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Nr. 12/2007
12. Jahrgang
Kaulsdorfer
Geschenke
EVP: 1 Euro
Die Bürgerzeitung
aus Marzahn-Hellersdorf
Nicht nur am 6. Dezember kommt der heilige Nikolaus; zwei Tage später macht er noch einmal Station
beim nunmehr 11. Alt-Kaulsdorfer Weihnachtsmarkt
auf Schilkin-Gelände und Dorfanger. Da heißt es für
den Alten wieder, sein „Ebenbild aus Schokolade“ zu
verteilen. Beginn 13 Uhr. (Siehe Seite 5) Foto: Moese
So fröhlich kann
Weihnachten sein
Inhalt
Künstler-Serie in jot w.d.:
Viele Leser werden sich an
Sänger und Musiker ihrer
Jugendzeit in der DDR erinnern. jot w.d. berichtet,
was aus ihnen geworden
ist. Heute: Sänger Christian Schafrik aus Eisenach.
Seite 3
Geld für’s Gutshaus:
Das Gutshaus, Heimstatt
der Gründerzeitsammlung, kann nun saniert
werden. Unter den Stargästen, die die Geldzusage feierten, entdeckte
jot w.d. auch Schauspieler Dominique Horwitz.
Seite 5
Ort vielfältiger Begegnung:
Die Krankenhauskirche im
Klinikum am Brebacher
Weg feierte ihr (neues)
zehnjähriges Jubiläum.
Die liebevoll restaurierte
Räumlichkeit dient aber
nicht nur als Ausstellungsraum, wie jot w.d. erfuhr.
Zurück zur Natur:
Seite 9
Die Renaturierung der
Wuhle nimmt mehr und
mehr Gestalt an, was man
vielleicht nicht immer auf
den ersten Blick erkennt.
Deshalb zeigt jot w.d.
auch einen Vergleich „früher – heute“; damals ein
gerades Gewässer, heute
leichte Mäander.
Seite 14
Exklusiv gemalt für jot w.d.: Kein schnaufender Alter, sondern ein fröhlicher Tänzer mit Partnerin – so sieht unser
Stadtzeichner Gerd Wessel den Weihnachtsmann herannahen. Bis es soweit ist, gibt es vielerlei schöne Veranstaltungen
für Jung und Alt quer durch den ganzen Bezirk. Einige davon haben wir in dieser Ausgabe aufgelistet.
Liebe Leser,
Advent. Ankunft. Christen bereiten
sich auf die Ankunft Jesu vor. Wer
oder was kommt für die anderen?
Bereiten wir uns also vor auf die Ankunft einer neuen Generation von
Inlands-Spionen. Sie halten bald
schon unsere Telefon- und Internetdaten fest. Bereits jetzt kennen sie
unsere Konto-Nummern, schnüffeln
in unseren Briefen, „gleichen Daten
ab“. Auch sammeln sie nicht nur
unsere Namen, Adressen, Kreditkarten-Nummern, sie schicken sie auch
zum „großen Bruder“ nach Amerika. So wird jeder Mitarbeiter bei
Telekom, Post, Banken, Versicherungen zum Informellen Mitarbeiter. Ein Heer von IM lässt die so
genannte große Koalition rekrutieren, wie es weder unter Mielke noch
unter Heydrich zu Gange war. Noch
aus dem Jenseits werden die beiden
schlimmsten „Sicherheitsleute“, die
Jetzt ist die
Zeit, sich
zu besinnen
Deutschland je sah, zu Einbläsern des
Innenministers. „Wir sind wieder da!“,
schallt’s von oben bis hinein in den
Bundestag. Welch eine Ankunft!
Adventszeit heißt auch Zeit der Besinnung. Mögen sich die Verantwortlichen besinnen. Besinnen sollten sich
auch Jene, die einerseits große Summen an Spenden erhalten, sich dennoch nicht scheuen, vom „armen
Staat“ die Bezahlung ihrer Person zu
fordern. Soziale Arbeit ist eine ehrenvolle Sache, die stets Lob verdient.
Doch gerade die fordernden Christen
mögen erinnert werden, dass Geben
seliger denn nehmen ist.
Besinnen sollte sich auch, wer da
glaubt, einen „Schlussstrich“ unter
die dunklen Kapitel der Geschichte
ziehen zu können. Das Kind, das dazumal in Bethlehem in einem Stall
zur Welt gekommen sein soll, mag
womöglich ein Gottessohn gewesen
sein. Zuallererst war es aber ein einfacher Judenjunge. Wahrscheinlich
wäre auch sein Name von den Straßenschildern gelöscht worden.
Besinnen wollen wir uns auch auf
das nahe Liegende: Nicht wegzuschauen, wenn Kinder gequält werden, nicht zu schweigen, wenn Menschen vertrieben werden sollen,
nicht still zu halten, wenn die „politische Korrektheit“ bereits dem
gesunden Menschenverstand Hohn
spricht.
In all dieser Besinnung wünsche ich
Ihnen viel Spaß auch mit dieser 136.
Ausgabe von jot w.d., frohe Weihnachten und einen guten Start ins
kommende Jahr. Ihr Ralf Nachtmann
2
jot w.d. 12/2007
Aktuell
Gewalt kommt nicht in die Tüte
Frauenzentrum „Matilde“, Carola-Neher-Straße 69-71, leitet. In
der Wohnung können zwei Frauen mit Kindern für einige Wochen
oder sogar Monate nicht nur
Schutz vor Gewalt finden; hier erhalten sie auch die notwendige
professionelle Beratung und Unterstützung. Die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirkes, Liane
Behrendt, verteilte Karten mit der
BIG-Hotline 61 10 300. Diese
Nummer kann täglich von 9 bis 24
Uhr angerufen werden von Betroffenen, aber auch von Dritten, die
solche Gewalt beobachten. Nähere Infos zum Thema gibt es auch
unter den Telefonnummern 56 400
229 oder 90 293 2050. Foto: BA
Am 24. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an
Frauen, verkaufte Bürgermeisterin Dagmar Pohle gemeinsam mit
dem Bildungsstadtrat Stefan Komoß sowie Mitgliedern des Arbeitskreises „Marzahn-Hellersdorf gegen häusliche Gewalt“,
Backwaren im Backshop der
Kaiser’s Filiale, Marzahner Promenade 29. Dagmar Pohle stieß
bei Ihren Verkaufsgesprächen auf
viel Interesse und betonte: „Jede
vierte Frau in Deutschland ist von
Gewalt betroffen, deshalb ist dieses Thema wichtig – nicht nur am
Aktionstag.“ Rede und Antwort
stand auch Renate Bahr, die das
Projekt „Zufluchtswohnung“ im
Nationaldenkmal?
Wenn mit dem geplanten „Einheitsdenkmal“ auch noch an „die freiheitlichen Bewegungen und die Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte in Deutschland“ erinnert
werden soll, dann zeigt dies, dass
keiner konkreten historischen Ereignisse gedacht, sondern vielmehr eine
neue große Nationalerzählung zelebriert werden soll, in der der historische Stellenwer t der Demokratiebewegung in der DDR unterzugehen
droht und die internationale und europäische Dimension des Epochenwandels 1989/90 vernachlässigt erscheint. Der Sockel des alten Wilhelminischen Nationaldenkmals am wieder errichteten Schloss als Standort
für ein solches Denkmal behauptet
eine fatale Kontinuität, die es so gerade nicht gegeben hat. Thomas Flierl
Weihnachtsspecials in der „Knorre“
Konzerte des beliebten Musikclubs an neuem Ort – Zum Jahresende wieder viele „Ost-Stars“ auf der Bühne
Friedrichshain – Die „Knorre“,
der traditionsreiche Musikclub,
ist wieder da. Nach dem viel zu
frühen Tod der „Seele“ des
Clubs Sylka Brandenburg-Bauer im Februar vergangenen Jahres und nachdem der Club seinen angestammten Ort verlassen
musste, gibt es nun ab Dezember wieder Konzerte an wechselnden Standorten.
Das traditionelle „Weihnachtsspecial“ geht „in Erinnerung an
Ja, ich möchte
Sylvia“ vom 21. bis 29. 12., jeweils
ab 21 Uhr, im OXIDENT an der
Frankfurter Allee 53 über die Bühne. Am 21. ist die Gruppe MTS zu
erleben. Am 22. spielt Ray Wilson
unplugged. Der Schotte trat 1997 die
Nachfolge von Phil Collins bei Genesis an, war danach mit den Skorpions, Westernhagen, Saga und vielen anderen großen Bands auf Tournee. Am 1. Weihnachtsfeiertag spielen „Zöllner & Gensicke“. Die von
Dirk Zöllner 1997 gegründeten
„Zöllner“ stehen seit 2003 wieder
gemeinsam auf der Bühne. Am 26.
versetzen die „Polkaholix“ die Besucher in Polkafieber. Die Polkaholiker wurden im Oktober in die
Top 20 der „World Music Charts
Europe“ gewählt. „Mächtig verdächtig“ zeigt sich am 27. 12. Mike
Kilian. So heißt die 3. Solo-CD –
von Rock über Balladen bis Country
– des ehemaligen Rockhaus-Bandleaders. Nach dem Tod von Gitarrist
Reinhard Buchholz gibt es „Pension
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Volkmann“ nicht mehr. Doch die
Band lebt weiter, nun unter dem
Namen „Peter Butschke und Volkmann“. Peter Butschke (Foto:
Nachtmann) holte sich drei neue
Mitstreiter in die Familie (28.12.).
Traditionell am 29. – „Das Beste
zum Schluss – Lift unplugged“.
Lift im 34. Jahr, da bedarf es keiner weiteren Worte. Karten (15 bis
18 Euro) für alle Konzerte unter
Tel. 29 36 57 03 oder per email:
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I. Dittmann
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Die nächste Ausgabe von jot w.d. erscheint am 10. Januar 2008
Redaktionsschluss: 2. Januar 2008
Anzeigenschluss: 3. Januar 2008
IMPRESSUM
jot. w. d.
Die Bürgerzeitung aus Marzahn-Hellersdorf
Herausgeber: Verein zur Unterstützung öffentlicher Diskussion am nordöstlichen Stadtrand e. V. Anerkannt gemeinnützige Körperschaft
Müllerstraße 45, 12623 Berlin, Telefon: 56 58 70 99, Fax: 566 72 58
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Redaktion: Ingeborg Dittmann (V.i.S.d.P.), Ulrich Clauder, Ralf Nachtmann (Leitung, Gestaltung und Produktion)
Ständige Autoren: S. Birkner, B. Staacke, M. Wagner, U. Gieche
Anzeigenleitung: Ralf Nachtmann, Tel. 0179-6987186, Abo-Verwaltung: Bernd Preußer, Tel. 56 20 173
Druck: BVZ, www.berliner-zeitungsdruck.de
Erscheinungsweise: monatlich; Verkaufspreis 1 Euro; Abo-Preis: 1 Euro, Rechtsanspruch auf Belieferung haben nur Abonnenten
Nächste Ausgabe: Donnerstag, 10. Januar 2008; Redaktionsschluss: 2. Januar, Anzeigenschluss: 3. Januar 2008
Nächste öffentliche Redaktionssitzung: voraussichtlich Freitag, 21. Dezember 2007, Ort und Zeit bitte telefonisch erfragen
Die Redaktion behält sich das Bearbeiten von Beiträgen vor. Keine Haftung für eingesandte Beiträge und Fotos.
Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht in jedem Falle mit der Meinung der Redaktion überein.
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jot w.d. entsteht in gemeinnütziger, ehrenamtlicher Arbeit als Bürgerzeitung für Biesdorf, Hellersdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn.
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Leute
jot w.d. 12/2007
Noch ‘n Talk mit Maria
Maria Moese bringt Stars nach Hellersdorf
Foto: Dittmann
Eigentlich ist sie ja die „Talkmeisterin“. Doch heute haben wir
beide mal die Rollen getauscht.
Maria, Kollegin und Freundin
seit Anfang der 90er Jahre, steht
Rede und Antwort. Wir sitzen
gemütlich bei einem Glas Wein
in der Veranda ihres Kaulsdorfer
Hauses, das verborgen unter alten Bäumen liegt. Es gibt keine
Klingel am Tor. Doch Nachbarn
oder Freunde wissen Bescheid.
Die zog es schon immer in das
gastfreundliche Haus der Moeses.
Am 22. Februar dieses Jahres
waren es mehr als Hundert:
Freunde wie Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Peter-Michael Diestel, Annekatrin Bürger,
Nachbarn, Kollegen. Der Anlass
war ein trauriger. Marias Mann
Willy, der Zeichner und Karikaturist, war verstorben. Still und
ohne Aufhebens, so, wie es seine
Art war, hatte er sich mit 79 davongemacht.
Fast 40 Jahre war Maria mit Willy verheiratet. Die 62-Jährige er-
innert sich an ihre erste Begegnung, als wäre es heute: ‘Nach
meinem Volontariat beim DDRFernsehen war ich Redakteurin bei
„Atze“ und „Frösi“. Eine meiner
ersten Amtshandlungen 1967 bestand darin, Willy Moese, genannt
WiM, anzurufen. „Aber nicht vor
Zehn“, warnten die Kollegen.‘
Doch Maria klingelte WiM aus
dem Bett. Ein Jahr darauf heirateten sie. Maria ging wieder zum
Fernsehen nach Adlershof. Unter
3000 Bewerbern war sie ausgesucht worden. „Ich war die erste
Ansagerin, die im ersten und im
zweiten Programm auf dem Bildschirm war und zur Bedingung
machte, die Texte selber schreiben
zu dürfen.“
Auf dem großen Holztisch liegen
alte „FF dabei“. 1974 und 75
wurde die TV-Moderatorin zum
„Fernsehliebling des Jahres“ gewählt. In der Frauenzeitschrift
„Für Dich“ präsentiert die damals
30-Jährige elegante Mode. Als
1974 Tochter Caroline geboren
wird, steht sie 14 Tage darauf
schon wieder vor der Kamera.
Doch als sie und ihr Mann 1976
gegen die Ausbürgerung von Wolf
Biermann protestieren, darf sie
nicht mehr vor der Kamera arbeiten. So macht sie sich 1980, nach
der Geburt von Sohn Felix, als
Kunsthandwerkerin selbständig.
Zehn Jahre betreibt sie eine kleine Ledermanufaktur, bis die Wende kommt und Außenminister
Marcus Meckel sie als Pressesprecherin holt. Der 3. Oktober
1990 ist ihr letzter Arbeitstag.
Seitdem arbeitet sie wieder als
Journalistin; zuerst bei Kids & Co
(da saßen wir zwei Jahre gemeinsam am Schreibtisch), dann im
Jugendamt und seit zwei Jahren
als „Ich AG“. Das Moderieren
lässt die einstige Fernsehfrau
nicht los. Ob bei Stadtteilfesten,
Einschulungspartys in der Villa
Pelikan oder ihrer Reihe „Noch
`n Talk“ in Hellersdorf. Seit fast
zwei Jahren lädt sie allmonatlich
Talkgäste in die „Candela
Lounge“ ein. Promis wie Hilmar
Thate, Fanny Krug, die Puhdys,
Holm/Lück oder ehemalige TV-Kollegen
wie Hans-Joachim
Wolfram. „Ich brauche den Kontakt und
die Nähe zu Menschen“, sagt Maria.
Eigentlich ist sie immer unterwegs, ein
Wirbelwind. Privat
streift sie gern über
Flohmärkte, findet
dort immer noch ein
schönes Stück für ihre
ModeschmuckSammlung. Hunderte
Ketten, Armreifen,
Ringe in allen Farben
und Formen. „Da hab
ich `n Tick“, gesteht
sie. Überhaupt künden Haus und Nebengebäude von der
Sammlerleidenschaft,
die sie mit Willy ein
Leben lang teilte.
Wenn sie mal nicht
am Schreibtisch sitzt,
telefoniert (sehr oft und lange)
oder mit ihren schwarz-weißen
Stubentigern Pussy, Sophie und
Charly spielt, trifft sie sich mit
Freunden, kocht gern mal für diese und ihre beiden Kinder. Die
stehen längst auf eigenen Beinen.
Caro ist Altenpflegerin in Berlin
und Felix Radiomoderator in
Frankfurt/Main. „Nach dem Tod
von Willy waren die beiden eine
große Stütze für mich, kamen vorbei, wann immer sie konnten“,
erzählt Maria.
Kein Tag vergeht, ohne dass
Freunde anrufen oder auf einen
Schwatz vorbeikommen. „Ich
habe mich in die Arbeit gestürzt,
das ist die beste Ablenkung“, ist
sie überzeugt. Doch Willys Atelier im Keller zu betreten, das hat
sie lange nicht fertiggebracht,
erst, als sie eine Ausstellung zu
dessen 80. Geburtstag im Sommer organisierte. Irgendwann will
sie ein Buch über WiM, den
Zeichner, leidenschaftlichen
Sammler und Naturmenschen, die
große Liebe ihres Lebens, schreiben.
Ingeborg Dittmann
3
Musiklegenden des Ostens – jot w.d.-Serie, Teil 41
In der Juli-Ausgabe 2004 begannen wir, Künstler vorzustellen, die in der Jugendzeit vieler unserer Leser – also in den 50er, 60er, 70er und
80er Jahren – Schlagzeilen machten.
Wie geht es den Publikumslieblingen von einst
heute? jot w.d. traf viele von ihnen. Wir setzen
unsere Serie in dieser Ausgabe mit dem Sänger
und Ex-Testfahrer Christian Schafrik fort.
Christian Schafrik
Der Vielseitige: Koch, Barmixer, Testfahrer und eben Sänger
Bei der Auswertung von 12
Spitzenparaden des DDR-Schlagers belegte der Thüringer hinter Frank Schöbel den 2. Platz
mit „Goldener Mond“ und „Ich
bin immer für dich da“. Das war
1965 – doch die Schlager sind
der Generation 50 plus noch
heute im Ohr. Genauso wie
„Gute Nacht, Maria Magdalen“,
„Ein Mädchen mit Herz“ oder
„Immer wieder ein roter Mund“.
Zwischen 1965 und 82 hat Christian Schafrik rund 50 Titel beim
Rundfunk und im Plattenstudio
aufgenommen. 18 kleine Scheiben erschienen bei Amiga.
Schon als Junge begeisterte sich
der gelernte Koch und Kellner
für Musik, bekam mit 11 Jahren
seine erste Gitarre, lernte als
Autodidakt auch Kontrabass,
Schlagzeug, Akkordeon und
Klavier spielen. Die Familie
stammte aus einem kleinen Ort
bei Wroszlaw (Polen), kam 1945
nach Thüringen. Seine Liebe
zum Singen entdeckte er schon
mit fünf. „Immer wenn Stromsperre war, sangen wir Zuhause
Kanons“, erinnert sich der heute 65-Jährige.
Mit 14 musizierte er im Erfurter
Jugendklubhaus, begann 1957
eine Lehre als Koch im „Erfurter
Hof“. Dort gründete er mit zwei
Kollegen seine erste Band –
„Die Albergos“. Das heißt auf
italienisch Kellner. Das musikalische Kellner-Trio wurde 1959
Bezirkssieger bei einem Talenteausscheid.
Als Amateur spielte Christian
mit seinem Trio zum Tanz,
schloss seine Lehre ab, arbeitete als Barmixer und wurde 1963,
als er an der Ostsee kellnerte,
bei einem Schlagerwettbewerb
von dem Komponisten Ralf
Petersen als Talent entdeckt. Der
lud ihn zur Mikrofonprobe nach
Berlin ein und schrieb ihm kurz
darauf seinen ersten eigenen Ti-
tel („Gute Nacht, Maria
Magdalen“). Dann folgte ein Hit
nach dem anderen – und als Lohn
ein „Goldenes“ und ein „Silbernes Mikrofon“. 1965 stieg er
als Bassist und Sänger
beim „Hemmann-Quintett“ ein. Doch einen
Berufsausweis als Sänger
– ein Muss in der DDR –
hatte er noch nicht.
1966 bewarb er
sich darum und
fiel durch. Er
habe zuviel
Amerikanismen in der
Stimme,
hieß es.
Dass seine Schlager die HitParaden
stürmten und
er längst einen
Vertrag für eine
Tournee bei der
KGD Erfurt hatte, interessierte
dabei wohl nicht.
Ein Jahr danach klappte
es dann mit der „Pappe“.
Dann klappte es aber
nicht mehr mit den Engagements und er arbeitete wieder im Gaststättengewerbe. Nebenbei
sang er in Bars, gründete
1970 wieder eine Band
und errang sogar eine
Goldmedaille zur Leistungsschau der Unterhaltungskunst im heutigen
Chemnitz. Seit Anfang der
80-er war er solistisch unterwegs zwischen Rostock
und Suhl.
Nach der Wende ging es Schafrik
wie vielen seiner Kollegen – die
Engagements blieben aus.
Er suchte sich Arbeit, war Nachtportier in einer Erfurter Jugendherberge und bewarb sich 1992
Auf das „Goldene Mikro“ ist Christian noch heute stolz.
als Testfahrer für ein großes Autoreifen-Unternehmen. Der passionierte Autofahrer legte täglich
ca. 700 Kilometer auf der Teststrecke zurück – bei 200 bis
325 km/h. Ein gefährlicher
Job. Zuhause in Eisenach
bangte seine Frau Gisela,
ob alles gut ging. „Es ist nie
etwas passiert und hat großen Spaß gemacht“, versichert Christian.
Gesundheitliche Probleme beendeten
1997 die „Rennfahrerkarriere“ des Sängers. Bis vor zwei
Jahren widmete er
sich der Betreuung
von Behinderten.
„Seitdem faulenze
ich“,
schmunzelt er.
Das stimmt so
aber nicht. Ab und
zu steht er wieder
auf der Bühne,
treibt viel Sport
(schwimmen, laufen, Tennis) und
unternimmt gern
Reisen. Und
schließlich ist
da ja auch noch
seine große
Familie: drei
Töchter (39,
41, 44), die
seine Frau
mit in die
Ehe brachte,
Sohn Heiko
(45) und
fünf Enk e l
(von
6 bis
20).
Am 26. Dezember wird Christian Schafrik 66. Und da fängt ja
das Leben (wie einst ein bekannter Schlagerbarde sang) erst an.
Ingeborg Dittmann
Fotos: Nachtmann/Archiv
In dieser Serie erschienen bisher:
Julia Axen, Hans-Jürgen Beyer, Helga
Brauer, City, Dieter Dornig, Hartmut
Eichler, Ina-Maria Federowski, Rainer
Garden, Günter Gollasch, Heinz-Jürgen
Gottschalk, Ingo Graf, Mary Halfkath,
Monika Hauff/Klaus-Dieter Henkler,
Monika Herz, Andreas Holm & Thomas
Lück, Uwe Jensen, Barbara Kellerbauer, Britt Kersten, Jürgen Kerth,
Aurora Lacasa, Gerti Möller, Thomas
Natschinski, Omega, Jenny Petra,
Puhdys, James W. Pulley, Brigitte
Rabald-Koll, Gaby Rücker t, Fred
Schmidt, Sonja Schmidt, Vera Schneidenbach, Frank Schöbel, Sonja Siewert
& Herbert Klein, Reiner Süß, Tina, Regina Thoss, Bärbel Wachholz, Jürgen
Walter, Peter Wieland, Petra Zieger
4
jot w.d. 12/2007
Fliegende Pfautauben
im Lichterglanz
Überraschungen zu Weihnachten in Helle Mitte
Hellersdorf – Alle Jahre wieder
verwandelt sich auch die Helle
Mitte in eine wunderschöne
Weihnachtslandschaft. Rechtzeitig
zur Adventszeit werden sich die
Häuser innen und außen für die
Besucher prächtig dekoriert und
festlich geschmückt präsentieren
und erstrahlen im weihnachtlichen
Lichterglanz – über zwei Millionen
Lämpchen verbreiten festliche
Stimmung.
Während auf dem Fritz-Lang-Platz
der Wintermarkt „Lichterzauber“
täglich von 10 bis 20 Uhr mit
Kinderkarussells und allerlei Lekkereien zum Verweilen einlädt, findet auf der Bühne in der Hellen
Passage ein abwechslungsreiches
Programm statt. So wird es u.a.
Weihnachtskonzerte mit der „Santa
Clause Brass Band“, dem Jazz-Trio
„Soul out“, dem Pogo-Chor Biesdorf, den Gospelmusikern „Soulshaker“ und eine „Tanzende Weihnacht“ mit der Kindertanzgruppe
Swentana geben. Akrobatisch zur
Sache geht es mit den Kindern der
TG Vital II. Bei der Weihnachtsspiele-Show können die Kids beim
Wettschmücken, WeihnachtsliederTestkalender oder beim Geschenketurm-Baumwettbewerb mitmachen. Die Märchenliese erzählt die
Geschichte vom vergessenen Märchen, und bei der Weihnachtsmannsprechstunde können Kinder ihre
Weihnachtswünsche abgeben.
Vormerken sollten sich kleine und
große Besucher auch „Pipelines
Wunschzettel“ mit den Samel’s:
eine fröhliche Weihnachtsgeschichte mit Pudeln und fliegenden Pfautauben, einem Weihnachtsmann und wirbelnden
Schneeflocken. Außerdem zeigen
die „Schobertos“ ihre tierische
Dressurshow. Nicht nur Tierfans
geraten da ins Staunen, wenn
Hunde, Kater, Tauben und ein
Affe ihre Kunststückchen zum
Besten geben.
A.K.
Dokumentierter Stadtumbau
Buch fasst Projekte und Positionen zusammen
Marzahn-Hellersdorf – Nach nunmehr fünf Jahren Arbeit mit dem
Programm Stadtumbau Ost in den
Großsiedlungen haben die
Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und der
Bezirk die vielfältigen
Maßnahmen dieser Zeit–
von Wohnumfeldverbesserungen bis zu notwendigen Rückbauten – in
dem Buch „Im Wandel beständig – Stadtumbau in
Marzahn und Hellersdorf“
dokumentiert.
Es kommen mehr als 40 Personen zu
Wort, die vor Ort wohnen, arbeiten
oder sich in Praxis und Wissenschaft
mit Marzahn und Hellersdorf und
dem Stadtumbau auseinandersetzen.
In drei Kapiteln entstand so ein breites und differenziertes Bild. Darstellungen von beispielhaften Projekten
stehen neben Reflexionen
zu Querschnittsthemen
und werden ergänzt durch
interessante Streitgespräche zwischen Experten,
die zu brisanten Fragen
des Stadtumbaus durchaus auch kontrovers Stellung beziehen. Das Buch
ist kostenlos und kann
(gegen Erstattung der
Versandkosten) bestellt
werden bei: Planergemeinschaft
Hannes Dubach, Urs Kohlbrenner,
Lietzenburger Straße 44/46, 10789
Berlin, Fax. 885 914 99, email:
[email protected]. RN
Die Besten sollen bleiben
Bezirk und Wirtschaft starteten eine
„Exzellenzinitiative“
Marzahn-Hellersdorf – Mehr
als 3000 Schulabgänger gibt es in
jedem Jahr in unserem Bezirk.
Sie bewerben sich um einen Lehroder Studienplatz oder schlagen
andere Wege ein wie FSJ oder
FÖJ. Die meisten Schulabgänger
verlassen den Bezirk. Vor allem
jene mit gutem und sehr gutem
Abschlusszeugnis.
Das soll sich künftig zumindest
partiell ändern. Bezirk, Wirtschaft
und Schulen haben sich zusammengefunden und eine Initiative
ins Leben gerufen – die so genannte Exzellenzinitiative. Zunächst 15
(später mehr) Schülern soll ein
Ausbildungsvertrag in den beteiligten Unternehmen (z.B. bei Stadt
und Land, Metro, Knorr-Bremse,
Degewo) angeboten werden. Dabei geht es um Berufe wie ITElektroniker, Immobilienwirt,
Einzelhandelskaufmann, Industriemechaniker oder Zahntechniker. Sieben Schulen beteiligen sich
bisher an dem Projekt. Das sieht
u.a. Workshops und Praktika in
den Firmen vor, um den Schülern
eine ganz praktische Orientierung
bei der Berufswahl zu geben bzw.
sie auf die Ausbildung vorzubereiten. Bereits in den Schulen stellen sich zirka 50 Schüler verschiedenen Bewerbungstests. Dabei
geht es nicht nur um Noten, sondern gleichsam um Begabung, Persönlichkeit und Engagement.
„Wir wollen mit dieser Aktion die
Motivation der Schüler stärken“,
sagt Wirtschaftsstadtrat Christian
Gräff. Und: „Die leistungsfähigsten Schüler sollen im Bezirk bleiben. Dafür müssen wir gemeinsam
auch die Chancen schaffen.“
I. Dittmann
Großsiedlung
Nach dem ersten Streich folgt
der zweite auch sogleich
Zweiter Bauabschnitt des Stadtteilparks wird naturnaher
Hellersdorf – Auf einer Informationsveranstaltung im „Baukasten“ am U-Bahnhof Hellersdorf
erläuterte Landschaftsgestalterin
Frau Wilheim Planung und Weiterführung der Arbeiten an der
Osthälfte des „Regine-Hildebrandt-Parks“. Anders als bei diesem bereits fertig gestellten Gebiet wird als Ergebnis des zweiten Bauabschnitts ein naturnah
gestalteter Park mit einem hohen
Anteil an Feuchtraum entstehen.
Damit soll weiterer Zubetonierung und -pflasterung von Landschaft begegnet werden. Eine Zuschüttung dieses Feuchtraums
wegen einer vermuteten Trockenlegung als Folge des Klimawan-
dels entfällt völlig, da der Graben und Regenfälle immer wieder Wasser zuführen. Als Attraktion soll ein Steg die „Helle Mitte“ mit der Heidenauer Straße
verbinden. Damit werden Graben
und Feuchtraum überspannt und
begehbar gemacht. Dabei werden
auch die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern berücksichtigt.
Damit trotz verschiedener Bestimmung der Ost- und Westhälfte des Stadtteilparks der Zuammenhang gewahrt wir, werden
bewährte Elemente des „RegineHildebrandt-Parks“ auch in den
naturbelassenen Ostteil übernommen, so z.B. die „Berliner Sprüche“ an Ruheplätzen. Wie etwa
dieser: „Woll´n se Jott sei Dank
schon gehen oder bleib´n se leider noch een bisken?“
Da viele verantwortliche Stellen
(Bahn-AG, Brückenbauamt, Naturschutzbehörde, ELIXIA u.a.) in
Beratungen und Beschlussfassungen einbezogen werden müssen,
sind die Vorbereitungsarbeiten oft
kompliziert und langwierig. Dennoch sind Frau Wilheim und das
Bezirksamt optimistisch. Wenn das
Wetter es zulässt, können die Arbeiten zur Gestaltung des Bodens
bald beginnen.
Leider müssen ca. 120 Bäume gefällt und durch andere, für
Feuchtgebiete typischere, ersetzt
werden.
Siegfried Birkner
Ganz so leicht sind die „Berliner Sprüche“ zwar nicht zu lesen; Spaß machen sie trotzdem. Fotos: Nachtmann
Die Ärmsten kämpfen nicht um’s Geld
(Fast) alle Jahre wieder: Der Senat gibt eine Studie in Auftrag,
ein Institut führt sie aus, gemeinsam werden die Resultate präsentiert, und ganz Berlin ist aus dem
Häuschen. Dieses Mal war es
Professor Häußermann, der Tatbestände und Prozesse in den
Berliner Quartieren nachwies,
die niemand erreichen wollte,
sondern die Beteiligten alle nachhaltig zu bekämpfen vorgaben:
Nämlich dass die reichen Viertel
immer reicher werden und die
ärmsten immer ärmer. Daraus
aber den Schluss zu ziehen, dass
die 33 durch den Senat in sozialen Problemlagen installierten
Quartiersagenturen wirkungslos
blieben – wenn nicht gar noch
mehr – ist fahrlässig und schießt
am Ziel vorbei.
Eine Quartiersagentur – und ich
schreibe das aus eigener siebenjähriger Erfahrung als ehrenamtlicher Beirat – kann nicht das
wachsende Elend beseitigen, das
seine Wurzeln im Boden dieser
Gesellschaft hat. Sie ist berufen,
die damit einher gehenden Spannungen zu lindern und das Leben erträglicher zu gestalten.
Das ist die Idee, wie ich sie verstanden habe. Allerdings gab es
das schon öfter in Deutschland,
dass eine gute Idee schlecht ausgeführt wurde und daran scheiterte.
Auf das Quartiersmanagement ist
jedoch selbst diese griffige These nicht hundertprozentig übertragbar. „Managen“ heißt ja so
viel wie geschickt bewerkstelligen, zustande bringen, leiten, organisieren. Das heißt – bildlich
gesprochen – Dirigent zu sein von
einer Kapelle, gelegentlich sogar
die Erste Geige, die dem jeweiligen Kiez aufspielt. Denn wenn es
in solchen Gebieten auch an manchem fehlt, „Sozialmusikanten“
sind immer da. Aber es sind vor
allem Solisten, die hier z.B. in
Gestalt potenter freier Träger,
Vereine und anderer Institutionen
im Konzert der Sozial- und Gemeinwesenarbeit den Ton angeben. Die scharfen Misstöne, die
die jüngste Quartiersstudie über
die Medien in jedermanns Ohr
trompetet hat, rühren nach meiner Ansicht daher, dass sich die
Virtuosen der Förderklaviatur die
hinter der Quartiersidee stehende kollektive Gemeinschaftsauf-
gabe nie als solche zu eigen gemacht haben, sondern sie eher
als Chance begriffen, sich selber zu sanieren und zu stärken.
Ergo blieb z.B. das Quartiersmanagement Marzahn NordWest,
für das ich hier die Lanze breche
– übrigens das flächenmäßig größte in Berlin – höchstens eine
Solistenvereinigung. Ein Orchester wurde es nicht.
Die Umstellung des Quartiersverfahrens 2006 tat ein übriges.
Plötzlich durfte die Vergabe der
nicht kleinlichen Fördermittel
durch einen Quartiersrat vor Ort
entschieden werden. Und wer je
eine Sitzung dieser Art erlebt
hat, der wird selbst das Wort
„Solistenvereinigung“ streichen
und eher an die sprichwörtliche
„Kesselflickerpartitur“ denken.
Manche Zeitungen schreiben
darüber: „Berlins ärmste Kieze
kämpfen um’s Geld!“ Die Ärmsten kämpfen aber nicht um’s
Geld. Sie kämpfen ums Überleben. Diejenigen aber, die ihnen
dabei helfen sollen/wollen, die
kämpfen um die Kasse. Auf
Deibel komm raus, wie der Berliner sagt.
Torsten Preußing
Kleinsiedlung
Musik zum Advent in
Schloss und Kirchen
Biesdorf – Am 12. Dezember, 16
Uhr, gibt der Minsker Chor „Krynitschka“ ein Weihnachtskonzert
in der Krankenhauskirche am
Brebacher Weg 15 (ehemals Griesinger-KH). Das Akkordeonorchester der Musikschule Fröhlich konzertiert dort am 15. Dezember, 17 Uhr. Am 22. (17 und
19.30 Uhr) und 23. Dezember
(17 Uhr) musiziert die H.M.H.
Kammerphilharmonie in der Kirche. Eintritt 10 Euro.
Zur Christvesper am Heiligabend
ist der ukrainische Kinderchor
„Kantilena“ zu erleben (Beginn
14.30 Uhr). Am Neujahrstag wird
um 16 Uhr zu einem Orgelkonzert eingeladen.
Da die meisten Veranstaltungen
ohne Eintritt sind, bittet die IG
Kirche um eine kleine Spende für
die Wiederherstellung des Kirchturms. Die Kirche war während
des II. Weltkrieges zerstört worden und wurde vor 10 Jahren wiedereröffnet (jot w.d. berichtete).
Im Schloss Biesdorf gibt am 2.
Advent, 11 Uhr, der Kammerchor
„amici musicae“ ein Weihnachtskonzert (Eintritt 7/erm. 5 Euro).
Am gleichen Tag spielt 17 Uhr die
Bläsergruppe Kaulsdorf (Leitung
Oliver Vogt) in der Kaulsdorfer
Jesuskirche, Dorfstraße, Werke
von Bach, Händel Saint-Saens
und anderen. Eintritt frei.
I.D.
jot w.d. 12/2007
5
Gutshaus wird saniert
Förderverein und prominente Gäste feierten Baustart
Mahlsdorf – 1958, vor fast 50
Jahren, sollte das heute über 200
Jahre alte Gutshaus am Hultschiner Damm 333 gesprengt werden.
Dass das denkmalgeschützte Gebäude noch heute steht, verdanken wir Lothar Berfelde alias
Charlotte von Mahlsdorf, die sich
des heruntergekommenen Anwesens annahm und 1960 darin ein
Gründerzeitmuseum eröffnete. In
mehr als 35 Jahren gelang es ihr,
mit viel Fleiß, Mühe und mancherlei Tricks, das privat geführte Museum zu einem Kleinod zu
entwickeln, das Deutschland- und
wahrscheinlich weltweit seinesgleichen sucht. Seit Charlottes
Übersiedlung nach Schweden vor
zehn Jahren führt der Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V. das
kulturhistorisch bedeutsame Erbe
der 2002 verstorbenen Museumsgründerin weiter und bemühte
sich seitdem auch um Förder- und
Spendenmittel für die Sanierung
des alten Gebäudes.
Köstlichkeiten im
Parkhotel
Kaulsdorf – Ob Gänsekeule,
Hirschbraten oder gesunder Fisch –
das Park-Hotel Schloss Kaulsdorf
bietet für die Weihnachtsfeiertage
Menüs, die jeden Gaumen erfreuen
können. Doch auch an Vegetarier
wurde gedacht, Broccoli-Nuss-Tasche klingt auch sehr interessant.
Bereits im Vorfeld können sich Gäste nicht allein Plätze sichern, sondern auch das Wunschmenü zusammen stellen.
Der Schauspieler Dominique Horwitz im Kreise der Gäste. Annekatrin Bürger (li.) erinnert sich an schwere Zeiten für das Gutshaus. Die
Chefin des Fördervereins, Monika Schulz-Pusch, freut sich: „Endlich kann es losgehen.“
Fotos: Dittmann
Nun ist es endlich soweit. Mit malgerechte Sanierung starten.
beträchtlichen Mitteln der Deut- Auch Mittel vom Bezirk und prischen Stiftung Klassenlotterie vate Spenden fließen ein.
Berlin (rund 500 000 Euro), der Der Beginn des ersten BauabStiftung Denkmalschutz sowie schnittes wurde am 15. November
des Landesdenkmalamtes Berlin mit einer Festveranstaltung gefeikann eine umfangreiche, denk- ert, bei der neben vielen Freunden
des Museums auch zahlreiche Prominente anwesend waren. Unter
ihnen die Schauspieler Annekatrin
Bürger und Dominique Horwitz,
der zurzeit am Renaissance-Theater Berlin das erfolgreiche Stück
über das Leben von Charlotte von
Mahlsdorf spielt. Annekatrin Bürger las aus ihrem Buch jenes Kapitel, in dem es um die Rettung
des Museums in frühen DDR-Zeiten ging. Daran hat die Schauspielerin dank ihres engagierten Einsatzes gegen die Pläne der Politoberen einen großen Anteil. Trotz
der Bauarbeiten ist der Museumsbetrieb weiterhin gewährleistet.
Über eventuelle Einschränkungen
werden wir gegebenenfalls informieren.
Ingeborg Dittmann
11. Alt-Kaulsdorfer
Weihnachtsmarkt
Kaulsdorf – Der Alt-Kaulsdorfer
Weihnachtsmarkt lädt am 8. Dezember ab 13 Uhr wieder ein zum
stimmungsvollen vorweihnachtlichen Treiben in der Dorfstraße
(zwischen Kirche und Gutshof).
13.30 Uhr singt der Hellersdorfer
Kinder- und Jugendchor in der
Kirche, ihm folgt ein Posaunenchor und im Anschluss daran erklingt Königlich-Preußische
Blasmusik.
Viel Spaß wird es beim Theaterstück von Kindern „Die verlorene Brille“ geben, das 15 und 18
Uhr aufgeführt wird. „Alle Jahre
wieder“ heißt es um 16 Uhr mit
weihnachtlichen Akkordeonklängen, 17 Uhr gibt es Chormusik. Auf der Dorfstraße musizieren ab 14 Uhr die Schüler der Musikschule, zu erleben sind auch
Theater und Musik zum Advent.
Im Gutshof erwartet die Besucher
ein großes Kinderprogramm unter Mitwirkung von Schulen und
Jugendeinrichtungen des Bezirkes, es kann auch gebastelt werden. Neben Vereinen und Sozialeinrichtungen präsentieren sich
auch Feuerwehr und Polizei. 18
Uhr sind alle Kinder zum großen
Laternenumzug durch das Dorf
eingeladen, bevor der Markt mit
einem mittelalterlichen Spektakel
ab 19.15 Uhr seinen Abschluss
findet. Gegen Hunger und Durst
helfen neben selbstgebackenen
Leckereien auch Glühwein, Kaffee und die Gulaschkanone.
Offenbar
SPD will Straßenrückbenennung mit allen Mitteln verhindern
So richtig zur Sache geht es dann
wieder am Silvester-Abend, wenn es
heißt: „Glück für die nächsten sieben Jahre“. Neben Tanz in allen Sälen gibt’s auch ein attraktives Showprogramm. Karten, die auch das
Gala-Buffett, Begrüßungsgetränk
und einen Nachmitternachts-Snack
umfassen, kosten 99 Euro, Kinder
bis 16 zahlen die Hälfte. Ab Januar
kann auch wieder das beliebte „Krimi-Dinner“ gebucht werden. Alle
Infos im Hotel oder im Internet unter www. park-hotel-berlin.de. RN
Promenade
bleibt dunkel
Biesdorf – Die Biesdorfer Promenade bekommt keine weitere Beleuchtung. Laut Stadtrat Norbert
Lüdtke handelt es sich um eine Grünfläche. Lampen müssten nur an Verkehrswegen aufgestellt werden. RN
Mahlsdorf – Nachdem eine große
Mehrheit der BVV-Verordneten
Ende September einen Antrag auf
Rückbenennung des Pfalzgrafenwegs in Offenbachstraße abgeschmettert hatte, versuchte nun gerade die SPD, auf der Oktobersitzung
der Bezirksverordneten, alle Wege
zu einer späteren Revision des antisemitischen Unrechts zu blockieren.
Die Sozialdemokraten brachten einen Antrag ein, einer anderen Straße im Bezirk den Namen des berühmten Komponisten zu geben. Das
jedoch wollte sich die Linksfraktion
nicht so einfach unterjubeln lassen.
Im Vorfeld der Debatte gelang es den
Sozialisten, zumindest ein wenig in
den antisemitischen Arm zu fallen:
Man einigte sich darauf, den bisher
namenlosen Platz an der Kreuzung
Hummel-/Kuhnaustraße im Musikerviertel als Offenbachplatz neu zu
benennen.
Wes Geistes Kind der zuerst eingereichte Vorschlag ist, lässt sich insbesondere aus der Begründung des
ursprünglichen SPD-Antrages, verfasst von Klaus Mätz und Ulrich
Brettin, erkennen. Dort heißt es:
„Während des Nationalsozialismus
wurden im heutigen Bezirk Marzahn-Hellersdorf gelegene Straßen
aus rassistischen Gründen umbenannt. ... Dieses Unrecht kann nicht
mehr gut gemacht werden. ... Deshalb sollte in Marzahn-Hellersdorf
eine neue Straße nach Jacques Offenbach benannt werden.“
Es drängt sich der Vergleich mit ähnlich gelagerter Problematik in anderen Bezirken Berlins auf. Da wäre
zum Beispiel der kürzlich in die Dis-
kussion geratene „Darsteiner Weg“
in Köpenick – benannt nach der ersten Gemeinde in Deutschland, die
1930 zu 100 Prozent NSDAP gewählt hatte. In Köpenick will die
SPD zumindest über eine Um- oder
Rückbenennung nachdenken. In
Marzahn-Hellersdorf ist dies offensichtlich nicht der Fall. Dort will
man am Status Quo nichts ändern.
In anderen Bezirken ist man da (nach
jahrelangem Tauziehen) weiter.
Charlottenburg hat seit zehn Jahren
die Flatow-Allee, in Grunewald wurde der Seebergsteig umbenannt, in
Reinickendorf die Hoeferstraße.
Vielleicht sollten die hiesigen Sozialdemokraten sich einmal mit dem
Sprecher ihrer Abgeordnetenhausfraktion, Peter Stadtmüller, beraten.
Der nämlich sagte der Berliner Zeitung: „Bei der Entsorgung von NSbelasteten Straßennamen müssen
sich alle beteiligen.“
Wer aber versucht, mit allerlei Tricks
dieses notwendige Anliegen zu hintertreiben, darf sich nicht wundern,
wenn er sich damit dem Ruch fortdauernden Antisemitismus’ aussetzt.
Ralf Nachtmann
So spektakulär endete im vergangenen Jahr der Alt-Kaulsdorfer
Weihnachtsmarkt. Foto: Moese
Niederfeld: Tempo 30?
Kaulsdorf – Das Bezirksamt will
sich erneut bemühen, in der Straße
Am Niederfeld Tempo 30 einzurichten. Das versichert Baustadtrat
Christian Gräff, gibt aber zu bedenken: „Wir möchten, dass die Straße aus dem Plan der Netzergänzungsstraßen herausgenommen
wird. Der Senat jedoch will das
nicht.“ Auch hält Gräff die nötige
Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde, die zeitliche Beschränkung des jetzigen 30-er-Abschnitts
über 17 Uhr hinaus zu verlängern,
für eher unwahrscheinlich. Joachim
Loewenhofer von der CDU hatte
das Tempolimit gefordert und mit
der Umgebungslärmrichtlinie der
EU begründet.
R. Nachtmann
6
jot w.d. 12/2007
Hurra, hurra der
„Felix“, der ist da ...
Mahlsdorf – Das können
die Kinder der Kita
„Rosengarten“ des
Jugendaufbauwerk
Ost e.V. an der
Pestalozzistraße am
11. Dezember lauthals singen. An diesem
Tag wird der Kita der
„Felix“, das Gütesiegel
für kindgerechtes Musizieren und Singen, verliehen. Dieser Preis wird
seit 2000 jeweils für drei
Jahre vergeben und
muss dann neu
verteidigt werden. Bundesweit
erhielten bisher
2000 Kitas den
„Felix“, darunter sieben aus
Berlin. Zuletzt
erhielt die Kita
„Zu den Seen“,
ebenfalls in
Mahlsdorf, den
begehrten Preis.
Ausgezeichnet werden Kindergärten,
die sich in besonderem Maße der
musikalischen
Früherziehung der
Drei- bis Sechsjährigen annehmen.
Schirmherr der Aktion
ist Opernsänger Thomas Quasthoff. Die
Übergabe des Preises
erfolgt durch Mitglieder des Deutschen
Chorverbandes.
Über die Auszeichnung
freuen sich
das gesamte
Erzieherteam
um seine Leiterin Frau Rakow und sicherlich auch
die musikbegeisterten
Kinder.
Karin Büttner
Links & rechts
Gemälde verschönern
Praxisräume
Hellersdorf – Großflächige,
farblich intensive Gemälde
zweier Brandenburger Malerinnen waren bis Dezember in der
Praxisgemeinschaft für Gefäßmedizin an der Janusz-KorczakStraße 9 in Helle Mitte zu bewundern. Hanne Pluns aus
Neuhardenberg und Sybille Stüber aus Buckow zeigten Bilder
in Acryl und Öl in allen Praxisräumen.
Kunst in der Arztpraxis – das ist
nicht neu. Regelmäßig wechselnde und liebevoll vorbereitete Ausstellungen wie jene bei Dr.
Matthias Fischer und Dr. Uwe
Sakriß schon. Viel Wert legen
die Mediziner darauf, dass die
Bildern von Künstlern aus der
Region kommen. So ist Anfang
kommenden Jahres zum Beispiel eine Ausstellung mit
Zeichnungen und Grafiken des
Kaulsdorfers Willy Moese geplant. Nach einem Besuch im
Gründerzeitmuseum in Mahlsdorf hat Dr. Fischer nun die Idee,
Dr. Matthias Fischer, Hanne Pluns und Sybille Stüber während der
Finissage am 28. November.
Foto: Nachtmann
Charlotte von Mahlsdorf mit einer Fotoausstellung zu ehren.
Das wäre dann wohl die erste
Ausstellung im Bezirk, die der
2002 verstorbenen rührigen und
inzwischen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Gründerzeitsammlerin
ein würdiges Denkmal setzt.
I. Dittmann
Sportreporterlegende faszinierte Besucher
Heinz-Florian Oertel zu Gast im alten Marzahner Rathaus
Er füllt mit seinen nunmehr bereits
80 Lenzen immer noch die Zuschauerräume. Ungebrochen ist die
Neugierde, was der Sprachkünstler,
Sportexperte und Autor zahlreicher
Bücher dem Publikum zu sagen hat.
Er beansprucht nicht, die Wahrheit
für sich gepachtet oder gar die
Weisheit mit „Löffeln gefressen zu
haben“. Er will sich jedoch in die
neue deutsch-deutsche Geschichte
einmischen. Mit seiner über 45-jährigen journalistischen Berufserfahrung habe er auch das Recht, zu
sagen, was seiner Meinung nach in
jüngster Vergangenheit zu kurz
komme. So will er auch sein jüngst
veröffentlichtes Buch: „Gott sei
Dank – Schluss mit der Schwatzgesellschaft“ verstanden wissen.
Marzahn – Gastgeber Thoralf Terl
benötigte einige Anläufe, um HeinzFlorian Oertel seine Buchintentionen
zu entlocken. Oertel hatte dieses
Buch als eine Antwort auf das zuvor
veröffentlichte Buch „Schluss mit
lustig“ des Politikjournalisten Peter
Hahne geschrieben.
Der gebürtige Cottbusser des Jahrganges 1927 unterstrich erneut vor
dem Auditorium, dass er in vielen
Fragen mit Hahne übereinstimme,
jedoch seine Schlussfolgerungen
nicht teile. Oertel bekennt sich klar
zur Position: Der Worte sind genug
geredet, Taten müssten folgen. Hier
sieht der Sportreporter enorme Defizite in der heutigen Gesellschaft.
Auch unter dem Aspekt, dass er
selbst vier deutsche Geschichtsepochen erlebt habe: Weimarer Republik, Nazizeit, DDR und Bundesrepublik seit 1990. Er kann deshalb
auch seine Erfahrungen einbringen,
die er versuchte, im Buch zu verarbeiten. Und hier natürlich zu allererst mit Begegnungen von Sportlern.
Er habe Menschen aus dem Sport ge-
Gastgeber Thoralf Terl (li) plauderte fast zwei Stunden mit HeinzFlorian Oertel über sein neues Buch, seinen Ansichten und Argumente, die er Peter Hahnes Veröffentlichung entgegenhielt. Foto: Gieche
wählt, die etwas geleistet haben. So
etwa Täve Schur, der auch nach seiner aktiven Zeit ein bescheidener
Mensch geblieben ist. „Höhenflüge
habe ich bei ihm nie erlebt. Und ich
habe ihn gut gekannt. Nicht nur während meiner 17-jährigen Übertragungszeit zur Friedensfahrt“, erzählte Oertel unter Beifall der 100
Besucher. Sport widerspiegele den
Zustand der Gesellschaft, unterstrich
er und kritisierte die Möglichkeit,
dass heute bereits 20-Jährige Millionen verdienen können. „Das ist eine
totale Verwerfung der Gesellschaft.
Diese ist krank.“
Oertel bedauerte erneut die Möglichkeit, sich bislang nicht mit Hahne im
Streitgespräch messen zu können.
Gegenseitig Argumente auszutauschen und sich dabei auch in die
Augen schauen zu können, war immer eine Lebensmaxime des nicht
unumstrittenen, vielseitig geprägten
Sportjournalisten. So habe er auch
versucht, mit Hahne persönlich ins
Gespräch zu kommen. Oertel bekam
aber nur Absagen, die er sehr bedauere, ihn aber nicht verwunderten. Als
Hahne 1952 das Licht der Welt erblickte, habe Oertel bereits von den
Olympischen Spielen in Helsinki berichtet. Hahnes Auffassungen (als
bekennender Katholik) seien nicht zu
verabscheuen, weil jeder nach seiner Fasson leben und arbeiten solle;
jedoch sollte man darüber diskutieren können. Nichts anderes habe er
mit seinem Buch getan, das ein Beitrag zur deutsch-deutschen Geschichte darstellt.
Ob es sein letztes Buch war, war an
diesem Abend nicht zu erfahren,
doch er gab vielen Gästen gern seine Unterschrift in die mitgebrachten
Bücher. „Flori ist und bleibt unverbesserlich“, so das Fazit eines begeisterten Besuchers.
Uwe Gieche
PS: jot w.d. gratuliert Heinz-Florian ganz herzlich zu seinem 80.
Geburtstag am 11. Dezember,
wünscht Gesundheit und noch
viele anregende Gespräche. Red.
der Wuhle
jot w.d. 12/2007
7
Eine Nelke für Carola Neher
Am „Stein des Anstoßes“ könnte der Schauspielerin, die Stalin-Opfer wurde, gedacht werden
Weihnachtsfeiern
für Senioren
Hellersdorf – Sozialamt und
Stadtteiltreffs laden Senioren zu
Weihnachtsfeiern bei Kaffee und
Kuchen, geselligem Beisammensein und kulturellen Einlagen
recht herzlich ein: am 5. 12. ins
Vereinsheim Birkenstraße 50
(Kaulsdorf), am 11. 12. in den
AWO-Treff Kastanienallee 53
(Hellersdorf), am 12. 12. in den
Pestalozzi-Treff (Mahlsdorf), am
18. und 20. 12. in den Klub 74,
Am Baltenring 74 (Hellersdorf).
Beginn jeweils 14 Uhr. Anmeldung erforderlich, Telefon: 90293
4433 (Frau Döbrich). Am 24.
Dezember lädt das Sozialamt vor
allem alleinstehende Senioren zu
einem Beisammensein am Heiligen Abend ein – von 13 bis 16
Uhr im AWO-Treff „Haus der
Begegnungen“ am Hultschiner
Damm 98.
Licht in Bushäuschen
Marzahn-Hellersdorf – Das Bezirksamt soll sich dafür einsetzen,
dass Wartehäuschen von Bus und
Bahn besser beleuchtet werden.
Das beschloss die BVV.
len Liebhabern. Sie war verheiratet
mit dem in den 20er Jahren sehr bekannten Dichter Klabund (Alfred
Henschke), der 1928 an Tuberkulose starb, war eine der Geliebten
Brechts, der ihr einen Heiratsantrag
machte – vergeblich. Aber er schrieb
ihr extra eine Rolle „auf den Leib“,
die „Heilige Johanna der Schlachthöfe“. Sie konnte diese Rolle nie
spielen. Das Stück wurde erst 1959
uraufgeführt.
Carola war dann mit dem Dirigenten Hermann Scherchen fast verheiratet (die
Boulevardpresse hatte
die Hochzeit
schon angekündigt) –
und
dann
kam doch
wieder alles
ganz anders.
Hermann
Scherchen
war
nach
Gastspielen
in Moskau
und Leningrad von der
Sowjetunion
so begeistert, dass er dort leben wollte. Er lernte deshalb in der Marxistischen Abendschule Russisch, zusammen mit Carola Neher, der die
damaligen deutschen Verhältnisse
auch nicht gefielen.
Carola verliebte sich in ihren Russischlehrer Anatol Becker, einen Studenten aus Bessarabien (ein ehemals
russischer Teil Rumäniens), heiratete
ihn und ging mit ihm über Prag nach
Moskau. Dort wurde ihr Sohn Georg Becker geboren. 1934 unterzeichnete Carola Neher zusammen
Carola Neher 1930. Privatarchiv Georg Becker.
Wie in jedem Jahr am zweiten Sonntag im Januar werden am 13. Januar
2008 wieder Tausende zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde gehen, an
der „Gedenkstätte der Sozialisten“
Kränze und rote Nelken niederlegen
und derer gedenken, die dort ihre
letzte Ruhe gefunden haben.
Seit vorigem Jahr gibt es dort einen
Gedenkstein mit vier Worten: „Den
Opfern des Stalinismus“, und er
wurde für manche zum „Stein des
Anstoßes“. Stalinismus ist ein politischer Kampfbegriff. Darüber kann
man streiten, muss es vielleicht. Die
Opfer des Stalinismus gibt es wirklich; Menschen, die willkürlich umgebracht oder repressiert wurden.
Deshalb sollte dieser Stein, unter
dem niemand begraben liegt, nicht
Stelle politischen Streits sein, sondern wirklich ein Ort des Gedenkens
an Menschen, ihr Leben, ihre Leiden und Schicksale.
Ich werde im Januar auch dort sein,
und ich werde eine meiner Nelken
an diesem Stein niederlegen für eine
konkrete Person – für Carola Neher.
Sicher ist es ungerecht, eine Person
aus den – leider – vielen Opfern besonders herauszuheben, aber es geht
doch um lauter einzelne Menschen,
die Namen und Gesichter haben und
derer wir nicht nur anonym gedenken sollten. Deshalb werde ich meine Nelke auch mit Namen und Bild
versehen.
Carola (eigentlich Karolina) Neher
war keine Kommunistin, sie gehörte nie einer Partei an, sie hat sich
auch fast nie direkt politisch engagiert. Sie war eine begabte Schauspielerin, eine sehr intelligente Frau,
nicht zuletzt – von Anhängern wie
Kritikern immer wieder hervorgehoben – eine sehr schöne Frau. Mit vie-
mit Anderen eine Erklärung gegen
den Anschluss des Saarlandes an
Nazideutschland und wurde daraufhin von den Faschisten ausgebürgert.
Damit war sie faktisch rechtlos –
ohne Staatsbürgerschaft, aber auch
ohne Emigrantenstatus (Sie war ja
nicht als politisch Verfolgte in die
Sowjetunion gegangen.). Beide –
Becker und Neher – gerieten in die
Mühlen der Stalinschen „Säuberungen“. Anatol Becker wurde als Trotzkist erschossen, Carola Neher wurde am 16. Juli 1937 von einem Militärgericht zu 10
Jahren Arbeitslager verurteilt –
unter anderem
deshalb, weil sie
sich gegenüber
einem Vertreter
der Kommunistischen Internationale als Kommunistin ausgegeben haben soll,
obwohl sie nicht
Mitglied der
Kommunistischen Partei war.
Am 26. Juni
1942 starb sie in
einem Lager in Sol Ilezk (bei Orel)
ohne medizinische Hilfe an Typhus.
Der letzte erhaltene Brief von Karolina Henschke (ihr Name aus der ersten Ehe) war an die Leiterin des
Kinderheims gerichtet, in dem ihr
Sohn lebte. Sie erkundigt sich sehr
detailliert nach dessen Entwicklung.
Der Brief hat die Adressatin nie erreicht. Nach Carola Nehers posthumer Rehabilitation durch das
Militärkollegium des Obersten Gerichtes der UdSSR am 13. August
1959 wurde er ihrem Sohn Georg
Becker übergeben, der dadurch – mit
25 Jahren – erstmals erfuhr, wer seine Mutter ist.
„Dem Mimen flicht die Nachwelt
keine Kränze“, meinte Schiller im
Prolog zu „Wallenstein“. Glücklicherweise stimmt das so nicht ganz.
Was Carola Neher anbetrifft – immerhin gab es schon Film und Rundfunk. In der Verfilmung von Brechts
„Dreigroschenoper“ von 1930 kann
man sie als Polly Peachum an der
Seite von Rudolf Forster, Fritz Rasp,
Lotte Lenja, Ernst Busch und Paul
Kemp noch heute sehen und hören.
Und von der „Heiligen Johanna der
Schlachthöfe“ gibt es aus dem Jahr
1932 eine Kurzfassung als Hörspiel,
neben ihr in der Titelrolle sind Fritz
Kortner, Helene Weigel und Ernst
Busch zu hören. Es gibt eine Biographie mit vielen Fakten und Bildern („Dem Traum folgen“ von Tita
Gaehme – das Vorwort hat Carolas
Sohn Georg Becker geschrieben).
Jorge Semprun hat 1995 ein Theaterstück („Bleiche Mutter, zarte
Schwester“) mit einem fiktiven Gespräch von Personen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten geschrieben – eine davon ist Carola
Neher. Und wohl nicht zuletzt – in
Hellersdorf gibt es eine Carola-Neher-Straße, laut Internet-Recherchen
wohl die einzige überhaupt. An dieser Straße liegen das Kulturforum,
das Frauenzentrum „Matilde“ und
das Max-Reinhardt-Gymnasium.
Allerdings – da kommt mir das
Schiller-Wort doch wieder in den
Sinn – wissen nur Wenige, wer
Carola Neher war. Wenn wir also am
2. November 2010 ihren 110. Geburtstag begehen, sollte es vielleicht
nicht nur bei einer Nelke für Carola
Neher bleiben.
Bernd Preußer
Geschichte unter
den Füßen
Marzahn – In der Reihe „Marzahn-Hellersdorfer Gespräche zur
Geschichte“ spricht der Archäologe Kai Schirmer am 12. Dezember, 19 Uhr, zum Thema „9000
Jahre Geschichte unter den Füßen“. Der Diavortrag findet im
Bezirksmuseum in Alt-Marzahn
(Dorfstraße) statt. Eintritt frei.
Weihnacht im Studio
Lichtenberg – Lieder und neue
Geschichten zur Adventszeit sind
am 13. Dezember, 17 Uhr, im
Studio bildende Kunst, JohnSieg-Straße 13 (U-Bahn Frankfurter Allee) zu erleben. Mit
Carola Röger, Michael Berg und
Robert Besel (Akkordeon). Eintritt 3,50 Euro (inkl. Weihnachtsleckereien).
ASFH-Kunstwerkstatt
Aus deutschem Schilderwald
Hellersdorf – Wie berichtet (jot w.d. 11/
2007) waren im vergangenen Monat in
der „Kiste“ an der Heidenauer Straße
Fotos des Berliner Fotografen Joseph W.
Huber ausgestellt. Wer diese außergewöhnliche Ausstellung noch nicht gesehen hat, sollte sich beeilen – sie wurde
gerade bis zum 12. Dezember verlängert.
Rund 100 Aufnahmen der kuriosen, teils
skurrilen „Schilder“-Fotos wurden auf
Postkarte gedruckt und sind auch noch
käuflich zu erwerben, wie uns Karla
Sachse, die Lebenspartnerin des 2002
verstorbenen Künstlers, versicherte.
Wer die eine oder andere lustige Postkarte zum Stückpreis von 50 Cent erwerben möchte, kann das auch über jot
w.d. tun. Wir werden in den kommenden Ausgaben immer mal wieder einige
zum Anschauen abdrucken. Den Gegenwert bitte in Form von Briefmarken einem frankierten Rückumschlag beilegen. Bestellung über jot w.d., Müllerstr. 45, 12623 Berlin oder per Fax: 566
72 58, email ([email protected]) oder telefonisch: 56 58 70 99.
Die grafischen Werke von Joseph W. Huber sollen übrigens im März 2008 in Kooperation von „Kiste“ und ArtKunstRaum (Quedlinburger Straße) gezeigt
werden.
indi
Hellersdorf – Fotografien, Aquarelle und andere Exponate von
Studenten der Alice Salomon
Fachhochschule für Sozialpädagogik sind noch bis zum 15.
Dezember im ArtKunstRaum an
der Quedlinburger Straße 10 zu
sehen. Sie entstanden im Rahmen
der Ausbildung zum Sozialarbeiter bzw. zum Erzieher in der „Offenen Kunstwerkstatt“ der Hochschule. Dort können die Studenten auch „außerhalb des Lehrplanes“ malen, zeichnen und plastisch gestalten. „Dies war die
erste Ausstellung dieser Art, aber
wir würden das gern mal wiederholen im Bezirk“, erfuhr jot w.d.
von der Leiterin der Werkstatt,
Frau Mewes.
Seit 2001 schon organisieren die
Studenten auch das PleinAir im
Marzahner Wiesenpark. Seitdem
verfolgen sie die Entwicklung
dieses Parks an der Wuhle. Eine
Ausstellung darüber war im Mai
im Bezirksamt zu sehen.
Die Galerie an der Quedlinburger Straße ist Montag bis Freitag
von 12-18 Uhr, Sonnabend von
11-14 Uhr geöffnet, der Eintritt
ist frei.
indi, Foto: Dittmann
8
Tipps und Termine
Weihnachtliches im Bezirk
„Süßer die Glocken nie klingen“ – unter
diesem Motto lädt die Musikbibliothek am
10. Dezember, 19.45 Uhr, im Freizeitforum Marzahn, Marzahner Promenade 55,
zu einem Weihnachtskonzert mit weltlichen und geistlichen Weihnachtsliedern
mit dem Kammerchor Fürstenwalde ein.
Unter Leitung von Rudolf Tiersch präsentieren 30 Sänger ein Programm mit bekannten Weihnachtsmelodien, u.a. von
Schütz, Bach und Haydn. Die A-cappellaChöre werden durch musikalische Beiträge von Alex Ilenko bereichert.
Das FAIR, Marzahner Promenade 52,
öffnet seine Weihnachtswerkstatt am 16.
Dezember. Auch im Freilandlabor,
Torgauer Straße 27-29, wird weihnachtliches gebastelt. Infos Tel. 99 89 017.
Der Verein Kids & Co lädt Familien, die
ein geringes Einkommen haben, zu einem Weihnachtsmarkt im Garten der
Jugendeinrichtung Pappelhof, Murtzaner
Ring 70 – 72, ein. Die Besucher erwartet ein buntes Angebot mit Fahrgeschäften für die Jüngsten, Quadstrecke,
Trödelmarkt, Bühnenprogramm und
frisch gebackenen Weihnachtsleckereien
zu familienfreundlichen Preisen. Geöffnet ist am 8. Dezember von 14 bis 22
Uhr, 9. Dezember von 10 bis 18 Uhr.
jot w.d. 12/2007
Die Antoni „aus Wien“
Zwei starke Frauen bei Maria Moeses „Noch ‘n Talk“ in der Candela Lounge
Hellersdorf – Die Schauspielerin Carmen-Maja Antoni hatte es
wohl immer eilig in ihrem Leben.
Das begann schon bei ihrer Geburt im August 45. In den Nachkriegswirren kam sie in einem
Zug irgendwo auf einer Zwischenstation zur Welt. „Fernsehstar“ war sie schon als Kind – u.a.
im Pionierkabarett „Die blauen
Blitze“. „Ich konnte gut singen
und hatte ne große Klappe. Da
haben sie mich genommen. Ich
war der Verdiener in der Familie, bekam beim Fernsehen 340
Mark“, erinnert sich die heute
62-jährige Berlinerin.
Noch vor dem Abitur bestand sie
mit 16 die Aufnahmeprüfung an
Der Zirkus „Springling“, Wolfener Str.
2b (S.Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße) wartet mit einem vorweihnachtlichen
Programm am 8., 9., 15. und 16. Dezember, jeweils 16 Uhr, auf. Nähere
Infos unter Tel. 93 40 715.
Der Jugendklub „JoyIn“, Hultschiner
Damm, lädt am 9. Dezember von 14.30
bis 18 Uhr zum Familienfest. 15 Uhr
wird das Tanztheater „Die Geschichte
von kleinen Schwan“ nach Motiven des
Ballettes Schwanensee von Peter Tschaikowski aufführen. Darsteller sind die
Mädchen der Tanz-Theatergruppe. Anschließend weihnachtliches Basteln,
Backen und Spielen.
Kultur & Freizeit
der Filmhochschule Babelsberg
und wurde „jüngste Studentin“.
Nach dem Studium wurde Maja
am Hans-Otto-Theater Potsdam
engagiert und war „die jüngste
Grusche“ in Brechts Stück „Der
kaukasische Kreidekreis“. Die
Weigel holte sie nach Berlin,
doch zunächst spielte sie sechs
Jahre an der Volksbühne, bevor
sie endgültig – und das bis heute – zum Berliner Ensemble
ging. Dort hat sie alle großen
Brecht-Rollen gespielt. „Ich
habe -zig Intendanten überlebt,
selbst Zadek, der einmal zu mir
sagte, er habe für starke Frauen
nichts übrig.“ Nach Majas Antwort: „Und ich nichts für schwache Männer“ sprachen sie
nie wieder zusammen. Ihrer
Karriere tat das keinen Abbruch. Sie war (ist) einfach
zu gut. Ein westlicher Kritiker schrieb vor ein paar
Jahren: Das Schönste, was
Peymann aus Wien mitgebracht habe, sei die Antoni.
„Seitdem war ich angesehen“, schmunzelt die Berlinerin.
Dass sie gut war, hatte sich
aber schon Jahrzehnte zuvor
in Film- und Fernsehkreisen rumgesprochen. Die
Liste der Filme, in denen
Maja seit 1965 mitspielte,
ist Seiten lang: „Das Kaninchen bin ich“, „Kleiner
Mann – was nun?“, „Wege
übers Land“, „Bankett für
Archilles“, „Käthe Kollwitz“, „Das Leben ist eine
Baustelle“, „Der Laden“,
„Die Boxerin“, „Berlin is
in Germany“. Dazu kommen Dutzende Rollen im
Polizeiruf 110, im Tatort
und der Serie Rosa Roth.
Lang ist auch die Liste der
Auszeichnungen und
Preise – als „beste Darstellerin des Jahres“ etwa.
Neben Theater, Film und
TV hat sie auch BrechtSongs auf CD veröffentlicht, arbeitet als Synchronsprecherin („Der
kleine Maulwurf“) und
ist Dozentin an der ErnstBusch-Filmhochschule.
Und Mutter ist die Deutsche Jugendmeisterin im
Eisschnelllauf natürlich
auch; Sohn Jakob ist Architekt, Tochter Jenny
Schauspielerin.
Auch die aus Halle stammende Sängerin Eva-Maria Pieckert hat eine Tochter, die in ihre Fußstapfen
getreten ist. „Caroline spielt Saxophon in einer Amateurband“,
erzählt die 52-jährige Wahlberlinerin, die ihr Handwerk von
der Pieke auf lernte – an der
Leipziger Musikhochschule, mit
Zusatzstudium Musical. Von
Klassik-Adaptionen über Soul,
Schlager, Pop, Musical und
Chanson reicht ihr Repertoire,
von dem die Besucher am 2. November in der „Candela Lounge“ einige Kostproben hören
konnten. 26 Jahre liegen zwischen ihrer 1. LP „Leben ist halt
so“ und ihrer aktuellen Scheibe
„Kindheitstage“. Den gleichna-
Carmen-Maja Antoni (li.) und
Eva-Maria Pieckert in der „Candela Lounge“. Fotos: Dittmann
migen Song nahm Eva-Maria mit
dem Chor der Hallenser Ulrichvon-Hutten-Schule auf, wo auch
sie einst als Schülerin im Chor
sang. Evas nächstes großes Projekt ist ein Programm mit Klassik-Adaptionen zum 250. Todestag von Händel.
Ingeborg Dittmann
PS: Die nächste Folge von
„Noch ‘n Talk“ an der Hellersdorfer Promenade gibt es erst
wieder im Januar 2008.
Mittendrin im Leben
Wenn die Neugier nicht wär: Gisela Steineckert im Talk mit Barbara Kellerbauer
Marzahn – Wenn Gisela zu ihrem Mann sagt: „Ach weißt du,
heute mache ich mal gar nichts“,
antwortet er ganz trocken: „Ich
bin gespannt, was du jetzt nicht
machst.“ Wilhelm Penndorf (die
beiden sind seit 1973 verheiratet) kennt seine Frau genau. Und
die Schriftstellerin weiß es ja eigentlich auch. „Wenn man sich
das Arbeiten angewöhnt hat,
kann man schlecht unterbrechen
oder gar aufhören“, sagt sie.
Das nimmt man der 76-Jährigen ab, auch ohne sie näher
zu kennen. Hätte sie sonst 44
Bücher veröffentlichen können? Ganz abgesehen von den
wunderbaren Liedtexten, die
sie für Künstler wie Veronika
Fischer, Frank Schöbel, Uschi
Brüning, Angelika Neutschel
oder Jürgen Walter schrieb.
Wenn Gisela sagt, Arbeit sei
für sie (über)lebenswichtig
und einer ihrer ausgeprägtesten Genüsse“, dann meint sie
das Schreiben (selbst das von
Briefen, denn sie beantwortet
jeden der zahlreichen Briefe
ihrer Leser), weniger das Staubsaugen oder Fensterputzen. Das
kann sie gut umschreiben: „Ich
arbeite im Haushalt gern zu“,
erklärt sie den Besuchern der
Talkshow am 10. November in
der Studiobühne des FFM
augenzwinkernd. Ihr ganz persönliches Rezept: Sich unliebsame Arbeiten schönzureden. Nur
mit dem Autofahren hat das nicht
geklappt. „Vor 30 Jahren hab ich
aufgehört, eine schlechte Autofahrerin zu sein. Also ließ ich
freiwillig die Hand vom Steuer.“
(Nicht ohne vorher noch mal
schnell einen fremden Kotflügel
lädiert zu haben.) Aber so ist das
halt im Leben. Blessuren gehören dazu (nicht nur bei Autos).
Auch das Leben der Schriftstellerin verlief nicht immer so, wie
sie es sich als Kind erträumt
hatte („Ich habe wenig weggelassen, was sich so als Fehler anbot.“). Erst spät, mit ihrem drit-
Barbara: „Das erste Lied, das ich von Gisela sang, war ihre
Nachdichtung eines Mikis-Theodorakis-Liedes.“ Foto: Dittmann
ten Ehemann Wilhelm, fand sie
die große Liebe, die Geborgenheit, die sie als Kind (zumindest
was den Vater anging) so sehr
vermisste. Da war sie 42 und
Tochter Kirsten, die beruflich in
ihre Fußstapfen getreten ist, 22.
Gisela wollte schon immer wissen, was hinter den Dingen ist.
Schon mit vier konnte sie lesen,
schrieb ihre ersten Gedichte mit
zehn. Hunderte sind es heute,
dazu kamen Drehbücher für
Filme, Dutzende Hörspiele,
Liedtexte (rund 2800!), Bücher, Gedichtbände. Die genaue Zahl ist nie wirklich
reell, weil sie heute schon
wieder drei neue Texte geschrieben haben könnte. Das
geht, rein technisch gesehen,
nun auch viel fixer als früher. Mit ihren 76 hat sich
Gisela noch einen Laptop zugelegt.
„Noch zehn Leben“ wünscht
sie sich in einem ihrer Lieder. Die wird sie brauchen.
„Ich hab nicht zu Ende gelebt, geliebt, geschrieben. Ich
fühle mich einfach mittendrin in
meinem Leben.“
I. Dittmann
Kultur & Freizeit
Farbenspiele
jot w.d. 12/2007
11 Künstler zum Zehnten
Seit zehn Jahren ist die Krankenhaus-Kirche kultureller Ort
Marzahn – Noch bis 31. Dezember kommen Kunstliebhaber in der
Galerie im Hochhaus in der Raoul-Wallenbergstraße 40/42 auf
ihre Kosten. Unter dem Motto
„Farbenspiele“ stellt die 1951 in
Gera geborene Künstlerin Monika Schüler aus. Wer meint, Farbenspiele seien konfus und abstrakt, irrt. Die Bilder weisen ein
beachtliches breites Spektrum auf;
von Landschaft über Vogelbilder
bis hin zum Stillleben können Besucher fantastische Farben und
Motive bestaunen. Monika Schüler arbeitet mit unterschiedlichen
Techniken (Seiden-, Aquarell- und
Ölmalerei), versucht zuweilen
(wie etwa bei dem „Kakadu“) farbenprächtig detailgetreue Darstellung. Der „Wasserfall“ hat eine
magische Wirkung und verführt
zum Träumen. Die Wahlberlinerin, die seit den 80-er Jahren
in Marzahn lebt, zeigt mit dem
„Mädchen im schwarzen Kleid“,
dass einfache Dinge auch schön
sein können. Geöffnet rund um
die Uhr, Eintritt frei.
A. Wiese
Biesdorf – Im November vor
zehn Jahren wurde die Krankenhauskirche am Brebacher
Weg wiedereröffnet. Seitdem
konnten Besucher dort neben
den Gottesdiensten auch zahlreiche Veranstaltungen – von
der Lesung über Konzerte und
Theateraufführungen bis zu
Ausstellungen – besuchen; organisiert von den ehrenamtlichen
Mitgliedern der IG Kirche mit
Detlev Strauß an der Spitze.
Im November war die Ausstellung „10 Jahre Kunst in der
Kirche“ zu sehen. Elf Künstler,
die in den Jahren zuvor hier
Ausstellungen zeigten, präsentierten einige ihrer Werke: Hans
Brass, Grit Sauerborn, Karl
Hartwig und Jens Steinberg
(Malerei), Antje Pehle und Jochen Schneider (Zeichnung),
Achim Kühn (Metallgestaltung), Christiane
Grosz (Keramik), Helge
Warme (Glasgestaltung)
sowie Ehrhard Thoms
und Karl-Günter Möpert
(Bildhauerei). Die musikalische Umrahmung mit
Akkordeon, Saxophon
und Klarinette übernahm
Bert Hildebrand.
Die Vivantes-Krankenhauskirche sei längst ein
Ort der Begegnung geworden – gleichwohl von Patienten wie Marzahn-Hellers-
Das stille Lächeln der Meister
Kalligrafie aus Korea und
Töpferkunst aus Deutschland
Hellersdorf – Das Ausstellungszentrum Pyramide, Riesaer Straße 94, zeigt vom 10. Dezember bis 18. Januar Kalligrafie und Töpferkunst aus
Korea und Deutschland. Zur
Vernissage am 9. Dezember,
16 Uhr, stellen Jeon Myung-ok,
Präsident der Korea Calligraphy Association, und Kulturwissenschaftlerin Bärbel Borchardt die mehr als zwei Jahrtausende alten Handwerks- und
Kunstformen vor. Die heutige
koreanische Kalligrafie basiert
auf dem im 15.
Jahrhundert entwickelten wissenschaftlichen
Alphabet Hangul.
Das Tuschen der
Schriftzeichen
geht aber weit
über die sprachliche Mitteilung
allein hinaus;
zielt vielmehr
auf die Widerspiegelung der
Schönheit der
menschlichen
Seele und des
Geistes. Konzentration auf
Gehalt und Aussage, Harmonie
der Proportionen, starke HellDunkel-Kontraste sowie Spontanität und Einfachheit zeichnen denn auch die über 80 in
der Pyramide ausgestellten Arbeiten aus. Ein Drittel davon
kommt direkt aus Korea. Der
andere Teil ist in Berlin entstanden, wo der koreanische
Mönch Byong-oh Sunim in verschiedenen Studiengruppen
Kalligrafie lehrt.
Kontrastiert und ergänzt wird die
Ausstellung durch die Töpferkunst von Magdalena Freudl,
langjährige Dozentin für Keramik im
Kunsthaus Flora in
Berlin-Mahlsdorf.
Ihre Gefäße, Kugeln, Teeschalen
sind klaren traditionellen Formen
verpflichtet, ob
freigedreht oder
mit der Hand aufgebaut.
Besonders am
Herzen liegt ihr
die alte asiatische
Raku-Technik, die
sie im großen
holzbefeuerten
Freibrandofen im
Garten des Kunsthauses Flora selber brennt.
9
Tipps und Termine
Weite Horizonte
Marzahn – Noch bis 29. Dezember
zeigt die „Mark-Twain-Bibliothek“ im
FFM unter dem Titel „Weite Horizonte“ Malerei und Grafiken von Geert
Marschlich (72). Nach einer Lehre als
Feinmechaniker absolvierte er ein
Abendstudium und war Leiter von Malund Zeichenzirkeln sowie Grafiker im
Werk für Fernsehelektronik. Seit 1987
arbeitete er als selbständiger Siebdrucker. Die Ausstellung zeigt einen
Querschnitt seines umfangreichen
Schaffens. Mehr Informationen unter
www.stb-mh.de oder Tel. 54 704 154.
Talk mit Familie Gollasch
Der Metallgestalter Achim Kühn mit seiner geschmiedeten Skulptur „Wohin treiben wir?“ und ein Exponat des Glasgestalters
Helge Warme.
Fotos: Nachtmann
dorfern – sagte Detlev Strauß. dium zu schaffen. Auch zur Ju„50 000 Besucher und 30 Aus- biläumsausstellung war das so
stellungen gehören (mit Ausnahme von Achim
zur Bilanz dieser Kühn, der sein Atelier in der
zehn Jahre“, resü- Richterstraße in Adlershof hat).
mierte Dr. Ursula So lebte der 2003 verstorbene
Feest, die zur Ver- Maler Hans Brass etwa nur 100
nissage am 3. No- Meter von der Kirche entfernt
vember den Künst- und der Maler Karl Hartwig
lern Anerkennung war sogar gebürtiger Mahlszollte, „dass diese in dorfer. Im Februar 2008 wird es
einer ungewöhnli- eine Ausstellung des im Somchen ‚Galerie’ ohne mer verstorbenen Kaulsdorfer
weiße Wände“ ge- Zeichners und Karikaturisten
meinsam ihre Werke Willy Moese geben. jot w.d.
zeigen. Anliegen der informiert in der Januar-AusgaAusstellungen ist es, besonders be über den genauen Termin der
Künstlern der Region ein Po- Ausstellung.
I. Dittmann
Schlagergeschichte(n)
Band 3 von Siggi Trzoß’ Erinnerungen
erschien jetzt im apercu Verlag
Berlin – Seit einigen Tagen liegt
nun auch der 3. Band der „Schlagergeschichte(n) des Ostens“ von
Siegfried Trzoß vor und kann
beim Autor und
über den Verlag
bestellt (www.Schlagergeschichten-des-Ostens.de, Preis: 19,90
Euro) oder bei
Veranstaltungen
erworben werden.
Die ersten beiden
Bände waren im
August erschienen (jot w.d. berichtete).
Auf rund 200
reichlich bebilderten Seiten (schwarz-weiß und
Farbe) geht es vorrangig um Interpreten von Schlager, Pop und
angrenzenden Genres und ihre
Erfolge in den Jahren zwischen
1970 und 1990. Die Namensliste
reicht von A wie Anke Lautenbach
über F wie Fred Frohberg bis W
wie Gruppe WIR.
Und wie der Titel
schon verspricht,
geht es in diesem
Buch nicht nur um
Porträts der einzelnen Künstler und
Hintergründe zur
Schlagergeschichte, sondern v.a.
auch um erzählte
Geschichten. Das
macht das Büchlein
sowohl zu einer
Fundgrube
für
Schlagerfans als
auch zur unterhaltsamen Lektüre
für alle, die sich gern an beliebte
Interpreten, Musiker oder Autoren
von damals erinnern. I. Dittmann
Hits aus’m Kofferradio
Berlin – Hits und Raritäten aus
dem Osten kommen auch im
Weihnachtsmonat wieder per Kofferradio zu Ihnen in die Wohnstube. Am 6. Dezember begrüßt
Moderator Siggi Trzoß Andrea
und Wilfried Peetz live im okbStudio. Am 20. Dezember gibt es
eine Wunschsendung mit vielen
Interpreten von Anne Mehner über
Fred Frohberg bis Siegfried Wa-
lendy. Ankündigung für den 3.
Januar 2008: An diesem Donnerstag laufen ebenfalls Wunschtitel
der Hörer zum Neuen Jahr – von
Schlagersängern wie Ruth Brandin
über Hartmut Eichler bis zu Frank
Schöbel.
Immer von 16 bis 17 Uhr im Radio über UKW 97,2 oder Kabel 92,6 bzw. über das Internet
unter www.okb.de.
I.D.
Hellersdorf – Am 19. Dezember sind
der legendäre Musiker und Orchesterleiter Günter Gollasch und seine
Ehefrau Brigitte
(Foto: Dittmann)
zu Gast bei „3
nach drei“ – der
beliebten TalkReihe mit Siggi
Trzoß. Beginn: 15
Uhr, Kulturforum
Carola-Neher-Straße, Eintritt 6 Euro,
Kaffeegedeck 2,60 Euro. Kartentelefon:
561 11 53. Günter Gollasch wird im
kommenden Jahr 85 Jahre „jung“. jot
w.d. berichtete in vergangenen Ausgaben schon öfter über den einstigen Chefdirigenten des Rundfunktanzorchesters
Berlin, der mit seiner Klarinette Furore
machte (zuletzt in „Musiklegenden des
Ostens“, jot w.d. 9/2007).
I.D.
Gerd Kießling zu Gast
Marzahn – Am 8. Dezember, begrüßt
Gastgeberin Barbara Kellerbauer um 20
Uhr in der Studiobühne des FFM,
Marzahner Promenade 55, das
„Distel-Urgestein“ Gerd Kießling. Eintritt 11/
erm. 8 Euro, Tel.
542 70 91. (Foto:
Nachtmann). Erst
unlängst wurde der Kabarettist mit 78
von seinen Distelkollegen und vielen
Freunden „in die Rente entlassen“; jot
w.d. war bei der Abschlussrunde in der
Distel dabei und durfte Kiesling auch
noch einmal als „Alfred Biolek” im
Stück „Nullrunde” erleben. Wir sind
sicher: Das war nicht der letzte Auftritt
des Vollblutkabarettisten auf einer Bühne. Und auch im FFM wird es einige
kabarettistische Kostproben per Einspiel geben.
I.D.
Es leuchten die Sterne
Marzahn – Zur traditionellen „Weihnachtsmatinee“ lädt Siggi Trzoß am 9.
Dezember, 11
Uhr, in den
Saal des Freizeitforums ein.
Zu seinen Gästen zählen
diesmal u.a.
Lutz Stückrath,
Silke & Dirk
Spielberg, Andrea & Wilfried Peetz (Foto: Nachtmann),
Gregor Klatt mit seiner Panflöte sowie das
Swetana-Tanzteam. Eintritt: 11 Euro.
10
Von Punk bis Blues:
Neue Reihe im FFM
Marzahn – Am 25. Januar startet im Freizeitforum an der Marzahner Promenade eine neue
Veranstaltungsreihe für Jugendliche und Junggebliebene – LiveKonzerte mit bekannten Bands
zwischen Rostock und Erfurt. Die
Konzerte, bei denen auch getanzt
werden kann, finden vorerst bis
Mai am letzten Wochenende des
Monats (jeweils 20 Uhr) statt.
Zum Auftakt am 25. Januar sind
die „Crushing Caspars“ aus Rostock zu erleben, die sich v.a. in
der Punkszene einen Namen gemacht haben. Eintritt 10 Euro.
Am 22. Februar laden die „Breaker“ und das MV-Promotion-DJTeam zur ultimativen „über 30
Tanzparty“ ein. Ort: Mehrzweckhalle, Eintritt 15 Euro. Am 29.
März spielt die Band „Blickfeld“, am 26. April der Bluesbarde Jürgen Kerth (und Band)
aus Erfurt, und am 31. Mai spielen die „Roompilots“.
Frau Puppendoktor
Pille kommt
Marzahn – Für die lieben Kleinen
gibt’s im Weihnachtsmonat wieder
etliche Überraschungen im
Freizeitforum. Mit Ulf & Zwulf
können sie am 11. und 12. Dezember, jeweils 10 Uhr, auf den Weihnachtsmann warten (Eintritt 5
Euro). Am 15. Dezember, 15 Uhr,
laden Frau Puppendoktor Pille (die
mit der großen klugen Brille) und
Frosch Quaki unter dem Motto
„Der Nächste bitte“ in ihr „Sprechzimmer“ ein. Eintritt 10/erm. 5
Euro). Das Musiktheater „NobelPopel“ erzählt „Eine Weihnachtsgeschichte“ – eine moderne Inszenierung frei nach Charles Dickens
für Kinder von 6 bis 12. Eintritt 5
Euro. Ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk finden Modelleisenbahnfans sicherlich am 30.
Dezember zur Modellbahnbörse in
der Mehrzweckhalle. Beginn 10
Uhr, Eintritt 3 Euro.
I.D.
Stipendien beantragen
Berlin – Am 15. Januar 2008 endet die Bewerbungsfrist für ein Stipendium der Konrad-AdenauerStiftung (KAS) zum kommenden
Sommersemester. MdB Prof. Monika Grütters, früher selbst KASStipendiatin, fordert Abiturienten
und Studienanfänger aus MarzahnHellersdorf auf, diese Chance
wahrzunehmen und einen Antrag
auf Studentenförderung einzureichen. Voraussetzung dafür sind
neben überdurchschnittlichen Abitur- oder Studienleistungen persönliches Engagement im politischen, sozialen, kirchlichen oder
kulturellen Bereich sowie die charakterliche Eignung. Stipendiaten
können bis zu 525 Euro im Monat
erhalten. Unabhängig davon erhält
jeder Stipendiat ein monatliches
Büchergeld von 80 Euro. Einzelheiten zum Bewerbungs- und Auswahlverfahren sowie Ansprechpartner unter: www.kas.de/wf/de/
42.34/. Eine Übersicht aller Begabtenförderungswerke gibt’s beim
Bundesbildungsministerium, im
Internet unter www.bmbf.de. RN
jot w.d. 12/2007
Jugend & Sport
Den Weg von Hand und Fuß begreifen
Satori-Kampfsportschule holt Jugendliche von der Straße
Marzahn – Die Fußbewegungen
sind schnell, akkurat, präzise und
können auch sehr schmerzhaft
sein. Seit mehr als sieben Jahren
hat sich die heute 16-jährige
Janette Kamph aus Marzahn der
koreanischen Kampfsportart Tae
Kwon Do verschrieben. Seit der
Gründung der Satori-Sportschule vor zwei Jahren ist sie wöchentlich zweimal in dem 400
Quadratmeter großen Areal an der
Marzahner Promenade anzutreffen. An der Wand hängt ihr großes Vorbild: Der zehnfacher Danträger und Großmeister Lee.
Schulleiter Jürgen Rex hat in enger Zusammenarbeit mit örtlichen Sponsoren ein Sportangebot
geschaffen, das heute von mehr
als 130 Mitgliedern des Vereins
regelmäßig genutzt wird. „Unser
Klientel geht von vier bis 71 Jahren, wobei wir den Schwerpunkt
auf Kinder und Jugendliche legen“, sagt Rex. Seine und des
Vorstandes Intention ist klar definiert: „Wir wollen die jungen
Leute von der Straße holen. Deshalb hat die Schule auch eine
nicht zu unterschätzende soziale
Funktion“, unterstreicht der 57jährige Kampfsportschulleiter.
Seit der Gründung nehmen bereits 90 Prozent der Mitglieder im
Nachwuchsalter das Sportangebot
an und besuchen die Trainingsstätte. Zwei junge Trainer, die
selbst in der Tae Kwon Do-Hierarchie schon beachtlich nach oben
kletterten, lehren hier die 2000
Jahre alte Kampfsportart aus Korea. Rex verheimlicht nicht die
Vorbehalte und Klischees, die
Die 16-jährige Janette Kamph hat sich bereits seit sieben Jahren dem
Tae Kwon Do verschrieben.
Foto: Gieche
dem Tae Kwon Do anhaften. „Es
geht bei uns eben nicht mit brutaler Gewalt zu, wie oft in Filmszenen zu sehen sind. Im Gegenteil. Hier werden beispielsweise
Werte wie Höflichkeit, Ehrgefühl,
Geduld, Selbstbeherrschung,
Barmherzigkeit oder Mut vermittelt“, beschreibt er den Sport.
Mit solchen Werten wird Jeanette
Kamph seit ihrem neunten Lebensjahr konfrontiert. Diese helfen ihr nicht nur im sportlichen
Wettstreit, sondern auch außerhalb der Trainingsstätte. Die heute 1,80 Meter große und nur 65
Kilogramm schwere Sportlerin
besitzt nach Aussagen ihres Trai-
ners hervorragende Voraussetzungen, um mit der nationalen und
internationalen Elite Schritt zu
halten. Bereits mit 12 Jahren
konnte sie in Hannover bei der
WM das oberste Treppchen besteigen. „Das war ein schönes Gefühl“, erinnert sich die Fachoberschülerin. Mit ihren Beinmaßen von 1,14 Meter Länge
kann sie sich ihre Gegner immer
auf Distanz halten und selbst
punktesichere Treffer setzen.
Bei Tae Kwan Do geht es auch
zur Sache. Wer unkonzentriert ist,
bekommt auch schon mal einen
blauen Fleck ab. „Es sieht alles
spektakulärer aus, als es letztendlich ist“, verspricht Trainer Felix
Krieger. Die Sportart dient auch
der Selbstverteidigung. Unverbesserliche haben die Beherrschung der koreanischen Sportart
durch Jeanette bereits zu spüren
bekommen. Zweimal setzte sie
ihr Können bei einem abendlichen Angriff auf dem Heimweg
durch einen Park ein. „Das gibt
mir Sicherheit und stärkt mein
Selbstwertgefühl“, meint sie
stolz. Im Vordergrund stehe jedoch der sportliche Aspekt. So
lehrt es die koreanische Tae
Kwon Do-Philosophie, die die
zukünftige Tierpflegerin nicht
mehr missen möchte.
Zurzeit bereitet sich die Trägerin
des Grünen Gürtels intensiv auf
die im nächsten Jahr stattfindenden nationalen Meisterschaften in
Hannover vor. Dort will sie wieder das Gefühl des Umhängens
einer Goldmedaille erleben.
Uwe Gieche
... und pflanzten einen Baum Weihnachten im Schuhkarton
Stadträte halfen bei der Schulhofgestaltung
penick. „In diesem Schulhofprojekt
funktionierte sogar die Zusammenarbeit mit Schuldirektion, Senatsverwaltung und Natur- und Umweltamt tadellos“, freut sich Bildungsstadtrat Stefan Komoß. Und
weil trotz der bisherigen Ergebnisse Vieles noch im Bau ist, kam er
am 15. November mit UmweltStadtrat Norbert Lüdtke, um auf
dem Schulhof selbst einen Baum
zu pflanzen.
Dabei mussten sich die beiden von
den Kinder auch korrigieren lassen,
haben letztere
mittlerweile
doch viel Erfahrung sammeln können.
Nachdem mit
vereinten
Kräften ein
Baum
gepflanzt wurde,
gaben sie die
Schaufel ab
und überließen es den eifrigen Kindern,
die restlichen
Bäume in ihre
neue Heimat
einzupflanzen.
Komoß und Lüdtke schippten kräftig.
Foto: Wiese Annette Wiese
Marzahn – Man sah nur Kinder
mit Hämmern, Äxten, Schaufeln
und Schubkarren auf dem Schulhof. Mit viel Spaß und Enthusiasmus sind die Schüler der 5. und 6.
Klasse der Grundschule am Bürgerpark dabei, um ihren Schulhof zu
gestalten und aufzuwerten. Natürlich unter Aufsicht und Mithilfe der
Lehrer und Holzkünstler. Sponsoren stellten Pflanzen im Werte von
5000 Euro zur Verfügung; das Holz
für Balancierstrecke und Sitzgelegenheiten kam vom Forstamt Kö-
Jusos spenden für Kinder in Not
Marzahn-Hellersdorf – Weihnachten ist ein Fest der Besinnlichkeit, der Ruhe, aber auch des Denkens an Menschen in Not und des
damit verbundenen Teilens. Auch
die Jusos aus Marzahn-Hellersdorf
wollten da nicht abseits stehen und
beteiligten sich an der weltweiten
Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“, die Not leidenden Kindern in
aller Welt eine Freude bereiten
will. Die Sache selbst ist ganz einfach. Man nehme einen handelsüblichen Schuhkarton, beklebe ihn
mit Geschenkpapier, fülle ihn mit
Dingen des täglichen Bedarfs und
Sachen, die Kindern Freude machen. Das können Schulhefte,
Buntstifte oder Hygieneartikel genauso sein, wie Kleidung, Spielsachen oder Süßigkeiten. Und schon
ist das Päckchen komplett.
Mit einem Aufkleber informierten
die Jusos die Empfänger, für welche Altersgruppe die Geschenke
gedacht sind und ob ein Junge oder
ein Mädchen sich über die Sendung
freuen darf. Am 9. November gaben sie ihre Schuhkartons im Beisein von Bezirksstadtrat Stefan
Komoß in der hiesigen Sammelstelle, der Mark-Twain-Bibliothek
im Freizeitforum Marzahn, ab. Von
dort geht die Sendung über regionale Zwischenlager in die Empfängerländer.
André Gaedecke
Infoveranstaltung zum Thema Antiziganismus
und „Dr.“ Robert Ritter
Hellersdorf – Am 12. Dezember,
18 Uhr, findet im Audimax der
Alice-Salomon-Fachhochschule
eine Infoveranstaltung des Bündnisses „Kein Vergessen“ mit Erich
Schmidt zum Thema „Antiziganismus und Dr. Robert Ritter“ statt.
Robert Ritter war Leiter des
„Kriminalbiologischen Institutes
der Sicherheitspolizei“ (KBI) und
zuvor als Wissenschaftler maßgeblich am Völkermord gegenüber
Sinti und Roma beteiligt. So mussten sich im Rahmen der von ihm
mit verantworteten pseudowissenschaftlichen Beurteilungspraktiken
bis 1945 fast 24 000 Menschen in
ihrer „rassischen Zugehörigkeit“
klassifizieren lassen. Diese Einordnung entschied oft über Leben und
Tod, so auch im Sinti und Roma
Zwangslager Berlin-Marzahn.
Weitere Infos im Internet unter
www.kein-vergessen.de.
ID
Sonderveröffentlichung
jot w.d. 12/2007
11
Mehr, als ein einfacher Vermieter
WoGeHe engagierte sich auch 2007 mit vielfältigen Aktivitäten für die Menschen in Hellersdorf
Dass das Bundesbauministerium am Programm Stadtumbau Ost festhalten wird,
versicherte vor wenigen Wochen erneut Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup
(siehe jot w.d. 10/2007). Auch die WoGeHe lässt keinen Zweifel aufkommen, dass
die Gesellschaft wie in den vergangenen Jahren die Großsiedlung Hellersdorf als
attraktiven Wohnstandort weiter entwickeln will. „Wir wollen mehr sein, als ein
Vermieter“, sagte bereits zu Jahresbeginn der damalige Geschäftsführer Rudolf Kujath. Und die WoGeHe ließ auch Taten folgen. So wurden fast zwei
Millionen Euro allein in die Sanierung von Wohngebäuden an der Jenaer
Straße investiert. „Wir wollen dabei ganz gezielt auf Mieterwünsche eingehen“, versichert WoGeHe-Chef Michael Niestroj.
Dazu zählen beispielsweise Grundrissveränderungen, Einbau von Wunschbädern und-küchen aber auch altersgerechte Umbauten. „Wir müssen bedenken, dass die Bevölkerung altert“, weiß Niestroj. Das hat sich auch Jürgen
Marx, der seit Juli neuer kaufmännischer Geschäftsführer der Muttergesellschaft
STADT UND LAND ist, auf die Fahnen geschrieben. „Mit weit reichenden Serviceleistungen binden wir unsere Mieter“, sagt er. Bestätigung erhält die WoGeHe bei
ihren jährlichen Mieterbefragungen durch unabhängige Institute. Mehr als drei
Viertel der Mieter sind mit ihrem Wohnstandort überwiegend zufrieden, und wer
Gelbe Tonne plus: Richtig
wegwerfen spart richtig Geld
Rudolf Kujath, Bürgermeisterin Dagmar Pohle und Alba-Geschäftsführer
Thomas Hasucha (re.) zeigten im Mai, was in die Plus-Tonne darf. Darüber
freut sich auch Umweltstadtrat Norbert Lüdtke (li.).
Foto: Nachtmann
Hellersdorf – Bisher landeten
kaputte elektrische Kleingeräte
wie Fön oder Toaster, Kleinholz
oder Kunststoffteile wie Blumentöpfe und Kleingegenstände aus
Metall wie Töpfe und Werkzeuge nicht selten in der Grauen
Restmülltonne. Zuweilen auch in
der „Gelben Tonne“, in die nur
Plastikbehältnisse wie Joghurtbecher, Konservendosen oder Saftkartons mit dem grünen Punkt
entsorgt werden dürfen. Die falsche Abfalltrennung kostet richtig viel Geld, ist zudem äußerst
unökologisch. Denn auch die eingangs genannten Gegenstände
sind wiederverwertbar.
Dafür gibt es in der Großsiedlung
Hellersdorf für die Mieter der
WoGeHe die „Gelbe Tonne plus“.
Über sie finden nun der kaputte
Toaster, der alte Rasierapparat
oder die zerkratze Bratpfanne einen Weg zurück in den Wertstoffkreislauf. Und: Wird richtig entsorgt, sinken die Abfallkosten für
die Mieter um etwa 30 Prozent
und damit die Betriebskosten für
jeden Einzelnen.
I. Dittmann
Forschungspreis Grüninspektoren
Tine Kadows Forschungen über
das Eintauchverhalten des Papageientauchers wurden mit einem
„Franz-Carl-Achard-Preis“ für innovative Projekte der WohnTheke
unter Führung der WoGeHe prämiert. Die Schülerin hatte auch bei
„Jugend forscht“ mit ihren Ideen
reüssiert. Mit dem Preis sollen innovative Ideen aus Hellersdorf gefördert werden, sowohl in der Unternehmerschaft als auch in den
Schulen.
Foto: Nachtmann
Der Klub der Grüninspektoren,
eine vor 13 Jahren von der WoGeHe ins Leben gerufene Mieterinitiative, hält bei regelmäßigen
Kontrollgängen den Zustand der
Grünanlagen, Wohnhöfe und des
Wohnumfeldes fest, notiert Mängel, Vandalismus- und andere
Schäden. Dem wachsamen Blick
entgeht kein verletztes Bäumchen,
kein defektes Spielgerät. Ihre
mehr als 160 Beobachtungsbögen
sorgen bei Bedarf für rasche Abhilfe.
Foto: Nachtmann
doch einmal eine andere Wohnung braucht (sei es durch Familienzuwachs oder nach
Auszug der erwachsen gewordenen Kinder), möchte bei der WoGeHe bleiben.
Gelobt wird auch das Umweltengagement der Gesellschaft. Ob mit der Einführung der „Gelben Tonne plus“ oder der gezielten Pflege von Grünanlagen – neben
den Mietern hat das auch die Prüfer überzeugt: STADT UND LAND erhielt 2005
als erstes städtisches Wohnungsunternehmen in ganz Deutschland das EMASSiegel der Europäischen Union. In diesem Jahr wurden die strengen Auflagen
zum dritten Mal in Folge erfolgreich eingehalten.
Nicht zuletzt engagiert sich die WoGeHe seit vielen Jahren bei der Unterstützung von Jugendlichen, Kultur und Sport. Sei es die Weitergabe von
Einsparungen im Versicherungsgeschäft an gemeinnützige Vereine, sei es als
Rückhalt der Boxer vom Boxring Eintracht oder das alljährliche Balkonkino,
das im Sommer große Filme „für lau“ auf dem Cecilienplatz zeigt. „Wir haben
als größter Vermieter in Hellersdorf auch eine besondere Verantwortung“, weiß
Michael Niestroj. Dazu zählt auch die in Berlin einzigartige „WohnTheke“, in der
sich die WoGeHe mit vier weiteren Vermietern um ein nachhaltiges Standortmarketing kümmert. Mit Erfolg, wie es nicht nur der stetig sinkende Leerstand
zeigt. Man interessiert sich weltweit für dieses Modell.
R. Nachtmann
Senioren-WG am Cecilienplatz:
Allein und doch gemeinsam am Lebensabend
Kaulsdorf-Nord – Margot Bittrich (89) hat sich auf rund 20
Quadratmetern gemütlich und
stilvoll eingerichtet. Fotos, Bücher und viele persönliche Gegenstände schaffen in ihrem Zimmer
am Cecilienplatz eine vertraute
Atmosphäre. Fast wie im ehemaligen Zuhause. Doch Frau Bittrich, einst Diamantenschleiferin,
schaffte es nicht mehr, allein und
ohne Hilfe zu leben. Sie zog in
die erste, vom GesundheitsVerbund Berlin betreute SeniorenWG der WoGeHe.
Die Wohnung dort umfasst 300
Quadratmeter und hat neun geräumige, helle Zimmer für ihre
Bewohner. Dazu kommen ein großer Gemeinschaftsraum, eine
Küche, zwei Duschen, drei WC
und ein Bad. Haustiere sind erlaubt. Gekocht wird gemeinsam
nach einem abgestimmten Speiseplan. Das Pflegepersonal hilft
bei allen täglichen Verrichtungen.
Denn ein selbstbestimmtes Leben, das Respektieren individueller Wünsche auf der einen Seite – Geborgenheit, Hilfe im Alltag und das Gefühl, nicht allein
zu sein, auf der anderen Seite
verbessern die Lebensqualität
vieler älterer Mitbürger erheblich. Die Betreuung in der WG ist
Sportförderung
Der internationale Boxwettkampf
um den „Preis der WohnTheke“ in
Hellersdorf hat sich zu einem der
größten Turniere für Amateure in
ganz Deutschland entwickelt. Jahr
für Jahr kommen Faustkämpfer aus
mehreren europäischen Ländern,
um sich mit den Boxern von Eintracht („Boxen statt Gewalt“) zu
messen. Von Anbeginn an unterstützt die WoGeHe dieses Projekt,
das Jugendliche von der Straße
holt.
Foto: Nachtmann
rund um die Uhr gesichert.
In der WG „Cecilie“ haben mittlerweile acht Mieter – fünf Damen und drei Herren, darunter ein
Ehepaar – ihr neues Zuhause gefunden. Die jüngste Bewohnerin
ist 67 Jahre, die älteste 101. Die
Warmmiete beläuft sich auf rund
300 Euro, dazu kommt ein Anteil
am Haushaltsgeld von ca. 200
Euro. Bei Vorliegen einer Pflegestufe deckt die Pflegekasse die
Kosten für die häusliche Pflege.
Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt auch das Sozialamt Kosten.
Mittlerweile gibt es eine weitere
Senioren-WG mit 10 Einzelzimmern. Behindertengerechte Ausstattung sowie Aufzug sind auch
hier selbstverständlich. Auch die
zwei Häuser an der Jenaer Straße 54/56 mit 72 Wohnungen wurden altersgerecht komplett saniert
und modernisiert.
Ingeborg Dittmann
Gemeinsamkeit, etwa beim Vorbereiten des Mittagessens, steht in der
Senioren-WG im Mittelpunkt.
Foto: Nachtmann
Wohnumfeld
Willkommen
Dass beim Stadtumbau auch Abrisse eine Rolle spielen, ist kein
Geheimnis. Mehr noch als Wohnhäuser wurden frühere Kindergärten und Schulen abgebaggert.
Die so entstandenen Freiflächen
gilt es zu nutzen – z.B. mit Garagen, die sich vielfältig verwenden
lassen. Genauso wichtig sind den
Bewohnern anspruchsvoll gestaltete Höfe. Der „Vier-Jahreszeiten-Hof“ zählt zu den schönsten,
den bereits viele Bundespolitiker
bewunderten. Selbst um öffentliche Flächen kümmert sich die
Gesellschaft. Foto: Nachtmann
Nach zehn Jahren an der Spitze
der WoGeHe trat Chef Rudolf Kujath (oben) im
Sommer in den
Un-Ruhestand
(er arbeitet nun
für das Seniore n - P ro j e k t
SOPHIA). Seinen Nachfolger
Michael Niestroj unterstützt nun Jürgen Marx (re.),
der aus Leipzig
kam. Von dort
bringt er viele
nützliche Erfahrungen mit.
Kujaths Verdienste für Hellersdorf bleiben unvergessen.
Fotos: Nachtmann/Dietze
12
„Wasserpfeife – Der
Wolf im Schafspelz?“
Kaulsdorf – Der Suchtverbund
Marzahn-Hellersdorf führt am 12.
Dezember von 14.30 Uhr bis 16
Uhr im Terrassensalon des ParkHotels Berlin Schloss Kaulsdorf,
Brodauer Straße 33/35, sein 21.
Forum Suchthilfe durch. Es werden die Ergebnisse der Studie
„Vorsicht Wasserpfeife“ vorgestellt. Darin geht es um die Auswirkungen auf die Gesundheit,
Passivrauchen und gesetzliche
Regelungen. Außerdem werden
Ergebnisse einer Schülerbefragung präsentiert. Referenten
sind Johannes Spatz und Jürgen
Glimpel von der Plan- und Leitstelle für Gesundheit im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.
Für neue Sozialpolitik
Berlin – Nach einem Jahr intensiver Debatte haben Bündnis 90/
Die Grünen auf ihrem Parteitag
eine neue Grundlage für zukünftige Sozialpolitik gelegt. Es ist
dabei gelungen, viele Ideen eines
Grundeinkommens im Beschluss
zu verankern. Neben der Erhöhung der Regelleistung auf 420
Euro soll (statt Sanktionen) die
Unterstützung von Erwerbslosen
verbessert werden. Mit einem
Wunsch- und Wahlrecht sollen
die bisherigen Zumutbarkeitsbedingungen ersetzt werden. Ziel
bündnisgrüner Sozialpolitik ist
eine sanktionsfreie Existenzsicherung. Damit werden die Stigmatisierungen des Harz-IV-Systems überwunden und allen Bürgern gesellschaftliche Teilhabe
ermöglicht.
Stefan Ziller
Bündnis 90/Die Grünen
Mieterberatung
Marzahn-Hellersdorf – Der Berliner Mieterverein führt im Bezirk
regelmäßig Sprechstunden durch.
Die Rechtsberatung für Vereinsmitglieder findet jeden Montag, 17-19
Uhr, im Kieztreff Marzahner Promenade 38 statt. In Hellersdorf
kann man sich jeden Donnerstag
zwischen 17 und 19 Uhr im Stadtteiltreff Teterower Ring 168/70
Rechtsberatung holen.
Peter Lemke, Tel./Fax. 655 81 60.
MHWK spendete
Marzahn-Hellersdorf – Fast 8000
Euro konnte der Wirtschaftskreis
als Erlös der Tombola bei der diesjährigen Unternehmer-Party für
gute Zwecke spenden. U.a. wird
Bürgermeisterin Dagmar Pohle
auch in diesem Jahr wieder 1500
Kinder zu einem vorweihnachtlichen Kinobesuch einladen.
RN
Wohnen im Alter
Marzahn – Die WBG hat ihr großes Spektrum von seniorengerechten Wohn- und Serviceangeboten jetzt in einer 32-seitigen
Broschüre zusammengefasst. Interessenten können die kostenlose Broschüre mit dem Titel „Weiter denken. Weiter wohnen.“
beim Mutterunternehmen DEGEWO unter Tel. 264 85 446 oder
per email ([email protected]) bestellen.
jot w.d. 12/2007
Alt-KLUG – Ja bitte!
Broschüre für „55 plus“ erschien zum 7. Mal
Marzahn-Hellersdorf – „Wir
möchten Sie bitten, uns Ihre Anregungen, Kritiken und anderes mehr
mitzuteilen und unsere Sprechstunden zu nutzen“, fordert der Vorstand der Seniorenvertretung Seniorinnen und Senioren des Bezirkes auf und zieht im neuen Ratgeberjournal für Menschen ab 55
eine erste Bilanz seiner Tätigkeit.
Das Journal berichtet über die Senioren-BVV zum Gesundheitswesen und erzählt in
Wort und Bild von
Familientag,
Seniorenwandertag oder der geplanten Gründung
einer Seniorenakademie unter dem
Motto „alt-KLUG
oder die neue Lust
am Lernen“.
Senioren im Jugendklub Joker?
Auch darüber liest
man und über die
Erfahrung, dass
gemeinsame Grillfeste viel Spaß machen. Und wer eine Arzthelferin im
Tina-Turner-Look oder eine bühnenreife Stepptanz-Compagnie ab
Ende 60 erleben wollte, musste nur
zum Finale des Senioren Grand
Prix „Goldener Herbst“ ins Freizeitforum kommen. Im Journal
gibt’s Episoden zum Nachlesen für
alle, die dabei waren und jene, die
es verpasst haben.
Von B wie Bowling bis W wie Wassergymnastik reichen die Sportangebote im Bezirk, eine ganze Seite
widmet sich „König Fußball“ und
den Spielen und Turnieren der Ü
60-Mannschaften und dem Nachwuchs Ü 50. Auch Frank Schöbel
ist unter den aktiven Kickern.
Ein weiteres Kapitel widmet sich
der Gesundheit, der psychischen Gesundheit und
Problemen älterer Autofahrer im Straßenverkehr. Mehr
Sicherheit bietet auch SOPHIA, die Soziale Personenbetreuung Hilfen im Alltag.
Die Broschüre
erklärt, wie das
Armband funktioniert, das
Gesundheitswerte der Nutzer misst und an eine Servicezentrale übermittelt. Das Ratgeberjournal ist kostenfrei erhältlich
in Bürgerämtern, Bibliotheken, bei
der Volkshochschule oder in den
Stadtteilzentren. Renate Wagner
Wirtschaft & Soziales
Sozialpolitische Verantwortung
LINKE stellt sich den Problemen
Die Fraktion der Linken in der
BVV hat den Anspruch, sich auch
weiterhin mit der sozialen Situation im Bezirk kommunalpolitisch
auseinanderzusetzen. Dabei nehmen die Probleme der Armut von
Familien mit Kindern und Jugendlichen, der Arbeitslosen und von
Menschen mit Behinderungen einen besonderen Stellenwert ein.
Der Abbau von sozialen Errungenschaften auf der Bundesebene, von
bürgerlichen Freiheitsrechten, von
Einschränkungen in der Gleichstellungspolitik und die Massenarbeitslosigkeit haben auch in unserem Bezirk Spuren hinterlassen.
Die Hauptverlierer sind dabei die
Arbeitslosen. Mit der Einführung
des Zweiten Sozialgesetzbuches
(Hartz IV) wurden die sozialen
Widersprüche weiter verschärft. Im
Bezirk sind 36 000 Bewohner arbeitslos. Die aktuelle Arbeitslosenquote beträgt 15 Prozent. Dem stehen lediglich 3994 Stellenangebote gegenüber.
Der Anteil Jugendlicher unter den
Arbeitslosen im Bezirk ist der
zweithöchste in Berlin. Fast jeder
vierte Arbeitslose ist älter als 50
Jahre. Menschen, die von den Leistungen des JobCenters, von der sozialen Grundsicherung oder aber
als Erwerbstätige im Niedriglohnsektor leben müssen, sind arm. Die
Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und am kulturellen Leben
ist durch die materielle Lage der
Familien deutlich eingeschränkt.
Die soziale Situation in den Familien kann zu Spannungen, Erkrankungen und in einigen Fällen zu
Störungen bei der Erziehung von
Kindern und Jugendlichen führen.
In Jugendfreizeiteinrichtungen,
Wohlfahrtsverbänden und den
Schulen des Bezirkes sind die Auswirkungen der Armutsprozesse
deutlich zu spüren.
Die Linke ist in Berlin und in unserem Bezirk in besonderer sozialpolitischer Verantwortung. Hier ist
es unser politisches Ziel, alle Spielräume für die Betroffenen zu nutzen, um Zwangsumzüge und restriktive Auslegungen der Gesetze
zu mildern. Die Veränderungen der
sozialen Situation im Bezirk erfordern eine breit gefächerte soziale
Arbeit. Durch die Weiterentwicklung von Nachbarschaftsbeziehungen und sozialen Bindungen in den
Stadtteilen wollen wir den sozialen Problemlagen noch besser begegnen. Die Fraktion der Linken
wird auch weiterhin für von Armut
Betroffene Ansprechpartner sein.
Ab Dezember wird der Fraktionsvorsitzende jeden Donnerstag von
10 bis 13 Uhr in der Geschäftsstelle des Bezirksverbandes, HennyPorten-Straße 10-12, für Beratungen zur zur Verfügung stehen.
Klaus-Jürgen Dahler
Fraktionsvorsitzender
In Würde bis zuletzt leben
200 Berliner Pflegekräfte diskutierten vielfältige Möglichkeiten der Betreuung Sterbender
Das Veranstaltungsprogramm der
10. Berliner Hospizwoche im vergangenen Monat wurde ganz dem
Hospizgedanken „Leben bis zuletzt“ gewidmet. 200 Fachleute
diskutierten auf einem Workshop
Möglichkeiten, wie den Schwerstkranken und sterbenden Menschen bis zuletzt eine Pflege in
Würde zu sichern ist. Schauspielerin Annekatrin Bürger schätzt
die Hospizarbeit und ist seit Jahren Dauergast der Veranstaltung.
Das persönliche Grußwort hinterließ bei den Teilnehmern einen
nachhaltigen Eindruck.
In Fachkreisen wird die Palliativpflege als eine auf die Linderung
von Schmerzen und Begleitsymptomen schwerster Erkrankungen
ausgerichtete Pflege bezeichnet.
Mitarbeiter im häuslichen als auch
stationären Pflegedienst werden
täglich mit diesen Fragen konfrontiert. Seit 1988 sichern in Berlin
Hospizdienste die Begleitung von
Schwerkranken und Sterbenden.
Seit 1997 wird mit der jährlich in
der Hauptstadt durchgeführten
Hospizwoche gerade jenen besonders gedacht, die rund um die Uhr
für Kinder, Jugendliche, Frauen
und Männer da sind. „Sie haben
es verdient, dass man ihnen bis
zum letzten Atemzug Würde und
Respekt entgegen bringt“, so Martina Kern vom Zentrum für
Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein Sieg, die im
Hauptreferat Diskussionsansätze
und weitergehende Überlegungen
weiteren beschäftigte sich die
Fachfrau aus Bonn mit den Fragen von Erkenntnis, Wertschätzung, Respekt, Sensibilität, Mut
und Präsenz.
Auch sie habe in ihrer Tätigkeit
landläufige Vorbehalte oder gar
alte Gewohnheiten abbauen müssen, um sich den neuen Herausforderungen zu stellen. In Untersuchungen habe sie festgestellt,
dass Fragen der Sexualität bei
Sterbenden in der Vergangenheit
gar keine Aufmerksamkeit geschenkt
wurde. Es war ein
Tabuthema. „Wir
müssen uns auch hier
diesen Fragen stellen.
Das gehört auch zur
Lebensqualität bis zuletzt“, ist Kern überzeugt. Die Lagerung
in der Sterbensphase
wurde von Kern nicht
ausgespart. Sie legte
gar einen Schwerpunkt auf dieses konfliktreiche Thema. Sie
wisse, dass es hier einen Spagat zwischen
Schutz des Lebens und
der Autonomie des Patienten gäbe. Es muss
jedoch nach ihrer festen Überzeugung ein
gemeinsamer Nenner
Schauspielerin Annekatrin Bürger ist Dauer- gefunden werden. Die
gast bei der Berliner Hospizwoche. So auch Einbeziehung Angewährend des Hospizworkshops im Krankenhaus höriger spielt für die
Königin Elisabeth Herzberge. Foto: Gieche Lebensqualität eine
für die Palliativpflege zum Ausdruck brachte. Einen großen Raum
im viel beachteten Vortrag nahm
die Frage der Lebensqualität ein.
Sie unterstrich den Anspruch an
die neue Qualität in diesem
Pflegesegment, dass nicht das
Sterben im Mittelpunkt stehe, sondern die verbleibende Zeit für das
Leben. „Es ist nicht Sache des
Alters, sondern der Lebensfülle“,
unterstrich Kern, der in Wien eine
Gastprofessur verliehen wurde. Im
große Rolle. Sie sind der erste Ansprechpartner für die Betroffenen.
Deshalb muss auch diese Beziehung bis zuletzt gesichert werden.
„Wir müssen die Angehörigen für
den Annäherungsprozess des Sterbens vorbereiten. Diese Verantwortung liegt zweifelsohne bei uns
und nimmt uns auch keiner ab“,
so ihr Appell an die interessierten
Zuhörer.
Dazu zählte auch Maria Gelner aus
Kladow. Diese Art des Erfahrungsaustausches hilft der Pflegemanagerin, die Alltagsprobleme zu bewältigen. Seit über 20 Jahren ist die
gelernte Krankenschwester im
ambulanten Pflegedienst tätig. Obwohl sie tagtäglich mit dem Tod
konfrontiert sei, könne sie sich keine andere Tätigkeit vorstellen. Sie
stelle sich mit aller Kraft dieser sicherlich nicht einfachen Aufgabe.
„Alle Menschen, ob jung oder alt,
haben es verdient, bis zuletzt eine
Lebensqualität zu erhalten“, so die
Kladowerin.
Die ihr gegenwärtig endlos erscheinenden Diskussionen um die neue
Pflegeversicherung hilft nicht, die
Grundprobleme zu lösen. „Wir arbeiten mit Menschen. Da kann man
nicht Zeitmodule festlegen, die oftmals fernab jeglicher Realität
sind“, sagt sichtbar erregt die Teilnehmerin. Sie steht neuen Gedanken und Anregungen immer offen
gegenüber und deshalb nutzt sie
diese Form des Erfahrungsaustausches. Nicht nur während der Berliner Hospizwoche. Uwe Gieche
Feuilleton
jot w.d. 12/2007
Ein Jahrhundertbuch
Europa und „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“
Mein Blick geht vom Buch über den Balkon
meiner Berliner Wohnung gen Süden, über
die Müggelberge hinweg, in Gedanken über
Märkische und Lausitzer Kiefernsande,
über die Berge an der tschechischen Grenze hinein in die große Elbebene, wo sich
hinter hohen Festungsmauern der österreichischen Kaiserin Maria Theresia die unscheinbare Stadt Terezin befindet. Weltbekannt als das ehemalige jüdische Ghetto
Theresienstadt.
Das soeben Gelesene lässt mich hier nicht
verweilen, sondern schickt mich weiter nach
Süden über den Berg Rip nach dem schönen Prag, weiter über den unruhigen Balkan und die Urlaubsparadiese am Mittelmeer hinweg zu den Ölquellen der modernen Welt, wo unterm Zeichen verschiedener Propheten Kriege toben und Hass immer neue Nahrung findet. Israel, das gelobte Land? Vor 50 Jahren flüchtete Alice
Herz eben dorthin, das heimatliche Goldene Prag hinter sich lassend.
Eine Verwechslung mit Alice Herz aus Mahlsdorf, eine nach den USA emigrierte Jüdin,
die sich in den sechziger Jahren dort aus
Protest gegen den Vietnamkrieg verbrannte, ließ mich das Buch „Ein Garten Eden
inmitten der Hölle“ von Alice Herz-Sommer
(Droemer-Verlag 2006) kaufen. Die so zufällig erstandene Biografie erwies sich zunächst einmal als Fundgrube für jüdisches
Leben in Prag, wo Alice Herz 1903 geboren wurde. Das spannend und detailgetreu
geschriebene Buch verfolgt das Leben der
Pianistin bis zu ihrem hundertsten Geburtstag, den sie wie täglich gewohnt mit drei
Stunden Übungen auf ihrem geliebten Flügel begeht. 2006 starb Alice Herz 103-jährig in London.
Eindrucksvoll die auf ihren Aufzeichnungen
beruhenden authentischen Schilderungen
des jüdisch-deutschen Kulturlebens Anfang
des vorigen Jahrhunderts in Prag. Als Tochter eines Fabrikanten und einer kulturell
hochgebildeten Mutter verlebt sie bis zum
Ersten Weltkrieg eine sorgenfreie Kindheit.
Zum Freundeskreis der Familie zählen Franz
Kafka, Max Brod und viele weitere Berühmt-
heiten des alten Prag, Tschechen, Deutsche,
Juden. Ihr Talent als junge Pianistin und ihr
lebensbejahender Optimismus helfen ihr,
über den Verlust des Vermögens der Eltern im Ergebnis des Krieges
und wachsende
antijüdische Anfeindungen im
Alltagsleben
hinwegzukommen. Ihr Vertrauen in die
neue Tschechoslowakische Republik ist eng
mit der Person
des Präsidenten T.G. Masaryk verbunden.
„Leidenschaftlich hatte er sich für das friedliche Nebeneinander von Tschechen, Deutschen und Juden eingesetzt und die Toleranz zwischen den verschiedenen Völkergruppen zu einem zentralen Thema seiner
Innenpolitik gemacht“ (S.78)
Die sonst eher auf die Entwicklung ihres
künstlerischen Schaffens als auf Politik fixierte Alice Herz war geschockt, als die
Mehrheit der deutschsprachigen Prager am
15. März 1939 den Einmarsch der deutschen Wehrmacht mit Heil-Hitler-Rufen am
Wenzelsplatz feierte.
Der dem Überlebenskampf der Pianistin in
Theresienstadt gewidmete Teil des Buches
ist zweifellos das Ergreifendste, was ich je
darüber las. 1943 wird Alice Herz mit ihrem fünfjährigen Sohn dorthin im Viehwaggon abtransportiert, gemeinsam mit
Tausenden Prager Juden. Mit wahrhaft eisernem Willen nutzt sie ihre winzige Chance als unabkömmliche Pianistin im Ghetto,
um ihren Sohn und sich vor den Vernichtungslagern Auschwitz und Treblinka zu
retten und vielen Mithäftlingen des KZ Mut
zu geben. Speziell für das Ghetto-Orchester übt sie alle Etüden Frederik Chopins
ein, weit und breit damals die einzige Pianistin, die diese technisch höchst komplizierten Stücke allesamt in einem Konzert
darbot. Ihre Konzerte voller Leidenschaft
und Glauben an europäische Kulturtraditionen inmitten der Nazibarbarei führten bei ihrem kleinen Sohn später zum Bekenntnis, seine Mutter habe ihm einen „Garten Eden inmitten der Hölle“ geschaffen, daher der Titel des Buches.
Nach der Ermordung von Mutter, Ehemann,
vieler Freunde und Verwandter war die Pianistin bei der Befreiung im Mai 1945 nahe
dem Ende ihrer Kräfte. Dazu kamen die
quälenden Fragen: Habe ich mit dem Klavierspiel der SS geholfen, vor dem Internationalen Roten Kreuz das Nazi-Märchen
vom „Judenparadies Theresienstadt“ zu inszenieren, um meine Haut und die meines
Sohnes zu retten? Vor der deutschen Okkupation wohnten 118 310 Juden in den
böhmischen Ländern. Davon überlebten 14
045 Menschen, etwa acht Prozent (S.331).
Die Erschöpfung nach dem Naziterror verstärkten neue antisemitische Demütigungen
in der Nachkriegs-Tschechoslowakei. So
waren die wenigen überlebenden, einst im
deutschen und tschechischen Kulturkreis
verwurzelten Prager jüdischen Intellektuellen gezwungen, ihre tschechische Herkunft
eindeutig nachzuweisen, um nicht gemeinsam mit den anderen Deutschen vertrieben zu werden.
Alice Herz empfindet die neuen Drangsalierungen seitens vieler tschechischer Nachbarn und Politiker noch schmerzhafter als
die der ohnehin verhassten Nazis im Ghetto. So nimmt sie 1949 schweren Herzens
Abschied vom geliebten heimatlichen Prag
und wandert nach Israel aus, wo ihre 1938
mit dem letzten Zug vor den deutschen
Besatzern geflohene Schwester lebt.
Die Tschechoslowakei unterstützte damals
an der Seite Stalins die Gründung des Staates Israel mit Waffen und Flugzeugen. Auf
Befehl des frisch gekürten kommunistischen Regierungschefs Klement Gottwald
nahm ein Kampfflieger tschechischer Produktion den Konzertflügel der damals schon
weit über die Grenzen Prags hinaus bekannten Alice Herz mit nach Israel. „Ein
Garten Eden inmitten der Hölle“ macht in
vieler Hinsicht nachdenklich. Ulrich Clauder
13
Elfriede Brüning: Erstes
Buch vor 75 Jahren
Mahlsdorf – In meiner Bibliothek steht seit
fast 30 Jahren ein Band mit Erzählungen
von Elfriede Brüning. Es heißt „Partnerinnen“ und erschien in den 70ern im Mitteldeutschen Verlag (mein Buch stammt von
1981, in 5. Auflage).
Als ich Anfang des Jahres hörte, dass Frau
Brüning zu einer Lesung nach Mahlsdorf
kommt, vergaß ich es mitzunehmen. Dennoch kam es Wochen danach zu einer „verspäteten“ persönlichen Widmung, quasi 30
Jahre nach Erscheinen des Buches. Die
Schriftstellerin, die im November ihren 97.
Geburtstag feierte, hatte mich zum Internationalen Frauentag am 8. März 2007 zum
Essen beim „Ungarn“ eingeladen. Diesmal
vergaß ich das Buch nicht.
Inzwischen stehen mehrere Bücher der
Autorin (ich könnte meinen, sie ist mit ihren 97 inzwischen die älteste noch aktive,
sprich schreibende Schriftstellerin Deutschlands) in meiner Bibliothek. Darunter z.B.
die Nachwendenotizen „Jeder lebt für sich
allein“ (edition reiher, Dietz, 1999), „Gedankensplitter“ (2006 spottless)
oder die Erzählungen „Spätlese“
(edition reiher, Dietz, 2000). Und
alle mit Widmung. Ein kleiner
Schatz.
Es ist unglaublich, mit welch klarem, wachen Blick die 97-Jährige gerade über die Jahre nach
der Wende erzählt. Da kann man
jedes Wort unterschreiben,
jede Geschichte
nachvollziehen,
weil man sie so
oder ähnlich
selbst erlebt,
von Freunden
oder Nachbarn gehört,
ähnlich
empfunden hat.
Zu ihrer
Lesung
am 15. November im AWO-Treff am
Hultschiner Damm erzählte Elfriede Brüning
auch von den Anfängen ihrer schriftstellerischen Laufbahn. Als sie als 22-Jährige im
Januar 1933 ihren ersten Roman vollendet
hatte, durfte das sozialkritische Buch nicht
mehr erscheinen. Zu dieser Zeit hatte das
Arbeiterkind aus dem Wedding bereits Artikel im Feuilleton des „Berliner Tageblatts“,
der „Vossischen Zeitung“ und anderen
Blättern veröffentlicht. Sie trat dem Bund
Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller
bei. Heute ist sie das letzte überlebende
Mitglied der damaligen Vereinigung und sicherlich auch einer der letzten wenigen Zeitzeugen der Bücherverbrennung („Wider
den undeutschen Geist“) 1933 auf dem
heutigen Bebel-Platz. Durch Vermittlung
von Dr. Fritz Gaupp, einem Juden, bekam
sie damals eine Stelle als Verlagssekretärin
bei Ullstein. Ihr erster großer Auftrag für
eine Zeitschrift des Verlages führte die junge Frau in die Nähe von Königsberg. Darüber las sie in Mahlsdorf aus dem Büchlein
„Gedankensplitter“.
Sicherlich ist es nicht das
letzte Buch von Elfriede
Brüning. Sie erfreut sich
guter Gesundheit (fuhr
als passionierte Fahrerin
bis vor kurzem sogar
noch Auto), ist oft noch
zu Lesungen im Land
unterwegs. „Ich
werde weiter
s c hr e i b e n ,
solange es
geht. Denn
Sc hreiben
ist mein Leben“, bekannte sie
am Ende
der Lesung.
Ingeborg
Dittmann
Elfriede Brüning in Mahlsdorf. Foto: Dittmann
Gregor, Oskar, Auguste und Charly M.
Tipps von der Kabarettistin und jot w.d.-Kolumnistin Dagmar Gelbke für die Adventszeit
Vor ein paar Tagen saß unser Gregor
mit seinem Oskar bei Beckmann, so in
etwa unter dem Motto „Berühmte Paare“. Und seicht wie der Anspruch war
die Sendung dann auch. So seicht, dass
mir Oskar durch seine spitzbübischen
Antworten echt sympathisch wurde. Dabei kann ich, wie Beckmann dem OstVolk immer wieder unterstellte, den
Lafontaine wirklich nicht leiden.
Aber das lag einfach an der platten Fragerei Beckmanns. Na ja, eben ein Sportreporter (Heinz-Florian, verzeih!). Der
Grund, weshalb ich über diese Sendung
überhaupt rede, war die Bemerkung
Gysis, dass er am eigenen Leibe erfahren habe, wie schwer es sei, eine regelmäßige Kolumne zu schreiben.
Denn nun ist schon wieder Advent, und
mir ist, als hätte sich im Vergleich zum
vergangenen Jahr gar nichts geändert,
und die peinliche Gefahr, schon längst
Gesagtes zu wiederholen, sitzt mir im
Nacken. Dazu noch die neue Premiere
von meinen Frankfurter „Oderhähnen“,
die am 8. Dezember stattfinden soll. Und
meine Gasthörerstudien an der altehrwürdigen Viadrina, wo ich mich u.a mit
englischen Gr uselgeschichten wie
„Dracula“ und spanischer Grammatik
herumschlage, nehme ich auch ernster,
als ich es eigentlich vorhatte. Na gut, bezeichne ich all das mal als meinen ganz
persönlichen Adventsstress.
„Auguste“ liegt
schon im Eisfach
Immerhin hatten wir – Paula, die noch
immer im Hotel Mama herumhängt, plus
ein paar treue Freunde – schon Muße,
das Weihnachtsgansangebot zu testen.
Polnische Gänse für 15 Euro das Stück,
wunderbar saftig, das ist mein Tipp. Nein,
man muss nicht 9 Euro pro Kilo zahlen!
Ansonsten tun die Kaufhauskonzerne
gerade jetzt eine Menge für das immer
stärker verarmende deutsche Volk, man
muss die Kapitalisten ja auch mal loben.
Das mit der Verarmung meine ich nicht
zynisch, man liest immer öfter von drohender Alters- und vorhandener Kinderarmut, und wenn man es schon liest,
nachdem es jahrelang bestritten wurde,
muss ja auch was dran sein.
Ich kenne ja auch die Höhe meiner zukünftigen Rente, davon allein könnte ich
mir das Heizöl nicht mehr leisten. Wenn
ich darüber nachdenke, muss ich immer
an Oma denken, die in der Nachkriegszeit wohl fünf Jahre nicht heizen konnte, weil es keine Kohlen gab. Und ich frage mich, wo wir hingekommen sind, und
das, wo doch eine Frau die Geschicke
des Landes lenkt. Wollten wir Weiber nicht
die besseren Menschen werden und die
Welt vermenschlichen? Ach ja, mit dieser Frage beschäftigt sich übrigens das
neue Kabarettprogramm in Frankfur t,
denn es heißt: „Frauen ruinier‘n die Welt
oder Der Mann als Auslaufmodell“.
Aber ich war ja bei den Kaufhauskonzernen. Abgesehen davon, dass ich die
Advents-Öffnungszeiten bis 24 Uhr für
übertrieben halte, ist es erstaunlich, was
sie sich einfallen lassen, um die Leute in
die Warenhäuser zu kriegen. Jeden Tag,
auch sonntags, eine Show, von Mario
Barth über Tanztee, Rock‘n‘Roll- und
Gospelshow bis hin zu kostenlosem Sektempfang im KaDeWe, unglaublich! Wer
Zeit hat, kann diese Adventszeit wirklich
als einziges Kultur-Event erleben. Wenn
er hart bleibt und keinen Plunder kauft,
den die Welt nicht braucht.
Ich hab darin jetzt schon richtig Übung,
und ich nehme auch immer Menschen
mit, die sonst nicht mehr rauskommen
würden, oft, weil sie es sich nicht mehr
leisten können. Meine von mir „adoptierte“ Tante Helga zum Beispiel, die
schon sehr demenzkrank ist, aber aufblüht, wenn ich sie besuche. Tja, so werden Kaufhäuser zu sozialen Begegnungsstätten – wie gesagt, wenn man
sich nicht einlullen lässt.
Heißer Tipp: „Charly
M“ in der Allee
Zum Schluss noch ein Weihnachtsmärchen: Es war einmal ein schöpferischer
Mann, der hieß Peter Tepper und hatte
vor vielen, vielen Jahren mit seinen
Satirikerkindern das gute alte Kabarett
„Kartoon“ gegründet. Eines Tages klauten ihm seine Kinder den Namen
„Kartoon“ und schickten ihn in Rente.
Von Stund an spielen sie unter altem Namen an alter Spielstätte, aber unter neuer künstlerischer Leitung von Michael
Ranz. Sie spielen hauptsächlich Michael-Ranz-Programme.
Der kauzige alte Mann aber ließ sich
seinen Traum vom wahren Kabarett nicht
kaputt machen. Und so eröffnete er mit
Sabine Genz und Wolfram Lauenburg am
1. Dezember sein neues Kabarett mit
dem Namen „Charly M“ - in der ehemaligen Selbstbedienungsgaststätte neben
dem Kino Kosmos, also dort, wo die
Charly-Marx-Allee zur Frankfurter Allee
wird. Und wenn sie nicht sterben, spielen sie Kabarett bis ans Ende ihrer Tage.
Von dieser Stelle aus toi toi toi und viele
Besucher! Ich verbrachte den 1. Advent
übrigens in Gedenken an den 16. Todestag von Helga Hahnemann im Tschechow-Theater in Hellersdorf.
In diesem Sinne eine kulturvolle Adventszeit, friedliche Weihnachten und alles,
was dazu gehört
Eure Daggie
14
Sicherer radeln zum
Kletterfelsen
Marzahn – Im November konnte
das letzte Teilstück des Radweges
auf der Havemannstraße zwischen
Eichhorster Straße und Märkische
Allee fertiggestellt werden. Damit
besteht nun für Radfahrer eine
durchgehende Verbindung in beiden
Richtungen zwischen S-Bahnhof
Ahrensfelde und Wuhlewanderweg,
beginnend am Kletterfelsen. Sicherer wird durch sie auch das Radfahren insbesondere für Kinder und Jugendliche im Stadtteil. Mit ihnen
hatte das Kinder- und Jugendbüro
des Bezirks unter Leitung von Frau
Metzner im Vorfeld eine Befragung
durchgeführt und deren Wünsche
und Anregungen gesammelt. Sie
konnten teilweise in die reale Umsetzung aufgenommen werden.
Regina Friedrich, Kiezmentorin
jot w.d. 12/2007
Umwelt & Verkehr
Die erste Etappe ist fast geschafft
Renaturierung der Wuhle zeigt bereits deutliche Ergebnisse – Wasserhaushalt besser
Hellersdorf – Wer in den letzten
Wochen zwischen Cecilienstraße
und Ostbahn das Wuhletal ansehen konnte, dem werden große
Veränderungen nicht entgangen
sein: Der Absturz nördlich des
Zusammenflusses zwischen Alter
und Neuer Wuhle am Feldberger
Ring wurde aus einem rein technischen Bauwerk mit viel Beton
und Stahl in eine Kaskade von
kleinen Wasserfällen über Feldsteinen in einem Kiesbett umgewandelt. Diese „rauhe Sohlgleite“ ist jetzt für Fische und
anderes Wassergetier passierbar
und wurde, hier kann man die
Bauausführenden nur loben,
wirklich naturnah gestaltet. Eine
ähnliche Umwandlung vollzieht
sich in diesen Tagen mit dem
Absturz südlich der Ostbahn unmittelbar am Bahnhof Wuhletal.
Dort warten schon zwei Graureiher auf die Fertigstellung, um
dann wieder an gewohnter Stelle
nach Fischen Ausschau zu halten.
Erfreulich auch die jetzt fertig
gestellten zwei Durchbrüche von
der Neuen Wuhle zum Karpfenteich unterhalb des Griesinger
Krankenhauses. Da in der Neuen
Wuhle im Zuge der Renaturierung und Mäandrierung in den
letzten Wochen auch in diesem
Bereich eine Sohlanhebung erfolgte, ist die dauerhafte Wiedervernässung der Biotope am Karpfenteich zu erhoffen. 2008 sollte
dort mit Spannung die Entwicklung von Fauna und Flora unter
neuen Bedingungen beobachtet
werden.
Lobenswert auch die meisten Veränderungen an den drei Kaulsdorfer Teichen: Ihre Rückhaltekapazität für Regenwasser erhöhte sich deutlich, da sie 2006 bereits ausgebaggert und jetzt auch
Dämme zwischen den Teichen
erhöht und Verbindungsrohre zur
Wuhle höher gelegt wurden. Allerdings hätte ich mir statt der
Rohre offene Überläufe zwischen
den Teichen gewünscht, allein
schon wegen der Naturnähe.
Alles in allem bietet der ehemalige Klärwerksableiter am Ende
der diesjährigen Bauphase ein
wohltuend natürlicheres Bild als
bisher. Der Bewuchs, das zeigen
die früher renaturierten Abschnitte nördlich der Cecilienstraße und
am Seelgraben, wird nicht lange
auf sich warten lassen und das
Bild eines im Kiesbett über Steine und Pflanzen gluckernden Baches verstärken.
U. Clauder
Weiherkette schützen
Hellersdorf – Beim Ausbau der
Landsberger Chaussee soll auf den
Schutz der Hönower Weiherkette
geachtet werden. Das forderte Frank
Beiersdorff in der BVV.
Öko-Strom für
Hartz-Empfänger?
Marzahn-Hellersdorf – Dass auch
Alg-II-Empänger auf Öko-Strom
umsteigen können, darauf soll sie
nach Auffassung der Bündnisgrünen
das JobCenter hinweisen. Das forderte Bernadette Kern in der BVV.
Hofgestaltung im
Schorfheideviertel
Marzahn – Nachdem an der
Schorfheidestraße zwei Elfgeschosser bereits abgerissen wurden (drei Sechsgeschosser an
Kölpiner und Golliner Straße folgen), beginnt die WBG nun mit
der Gestaltung der neuen Freiflächen. Dort soll eine „Schorfheidelandschaft“ angelegt werden, hieß die einhellige Meinung
von Anwohnern, Wohnungseigentümern, Schulen, Kitas und Vereinen nach einer Planungswerkstatt im Frühsommer dieses
Jahres (jot w.d. berichtete). Am
27. November gab die DEGEWO
den Startschuss für die Umgestaltung. Im ersten Bauabschnitt werden bis zu 2,5 Meter hohe Erdhügel modelliert und ein zwei
Meter breiter Weg aus 30x30
Zentimeter großen Betonplatten
angelegt, der Parkplatz wird integriert.
Die Bepflanzung der Hügel mit
Rasen, Gräsern und Kiefern auf
den Hügelkuppen erfolgt im
Frühjahr 2008. Das Kellergeschoss des Abrisshauses Schorfheidestraße 2, das aus technischen Gründen erhalten bleiben
muss, erhält eine ca. 10 cm hohe
Dachbegrünung und soll sich so
in die neue Schorfheidelandschaft
einpassen.
Für die ebenfalls ins Auge gefassten bis zu 20 „Mufus“ – multifunktionale Boxen, die sich als
Garage, als Abstellflächen oder
gar Hobbyräume eignen – wird
gegenwärtig die Nachfrage der
Bewohnerschaft ermittelt.
EK
Im Winter 2005 zeigte sich die Wuhle noch als gerader Kanal. Heute (Nov. 2007) sieht die gleiche Stelle wesentlich naturnäher aus. Fotos: Clauder
Jeder Spender darf ernten,
was die Natur ihm schenkt
Neue Baumpaten für Steuobstwiese
am Schleipfuhl gesucht
men. Streuobstwiesen sind besonders in der Stadt von hohem ökologischem Wert, bieten sie doch
einer Vielzahl von Tieren und
Pflanzen vorzüglichen Lebensraum. Auch geben sie durch ihre
Sortenvielfalt die Gewähr, dass
bei Krankheitsbefall niemals die
gesamte Ernte gefährdet ist. Darüber hinaus erhalten die Bewohner der Plattensiedlung die seltene Gelegenheit, vom ersten Grün
über die prachtvolle Blüte und
bunte Palette der Früchte bis zum
bizarren Geäst im Winter, ein
wechselndes Schauspiel im Lauf
der Jahreszeiten zu verfolgen.
In jedem kommenden Jahr suchen wieder zehn
Bäume ihre Paten. Für einen geringen Jahresbeitrag werden die
Bäumchen von
Fachleuten gepflegt. Ernten
darf man dann alleine.
Naturschutzzentrum Schleipfuhl, Hermsdorfer Str. 11 A,
12627 Berlin,
Tel. 998 91 84.
Vielleicht fällt die Ernte in den ersten Jahren noch nicht
Werner
so „riesig“ aus. Doch es lohnt sich. Foto: Dittmann
Reinhardt
Hellersdorf – Auf dem Gelände einer abgerissenen Kita an der
Hermsdorfer Straße ist am Naturschutzzentrum Schleipfuhl erst
in diesem Jahr eine Streuobstwiese
angelegt worden. Am 26. November pflanzten fünf Berliner je ein
Apfelbäumchen, über das sie die
Patenschaft übernommen haben.
Somit hat sich die Zahl der bereits
in den Boden gebrachten Obstbäume auf 33 erhöht. Um eine gute
Mischung von Sorten und Altersstruktur zu erzielen, soll, über die
kommenden Jahre verteilt, auf der
angrenzenden Fläche etwa die gleiche Anzahl noch einmal hinzu kom-
Hunde-Mafia verdient
Geld zu Lasten der Tiere
Tierschutz-Verein warnt vor dem Kauf
von Vierbeinern in Polen
Berlin – Der illegale Handel mit
Hunden an der deutsch-polnischen
Grenze erlebt derzeit eine wahre
Renaissance. Vor allem am Wochenende werden die Tiere wie
Stückgut auf Basaren angeboten,
meist direkt aus den Kofferräumen
von Autos heraus. Der TierschutzVerein für Berlin warnt. Die meisten Tiere seien todsterbenskrank
und verendeten nach wenigen Tagen leidvoll bei ihren neuen Besitzern. „Vor allem jetzt, wo es auf
Weihnachten zugeht, blüht der
Handel mit den Tieren“, sagt Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen
Tierschutzbundes. Sein eindringlicher Appell: „Bitte sehen Sie von
solchen Spontan-Käufen ab.“ Mit
jedem Tier-Erwerb werde die
Hunde-Mafia gestärkt. „Da
wird skrupellos Geld verdient, ohne auf das Wohl der
Hunde zu achten.“
Nach Vorort-Recherchen des
Tierschutz-Vereins werden
die Hunde aller Rassen für
rund 30 Euro angeboten –
inklusive Papiere. Die entpuppen sich allerdings als gefälscht. „Die Tiere werden
außerdem viel zu früh von
ihren Müttern getrennt“, sagt
Apel. Dabei bleibe nicht nur
die wichtige Sozialisierung
auf der Strecke. Die Tiere seien
zudem völlig unterentwickelt, weil
ihnen die wichtige mineral- und abwehrstoffhaltige Muttermilch fehlt.
Inzwischen ist der Berliner Tierschutz-Verein in engem Kontakt
mit polnischen Tierschützern. Mit
dem Wegfall der Kontrollen an der
Grenze zu Polen wollen sie mit gemeinsamen Aufklärungsaktionen in
der Nähe der Basare präsent sein.
Auch wollen sie die Grenzgemeinden bitten, den Handel mit
Tieren zu unterbinden.
Übrigens: Für Tiere, die nach
Deutschland gelangen, muss ein
gültiger EU-Heimtierpass mitgeführt werden. Zoll und Bundespolizei entdecken Fälschungen sehr
rasch. Dann drohen empfindliche
Bußgelder.
R. Nachtmann
Auch Welpe „Bobby“ wurde im
Heim abgegeben. Foto: Tierheim
direkt – Briefe & Antworten
jot w.d. 12/2007
15
Immer die gleiche Honecker-Posse Geschichtsverdreher
Zu: Das letzte aus 5 Dörfern, jot w.d. 11/2007
Die Posse, dass Honecker in Marzahn einen „Rednersaal“ benötigte,
weil er hier regelmäßig für die DDRVolkskammer kandidierte, ist wie
getretener Quark. Honecker hatte nur
einen Wahlkreis in seinen Volkskammer-Kandidatenzeiten. Das war
Karl-Marx-Stadt, heute wieder
Chemnitz. Im Übrigen: Aus Anlass
des 20. Jahrestages der Stadtbezirksgründung hat die Mitarbeiterin des
Bezirksmuseums Dr. Christa Hübner
mit Herbert Nicolaus und Manfred
Teresiak eine akribische Chronik erarbeitet und publiziert. Darin heißt
es unter 29. 5. 1981: „Am HeleneWeigel-Platz wird nach elfmonatiger
Bauzeit das Filmtheater Sojus mit
dem DEFA-Film ‘Asta - mein Engelchen’ eingeweiht. Das außen und
innen mit weißem Kunststein verkleidete Gebäude bietet 320 Besuchern Platz und entstand nach Entwürfen von Wolf-R. Eisentraut und
Dietrich Kabisch. Im Januar 1984
wird der 500.000. Besucher begrüßt.“ Der zweite im Zusammenhang mit dem Kino „Sojus“ zitierte
Termin ist der 26. 6. 1981: „Im Kino
‘Sojus’ wird die ‘1. Arbeiterjugendkonferenz’ Marzahns durchgeführt,
die sich mit der Arbeit der Jugendbrigaden und Jugendobjekte beschäftigt.“ Ich denke, wer einen solchen
Termin für die Nachwelt erhält, der
hätte auch einen Wahlauftritt der
„DDR-Nr. 1“ nicht in den Skat gedrückt. Immerhin fand die bewusste
Volkskammerwahl, für die sich Honecker angeblich den „Rednersaal“
hat bauen lassen wollen, am 14. 6.
1981 statt. Von einem „großen staatsmännischen (Wahl)Auftritt“, den Dr.
Günter Peters als Bau-Begründung
in seinem Buch „Hütten, Platten,
Wohnquartiere“ anführte („Der
kurzfristige Bau des Filmtheaters
‘Sojus’ war einer Kandidatur Erich
Honeckers für die Volkskammer 1981
in Marzahn geschuldet. Ein repräsentativer Saal mußte her für den
großen staatsmännischen Auftritt.“),
ist in der Chronik keine Rede.
Torsten Preußing
Zu: Leserbrief von Werner Rudolf, jot w.d. 11/2007
Den Leserbrief von Werner Rudolf aus Mahlsdorf habe ich mit
großer Aufmerksamkeit und Zustimmung gelesen. Nur an einer
Stelle empfand ich das gleiche
Unbehagen wie bei Honeckers
„Kandidatur-Aula“. Als er nämlich nassforsch Braun- und Blauhemden in einen Topf warf.
Wenn es diese Geschichtsverdreher (Dank für den „Klio“Tipp) schon so weit gebracht haben, dass sich redliche Bürger
dazu hinreißen lassen, dann wird
es sicher auch nicht mehr lange
dauern, bis hier ernsthaft die Frage im Raum steht: „Wann begann
eigentlich die DDR den II. Welt-
krieg vorzubereiten?“ Immerhin
soll ja im Bezirk demnächst ihr
Antisemitismus zur Schau gestellt werden. Und die Steigerung
wartet schon: Ich habe selbst zugehört, als ein Stadtbilderklärer
aus – na, Sie wissen schon – an
der Richtkrone aus Beton, Allee
der Kosmonauten, den staunenden ausländischen Betrachtern
erklärte: „Die Stasi hat Erich
Honecker gemeldet, wenn er an
dieser Stelle nicht bauen lasse,
wird es einen Volksaufstand geben.“ Außer mir hat niemand gelacht. Sie hatten von Marzahn
nichts anderes erwartet.
Torsten Preußing
Astrid Lindgrens Klassiker bei den Märchentagen
So kurz vor Weihnachten, die Tage werden kürzer und Nächte länger, gehören
Märchen zu der kalten Jahreszeit einfach
dazu. Die 18. Berliner Märchentage standen in diesem Jahr ganz im Zeichen
schwedischer Sagen und Märchen. Im
Mittelpunkt aber auch der 100. Geburtstag von der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren.
„Male male deine Gaben, ich danke dir
und Lob deinen Namen“ ging es durch
den Leseraum in der Ehm-Welk-Bibliothek. Lehrreiche schwedische Märchen
erzählte Madam Knöpfchen (Karin
Rehak) mit Hingabe und schaffte es, dass
alle Kinder gespannt an ihren Lippen hin-
gen. Nach „Der Riese ohne Herz“ konnten Kinder und Erzieher sich auflockern,
tanzen und zappeln zum Lied von Pippi
Langstrumpf. Wie es halt mit Kindern so
ist, sie wollten kein Ende finden. Man
merkte, dass im zweiten Märchen „Die
Zaubermühle“ die Konzentration etwas
nachließ. Dennoch klebten die Kinder
wieder gebannt an Madam Knöpfchens
Lippen und lauschten der ruhigen und
facettenreichen Stimme. Die Zaubermühle erzählte von einer Streitigkeit zwischen zwei Brüdern und dem Kampf zwischen ihnen um Reichtum und Wohlstand. Die meisten würden da schon eine
Ähnlichkeit erkennen zu unseren deut-
Hoher Besuch
Internationale Peter-Weiss-Gesellschaft
tagte in der Hellersdorfer Peter-Weiss-Bibliothek
Die Internationale Peter-Weiss-Gesellschaft hatte sich als Ort ihrer Jahrestagung 2007 die Peter-Weiss-Bibliothek
ausgesucht. Das ist eine Anerkennung
der rührigen ehrenamtlichen Tätigkeit
der Bibliothekarinnen und der Mitglieder des Vereins zur Förderung der Alternativen Bibliothek Hellersdorf e.V.
Dass die weltweit organisierte literarische Gesellschaft gerade in Hellersdorf
tagen konnte, ist auch ein Dank der
Bibliotheksaktivistinnen und der Mitglieder des Hellersdorfer Fördervereins
an die nun seit 18 Jahren existierende
und wirkende Partnergesellschaft und
deren Mitglieder, die der Peter-WeissBibliothek freundschaftliche Helfer waren und stets neue Anregungen für die
Arbeit mit dem Werk von Peter Weiss
gaben.
Gegenstand der sonntäglichen Begegnung der Freunde des vielseitigen
Künstlers Peter Weiss mit Vorstandsmitgliedern der Internationalen Gesellschaft war ein soeben im Frankfurter
Suhrkamp Verlag erschienenes Buch,
das den umfangreichen Briefwechsel
zwischen Peter Weiss und seinem Verleger Siegfried Unseld enthält. Das sind
immerhin 746 Briefe, Karten und Telegramme, die sich beide Partner zwischen 1959 und 1982 zugeschickt haben. Auszüge daraus lasen Nina West
und Yannick Müllender.
Wie sie das taten, entsprach ganz und
gar dem Anliegen beider literarischen
Korrespondenten: höchst freundlich
und einfühlsam, aber auch hart in Stil
und Ton, wenn es um die Sache, sprich:
um grundsätzliche Überlegungen zum
literarischen Schaffen ging. Schon beim
Hören der zuweilen divergierenden
Auffassungen über das Schreiben und
Verlegen von Büchern erkannten und
erlebten die Zuhörerinnen und Zuhörer auch Widersprüchliches, das sie bislang so von Peter Weiss nicht kannten.
Im anschließenden Gespräch zwischen
dem Herausgeber Dr. Rainer Gerlach
und Prof. Jürgen Schutte wurden Motive und Bedenken des renommierten
Verlages deutlich. Letztlich ist in der
Marktwirtschaft mit einem Buch auch
und vor allem Geld zu machen. Bücher
müssen sich für den Verlag rechnen.
Kein Wunder, dass im Briefwechsel die
Honorare keine geringe Rolle spielten.
So hart es auch klang: Hätte ein nicht
so prominenter Autor, wie es Peter
Weiss war, die „Ästhetik des Widerstands“ vorgelegt, wäre das Buch nicht
veröffentlicht worden. Das verblüffte
die Zuhörer ebenso wie der Vergleich
der Auflagenhöhe in der BRD und später in der DDR.
Die Experten erklärten überdies, dass
es vom Suhrkamp Verlag wie auch vom
Henschel Verlag der DDR keine inhaltlichen Korrekturen der von Peter Weiss
verfassten Manuskripte gegeben hat.
Viele Fragen der Literaturfreunde
wurden exakt beantwortet. Sie hatten
an diesem Sonntagmorgen auch andere Seiten „ihres“ Schriftstellers kennen gelernt. Auch dafür ist den Vorstandsmitgliedern der Internationalen
Peter-Weiss-Gesellschaft zu danken.
Siegfried Birkner
schen Märchen wie „Der kleine und der große
Klaus“. Madam Knöpfchen erklärte den Kindern
während des Märchens, was genau eine Gerte, ein
Scheffel und sogar eine Mühle ist.
Das Märchen endete, und das lange Stillsitzen und
ruhige Lauschen der
Märchen wurde wie
schon zuvor mit
Singen, Tanzen und
Zappeln zu Pippi
Langstrumpfs Lied
belohnt. Alle sangen: „2 mal 3 macht
4, Widdewiddewitt
und Drei macht
Neune! Ich mach’
mir die Welt, wie
sie mir gefällt.“
Die 1907 in Schweden geborene Astrid
Lindgren hat ihren
Kinder und deren
Freunden von Pippi
und ihre wilden Ge-
schichten erzählt, später schrieb sie sie auf. Ein
Exemplar schenkte sie ihrer Tochter zum 10. Geburtstag und eines schickte sie an einen Verlag. So
begann ihre „Schriftstellerkarriere“. Ihre Bücher
werden auch weiter ganze Kindergenerationen zum
Lachen, Staunen und
Träumen bringen und
die Lesefreude und
Fantasie der Kinder erhalten. Seit 1949 begeisterten die Bücher
von Astrid Lindgren
die Kinder auch in
deutscher Sprache.
Annette Wiese
Nicht nur Zuhören,
auch Mitmachen
hieß es, als Madam
Knöpfchen zur Märchenstunde
mit
schwedischen Geschichten einlud.
Foto: Wiese
jot w.d. 12/2007
Millionen oder Peanuts?
Hier sind einige Dokumente:
Am 14. November beschloss der Jugendhilfeausschuss in geheimer Abstimmung
über die Vergabe von finanziellen Zuwendungen an freie Träger der Jugendhilfe
für das Jahr 2008. Dabei fand der Antrag der Arche, die die „hungernden Kinder in
Hellersdorf“ zu zweifelhafter Berühmtheit führte, 18 000 Euro zu erhalten, keine
Mehrheit. Seitdem ebbt die öffentliche Debatte darüber nicht ab.
Am 16. November schrieb Bernd Siggelkow
an den Regierenden Bürgermeister, Senatoren und verschiedene Landespolitiker u.a.: „...
Wer wird den Hellersdorfer Archekindern sagen, dass der Bezirk scheinbar kein Interesse
an ihnen hat, denn Augenscheinlich geht es
hier nicht ums Geld. ... Wird die Arche durch
Kürzungen von Haushaltsmitteln bestraft,
weil sie scheinbar in der Lage ist genug Spenden zu akquirieren? ... Wo werden wir künftig öffentliche Gelder beantragen? ...“
Jugendarbeit im Bezirk setzen ein klares Zeichen für Anschubfinanzierungen bisher nicht
geförderter Projekte. ... Im Bereich der
Familienarbeit haben wir uns vor allem dafür
eingesetzt, in jeder Region mindestens ein
Projekt zu fördern. ... erstmalig gefördert wird
der Jugend-Treff des CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) in Kaulsdorf. In diesem Stadtteil gibt es derzeit kein entsprechendes Angebot für die dort lebenden Kinder und
Jugendlichen. ...“
Am 27. November schrieb Martin Lindner von
der FDP an die Arche u.a.: „... Nach unserer
Auffassung soll indes eine staatliche
Zuwendung als Anschubfinanzierung gesehen werden, bis
ein Projekt durch Spenden
und persönlichen Einsatz der
Bürger auf eigenen Beinen
stehen kann. ... Wir halten
insofern bei einem gesamten
jährlichen Spendenaufkommen von etwa
1,4 Millionen Euro eine zusätzliche staatliche Förderung von rund 18 000 Euro für nicht
mehr erforderlich. ...“
Am 16. November schrieb der FDP-Abgeordnete Sebastian Czaja u.a.: „Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf hat das Projekt Arche in seiner Anfangsphase mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Im Rahmen dieser Anschubhilfe
wurde die Stelle des Projektleiters,
Pfarrer Siggelkow, mit insgesamt 180.000 Euro über 5
Jahre finanziert. ... Die Arche wirbt mittlerweile
rund 1,4 Millionen Euro
jährlich an Spenden ein. ... Dies
zeigt: Die Arche kann finanziell sehr stabil
auf eigenen Beinen stehen und ist damit auch
nicht mehr abhängig von der Politik. ...“
5
Am 14. November veröffentlichte der Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Jürgen Dahler,
in einer Erklärung u.a.: „... Das zur Verfügung
stehende Budget betrug lediglich 951 900
Euro, was die Entscheidung schwierig und
eine bedarfsgerechte Förderung unmöglich
machte. Ich bedaure dabei ausdrücklich, dass
in der geheim erfolgten Abstimmung des
Jugendhilfeausschusses nicht die notwendige
Mehrheit erreicht werden konnte, um dem im
Bezirk tätigen Projekt Die Arche die beantragten Mittel zukommen zu lassen. ...“
Am
von
nen
und
15. November schrieb Björn Tielebein
der Linksfraktion u.a.: „... Die gefundeKompromisse zwischen den Fraktionen
den Bürgerdeputierten aus Projekten der
Am 14. November schrieb der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier u.a.: „... SPD und CDU
haben sich im Ausschuss für eine Finanzierung der Arche ausgesprochen, FDP und Grüne sprachen gegen eine Finanzierung. ... Ich
kann die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses in keiner Weise nachvollziehen. ...
Die Arche ist über die Bezirksgrenzen bekannt
... Ich bin entsetzt, dass sich eine Koalition
der sozialen Kälte entschieden hat, die Arche
nicht zu finanzieren. ...“
Am 29. November beantragte die SPD in der
BVV, dass durch Umverteilung aus dem Bereich Jugend und Familie der Arche doch noch
18 000 zur Verfügung gestellt werden sollen.
Es ist Jedermann frei gestellt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Mit dieser Dokumentation möchte jot w.d. dies ausdrücklich unterstützen. Vielleicht erinert sich der
eine oder andere Leser, verschiedentlich Fernsehauftritte von Bernd Siggelkow verfolgt zu haben. Auch ein Besuch der Arche kann womöglich bei der Meinungsbildung helfen. Scheuen Sie sich nicht, nach den Finanzen des Vereins zu fragen.
Happy Aua oder: Man
gewöhnt sich an allem
„Deitsche Sprak – schwere Sprak!“ Stoßseufzer von Nicht-Deutschen seit Jahrhunderten. Und das nicht erst, seit es laut
Duden ein „Stossseufzer“ zu sein hat.
„Wegen“ verlangt den Genitiv. Folglich
lernte man in der Schule: „wegen meiner“
oder „meinetwegen“. Dann kam in den
70er Jahren ein süßer Singezahn aus Bayern, die Nicki, und sang: „Alles wegen
mir“. Wenig später stand das sogar im
Duden. (Es müssen nur genug Leute etwas falsch sprechen, schon steht‘s drin.)
Zuweilen erfinden auch alte Germanisten,
die den Nobelpreis haben möchten, etwas
Neues. Was kann ein Germanist erfinden?
„Neie deitsche Sprak“? Jedenfalls ist inzwischen klar, was ich auf einer Ulk-Postkarte las: „Man gewöhnt sich an allem,
selbst am Dativ!“
Etwas anders urteilt der inzwischen bekannte Journalist Bastian Sick: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“. Bereits drei
Bücher sind inzwischen erschienen. Und
diese versteht auch, wer in der Penne eine
Drei minus in Deutsch hatte. Nun hat Sick
öffentlich sichtbare Schilder auf’s Korn
genommen – ein ganzes Taschenbuch lang
(für 9,90 Euro zu haben). Da heißt es z.B.
auf einem Schild auf dem Parkplatz von
McDonald’s am Königsee (Bayern):
„McDonald’s Parkplatz. Nicht anwesende McDonald’s Kunden werden kostenpflichtig entfernt.“ Oder am Nürtinger
Bahnhof: „Bitte nur senkrecht parken“.
Und das Angebot einer Groß-Metzgerei in
Germering bei München lautet: „Frische
Kalbsbrust von der Schweinelende“.
Da klingt’s für unsereiner fast Hochdeutsch, wenn wir in Ungarn an der Feuerleiter eines kleinen Hotels das Schild
lesen: „Für die Fremden nach hoch gehen
ist verboten.“
Ein empfehlenswertes Büchlein mit 128
Seiten dokumentiertem und kommentiertem Unsinn – quer durch die deutsche
„Leitkultur“.
Martin Wagner
Letzte Seite
Schnüffeln für die Freiheit?
Eben noch, vor 18 Jahren, hatten wir die
Mauer. Fast alles Unerwünschte wurde so
auf Distanz gehalten. Sie hielt fast dicht,
bis sie dann kollabierte. Noch bis 21.
Dezember haben wir eine feste Grenze
eine Stunde von hier, die uns bislang alles Unerwünschte kontrollierbar machte,
auch wenn die Bundespolizisten die Kontrolle endloser Lkw-Schlangen kaum
schafften. Bald aber, just zum Frohen Feste, kann man gen Osten bis Tallinn, bis
kurz vor Brest und an das Ende der ungarischen Puszta fahren, ehe ein Schlagbaum
mit Passkontrolle den Weg versperrt.
Der Tagesspiegel meinte am 20.11. zum
Thema Grenzverschiebung gen Ost in einem ansonsten politisch korrekten Leitartikel sinngemäß, jetzt hätten Polen und
Tschechen eben mehr Verantwortung für
die Außengrenzen unser aller Wohlstandsfestung. Der Leitartikler offenbart damit
ungewollt das große Problem aller Grenzöffnungen nach dem Mauerfall: Das Unbekannte, Barbarische, Östliche schleicht
immer näher an die abendländische
Selbstzufriedenheitsgesellschaft heran.
Das jetzt ohne Kontrolle hereinspazierende Unbekannte ist deshalb unbekannt,
weil die Westjournaille geographisch bereits mit dem Schlucken der DDR hoffnungslos überfordert war. Einige in Berlin ansässige Redakteure vermuten noch
heute, dass Schwedt ein ostzonales Kürzel für das Herkunftsland des Volvo ist und
können deshalb auch nicht wissen, dass
mein tschechisches
Heimatland nunmehr keine kontrollierten
Grenzen
mehr aufweist. Das
ist nicht mal in
Deutschland der
Fall! An seiner südöstlichen Ecke verteidigen die Eidgenossen ihr Bankgeheimnis immer noch an
allen Grenzen.
Aber zurück zur Sache: Die Grenzverschiebung von Vorposten der Zivilisation
in die slawisch-hunnischen Niederungen
macht unseren Sicherheitspolitikern gewiss große Angst. Keine Kontrollen mehr
in Frankfurt, Görlitz und Bad Schandau?
Das ist genau der richtige Anlass, um die
flächendeckende Überwachung aller potentiellen Systembedroher zu beginnen.
Merkel und Sarkozy haben Bush doch sicherlich in die Tatze versprochen, dass
Terroristen wo auch immer gejagt werden.
Auch Bettler, Obdachlose und Radikale
terrorisieren die westliche Wertegemeinschaft. Deshalb klar: Die großen Shopping-Center und Verkehrsdienstleister,
egal ob auf Straße und Schiene oder in
der Luft, dürfen filmen und filzen, was
das Zeug hält. Natürlich alles im Namen
grenzenloser Freiheit. Für das globale
Business. Es schwebt frei von jeglicher
Kontrolle über uns allen. Schöne Neue
Welt, meint
Euer Schwejk
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
Kulinarisches jot w.d.-Preisrätsel
K R
F A
O R
E L
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
E E
S C
Z I
I R
H E
M P
Es sind Begriffe mit zehn Buchstaben folgender Bedeutung zu bilden:
1. Essen wie Gott in ..., 2. bekam
der „späte Ehemann“ auch mal auf
den Kopf, 3. Backwerk, das leider
dick macht, 4. daher kommen die
gesunden grünen Früchte, 5. kleines „Rührgerät“, 6. Bezeichnung für
Einkaufsmärkte mit preiswerten
Angeboten, 7. deutscher Sternekoch, der schon tolle Gerichte erfunden hat , 8. gesundes Getränk
aus einem Obst, 9. hier wird gekocht, gebacken und gebraten, 10.
große Südfrucht.
Die Buchstaben in den markierten
Feldern ergeben – neu sortiert – eine
furchtbare römische Hinrichtungsart.
Schicken Sie Ihre Lösung bis 7. Januar 2008 (Poststempel) an jot w.d., Müllerstr.
45, 12623 Berlin, Kennwort Rätsel, und gewinnen Sie eine CD unserer Musikschüler.
Auflösung des Preisrätsels aus jot w.d. 11/2007: 1. Glückszahl, 2. Super Sechs, 3.
Gewinnerin, 4. Spielsucht, 5. Millionäre, 6. Pferdetoto, 7. Tippschein, 8. Lottoladen,
9. Weltreisen, 10. Zusatzzahl. Das Lösungswort lautete: Geld wie Heu. Die Preise
gingen per Post an die Gewinner. Herzlichen Glückwunsch!
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○
Hinweis der Flugsicherung Schönefeld?
Es hat ja mit dem künftigen Flughafen „Berlin
Brandenburg International“ (BBI) in Schönefeld schon einige Pannen gegeben. Dass künftig auch Sturzflüge mit
„typisch deutschen
Schildern“ begleitet
werden, ist jedoch neu.
Im Übrigen ist die Luftfahrtsprache Englisch.
Korrekterweise hätte es
also heißen müssen: „If
red stop here“.
Cora, Foto: Willer