Verfall- und Auszahlungsgebührenklauseln in Prepaid

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Verfall- und Auszahlungsgebührenklauseln in Prepaid
AUFSÄTZE
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L o r e n z , Ve r f a l l - u n d A u s z a h l u n g s g e b ü h r e n k l a u s e l n i n P r e p a i d - M o b i l f u n k v e r t r ä g e n
Anrufung durch den Betroffenen, sondern auch – kostenlos
und ohne bürokratische Einschränkungen – für jede dritte
Person.48 Ist eine Beschwerde begründet, so spricht der Presserat eine Sanktion in Form einer öffentlichen Rüge bzw.
u. U. aus Gründen des Opferschutzes, eine nichtöffentliche
Rüge, eine Missbilligung oder einen Hinweis aus. Wird eine
öffentliche Rüge ausgesprochen, so liegen meistens Persönlichkeitsverletzungen vor, die nach der Rechtsprechung auch
einen Schadenersatzanspruch auslösen.49 Hat das Presseorgan eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung unterschrieben, so muss es im Fall einer Rüge diese abdrucken. Der
Presserat hat einen entsprechenden einklagbaren Anspruch.
Ein hieraus ableitbarer Anspruch für den Betroffenen selbst
wird demgegenüber aber nicht angenommen.50
J. Perspektiven
Der Schutz vor unzulässigen Inhalten im Internet ist – technisch bedingt – nur unzureichend zu gewährleisten.51 Dies
darf keineswegs ein Grund für eine Kapitulation vor der Aufgabe des Staates sein, seiner Gewährleistungspflicht insbesondere im grundrechtlichen Bereich nachzukommen. Es
besteht zweifellos schon heute ein normativer und organisa-
torischer Rahmen zum Schutz des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung bei Internetveröffentlichungen. Diese
können und sollten die Betroffenen in Anspruch nehmen.
Nur dadurch erweisen sich die Unzulänglichkeiten und ergibt
sich der notwendige politische Leidensdruck für die Umsetzung von Verbesserungen. Derartige Verbesserungen können
auf allen Ebenen ansetzen: rechtlich, organisatorisch, technisch, pädagogisch, beim Betroffenen, bei Datenschutz- und
Verbraucherschutz-Interessenvertretern, bei den Internetanbietern und bei der Politik, national, auf europäischer Ebene
wie auch global.52 Als Nadelöhr muss aber derzeit die nationale Gesetzgebung ausgemacht werden: Ohne Anpassung des
nationalen Rechts kann es weder auf den untergeordneten
noch auf den übergeordneten Ebenen nennenswerte Fortschritte geben. Alle Beteiligten sind gefordert, Beiträge zur
Gewährleistung des Datenschutzes im Internet zu liefern; an
erster Stelle kommt aber dem Bundesgesetzgeber eine solche
Pflicht zu.53
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Münch, AfP 2002, 18.
Thomale, AfP 2009, 109.
Thomale, AfP 2009, 109.
Weichert, RDV 2007, 54 ff.
Hermann, AfP 2003, 233 ff.
Weichert, DuD 2009, 7 ff.
Verfall- und Auszahlungsgebührenklauseln in
Prepaid-Mobilfunkverträgen
Von Rechtsanwalt Dr. Bernd Lorenz,* Essen
Nach der Rechtsprechung sind Verfallklauseln in Mobilfunkverträgen unwirksam. Danach darf Prepaid-Guthaben nicht
verfallen. Der folgende Beitrag stellt die in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung zu den Verfallklauseln dar.
Gleichzeitig analysiert er vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung die aktuellen Klauseln der Mobilfunkanbieter.
A. Einleitung
Als die Mobilfunkanbieter in den Neunzigerjahren PrepaidVerträge als Geschäftsmodell entdeckten, wussten sie noch
nichts von den rechtlichen Risiken ihres damaligen
Geschäftsmodells. Den Kunden wollte man glaubhaft
machen, dass Prepaid-Verträge ohne Grundgebühr und Mindestumsatz auskommen. Gleichzeitig führte man über die
Hintertür in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verfallklauseln ein. Wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraums
kein neues Guthaben aufgeladen wurde, verfiel das Guthaben
einfach. So lag dann doch ein versteckter Mindestumsatz vor,
weil ohne Mindestumsatz der Vertrag eben nicht rentabel war.
Und bei einer Vertragsbeendigung wurde gleich das ganze
Restguthaben einbehalten. Die Rechtsprechung hat in den
letzten Jahren in einer Reihe von Entscheidungen festgestellt,
dass derartige Verfallklauseln unwirksam sind. Gleichwohl
sahen einige Mobilfunkanbieter keine Verpflichtung zur Rückzahlung des verfallenen Guthabens. Allerdings zahlten sie seit
2006 altes Guthaben „freiwillig“ an die Kunden zurück.1
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Während die schon länger am Markt etablierten Mobilfunkanbieter, wie T-Mobile, Vodafone, E-plus und O2, inzwischen
vollständig auf Verfallklauseln verzichten, sind es nun einige
der neuen Mobilfunkdiscounter, deren Verträge Verfallklauseln für bestimmte Fälle vorsehen. Auch bei den meisten
Mobilfunkdiscountern verfällt kein Guthaben, wenn eine
Aufladung nicht in einer bestimmten Zeitspanne erfolgt.
Doch es gibt eine Reihe von Ausnahmen in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, wann das Guthaben dann doch verfallen soll. Hierauf wird im Folgenden eingegangen.
Nachdem die Mobilfunkanbieter nun vielfach dazu übergegangen sind, das Restguthaben bei einer Vertragsbeendigung
zurückzuzahlen, verlangen einige Mobilfunkanbieter eine
Bearbeitungsgebühr für die Auszahlung des Guthabens. Hier
stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit von Auszahlungsgebührenklauseln.
*
1
2
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht bei STS Schulz
Tegtmeyer Sozien in Essen.
Gramespacher, MIR 2006 Dok. 140, abrufbar unter: http://miur.de/dok/
356.html.
Säcker/Rixecker/Kieninger, MünchKomm BGB, 5. Aufl. 2007, § 307 Nr. 12.
L o r e n z , Ve r f a l l - u n d A u s z a h l u n g s g e b ü h r e n k l a u s e l n i n P r e p a i d - M o b i l f u n k v e r t r ä g e n
B. Verfallklauseln
I.
Kontrollfähigkeit von Verfallklauseln
Vorab stellt sich die Frage nach der Kontrollfähigkeit von Verfallklauseln. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen nur solche Klauseln der Inhaltskontrolle, durch die eine Regelung
getroffen wird, die von Rechtsvorschriften abweicht oder sie
ergänzt.
Keiner Inhaltskontrolle unterliegen Leistungsbeschreibungen
im Unterschied zu Nebenabreden. Leistungsbeschreibungen
sind Beschreibungen, die die Hauptleistungspflicht bestimmen, also den Umfang der von den Parteien geschuldeten
Vertragsleistungen.2 Die Hauptleistungspflicht von Mobilfunkverträgen besteht einerseits in dem Bereitstellen von
Telekommunikationsdienstleistungen, wofür der Kunde
andererseits ein bestimmtes Entgelt zu zahlen hat. Der Verfall
von vorausbezahltem Guthaben betrifft diese Hauptleistungspflichten nicht. Auch ohne Verfallklauseln liegt noch
ein hinreichend bestimmter wirksamer Vertrag vor. Aus diesem Grunde stellen Verfallklauseln kontrollfähige Nebenabreden dar.3
Keiner Inhaltskontrolle unterliegen ferner unmittelbare Preisabreden im Unterschied zu Preisnebenabreden. Zu den
unmittelbaren Preisabreden zählen Klauseln, die den Preis
unmittelbar festlegen. Dagegen stellen Klauseln, an deren
Stelle dispositives Recht treten kann, Preisnebenabreden dar.4
Verfallklauseln regeln nicht eine bestimmte Höhe eines zu
zahlenden Entgelts. Sie betreffen vielmehr den Anspruch auf
Rückzahlung von vorausbezahltem Guthaben. Aus diesem
Grunde stellen Verfallklauseln keine kontrollfreien Preisabreden dar.5
II. Früher verwandte Klauseln
Zunächst soll ein Blick auf die Rechtsprechung der letzten
Jahre geworfen werden. Früher wurden in Prepaid-Mobilfunkverträgen die folgenden Klauseln verwandt, die die
Rechtsprechung zu beurteilen hatte:
1. Verfall bei nicht rechtzeitiger Aufladung
Früher waren Klauseln in den Prepaid-Verträgen üblich, dass
innerhalb eines bestimmten Zeitraums neues Guthaben aufgeladen werden muss. Andernfalls sollte das vorhandene
Guthaben verfallen. Die Rechtsprechung hat derartige Klausel für unwirksam erklärt.6 Beispiele aus der Rechtsprechung
sind folgende Klauseln:
„Ein Restguthaben auf Ihrer [Prepaid-Karte] können Sie einfach durch erneutes Aufladen vor Ablauf des Zeitfensters in
das nächste Guthabenzeitfenster mitnehmen. Erfolgt kein
erneutes Aufladen innerhalb des Zeitfensters, verfällt das
Restguthaben.“
„Ein Guthaben, dessen Übertragung auf das Guthabenkonto
mehr als 365 Tage zurückliegt, verfällt, sofern es nicht durch
eine weitere Aufladung, die binnen eines Monats nach Ablauf
der 365 Tage erfolgen muss, wieder nutzbar gemacht wird.“
Die Rechtsprechung hat derartige Klauseln für unwirksam
angesehen, weil sie die gesetzliche Verjährungsfrist verkürzen. Dieser Umstand führt unter zweierlei Gesichtspunkten
zu einer Unwirksamkeit der Klauseln. Zum einen weichen
derartige Klauseln in unzulässiger Weise vom gesetzlichen
Leitbild der Regelung ab. Unwirksam sind nach § 307 Abs. 2
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Nr. 1 BGB Klauseln, die mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sind. Eine Ausschlussfrist für das Geltendmachen von Ansprüchen ist nur
im Verjährungsrecht vorgesehen. Eine erhebliche Verkürzung
der Verjährungsfrist weicht von dem wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts ab. Zum anderen sind derartige Klauseln nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil der
Guthabenverfall gegen das Äquivalenzprinzip verstößt. Das
Äquivalenzprinzip beschreibt das Gleichgewicht der vertraglichen Rechte und Leistungen. Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips liegt vor, wenn die Klausel in marginalen Situationen, die bei Vertragsschluss unberücksichtigt bleiben, zu
einer grundlegenden Störung des Gleichgewichts führt.7 Eine
erhebliche Verkürzung der Verjährungsfrist führt zu einer solchen grundlegenden Störung. Dem Kunden wird durch derartige Klauseln nach relativ kurzer Zeit sein Anspruch auf die
vertraglich geschuldete Leistung entzogen.
Schließlich liegt in derartigen Klauseln auch ein Verstoß
gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. In dem
vorgesehenen Verfall des Guthabens liegt ein versteckter
Mindestumsatz. Dieser Mindestumsatz wird durch die Verfallklauseln verschleiert. Ein monatlicher Mindestumsatz ist
vertraglich nicht vorgesehen. Hierdurch entsteht für den
Kunden der Eindruck, dass es bei dem Prepaid-Vertrag keinen
Mindestumsatz gibt. Tatsächlich wird der Mindestumsatz
jedoch dadurch generiert, dass Guthaben, das in einer
bestimmten Zeitspanne nicht abtelefoniert wurde, verfällt.
Eine solche Regelung ist für den Kunden nicht hinreichend
klar und verständlich.
2. Befristete Gültigkeit des Guthabens
In einer anderen Variante sahen die Klauseln früher vor, dass
das Guthaben von vorneherein befristet wird. Die Rechtsprechung hat auch die Befristung von Guthaben für unwirksam erklärt.8 Beispiele aus der Rechtsprechung sind folgende
Klauseln:
„Gültig bis [...]“ (aufgedruckt auf der Prepaid-Karte)
„Eine Vorauszahlung bewirkt eine befristete Gültigkeit der
[Prepaid-Karte] und des vorausgezahlten Betrags.“
Der BGH hat mit Urteil vom 12.06.2001 festgestellt, dass eine
Gültigkeitsbefristung von Telefonkarten unwirksam ist.9 Eine
Gültigkeitsbefristung von Telefonkarten verstößt wegen der
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OLG München, Urt. v. 22.06.2006, Az.: 29 U 2294/06, VuR 2006, 399, 400,
vorgehend LG München I, Urt. v. 26.01.2006, Az.: 12 O 16098/05, VuR
2006, 104; OLG Köln, Urt. v. 01.12.2000, Az.: 6 U 63/00, CR 2001, 232;
OLG Brandenburg, Urt. v. 01.12.1999, Az.: 3 U 251/98, VuR 2000, 147, 148
f.; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.2006, Az.: 12 O 458/05, MMR 2007, 62, 62
f.; LG Bonn, Urt. v. 28.06.2002, Az.: 10 O 181/02, WRP 2003, 408, 410;
Köhler, Der Mobilfunkvertrag, 2005, S. 221.
Säcker/Rixecker/Kieninger, a.a.O. (s. Fn. 2), § 307 Nr. 16.
OLG München, Urt. v. 22.06.2006, Az.: 29 U 2294/06, VuR 2006, 399, 400;
OLG Brandenburg, Urt. v. 01.12.1999, Az.: 3 U 251/98, VuR 2000, 147,
149; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.2006, Az.: 12 O 458/05, MMR 2007, 62,
62 f.; LG Bonn, Urt. v. 28.06.2002, Az.: 10 O 181/02, WRP 2003, 408, 410;
LG Köln, Urt. v. 08.03.2000, AZ.: 26 O 122/99, VuR 2000, 223; Köhler,
a.a.O. (s. Fn. 3), S. 221.
OLG München, Urt. v. 22.06.2006, Az.: 29 U 2294/06, VuR 2006, 399, vorgehend LG München I, Urt. v. 26.01.2006, AZ.: 12 O 16098/05, VuR 2006,
104; OLG Brandenburg, Urt. v. 01.12.1999, Az.: 3 U 251/98, VuR 2000,
147.
Säcker/Rixecker/Kieninger, a.a.O. (s. Fn. 2), § 307 Rn. 50.
OLG Köln, Urt. v. 07.03.2003, Az.: 6 U 137/02, JR 2004, 328, vorgehend
LG Bonn, Urt. v. 28.06.2002, Az.: 10 O 181/02, WRP 2003, 408; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.2006, Az.: 12 O 458/05, MMR 2007, 62.
BGH, Urt. v. 12.06.2001, Az.: XI ZR 274/00, VuR 2001, 411, vorgehend
OLG Köln, Urt. v. 23.08.2000, Az.: 6 U 202/99, MMR 2001, 167, vorgehend
LG Köln, Urt. v. 27.10.1999, Az.: 26 O 42/99, VuR 2000, 73.
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Verkürzung der Verjährungsfrist gegen das Leitbild der gesetzlichen Regelung und gegen das Äquivalenzprinzip. Für die
Gültigkeitsbefristung von Prepaid-Guthaben gilt nichts anderes. Derartige Gültigkeitsbefristungen sind nach § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB und § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Abschluss eines Prepaid-Vertrags erhält der Kunde vielfach
ein Startguthaben. Sofern dieses Guthaben nicht abtelefoniert worden ist, soll es bei einer Vertragsbeendigung verfallen. Beispiele für derartige Verfallklauseln sind die folgenden
Klauseln:
3. Verfall bei Vertragsbeendigung
„Eine Erstattung erfolgt nicht, soweit das Restguthaben auf
einem bei Kauf der SIM-Karte gewährten Startguthaben
beruht.“11
Weiterhin war es in den Prepaid-Verträgen vorgesehen, dass
bei einer Vertragsbeendigung der Mobilfunkanbieter das
gesamte Restguthaben einbehalten darf. Die Rechtsprechung
hat auch diese Klauseln für unwirksam erklärt.10 Ein Beispiel
aus der Rechtsprechung ist folgende Klausel:
„Mit Beendigung des Vertrags verfällt ein etwaiges Restguthaben auf dem Guthabenkonto, es sei denn, [der Mobilfunkanbieter] hat den Vertrag aus nicht vom Kunden zu vertretenden Gründen gekündigt oder der Kunde hat den Vertrag aus
[vom Mobilfunkanbieter] zu vertretenden Gründen gekündigt.“
Auch diese Klausel verletzt das Äquivalenzprinzip und ist
gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Der Kunde erhält
nämlich für seine Leistung, das im Voraus bezahlte Guthaben, keine Gegenleistung. Die Gegenleistung, die Möglichkeit Telekommunikationsdienstleistungen in Anspruch zu
nehmen, verfällt vielmehr mit der Vertragsbeendigung.
Damit erhält der Kunde für noch nicht verbrauchtes Guthaben keine Gegenleistung.
Gleichzeitig verstößt die Klausel gegen das gesetzliche Leitbild der Kündigungsregelungen und ist gemäß § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB unwirksam. Das gesetzliche Leitbild sieht vor, dass
der Kunde bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses
Vorausleistungen zurückerhält. Insofern steht dem Kunden
ein Anspruch auf Rückzahlung von nicht verbrauchtem Guthaben aus § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB zu. Ein Verfall des Restguthabens erschwert dem Kunden die Kündigungsmöglichkeit. Ein Kunde, der kündigen möchte, kann sich daran
gehindert sehen, insbesondere wenn das noch nicht abtelefonierte Guthaben eine nicht unerhebliche Höhe aufweist.
Schließlich ist eine derartige Klausel nach der Rechtsprechung nach § 308 Nr. 7 BGB unwirksam. Danach ist eine
Bestimmung unwirksam, die für den Fall der Kündigung, eine
unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen
bzw. einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen
vorsieht. Dies ist der Fall, weil die Klausel mangels einer
Obergrenze des dem Verfall unterliegenden Guthabens bei
auch nur kurzer Vertragslaufzeit dem Kunden unangemessen
hohe Kosten auferlegt.
III. Heute verwandte Klauseln
Die gegenwärtigen Klauseln der Mobilfunkanbieter sehen
einen Verfall von Guthaben bei einer nicht rechtzeitigen Aufladung von neuem Guthaben oder bei einer Vertragsbeendigung in den meisten Fällen nicht mehr vor. Gleichwohl gibt
es bei einigen Mobilfunkanbietern noch Klauseln, nach
denen in bestimmten Fällen Guthaben verfallen kann. Dabei
handelt es sich um die folgenden Klauseln:
1. Verfall des Startguthabens
Einige Mobilfunkanbieter sehen in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vor, dass das Restguthaben verfällt,
sofern es sich hierbei um das Startguthaben handelt. Bei
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„Nach der Kündigung auf schriftlichen Antrag des Kunden
hin wird ein eventuell vorhandenes Restguthaben bei endgültiger Deaktivierung der Karte erstattet, es sei denn, dieses
Restguthaben beruht auf einem bei Kauf gewährten Startguthaben.“12
„Eine Auszahlung von Guthaben ist nur im Falle einer Vertragsbeendigung möglich. Eine Auszahlung ist nur für die
vom Kunden eingezahlten Guthaben, d. h. nicht für das [...]
gewährte Startguthaben [...] möglich.“13
Auch bei diesen Klauseln stellt sich die Frage, ob ein Verstoß
gegen das Äquivalenzprinzip vorliegt. Das ist der Fall, wenn
es zu einer Störung des Gleichgewichts von Leistung und
Gegenleistung kommt. Die Leistung des Kunden besteht in
der Bezahlung des Entgelts für das Starterpaket von derzeit ca.
10,00 B. Im Starterpaket ist dann das Startguthaben von ca.
5,00 B enthalten. Für das Startguthaben erbringt der Kunde
also eine Leistung. Für diese Leistung erhält der Kunde bei
einer Vertragsbeendigung, die jederzeit möglich ist, keine
Gegenleistung.
Eine Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung könnte hier jedoch ausgeschlossen sein, weil es sich
bei dem Startguthaben um einen verhältnismäßig geringen
Betrag handelt, der verfällt. Die Rechtsprechung hat in ihren
Urteilen immer wieder betont, dass auch die Höhe des verfallenden Betrags eine Rolle spielt. Die früheren Verfallklauseln
wurden nicht zuletzt deshalb für unwirksam erklärt, weil
auch größere Beträge im dreistelligen Bereich verfallen konnten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, bei welchem Betrag die Geringfügigkeitsgrenze anzusetzen ist. Der
BGH sieht den Verfall von 12 DM bereits als einen beachtlichen Betrag an.14 Aus diesem Grunde wird man den möglichen Verfall von 5,00 B als beachtlich einstufen müssen.
Von einem geringfügigen Betrag kann man meines Erachtens
nur bei Beträgen im Centbereich, also unter 1,00 B, sprechen.
Weiterhin könnte eine Störung von Leistung und Gegenleistung ausgeschlossen sein, weil der Kunde bei Vertragsabschluss das Startguthaben kennt und weiß, dass er dieses nur
abtelefonieren kann. Hiergegen spricht jedoch, dass die Prepaid-Mobilfunkverträge keine vertragliche Verpflichtung enthalten, das Startguthaben abzutelefonieren. Einen Mindestumsatz gibt es bei Prepaid-Mobilfunkverträgen gerade nicht.
Wenn es aber keinen Mindestumsatz gibt, dann kann der
Kunde das nicht verbrauchte Guthaben bei einer Vertrags10 OLG München, Urt. v. 22.06.2006, Az.: 29 U 2294/06, VuR 2006, 399, vorgehend LG München I, Urt. v. 26.01.2006, Az.: 12 O 16098/05, VuR 2006,
104; OLG Köln, Urt. v. 01.12.2000, Az.: 6 U 63/00, CR 2001, 232, vorgehend LG Köln, Urt. v. 08.03.2000, Az.: 26 O 122/99, VuR 2000, 223.
11 Nr. 6.7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von BILDmobil,
Stand 11/2008, abrufbar unter: http://www.bildmobil.de.
12 Nr. III 5. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der MS Mobile Services
GmbH für „maXXim“, Stand: 12/2008, abrufbar unter: http://www.maxxim.de/download/AGB_MaXXim.pdf.
13 Nr. 4.9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen klarmobil Prepaid, abgerufen am 15.11.2008, abrufbar unter: http://www.klarmobil.de/pdf/AGB_
Prepaid.pdf.
14 BGH, Urt. v. 12.06.2001, Az.: XI ZR 274/00, VuR 2001, 411, 415.
L o r e n z , Ve r f a l l - u n d A u s z a h l u n g s g e b ü h r e n k l a u s e l n i n P r e p a i d - M o b i l f u n k v e r t r ä g e n
beendigung zurückverlangen. Durch den Verfall des Startguthabens kommt es zu einer Störung von Leistung und Gegenleistung und damit zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips. Derartige Klauseln sind nach der hier vertretenen Auffassung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
2. Verfall von nicht bezahltem Guthaben
Einige Mobilfunkanbieter sehen in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vor, dass das Restguthaben verfällt,
sofern es von dem Kunden nicht bezahlt wurde. Demnach
soll nicht bezahltes Guthaben verfallen, wenn es bei einer
Vertragsbeendigung nicht abtelefoniert worden ist. Beispiele
für derartige Verfallklauseln sind die folgenden Klauseln:
„Eine Auszahlung von Guthaben ist nur im Falle einer Vertragsbeendigung möglich. Eine Auszahlung ist nur für die
vom Kunden eingezahlten Guthaben, d. h. nicht [...] für [...]
gewährte Bonusguthaben möglich.“15
„Eine Auszahlung von Guthaben, das [der Mobilfunkanbieter] dem Kunden gewährt hat, ohne dass der Kunde hierfür
eine Zahlung geleistet hat (z. B. im Rahmen von Werbeaktionen), ist ausgeschlossen.“16
„Dem Kunden unentgeltlich überlassenes
(geschenktes Guthaben) wird nicht erstattet.“17
Guthaben
Auch hier stellt sich die Frage, ob ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vorliegt. Das ist der Fall, wenn es zu einer Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung
kommt. Die Besonderheit in diesem Fall liegt darin, dass der
Kunde für das Guthaben keine Leistung erbracht hat. Er hat
das Guthaben nicht bezahlt, sondern aus einem anderen
Grunde erhalten. Hierbei kann es sich z. B. um Werbeaktionen handeln, bei denen der Kunde sich selbst oder einen
Freund wirbt. Auch kann es sich um Treueaktionen handeln,
bei denen dem Kunden ein Treuebonus gutgeschrieben wird.
In diesen Fällen hat der Kunde kein Entgelt für das Guthaben
entrichtet, für das er eine Gegenleistung zu beanspruchen
hätte. Mangels einer vom Kunden erbrachten Leistung scheidet eine Verletzung des Äquivalenzprinzips aus. Derartige
Klauseln sind meines Erachtens wirksam.
3. Verfall des Guthabens bei außerordentlicher Kündigung
Einige Mobilfunkanbieter sehen vor, dass das Restguthaben
verfällt, sofern eine außerordentliche Kündigung des Mobilfunkanbieters vorliegt. Demnach soll das Restguthaben verfallen, wenn das Vertragsverhältnis aus einem vom Kunden
zu vertretenden Grund außerordentlich gekündigt wurde.
Ein Beispiel für eine solche Klausel ist folgende Klausel:
„Die Auszahlung von Guthaben ist nur im Falle einer Vertragsbeendigung möglich, es sei denn, der [Mobilfunkanbieter] hat das Vertragsverhältnis aus einem vom Kunden zu vertretenden Grund außerordentlich gekündigt. Der Kunde hat
die Möglichkeit nachzuweisen, dass durch die außerordentliche Kündigung ein geringerer Schaden als der Betrag in Höhe
des Guthabens entstanden ist.“18
Bei derartigen Klauseln handelt es sich um pauschalierte
Schadensersatzansprüche. Der Mobilfunkanbieter will das
Guthaben als Schadensersatz für die außerordentliche Kündigung einbehalten. Es stellt sich die Frage, ob derartige Klauseln unwirksam sind, weil überhöhte Schadenspauschalen
geltend gemacht werden. Unwirksam sind nach § 309 Nr. 5
lit. a BGB Pauschalen, die in den geregelten Fällen den nach
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dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden
übersteigen. Schadenspauschalen müssen auf den branchenüblichen Durchschnittsschaden beschränkt sein.19 Insofern
stellt sich die Frage nach dem branchenüblichen Durchschnittsschaden bei Prepaid-Mobilfunkverträgen.
Auf den ersten Blick mag man denken, dass die Folgen des
Zahlungsverzugs als Schaden ausscheiden, da der Kunde nur
vorher aufgeladenes Guthaben abtelefonieren kann. Allerdings kann es bei Auslandsgesprächen im Wege des Roaming
oder bei Verbindungen zu Premiumdiensten zu einer verzögerten Abrechnung der Gespräche kommen. Hierdurch kann
ein negativer Saldo entstehen. Insofern kann es durchaus zu
einem Zahlungsverzug des Kunden kommen. Hinsichtlich
des negativen Saldos besteht allerdings nur ein vertraglicher
Zahlungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Zum
Schadensersatzanspruch zählen bspw. die Kosten der Rechtsverfolgung20 oder die Kosten für die Sperrung des Anschlusses nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB oder die Verzugszinsen nach § 288 BGB. Für solche Schäden sind derartige Klauseln jedoch regelmäßig nicht relevant. Im Falle des
Zahlungsverzugs ist kein Guthaben mehr vorhanden, sodass
auch kein Guthaben verfallen kann. In den Anwendungsbereich derartiger Klauseln können im Regelfall nur andere
Gründe als der Zahlungsverzug fallen.
Problematisch ist es, dass einige Mobilfunkanbieter in ihren
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen, dass das Vertragsverhältnis gekündigt werden kann, wenn in einem
bestimmten Zeitraum keine neue Aufladung erfolgt und die
Prepaid-Karte eine bestimmte Zeit nicht genutzt wird.21 Eine
solche Kündigung stellt eine Kündigung aus einem von Kunden zu vertretenden Grund dar. Der Kunde hat durch die
unterlassene Aufladung und Nutzung der Prepaid-Karte die
Kündigung verursacht. Eine solche Kündigung stellt auch
eine außerordentliche Kündigung dar. Eine Kündigungsfrist,
die bei ordentlichen Kündigungen nach §§ 620 Abs. 2, 621
BGB einzuhalten ist, ist in der Kündigungsklausel nämlich
nicht vorgesehen. Wenn der Kunde in einem bestimmten
Zeitraum keine neue Aufladung vornimmt und die PrepaidKarte nicht nutzt, kann der Mobilfunkanbieter somit den
Vertrag kündigen mit der Folge, dass das Restguthaben verfällt.
Wenn der Mobilfunkanbieter in einem solchen Fall kündigt,
ist jedoch nicht ersichtlich, dass ihm überhaupt ein Schaden
entstanden ist. Die bloße Nichtnutzung der Prepaid-Karte
stellt keinen Schaden dar, weil es einen vertraglich vorgesehenen Mindestumsatz nicht gibt. Es handelt sich vielmehr
15 Nr. 4.9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen klarmobil Prepaid, abgerufen am 15.11.2008, abrufbar unter: http://www.klarmobil.de/pdf/AGB_
Prepaid.pdf.
16 Nr. 7.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkdienstleistungen „blau.de“, Stand: 01.12.2007, abrufbar unter: http://www.blau.de;
Nr. 7.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkdienstleistungen „simyo“ Prepaid, Stand: 28.04.2008, abrufbar unter www.simyo.
de.
17 Nr. 13.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen congstar Prepaid, Stand:
15.06.2008, abrufbar unter: http://www.congstar.de.
18 Nr. VII 7. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der MS Mobile Services
GmbH für „maXXim“, Stand: 10/2008, abrufbar unter: http://www.maxxim.de/download/AGB_MaXXim.pdf; Nr. VII 7. der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der SIMply Communication GmbH für simplyMobilfunk (Prepaid), Stand: 8/2008, abrufbar unter: http://www.simplytel.de/download/simplyAGB_Prepaid.pdf.
19 Säcker/Rixecker/Kieninger, a.a.O. (s. Fn. 2), § 309 Nr. 5 Rn. 10.
20 Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009, § 286 Rn. 44 ff.; Säcker/Rixecker/Ernst, a.a.O. (s. Fn. 2), § 286 Rn. 154 ff.
21 Nr. III. 4. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der MS Mobile Services
GmbH für „maXXim“, Stand: 12/2008, abrufbar unter: http://www.maxxim.de/download/AGB_MaXXim.pdf.
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L o r e n z , Ve r f a l l - u n d A u s z a h l u n g s g e b ü h r e n k l a u s e l n i n P r e p a i d - M o b i l f u n k v e r t r ä g e n
um eine unzulässige Schadenspauschalierung, weil es an
einem branchenüblichen Durchschnittsschaden fehlt. Die
Klausel ist deshalb nach der hier vertretenen Auffassung nach
§ 309 Nr. 5 lit. a BGB unwirksam, wenn sie in Verbindung mit
einer Kündigungsklausel verwandt wird.
Letztlich handelt es sich hierbei auch um eine Verletzung des
Äquivalenzprinzips. Wenn der Mobilfunkanbieter kündigt,
weil der Kunde in einem bestimmten Zeitraum keine neue
Aufladung vorgenommen hat und die Prepaid-Karte nicht
genutzt hat, verfällt das Restguthaben. Dies ist zwar nicht
ausdrücklich in einer Klausel geregelt. Es folgt aber aus dem
Zusammenspiel der Verfall- und der Kündigungsklausel. Eine
derartige Verfallklausel ist meines Erachtens auch nach § 307
Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
4. Folgen der Unwirksamkeit für den Rückzahlungsanspruch
Wenn der Verfall von Guthaben unwirksam ist, stellt sich die
Frage, ob der Kunde einen Anspruch auf Rückzahlung von
nicht verbrauchtem Guthaben hat. Nach der Entscheidung
des LG Hamburg vom 10.06.2008 besteht kein Anspruch auf
Rückzahlung von nicht verbrauchtem Guthaben.22 Diese
Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Wenn die Verfallklausel
unwirksam ist, besteht vielmehr ein bereicherungsrechtlicher
Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB wegen des nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Grundes. Für die Aufladung von Guthaben besteht zunächst ein rechtlicher Grund,
nämlich der Mobilfunkvertrag. Wenn dieser beendet wird,
fällt der rechtliche Grund für das vorausbezahlte Guthaben
nachträglich weg. Für eine Einbehaltung des Restguthabens
gibt es keinen Rechtsgrund, da hinsichtlich des Restguthabens eine vertragliche Leistung nicht erbracht wurde.
Der Anspruch auf Rückzahlung wird allerdings durch das Verjährungsrecht begrenzt. Dabei hat die Schuldrechtsreform zu
einer erheblichen Verkürzung der Verjährungsfrist geführt.
Die Verjährungsfrist des § 195 BGB wurde von 30 auf drei
Jahre verkürzt. Danach können sich die Mobilfunkanbieter
hinsichtlich des Guthabens, das nicht innerhalb von drei
Jahren nach der Aufladung abtelefoniert wurde, auf die Einrede der Verjährung berufen. Maßgeblich für den Beginn der
Verjährungsfrist ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB der Schluss des
Jahres, in dem die Aufladung erfolgt ist.
C. Auszahlungsgebührenklauseln
Einige Mobilfunkanbieter erheben eine Bearbeitungsgebühr
für die Auszahlung des Guthabens, die in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vereinbart wird. Ein Beispiel für eine
derartige Klausel ist die folgende Klausel:
„Der Diensteanbieter erhebt für die Auszahlung des Guthabens eine Bearbeitungsgebühr gemäß der zum Zeitpunkt der
Auszahlung gültigen Servicepreisliste. Dies gilt nicht, sofern
der Kunde nachweist, dass kein Aufwand entstanden ist oder
der tatsächlich entstandene Schaden wesentlich geringer als
die Pauschale ist.“23
I.
Kontrollfähigkeit von Auszahlungsgebührenklauseln
Hier stellt sich zunächst die Frage nach der Kontrollfähigkeit
derartiger Klauseln. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen
nur solche Klauseln der Inhaltskontrolle, durch die eine Regelung getroffen wird, die von Rechtsvorschriften abweicht
oder sie ergänzt. Wie bereits dargestellt wurde, hat der Kunde
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einen Anspruch auf Rückzahlung des Restguthabens aus
§ 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB. Eine Klausel, die ein Entgelt für
die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht verlangt, weicht von
der gesetzlichen Regelung ab. Folglich sind Auszahlungsgebührenklauseln als Preisnebenabreden kontrollfähig.24
II. Wirksamkeit von Auszahlungsgebührenklauseln
Bei derartigen Auszahlungsgebührenklauseln kommt ein Verstoß nach § 308 Nr. 7 lit. a BGB in Betracht. Danach ist eine
Bestimmung unwirksam, wenn der Verwender im Falle des
Rücktritts oder der Kündigung eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen kann. Allerdings
findet § 308 Nr. 7 lit. a BGB nicht allgemein auf die Abwicklung von Verträgen Anwendung, sondern lediglich auf deren
Rückabwicklung oder vorzeitige Abwicklung.25 Die Vorschrift
erfasst damit neben dem Rücktritt nur Fälle der außerordentlichen Kündigung. Die hier vorliegende Klausel ist jedoch
nicht auf außerordentliche Kündigungen beschränkt. Vielmehr gilt sie vor allen Dingen auch für ordentliche Kündigungen, die den Hauptanwendungsfall darstellen dürften.
Aus diesem Grunde findet eine Inhaltskontrolle nach § 308
Nr. 7 lit. a BGB nicht statt.
Außerhalb des Geltungsbereichs des § 308 Nr. 7 BGB erfolgt
die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.26 Ausgangspunkt der
Inhaltskontrolle, ist die Frage, welcher Betrag nach dem
Gesetz geschuldet wäre. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist es
nicht vorgesehen, dass der Arbeits- und Verwaltungsaufwand
für die Abwicklung eines Vertragsverhältnisses vergütet wird.
Es gibt keine Vertragsbeendigungsgebühren. Hierbei handelt
es sich vielmehr um Gemeinkosten, die jede Partei selbst zu
tragen hat.
Es stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn der
Mobilfunkanbieter seine Gemeinkosten auf den Kunden
abwälzt. Der BGH hat bereits mit Urteil vom 18.04.2002 entschieden, dass Deaktivierungsgebühren für einen Telefonanschluss eine unangemessene Benachteiligung darstellen.27
Hierzu hat er ausgeführt, dass es jedem der Beteiligten
obliegt, seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, ohne
dass dieser dafür ein gesondertes Entgelt verlangen kann.
Klauseln, die Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten auf rechtsgeschäftlicher Grundlage auf den Kunden
abwälzen, sind mit dem gesetzlichen Leitbild nicht vereinbar.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung halte ich Auszahlungsgebührenklauseln für unwirksam nach § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB. Die Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 2 Fall 1
BGB darf nicht durch eine Auszahlungsgebühr erschwert
oder bei geringem Restguthaben zunichtegemacht werden.
Dem stehen berechtigte Interessen des Mobilfunkanbieters
nicht entgegen. Soweit ihm für die Auszahlung des Guthabens Kosten entstehen, wie z. B. Arbeitszeit von Mitarbeitern
oder Überweisungsgebühren, obliegt es dem Mobilfunkan-
22 LG Hamburg, Urt. v. 10.06.2008, Az.: 312 O 196/08.
23 Nr. VII 7. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der MS Mobile Services
GmbH für „maXXim“, Stand: 12/2008, abrufbar unter: http://www.maxxim.de/download/AGB_MaXXim.pdf.
24 A.A. LG Hamburg, Urt. v. 10.06.2008, Az.: 312 O 196/08.
25 OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.07.2001, Az.: 2 U 40/00, MMR 2002,
174; Stoffels, AGB-Recht, 2. Aufl. 2009, Rn. 994; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 308 Nr. 7 Rn. 1; a.A. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, § 308 Nr. 7 Rn. 1
Fn. 1.
26 Erman/Roloff, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 2008, § 308 Rn. 59.
27 BGH, Urt. v. 18.04.2002, Az.: III ZR 199/01, VuR 2002, 298.
Meyer-van Raay/Deitermann, Gefangen in der (Internet-)Kostenfalle?
bieter diese Kosten bei der Kalkulation der Gesprächsentgelte
zu berücksichtigen.
D. Fazit
Klauseln, nach denen das Prepaid-Guthaben nach einer
bestimmten Zeit verfällt, sind unwirksam, wenn die Klauseln
nicht im Einklang mit den Verjährungsvorschriften stehen.
Hier hat sich eine wesentliche Änderung durch die Schuldrechtsreform ergeben. Durch die Verkürzung der gesetzlichen
Verjährungsfrist in § 195 BGB von 30 auf drei Jahre dürften
nun Klauseln zulässig sein, wonach aufgeladenes Guthaben
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nach drei Jahren nach dem Erwerb des Guthabens verfällt.
Dabei ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB auf den Schluss des Jahres
abzustellen. Eine Klausel, die vorsieht, dass Guthaben mit
Ablauf der Verjährungsfrist verfällt, verstößt weder gegen das
Leitbild der gesetzlichen Regelung noch gegen das Äquivalenzprinzip.
Klauseln, nach denen bezahltes Guthaben bei der Vertragsbeendigung verfällt, sind unwirksam. Das gilt auch hinsichtlich des Startguthabens. Soweit Verfallklauseln unwirksam
sind, besteht ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf
Rückzahlung des Guthabens. Dagegen sind Klauseln über den
Verfall von nicht bezahltem Guthaben wirksam.
Gefangen in der (Internet-)Kostenfalle?
Von Rechtsanwalt Dr. Oliver Meyer-van Raay und Ass. jur. Jörg Deitermann*, Karlsruhe
Online-Portale mit verschleierter Kostenpflichtigkeit und zweifelhafter Werthaltigkeit der auf ihnen angebotenen Dienstleistungen (sog. Kosten- oder Abofallen) scheinen inzwischen
zum Internet zu gehören wie Hyperlinks und Suchmaschinen.
Vertragliche Ansprüche der Anbieter verneinende und Unterlassungsansprüche der Verbraucherverbände bejahende Gerichtsurteile haben bislang allenfalls dazu geführt, dass das
Erscheinungsbild der Websites leicht angepasst oder der Betreiber ausgetauscht wurde. Nun zeichnet sich jedoch ein deutlicher Einschnitt ab: Auf der einen Seite wird das in § 312d
Abs. 3 BGB geregelte Erlöschen des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen, mit deren Ausführung bereits begonnen wurde, neu gefasst; zum anderen – und
sich unmittelbar auf die Lukrativität des Geschäftsmodells
auswirkend – hat man ein rechtliches Instrument entdeckt,
mit dem man über Schadensersatzansprüche einzelner Betroffener und auf die Zukunft gerichteter Unterlassungsansprüche von Verbänden hinausgehend den Betreiber einer
solchen Abofalle in die Pflicht nehmen kann: den Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG.
zunächst meist ein Eingabeformular, in das er seine persönlichen Daten einzutragen hat. Räumlich unterhalb dieser
auszufüllenden Eingabefelder befindet sich ein Hinweis, dass
der Nutzer die AGB des Anbieters zu akzeptieren habe, bevor
er sich anmelden und die Leistungen nutzen könne. Teil der
AGB ist dann gewöhnlich eine Klausel, wonach das Angebot
kostenpflichtig ist und der Nutzer ein Dauerschuldverhältnis
(„Abo“) mit dem Anbieter eingeht.
A. Erscheinungsformen und Entwicklung sog.
Kostenfallen
Offensichtlich als Reaktion auf einige in der Vergangenheit
ergangene Urteile gehen einige Anbieter von Kostenfallen
inzwischen dazu über, den Hinweis auf die Entgeltlichkeit auf
den jeweiligen Eingangsseiten räumlich heraufzusetzen und
bereits über oder neben den vom Nutzer auszufüllenden Eingabefeldern zu platzieren.
So neu ist die Masche eigentlich nicht mehr: Dienstleistungsangebote im Internet, die von ihrem Erscheinungsbild und
organisatorischen Ablauf so gestaltet sind, dass sich Nutzer vor
Inanspruchnahme der Leistungen unter Angabe ihrer persönlichen Daten beim Anbieter anmelden müssen, ohne zuvor
hinreichend deutlich auf die Entgeltlichkeit der Leistung und
ihren Dauerschuldcharakter hingewiesen worden zu sein. Die
Bandbreite angebotener Leistungen reicht dabei von Berechnungen zur Lebenserwartung über die Ahnenforschung, den
Versand von Grußkarten und SMS sowie den Bezug von DVDs
bis hin zum Angebot von Software-Downloads.
Üblicherweise werden die Nutzer über Online-Anzeigen in
Suchmaschinen oder Lockangebote wie z. B. Gewinnspiele
oder Gratisleistungen auf die entsprechenden Websites
gelotst. Auf der Eingangsseite begegnet dem Besucher
Hinweise auf die Kostenpflichtigkeit der Inanspruchnahme
der Dienste finden sich auf der Eingangsseite regelmäßig nur
am unteren Ende der Website in einem kleingedruckten
Fließtext, der erst nach entsprechendem Scrollen sichtbar
wird. Teilweise wird im oberen Seitenbereich mittels eines
sog. Sternchenhinweises auf diesen Fließtext verwiesen. Nach
einigen mehr oder weniger interessanten und relevanten
Informationen (z. B. zur Speicherung der IP-Adresse), durch
die die Aufmerksamkeit des Nutzers bewusst herabgesetzt
wird, ist im Fließtext die Vertragslaufzeit von einem oder
zwei Jahr(en) angegeben, das dort vorgesehene – und mitunter in Fettdruck angezeigte – Entgelt summiert sich dadurch
nicht selten auf einen dreistelligen Betrag.
Opfer derartiger Kostenfallen sehen sich nach Registrierung
einem Zahlungsbegehren des Anbieters ausgesetzt, dem eine
Vielzahl der Nutzer aus unterschiedlichsten Gründen nachkommt. Trotz der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit1
scheint es sich für die Anbieter nach wie vor um ein sehr
*
1
Dr. Oliver Meyer-van Raay ist Rechtsanwalt, Jörg Deitermann Rechtsassessor und freier Mitarbeiter in der Kanzlei Bartsch und Partner, Karlsruhe; die
Autoren danken Frau Apolline Schmitt für ihre tatkräftige Mithilfe bei der
Verfassung dieses Beitrages.
Vgl. z.B. Bleich, Angelockt und abkassiert – Der Nepp mit Abofallen im
Web floriert, c´t – Magazin für Computertechnik 2009, Heft 11, S. 90 ff.;
Bild-Zeitung, v. 04.08.2009: „So wehren Sie sich gegen Internetabzocke!
Die schlimmsten Fallen im Netz”.
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