnen
auch solche mit etwa 20.000 nU/ml Insulin-Antikörpern, die noch keine der dargestellten Symptome haben.
Information
Zusätzlich zu der Untersuchung wird seit
etwa eineinhalb Jahren bei allen PatientInnen des Diabetesdorfes Althausen eine
Insulin-Antikörper-Untersuchung durchgeführt. Welche Ergebnisse gibt es bisher?
Auffällig ist, dass knapp doppelt so viele
DiabetikerInnen, die das Insulinanalogon
NovoRapid benutzen, Insulin-Antikörper
produzieren (über 60%) und dass auch
deren Menge an Insulin-Antikörpern
durchschnittlich deutlich und signifikant
höher ist (2635,6 nU/ml zu 1789,3 nU/ml).
Dagegen steht, dass Jasmin (siehe Seite )
nie NovoRapid, sondern lange Zeit das
Analogon Humalog gespritzt hat.
Auch bei Manuel (siehe Seite ) kam es
nach Umsetzen auf Humalog zu einem
starken Wiederanstieg der Antikörper nachdem die Antikörper nach Absetzen
von NovoRapid und der Behandlung mit
Humaninsulin drastisch abgefallen waren.
Bei wenigen Typ 1-DiabetikerInnenn, die
sich nur gelegntlich NovoRapid spritzen,
haben wir allerdings Insulin-AntikörperSpiegel gemessen, die sich in ihrer Höhe
zwischen den beiden Gruppen: "Noch nie
Analoga" und "Ausschließlich Analoginsulin" befinden.
Da bei keinem unserer mit Analoginsulinen behandelten Typ 2- und MODY-Diabetikern Insulin-Antikörper nachweisbar
waren, spricht das dafür, dass eine gewisse
spezifische Autoimmunität Voraussetzung
für die Produktion von Insulin-Antikörpern sein müsste. Da diese Vergleichsgruppe klein war, ist dies nicht sicher.
Welche Faktoren wurden in der Arbeit
neben der Insulin-Antikörper-Bestimmung
noch untersucht?
Natürlich haben wir ausführlich nach
Zusammenhängen mit anderen Autoimmunerkrankungen gesucht, aber keinerlei
Anhalt gefunden. Die ursprüngliche Vermutung, dass es eine Verbindung mit der
Hashimoto-Thyreoiditis, der chronischen
Schilddrüsenentzündung gibt, hat sich
nicht bestätigt.
Nach der dargestellten Antikörperstudie
habe ich bei 183 weiteren DiabetikerInnen
Antikörpermessungen und etwa 50 Nachmessungen an beiden Kollektiven durchgeführt, die die Studienergebnisse bestätigen.
Die Arbeit ist in englisch verfasst. Üblicherweise werden solche Untersuchungen
zuerst einem wissenschaftlichen Fachpublikum vorgestellt. Warum wählst Du hier
einen anderen Weg?
Weil diese Beobachtungen beunruhigend
sind, habe ich die Untersuchung, die den
wissenschaftlichen Standards entspricht,
den industrieunabhängigen Zeitschriften
The Lancet1 und Diabetes-Care2 zur Veröffentlichung vorgelegt. Diese bekommen
viele „Paper“-Zusendungen, von denen sie
nur ca. 5 % veröffentlichen können – meine Arbeit war nicht dabei.
Da es aber um die Typ 1-DiabetikerInnen,
geht und erst in zweiter Linie um die verschlungenen Pfade wissenschaftlicher Veröffentlichungen, ist es für mich naheliegend, auf unsere Beobachtungen im INSULINER aufmerksam zu machen.
Nachdem eineinhalb Jahre vergangen sind,
ist jetzt wichtig, dass diesen Fragen mit
wesentlich mehr Power nachgegangen
wird. Dies versuche ich u. a. auch dadurch
zu erreichen, dass wir diese Beobachtungen den Zulassungsbehörden melden.
älteste medizinische Fachzeitschrift der
Welt, erscheint seit 1823 wöchentlich
2 wissenschaftliche Fachzeitschrift der amerikanischen Diabetesgesellschaft - ADA
1
Information
Ohnehin bin ich nach Berufsrecht verpflichtet, schon den Verdacht einer Nebenwirkung eines Medikamentes der Arzneikomission der deutschen Ärzteschaft zu
melden.
Welche weiteren Untersuchungen müssen
jetzt folgen mit dem Ziel Insulin-Antikörper zu vermeiden?
Die erste zu klärende Frage ist, ob InsulinAnaloga tatsächlich häufiger und stärker
als andere Insuline eine gefährliche Insulin-Antikörper-Produktion auslösen. Dann
wird es um den Einfluss der täglichen
Dosis und die Anwendungsdauer mit Insulinanaloga gehen und weiter um die
Bedeutung der Konzentration der Antikörper. Welche Diabetiker stärker, gar nicht
oder kaum betroffen sind, wird sich nur
durch umfangreiche Untersuchungen klären lassen. Diabetiker gibt es genug!
Wenn bei einem Diabetiker, einer Diabetikerin Insulin-Antikörper nachgewiesen
werden, besteht die Möglichkeit, diese wieder loszuwerden?
Auf die Frage, ob sich die Antikörper nach
Weglassen der Insulin-Analoga zurückbilden, können Manuels Erfahrungen eine
vorsichtige Antwort geben. Bei ihm sind
die Antikörper in zwei Versuchen und
jeweils nach Wechsel auf Humaninsulin
wieder deutlich unter 6000 gesunken.
Manuel hat es zuvor mit täglich mehrfachen i.v.-Insulininjektionen geschafft,
einen guten HbA1c-Wert zu erreichen.
Eine Methode, die aber auf Dauer nicht
praktikabel ist.
Bei Jasmin hat dies nicht funktioniert. Welche anderen Möglichkeiten gibt es dann
noch, um eine berechenbare Insulinwirkung zu erreichen?
Es gibt medikamentöse Therapien, die die
Immunantwort des Körpers unterdrücken zum Beispiel mit Cortison und anderen
Immunsuppressiva und deren Kombinationen. Das haben wir bei Jasmin über jeweils
mehrere Wochen probiert, waren aber
damit nicht erfolgreich. Sie überlebt derzeit durch die Immunadsorption, einem
dialyseähnlichen Verfahren bei dem nach
einem operativ angelegten Shunt - ein
Kurzschluss zwischen dem venösen und
arteriellen Gefäßsystem - aus dem Blut
bestimmte Fraktionen der Antikörper
maschinell entfernt werden. Das ist sehr
aufwändig und während und nach der
Behandlung komplikationsanfällig.
Eine weitere Patientin benutzt eine andere
Strategie. Sie führt viel Basalrateninsulin
gleichmäßig über den Tag und in der Nacht
zu. Für mehrere kleine Essensmengen gibt
sie nur wenig Insulin dazu. Dadurch verhindert sie größere Anstiege des Insulinspiegels mit einer Erhöhung der InsulinAntikörper-Bindung und ebenso die resultierende Freisetzung des Insulins bei geringerer Insulinzufuhr nachts.
Wenn alle diese Möglichkeiten zu keinem
befriedigenden Ergebnis führen, könnte
dieses Krankheitsbild eventuell durch den
Einsatz neuer monoklonaler Antikörper,
die gezielt die verantwortlichen Plasmagedächtniszellen zerstören, und durch die
Rück-Übertragung eigener Knochenmarks-Stammzellen in absehbarer Zeit
ursächlich behandelbar werden.
Eine noch radikalere Behandlungsmöglichkeit stellt eine Knochenmark-Transplantation dar. Dabei müsste das körpereigene Knochenmark durch Chemotherapie
vernichtet und fremdes Spendermark eingesetzt werden.
Information
Die beiden zuletzt genannten Möglichkeiten sind jedoch sehr invasiv und wurden
bisher in dieser Indikation noch nicht versucht.
Herzlichen Dank für das große medizinische, wissenschaftliche und menschliche
Engagement im Interesse der Diabetiker!
Was muss jetzt geschehen? Wie können wir
erreichen, dass unabhängige Forschungseinrichtungen und Insulinhersteller diesen
Hinweisen nachgehen und klärende Untersuchungen durchführen?
Die Untersuchung mit 277 Typ 1-Diabetikern ist abgeschlossen und im Original
nachzulesen auf den Homepages:
www.DiabetesDorfAlthausen.de
www.insuliner.de
Ich bin überzeugt, dass das Thema der
Insulin-Antikörper seriös untersucht werden muss. Diese Veröffentlichungen sollen
dazu anstoßen.
Zu einer größeren wissenschaftlich einwandfreien Untersuchung reichen meine
strukturellen und finanziellen Möglichkeiten nicht aus.
Für bemerkenswert halte ich in diesem
Zusammenhang eine andere Therapie-Entwicklung: Bei der Autoimmunerkrankung
Morbus Addison3, deren Häufigkeit bei
circa 1 : 50.000 liegt - bei Diabetes etwa 1
: 200 - erfolgt die Behandlung ausschließlich mit natürlichem Cortisol und nicht mit
einem der vielen künstlichen AlternativHormone.
Hier scheint zumindest auf ärztlicher Seite
das Gefühl für die Notwendigkeit einer artgerechten Therapie erhalten zu sein.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Diabetiker
auch an Morbus Addison erkrankt, liegt bei 1 :
5.000 , im Patientengut des Diabetes-Dorfes
Althausen bei etwa 1 : 500.
siehe unter Erste Hilfe - Heftmitte - und
INSULINER 104, Seite 46
3
Anmerkung der Redaktion:
Mit Erscheinen dieses INSULINERs werden die Originalarbeit von Dr. med. Bernhard Teupe und die vorliegende INSULINER-Ausgabe sowohl an die deutschen
Niederlassungen der Insulin-Hersteller
Lilly Deutschland GmbH, Novo Nordisk
Pharma GmbH und Sanofi-Aventis
Deutschland GmbH als auch an die Meldebehörden (FDA, EMEA, Arzneimittelkomission der deutschen Ärzteschaft,
BfArM) geschickt.
Mit einem beiliegenden Schreiben fordern
wir auf, schnellstmöglich geeignete Untersuchungen zur Insulin-Antikörperentwicklung unter der Therapie mit Analoginsulinen und deren klinische Folgen durchzuführen.
Portrait
S’trifft Jasmin
Wahrscheinlich ist Jasmin derzeit weltweit die einzige Diabetikerin, bei
der durch eine regelmäßige Immun-Adsorption spezielle InsulinAntikörper entfernt werden müssen, um eine zuverlässige Insulinwirkung
zu erzielen und ihr Leben zu erhalten.
Jasmin, Sie haben viele Jahre mit extremen Blutzuckerschwankungen verbracht.
War das schon zu Beginn Ihres Diabetes
so?
Diabetikerin wurde ich mit 7; kompliziert
wurde die Insulintherapie als ich zehn oder
elf Jahre alt war. Das war um die Jahrtausendwende. Natürlich hat jeder Arzt die
Blutzuckerschwankungen auf die Pubertät
geschoben, obwohl die Werte sehr krass
waren, ganz plötzlich sehr hoch oder
extrem niedrig. Und sie waren über einen
langen Zeitraum nicht zu korrigieren. Die
Ärzte haben mir als Lösung angeboten:
Essen falsch eingeschätzt, Insulinspritze
vergessen.
Ich war bei vielen Ärzten bis sich herausstellte, dass intravenös gespritztes Insulin
am zuverlässigsten wirkt. Mein damaliger
Kinderarzt und Diabetologe hat sich sehr
um mich bemüht und Dr. Teupe nach seiner Meinung gefragt. So bin ich ins Diabetesdorf gekommen.
Welche Insuline haben Sie gespritzt?
Humaninsulin hatte ich am Anfang des
Diabetes. Im August 2006 bekam ich eine
Insulinpumpe und da war das Insulinanalogon Humalog drin.
Sie sind dann viele Wochen im Diabetesdorf bei Dr. Teupe gewesen. Was war dort
anders hinsichtlich der Diabetestherapie?
Bis dahin hatte ich viel Misstrauen gegenüber Ärzten aufgebaut; ich wurde etwa
zehn Jahre von einem Arzt zum anderen
geschickt und keiner hatte eine Lösung für
meinen ‘schweren Diabetes’.
2009 haben wir es im Diabetesdorf zuerst
mit Schema B1 versucht und wollten nach
zwei Wochen weiter schauen. Das ging
eher schlecht als recht.
War ein Blutwert seltsam, haben wir an
dieser Stelle weiter gesucht, unter anderem
auch, ob es genetische Faktoren gibt, die
eine Rolle spielen könnten.
Dabei stellte sich heraus, dass ich nicht nur
einen Typ 1-Diabetes habe, sondern auch
einen MODY 3, also eine genetische Variante des Typ 2-Diabetes, die eher bei jüngeren Menschen auftritt. Irgendwann
waren dann die Antikörper dran. Im dritten
Kurs, also nach etwa einem Vierteljahr,
lautete die Diagnose: viele Insulin-Antikörper.
Im vierten Kurs, also nach wieder drei bis
vier Wochen, wurde die erste Immunadsorption durchgeführt. Dabei werden
die Antikörper ähnlich dem Dialyseverfahren aus dem Blut entfernt. Mir wurde
ein zentralvenöser Katheter über die Halsvene gelegt, der bis in den Herzvorhof
geschoben wird. Wir hatten die Hoffnung,
dass nach diesem Eingriff mein InsulinAntikörperproblem gelöst ist.
Wie lange hat es gedauert, bis die Antikörper wieder vermehrt nachweisbar waren?
siehe INSULINER 99, ab Seite 68, und
INSULINER 100, ab Seite 102
1
Portrait
Sechs Wochen. Auch immunsuppressive
Therapien mit verschiedenen Medikamenten(kombinationen) konnten die Produktion dieser Antikörper nicht unterdrücken.
Insgesamt wurden die Antikörper 18mal
über einen Shaldon-Katheter entfernt.
Und wie ist das heute?
Jetzt habe ich einen Zugang am linken
Unterarm. Mit dem Shunt wird das arterielle mit dem venösen Gefäßsystem verbunden. Alle vier Wochen bin ich für zwei
bis fünf Tage im Krankenhauses, zuerst in
Bad Mergentheim, jetzt in Karlsruhe. Zwei
Krankenschwestern wurden dort speziell
ausgebildet für diese Antikörper-Adsorption. Dabei werden dem Körper natürlich
auch einige andere, auch wichtige Antikörper entzogen und manchmal gibt es eine
allergische Reaktion.
Sie sind 21 Jahre alt. Die Alternative zu
dieser Therapie wäre eine KnochenmarkTransplantation. Dennoch höre ich aus
Ihren Worten sehr viel Lebensfreude und
Lebensmut. Woher nehmen Sie beides?
Ich habe gelernt, für einfache Dinge dankbar zu sein. Ich wußte lange Zeit nicht, was
am nächsten Tag mit mir passieren wird.
Ich bin dankbar für das bisschen Alltag,
das ich jetzt erfahren darf. Ich habe Freunde, Familie und das Vertrauen in die mich
behandelnden Ärzte. Auch mein Glaube
gibt mir Kraft.
Wie hat Ihre Familie in den vergangenen
Jahren auf die vielen Blutzuckerentgleisungen reagiert und wie ist das heute?
Jeder ist damit anders umgegangen. Meine
Mutter hat sich wohl die meisten Sorgen
gemacht, aber viele andere auch. Mein
Vater ist eher der schweigsame, aber
immer da, wenn er gebraucht wird. Er
wusste als Ruhepol und Chauffeur auch
über alles Bescheid. Meine zehn Jahre ältere Schwester war oft bei mir im Krankenhaus und hat stundenlang am Bett gesessen. In dieser Zeit haben wir uns gut kennengelernt.
Ich habe noch zwei Brüder, von denen der
eine schon lange nicht mehr Zuhause
wohnt. Ich bin das Nesthäkchen und dankbar, wenn man mich normal behandelt. Ich
habe auch Ärger bekommen, wenn ich
Mist gebaut habe; wir haben uns gestritten
und hatten Spaß miteinander.
Sie studieren zur Zeit für das Lehramt der
Sekundarstufe 1. Welche Pläne haben Sie?
In meiner Oberstufenzeit habe ich zwei
Drittel des Unterrichts versäumt und nach
dem Abitur ein Jahr Pause eingelegt. Daher
dauert das Studium mit den Fächern Alltagskultur und Gesundheit, Mathematik
und Ethik/Philosophie noch zweieinhalb
Jahre. Ich überlege gerade, ob ich die Qualifikation bzw. die Didaktik für die Grundschule noch dazu nehme.
Am Wochenende bin ich Zuhause. Mein
Verlobter wohnt auch noch hier.
Sie sind verlobt?
Ja, tatsächlich! Seit zwei Jahren. Wir
haben uns während meiner Härtezeit kennengelernt und schon viel erlebt. Er musste
einmal in meine Wohnung einbrechen,
weil ich wegen einer Azidose nicht mehr in
der Lage war, die Tür zu öffnen...
Ich versuche trotzdem so normal als möglich zu leben, mich mit Freunden zu treffen. Natürlich stelle ich mir dabei auch die
Frage, was ich mir zutrauen kann. Und ich
bin schon oft auf die Nase gefallen.
Ist Ihr Leben, sind die Tage und Wochen
für Sie planbarer geworden durch die
Immunadsorption?
Portrait
Ja, ich habe jetzt einen relativ normalen
Diabetes. Wenn das Insulin nicht mehr gut
wirkt, ist es immer wie eine schlechte Therapie. Unplanbar wird es, wenn ich eine
Infektion oder auch nur einen Abszess
habe. Davon hatte ich in den letzten drei
Jahren zehn. Mit einem Infekt oder Abszeß
ist auch eine Immunadsorption nicht möglich.
Wie macht sich eine Infektion bemerkbar?
Ich habe nicht mehr so deutliche Symptome wie früher. Am Blutzucker kann ich es
merken, ich fühle mich schlapp, eventuell
durch Husten. Sobald ich den Verdacht auf
eine Infektion habe, gehe ich ins Krankenhaus und lasse die Entzündungswerte
bestimmen. Auch bei einem Abszeß nehme
ich gleich Antibiotika. Das macht die Kuh
auch nicht mehr dick.
Hilft Ihnen ein Gerät zur kontinuierlichen
Glukosemessung? Haben Sie es probiert?
Ich habe schon verschiedene Systeme probiert. Da der Blutzuckerwert etwa mit
einer Verzögerung von einer halben Stunde
angezeigt wird, ist das für mich nicht hilfreich.
Haben Sie einen GdB beantragt?
Ich wollte in der Schule keine Bevorzugung und möchte das auch jetzt nicht!
Allerdings habe ich einen GdB von 70,
besonders wegen der steuerlichen Vorteile.
Meine Eltern müssen viel selbst finanzieren, wie z.B. Fahrtkosten. Mein Arzt
möchte, dass mir ein GdB von 100 mit
einem G oder H anerkannt wird, da ich oft
auf die Hilfe anderer angewiesen bin.
Gibt es Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme durch die Krankenkasse für die
eher ungewöhnliche Diabetestherapie?
Es gibt mittlerweile ein Sozialgerichtsur-
teil, wodurch die Finanzierung meiner
Behandlung durch die Krankenkasse gesichert ist. Aber das ist ein Einzelfall-Urteil
und kann nicht auf andere übertragen werden. Das war ein Kampf mit der Bürokratie! Ich hatte einen guten Rechtsanwalt und
große Unterstützung durch viele Menschen. Kranksein ist teuer. Allein für den
zwei- bis fünftägigen Krankenhausaufenthalt zur Adsorption zahle ich jeweils € 10,pro Tag und viele Rezeptgebühren bis zur
Befreiung.
Was löst die Vermutung, dass Insulinanaloga für die Entstehung von Insulin-Antikörper (mit-)verantwortlich sind, bei Ihnen
aus?
Huh, das ist schwer! Es wäre gelogen zu
sagen, dass ich mir noch nie überlegt hätte,
wie alles gelaufen wäre, wenn das alles
schon früher bekannt gewesen wäre und
ich diese vielen Antikörper nicht entwikkelt hätte. Viel mehr aber freue ich mich,
dass man das JETZT weiß und es JETZT
viele andere besser machen können!
Ich bin heute die, die ich bin, weil ich
erlebt habe, was ich erlebt habe - und dafür
bin ich dankbar. Ich will nicht mit einem
hätte und wäre zurückschauen - auch wenn
ich manches Mal mit meiner Situation
gekämpft habe.
Portrait
S’trifft Manuel
Hektisch, aufgeregt und gleichzeitig müde, manchmal fordernd oder traurig klingen Manuels Worte. Spannung, Hoffnung und ein Sich-Ergeben
sind gleichzeitig zu hören, wenn er die Buchstaben aneinander reiht: Ich
will an die Maschine!
Manuel wurde mit sieben Jahren Diabetiker, das war 1996. Angefangen
hat er mit der klassischen konventionellen Insulintherapie und einem
strikten Plan. Seit etwa elf Jahren spritzt er das Insulinanalogon
NovoRapid. Für die basale Insulinversorgung hat er es mit den Analoga
Lantus und Levemir probiert; funktioniert hat es mit beiden nicht. Im
April 2011 bekam er eine Insulinpumpe, in die er NovoRapid füllt.
Durch die Pumpentherapie haben Sie
erfahren, dass zum Diabetes mehr gehört
als Insulin und Blutzucker testen.
Mit dem Diabetes ging es mir gut; ich hatte einen HbA1c-Wert von 5 bis 5,4%.
Unzufrieden war ich, wenn der Blutzuckerwert manchmal stärker anstieg. Durch
die Berichte anderer Diabetiker über die
Fett- und Eiweiß-Wirkung habe ich mich
mit dem verzögerten Bolus beschäftigt
und bei den entsprechenden Lebensmitteln
vorgesorgt. Dabei wurde mir klar, dass
Diabetes ein bisschen komplexer ist, als es
mir bis dahin vermittelt worden war.
zuckerverlauf an, komisch zu werden.
Mit meiner sehr strengen Einstellung zum
Diabetes lief es bis zum Sommer gut allerdings habe ich täglich Essens- oder
Korrekturinsulin i.v. (intravenös) gespritzt
und bin damit für mich den Weg des
geringsten Widerstandes gegangen.
Insulininjektionen in die Vene, das kann
und will nicht jeder. Warum haben Sie das
angefangen?
Ich esse gern und viel. Zu dieser Zeit habe
ich täglich Kraftsport gemacht und die
Kalorien gut verarbeitet. Durch die schnelle und zeitlich eng begrenzte Wirkung war
das für mich die einfache und passende
Lösung. Ich bin ein Therapie-Freak, ich
will die Behandlung im Griff haben.
Ich bin einer, der will!
Der Diabetes muss funktionieren,
denn er bestimmt meine Leistungsfähigkeit. Die Basalrate muss passen
und die Essensfaktoren ebenso.
Dann stimmt auch das Ergebnis.
Wie ging es dann weiter?
Ab September/Oktober 2012 hatte ich Probleme mit der Basalrate und dachte an eine
Resistenz, an selbst verschuldete Therapiefehler, an Überanstrengung ... .
Das Basalraten-Insulin schien nicht zu
wirken. Bis Dezember wurde diese Situation immer schlechter und ich habe viel
mit i.v.-Insulin kompensiert. Der Blutzuckeranstieg kam von ganz alleine, trotz
Mit dem Bedürfnis, mehr wissen zu wollen,
sind Sie ins Diabetesdorf Althausen gefahren. Was ist da passiert?
Im März 2012 war ich Kursteilnehmer.
Mein HbA1c hat sich nicht verändert, aber
ich bin mit der Hälfte des täglichen Insulinbedarfs nach Hause gefahren. Im Laufe
der nachfolgenden Monate fing der Blut10
Portrait
Basalratenerhöhung und ohne dass ich
etwas gegessen hatte oder sonst etwas
passiert wäre. Um den HbA1c-Wert zu halten, habe ich am Tag etwa sieben Mal i.v.
gespritzt. Eine stabile Therapie war nicht
mehr möglich.
Im Dezember hatte ich einen komischen,
sehr intensiven Geschmack nach Insulin
auf der Zunge - ähnlich dem Geruch, wenn
Insulin ausläuft. Selbst beim Essen war
dieser Geschmack nur ganz kurz zu überdecken.
Ich brauchte immer mehr Insulin, die i.v.Injektionen wurden mehr; um den Blutzucker von 140mg/dl (7,8mmol/l) auf
80mg/dl (4,4mmol/l) zu kriegen, waren
selbst intravenös 10 IE und mehr nötig.
Damit hat der Diabetes mein Leben
bestimmt, ich habe mich mit nichts Anderem mehr beschäftigt.
körper binden nach dem Massenwirkungsgesetzt Insulin. Dieses Gesetz sagt, dass
das Ergebnis immer konstant ist. Tagsüber
kommt für das Essen Insulin dazu; nachts
fehlt das zusätzliche Insulin. Daher wird
nach diesem Gesetz das durch Antikörper
gebundene Insulin freigesetzt. Das führt
zur heftigen Unterzuckerung.
Es kommt vor, dass ich nachts ein Kilogramm Haribos brauche, also BEs ohne
Ende. Danach kommt dann irgendwann
ein Blutzuckerwert von weit über 500
mg/dl (21,6 mmol/l), eine starke Übelkeit
... und der Teufelskreis beginnt wieder von
vorne.
Psychisch wirst du dabei zum Wrack, körperlich bist du schlapp, völlig ko. Soziale
Kontakte brechen ab, kein Sport mehr, ich
hab deutlich an Gewicht zugenommen ...
Sie haben die Insulintherapie geändert.
Hatte das Auswirkungen auf die Stoffwechsellage oder die Zahl der Antikörper?
Ich habe bis Januar diesen Jahres Humaninsulin gespritzt, U100-Insulin in der
U40er-Spritze - über 200 IE täglich i.v. und
etwa 120 IE s.c. . Damit sind die Antikörper von 15.000 auf 4.900 gesunken.
Danach habe ich erstmals Humalog
gespritzt, anfangs etwa 80 IE pro Tag.
Nach drei Tagen stieg der Bedarf wieder
und nach etwa zwei Wochen war ich wieder bei 300 IE/Tag.
Ende März, also innerhalb von knapp acht
Wochen haben sich die Antikörper unter
Humalog wieder auf 7.900 verdoppelt.
Sie haben dann eine Diagnose gehört, für
die es noch keine Standardtherapie gibt,
die aber auch gerade mit Ihrer Einstellung
nicht zu fassen ist. Wie war das?
Ich war im März 2013 im Diabetesdorf
Althausen, auch mit der Frage, ob es bei
mir ein Katheterproblem gibt. Dr. Teupe
hat mir nach Vorliegen der Laborwerte
gesagt: Du hast ein Antikörper-Problem!
Mit dieser Aussage war erst einmal alles
zerstört. Ich lebe nur noch für diesen
Scheiß-Diabetes. Ich will nur noch, dass
diese völlige Unberechenbarkeit der Insulinwirkung aufhört!
Was haben Sie in dem vergangenen Jahr
ausprobiert? Wie haben Sie das erlebt?
In den darauf folgenden Monaten kamen
nachts die Unterzuckerungen. Nach den
hohen Insulindosen tagsüber - zum Korrigieren und Essen - kommt es nachts zu
einem starken Blutzuckerabfall. Die Anti-
Welche Pläne haben Sie für die nächsten
zwei, drei Monate?
Jetzt verwende ich wieder Humaninsulin
und nach etwa sechs Wochen, also Ende
Mai, werden die Antikörper noch einmal
bestimmt mit der Vorstellung, dass sie
11
Portrait
Insuliner-Verlag
BErechenbar
BErechenbar
weniger geworden sind. Die Hoffnung,
dass die Antikörper auf eine therapeutisch
unwirksame Zahl zurückgehen, steht
dahinter. Dann hätte ich gerade noch so
Glück gehabt.
Seit Anfang des Jahres führe ich ein
besonders ausführliches Protokoll. Das
wird auch wichtig sein, um zum Beispiel
gegenüber der Krankenkasse zu argumentieren wenn es um irgendwelche Kostenübernahmen geht.
Eine Insulinadsorption1 als mögliche
Lösung baut mich zur Zeit psychisch auf.
Das ist wie ein bißchen Licht am Ende des
Tunnels.
Insuliner-Verlag
Ich möchte wieder mit dem Sport anfangen
- Montainbiking, sicherheitshalber mit
zwei Kilogramm Gummibärchen im Rucksack, Fußball und Kraftsport ... - das krieg
ich wieder hin.
Extrem belastend ist für mich, dass man
ohne Insulin nicht lebensfähig ist und es
gibt niemand, mit dem ich über diese Situation reden kann. Ein normaler Typ 1-Diabetiker kann das nicht nachvollziehen. Ich
habe bisher keine Folgeschäden und durch
diese Antikörper total die Kontrolle über
den Diabetes verloren, die Therapie ist
nicht mehr berechenbar und gesellschaftliches Leben unmöglich.
neue
Titelseite
BErechenbar
ien
BE, KE und Kalor
kerem
in Süßem, Lec
und Exotischem
im Alltag, Restaurant
und Urlaub
25.09.2013 07:37:06
Glykämischer Index ................................................
7
Grundnahrungsmittel-Tabelle ................................
8
BE-Tabelle
Küche international ...............................................
Fast Food ..............................................................
McDonalds ...................................
Burger King ..................................
15
18
18
21
Zucker und Zuckeraustauschstoffe .......................
Süßigkeiten ..........................................................
Haribo ..........................................
Bärentreff ....................................
Gepa ............................................
24
25
29
31
31
Schokolade, Kuchen und Gebäck .........................
Alnatura ......................................
Bahlsen .......................................
Bofrost ........................................
Ferrero .
32
36
38
41
kernig
und
1
Aldi ..
............
Lidl .... .... 74
........ 7
knuspri
4
g ......
Kellogg .... 76
’s ... 77
Nestlé
....... 78
siehe ab Seite 6 und ab Seite 14
12
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