Roads of Arabia - Archäologische Schätze aus
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Roads of Arabia - Archäologische Schätze aus
Roads of Arabia ROADS OF ARABIA Archäologische Schätze aus Saudi-Arabien Wasmuth Impressum Museum für Islamische Kunst Pergamonmuseum Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Für das Museum für Islamische Kunst – Staatliche Museen zu Berlin herausgegeben von Ute Franke, Ali Al-Ghabban, Joachim Gierlichs und Stefan Weber Ausstellung Konzeption und wissenschaftliche Vorbereitung: Stefan Weber, Joachim Gierlichs, Ute Franke Leitung und Organisation Stefan Weber, Ute Franke Koordination Dorte Riemenschneider Ausstellungsarchitektur Youssef El Khoury Restauratorische Betreuung in Berlin Stephanie Fischer, Anna Beselin, Christiane Moslé, Burkhard Draßdow Ausstellungsgraphik Interior Interactive Network, Manfred Schulz, Ana Frotscher, Hagen Thiel Roula El Khoury Saliba Ausstellungseinrichtung André Chenue S.A. Kunsttransporte, Paris Ausstellungsbau und -technik Bel-Tec-Gesellschaft für Film-, Theater- und Ausstellungsbau mbH Stefan Kuhlmann, Elke Stehle, Hauke Tensfeldt Ausstellungstexte Ute Franke, Joachim Gierlichs, Stefan Weber sowie Arnulf Hausleiter, Michael Marx, Stefan Maneval und Barbara Kellner-Heinkele Museumspädagogik Karin Schmidl, Besucher Dienste, Staatliche Museen zu Berlin Michael von Petrykowski von Piranha Illka Krempel-Eichmann, Holger Kühn Der Kern dieser Ausstellung wurde von der Saudischen Kommission für Tourismus und Altertümer und dem Louvre konzipiert. Sie wurde erstmals in Paris vom 12. Juli bis 27. September 2010 gezeigt. In diesem Rahmen wurden zahlreiche Objekte durch den Louvre restauriert. Katalog Redaktion Ute Franke, Joachim Gierlichs unter Mitwirkung von Sophia Vassilopoulou und Lucia Wagner Publikationsmanagement für die Staatlichen Museen zu Berlin Elisabeth Rochau-Shalem Publikationskoordination Sven Haase Autoren der Katalogtexte Hiba Abid, Muhammad Tayeb Al-Ansari, Ali Al-Ghabban, Mahmud Al-Hijjri, Said Al-Said, Abdullah S. Al-Saud, Fahd A. Al-Simari, Abdulrahman ‘Awad bin Ali AlSibali Al-Zahrani, Helmut Brückner, Philipp Drechsler, Ricardo Eichmann, Youssef El Khoury, Max Engel, Barbara Finster, Ute Franke, Malte Fuhrmann, Joachim Gierlichs, Arnulf Hausleiter, Barbara Kellner-Heinkele, Michael Marx, Karoline Meßenzehl, Laïla Nehme, Uwe Pfullmann, Daniel Thomas Potts, Stefan Weber Lektorat Sigrid Hauser, Ernst Wasmuth Verlag Grafische Gestaltung und Herstellung Rosa Wagner, Ernst Wasmuth Verlag Übersetzungen aus dem Englischen Beyond words, Düsseldorf Reproduktionen Bildpunkt, Berlin Druck und Einband MEDIALIS Offsetdruck Gmbh, Berlin Gesamtherstellung und Buchhandelsausgabe Ernst Wasmuth Verlag Tübingen • Berlin www.wasmuth-verlag.de © 2011 Staatliche Museen zu Berlin Alle Rechte Vorbehalten www.smb.museum www.museumsshop.museum ISBN (Museumsausgabe) 978-3-88609-721-0 ISBN (Buchhandelsausgabe) 978-3-8030-3355-0 Printed in Germany Dank Das Museum für Islamische Kunst dankt den Schirmherren der Ausstellung Roads of Arabia, dem Hüter der beiden Heiligen Stätten, König Abdallah bin Abdulaziz Al-Saud und dem Bundespräsidenten Christian Wulff; dem Präsidenten der Saudischen Kommission für Tourismus und Altertümer, S.K.H. Prinz Sultan bin Salman bin Abdulaziz Al-Saud, für seine wichtige Unterstützung im Laufe der Vorbereitungen; dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, für seinen persönlichen Einsatz, diese Ausstellung nach Berlin zu holen und finanziell zu unterstützen; Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, für ihr Vertrauen und ihr persönliches Engagement; dem Vizepräsident der Saudischen Kommission für Tourismus und Altertümer, Ali Al-Ghabban, für seinen unermüdlichen Einsatz und ausgezeichnete Kooperation sowie seinen wunderbaren Mitarbeitern, allen voran Abdullah S. AlSaud, Direktor des Nationalmuseums in Riad; dem Botschafter des Königreichs Saudi Arabien in Deutschland, S.E. Ossama bin Abdul Majed Shobokshi für seine direkte Begeisterung für das Projekt und fortwährende Unterstützung; Rifaat Sheikh El-Ard für seine Fähigkeiten, Menschen zu verbinden und in der Sache zu vermitteln; dem Musée du Louvre, namentlich Béatrice André-Salvini, Françoise Demange, Carine Juvin und Marianne Cotty, die diese Ausstellung für ihre erste Präsentation in Paris konzipiert und kuratiert haben; ferner Sophie Makariou für ihre Unterstützung; den beiden guten „Engeln“ dieser Ausstellung, Birgitta Strunk, der zuständigen Fachkraft für den Nahen und Mittleren Osten in der Senatskanzlei, ohne deren Energie und Bemühung die Ausstellung nicht stattgefunden hätte, und Houssam Maarouf, Vizepräsident der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft, der mit großem Geschick alle institutionellen und kulturellen Hürden überwand, beiden auch stellvertretend für ihre Kollegen in beiden Einrichtungen, besonders der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten; dem Auswärtigen Amt, insbesondere Volkmar Wenzel, Michael Erhard, Rudolf Zickerick, Wolfgang Dik und Gabriela Linda Guellil für ihre Hilfe in Saudi-Arabien und im „diplomatischen Dschungel“. Besonderer Dank gilt unserem Mobilitätspartner: Für das Gelingen der Ausstellung danken wir ebenfalls Für die Unterstützung bei der Erstellung des Kataloges danken wir dem Gastkurator Joachim Gierlichs mit seinem ausgezeichneten Spürsinn auf der Suche nach zusätzlichen Objekten für die Berliner Ausstellung; Elisabeth Rochau-Shalem, Referatsleiterin Publikationen und Merchandising, und ihrem Kollegen Sven Haase für ihren unermüdlichen Einsatz; dem Ausstellungsarchitekten Youssef El Khoury, der es intelligent und intuitiv verstand, unsere Ideen und Visionen räumlich umzusetzen; den Kollegen vom Musée du Louvre, insbesondere Violaine Bouvet-Lanselle, für die Überlassung von Text- und Bildmaterial; der Ausstellungskoordinatorin, Dorte Riemenschneider, für ihren unermüdlichen Einsatz in allen organisatorischen Belangen sowie Karla Börner, die uns in der Anfangsphase unterstützt hat; Sigrid Hauser und Rosa Wagner vom Ernst Wasmuth Verlag für das Lektorat und die Gestaltung des Katalogs unter großem Zeitdruck. Karin Schmidl, von den Besucher-Diensten der SMB, für die tollen Konzepte mit wieder einmal viel zu wenig Geld, sowie – in Zusammenarbeit mit Michael von Petrykowski von Piranha und Ilka Krempel-Eichmann – für das schöne Begleitprogramm und Holger Kühn für die Entwicklung und Produktion der ausstellungsbegleitenden Website; Besonderer Dank gilt den großzügigen Leihgebern der Abteilung für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Mechtild Kronenberg, Corinna Dirting, Marion Warther, Anneliese Schäfer-Junker, Sabine Dettmann, sowie Diana Schöppe von Dia Berlin – Netzwerk für Kommunikation und Lena Roob (Kommunikationsgrafik) für die Sichtbarkeit außerhalb des Museums; Nina Simone Schepkowski, Astrid Holmgren, Joachim Rau, Volko Steinig, Tanja Lipowski und Jeannette Pauly für die administrative Unterstützung; der Ausstellungsbau Bel-Tec-Gesellschaft für Film-, Theater- und Ausstellungsbau mbH, Stefan Kuhlmann, Elke Stehle, Hauke Tensfeldt, den Verantwortlichen für die Ausstellungsgrafik, Interior Interactive Network, Manfred Schulz, Ana Frotscher, Hagen Thiel, sowie der Grafikerin Roula El Khoury Saliba; der filmischen Begleitung durch Carola Wedel und der Sounddesignerin Ksenija Ladi; den Restauratoren des Musée du Louvre und des Museums für Islamische Kunst, Stephanie Fischer, Anna Beselin, Christiane Moslé und Burkhard Draßdow; der kuratorischen Unterstützung von Arnulf Hausleiter, Michael Marx, Barbara Kellner-Heinkele und Joachim Backes; den Übersetzern Emily Schalk, Hala Attourah, Linda Schilcher und Helene Adjouri; dem Botschafter des Königreichs Saudi Arabien in Deutschland, S.E. Ossama bin Abdul Majed Shobokshi der Alten Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin dem Zentralarchiv – Staatliche Museen zu Berlin der Staatsbibliothek Berlin: Orientabteilung, Historische Drucke und Kartenabteilung der Universitätsbibliothek Tübingen (Wilfried Lagler, Ulrike Mehringer) der Euting Gesellschaft, Tübingen (Andreas Reichert) Wolfgang Divjak Wolf-Dieter Lemke Herry Schaefer dem Fotografen Mohammed Babelli der Fotografin Elke Schulz-Dornburg den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim (Claude Sui) dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, München (Lothar Saupe) dem Pitt Rivers Museum, Oxford (Phillip Grover) der Royal Geographical Society dem Imperial War Museum, London. Freundschaftlich möchten wir uns für die Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken bei: Angelika Wesenberg (Alte Nationalgalerie), Ludger Derenthal, Adelheid Rasche (Kunstbibliothek), Jörn Grabowsky und seinen Mitarbeiterinnen (Zentralarchiv), Regine Mahlke, Bernhard Andergassen, Steffi Mittenzwei, Markus Heinz und Wolfgang Chrom (Staatsbibliothek Berlin) sowie weiteren ungenannten Helfern. der Fotografin Ingrid Geske für Objekt-Neuaufnahmen Dankbar sind wir für die wissenschaftliche Kooperation und natürlich besonders herzlich all unseren Kollegen und helfenden Händen am Museum für Islamische Kunst, die uns ihre Zeit und ihre Fähigkeiten zur Verfügung gestellt haben: Yelka Kant, Christa Kienapfel, Sophia Vassilopoulou, Lucia Wagner, Yuka Kadoi, Cornelia Weber, Corinne Mühlemann, Georg Fermum, Jana Wotruba sowie Gisela Helmecke, Julia Gonnella, Thomas Tunsch und Steffen Kruschwitz in Begleitung der Ausstellung und/oder des Begleitbuchs sowie für ihre Bereitschaft und Flexibilität, sich auf die immer wieder wechselnden Bedingungen einzulassen: Ricardo Eichmann und Arnulf Hausleiter von der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, Ulrike Freitag und Stefan Maneval vom Zentrum Moderner Orient sowie Michael Marx von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. sowie allen anderen beteiligten Einrichtungen der SMB, v.a. dem Referat Sicherheit und Technischer Dienst (vor allem Herrn Naumann) sowie Harald Gscheidle für die reibungslose und professionelle Zusammenarbeit; Kuratoren der Berliner Ausstellung der Firma Schenker Deutschland Ag für Transport und Lagerung. Stefan Weber, Direktor Museum für Islamische Kunst Ute Franke, stellvertretende Direktorin Museum für Islamische Kunst Joachim Gierlichs, Gastkurator. Allgemeine Hinweise Jahreszahlen ohne jede weitere Angabe beziehen sich auf den gregorianischen Kalender und bedeuten nach Christus (n. Chr.). Jahreszahlen mit nachgestelltem „H.“ (nach der Hijra) folgen dem islamischen Mondkalender, der ca. 11 Tage pro Jahr kürzer ist als der gregorianische Kalender und der mit der Auswanderung (Hijra) des Propheten Muhammad und seiner Gefährten von Mekka nach Medina im Jahre 1 H./622 n. Chr. beginnt. Auf eine wissenschaftliche Umschrift haben wir zugunsten einer besseren Lesbarkeit für das interessierte Publikum verzichtet. Stattdessen werden arabische und persische Namen und termini in einer vereinfachten Umschrift wiedergegeben, die sich an die im Englischen übliche Transkription anlehnt. Die Buchstaben Hamza und Ain werden durch einen hochgestellten kleinen Strich angezeigt. Eine Ausnahme bildet der Beitrag „Schriften und Sprachen auf der Arabischen Halbinsel“, in dem auf eine wissenschaftliche Transkription altarabischer Schriftsysteme nicht verzichtet werden konnte. Fest im Deutschen verankerte Fachausdrücke oder Namen (siehe Duden) werden beibehalten. Literaturhinweise wurden auf ein Minimum begrenzt, die Auflösung der Kurztitel erfolgt in dem Literaturverzeichnis am Ende des Buches. Eine vollständige Abbildung aller Exponate war in dieser als Begleitband konzipierten Publikation nicht zu realisieren. Die Nummerierung der auf die Texte und Katalogteile verteilten Bilder ist daher nicht immer fortlaufend. Umschlagsabbildungen Anthropomorphe Stele, 4. Jt. v. Chr., Sandstein, 92 × 21 cm, Nationalmuseum, Riad, 997 Entwurf Lena Roob Bildnachweis Sofern in den Bildlegenden nicht anders angegeben, liegen die Bildrechte bei der Saudischen Kommission für Tourismus und Altertümer (SCTA). Die Karten im Katalog (S. 28–29 und 208–209) und in der Ausstellung wurden nach Vorlagen von H. David, Katalog Paris 2010 (Al-Ghabban, A. I., André-Salvini, B., Demange, F., Juvin, C. & Cotty, M. [Hrsg.], Roads of Arabia: Archaeology and History of the Kingdom of Saudi Arabia, Musée du Louvre, Paris, Somogy Art Publishers) erstellt. Inhalt 14 Vorwort seiner Königlichen Hoheit Prinz Sultan bin Salman bin Abdulaziz Al-Saud, Präsident der Generalbehörde für Tourismus und Altertümer 16 Vorwort des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger 17 Geleitwort des Generaldirektors der Staatlichen Museen zu Berlin Michael Eissenhauer 18 Zur Einführung. Roads of Arabia – Archäologische Schätze aus Saudi-Arabien Ali Al-Ghabban & Stefan Weber 24 Ausstellungs-Landschaft. Eine Interaktion zwischen Besuchern, Exponaten und Landschaft Youssef El Khoury 30 Das Kulturerbe Saudi-Arabiens Ali Al-Ghabban 36 Naturraum der Arabischen Halbinsel Max Engel, Helmut Brückner, Karoline Meßenzehl 48 Die archäologische Erforschung der Arabischen Halbinsel Europäische Beiträge zur internationalen Forschung insbesondere in Zentral- und Nordwestarabien Ricardo Eichmann 58 Paläolithikum – Neolithikum: Natur- und Kulturraum Philipp Drechsler 66 Felskunst Philipp Drechsler 68 Frühe Stelen aus Stein Ute Franke 72 Zwischen Euphrat und Indus: die Arabische Halbinsel von 3500–1700 v. Chr. Ute Franke 83 Objekte Tarut 194 Der Koran: das erste arabische Buch Michael Marx 86 Das alte Arabien in historischen Quellen Daniel Thomas Potts 210 Frühe Pilgerrouten nach Mekka und Medina Joachim Gierlichs 224 Mekka und Medina in frühislamischer Zeit Barbara Finster 236 Objekte al-Ma’la-Friedhof, Mekka 238 Die Heiligen Stätten Mekka und Medina in osmanischer Zeit Barbara Kellner-Heinkele 102 Das antike Tayma’: eine Oase im Kontaktbereich der Kulturen Neue Forschungen an einem Zentralort der Karawanenstraße Arnulf Hausleiter 112 Syro-levantinische Bronzewaffen aus Tayma’ Mahmud al-Hajiri 121 Objekte Tayma’ 124 Dedan: Schätze einer glanzvollen Kultur Said Al-Said 258 Pilgerbücher: Eine Einführung Hiba Abid 136 Die Nabatäer im Nordwesten Arabiens Laïla Nehmé 262 Ein populäres Gebetbuch: Dala’il al-Khayrat Hiba Abid 145 Mada’in Salih Laïla Nehmé 266 Auf der Suche nach den Wundern und Kostbarkeiten Arabiens: Entdecker auf Karawanen- und Pilgerstraßen Uwe Pfullmann 148 Objekte Mada’in Salih 282 150 Qaryat al-Faw Abdulrahman Muhammad Tayeb Al-Ansari Die Anfänge des Königreiches Saudi-Arabien Fahd A. Al-Simari 288 162 Objekte Qaryat al-Faw Die Mekka-Bahn Malte Fuhrmann 168 Thaj und das Königreich Gerrha ’Awad bin Ali Al-Sibali Al-Zahrani 298 Abkürzungsverzeichnis 298 Literaturverzeichnis 176 ’Ayn Jawan Abdullah S. Al-Saud 180 Sprachen und Schriften Arabiens – ein Rundgang Michael Marx Arnulf Hausleiter Das antike Tayma’: eine Oase im Kontaktbereich der Kulturen Neue Forschungen an einem Zentralort der Karawanenstraße Die nordwestarabische Oase Tayma’ (auch Tema, Teima), zwischen dem Hijaz-Gebirge und der Großen Nafud-Wüste gelegen, gehört zu den bedeutenden Ruinenstätten der Region und des heutigen Königreichs Saudi-Arabien (Abb. 2). Die große kulturgeschichtliche Bedeutung Tayma’s im ersten vorchristlichen Jahrtausend leitete sich aus ihrer Lage an der legendären Weihrauchstraße ab, einer der Hauptrouten des Handelsnetzwerks der Arabischen Halbinsel, welche Südarabien mit dem ostmediterranen Raum, Syro-Mesopotamien und Ägypten verband. Hinzu kommen ihre Erwähnung in biblischen Quellen und der oft als mysteriös beschriebene zehnjährige Aufenthalt des letzten babylonischen Königs Nabonid (Nabû-na’id, 556–539 v. Chr.) in Tayma’. Schließlich wird die wohlhabende Oase mit den Ruinen ihrer großartigen Mauern bei arabischen Historikern und Geographen erwähnt. Neue interdisziplinäre Forschungen haben jedoch inzwischen Spuren von Sesshaftigkeit bereits ab dem Ende des 4. Jts. v. Chr. nachgewiesen. Es ist überdies davon auszugehen, dass im Gegensatz zu bisherigen Hypothesen eine durchgehende Besiedlung bestand, die allerdings von unterschiedlichen Phasen der Prosperität und wechselnden politischen Machtverhältnissen gekennzeichnet war. Die überregionale, modern ausgedrückt: „internationale“ Vernetzung der Oase reicht dabei ebenfalls wesentlich weiter zurück, als bisher angenommen. Es sind diese Aspekte der neuen Forschungen, die wir nun darstellen und diskutieren wollen. Wasser – Standortvorteil für eine Oase Seite 102 Abb. 1 Kopf einer Herrscherstatue aus der Dynastie von Lihyan Obj. Nr. 108 4.–2. Jh. v. Chr. Sandstein 47 × 40 × 51 cm Tayma', Areal E, im Schutt des Tempels E-b1 Saudisch-Deutsche Archäologische Expedition, Tayma' Museum, TA 489 Es waren die klimatischen Rahmenbedingungen des Holozäns im Allgemeinen und die ständige Versorgung mit Grundwasser im Besonderen, welche attraktive Voraussetzungen für eine Besiedlung durch Menschen schufen. Die Lage in einer Senke und spezifische geologische Bedingungen gewährleisteten das Vorhandensein oberflächennaher Wasserquellen, die durch Brunnen erschlossen wurden, wie sie auch im antiken Siedelgebiet nachgewiesen sind. Der bedeutendste von ihnen ist der berühmte Bir Hadaj, einer der größten Brunnen auf der Arabischen Halbinsel (Abb. 3). Schon vor 30.000 bis 20.000 bzw. 9500 bis 5800 Jahren befanden sich zahlreiche pleistozäne bzw. frühholozäne Frischwasserseen auf der Arabischen Halbinsel – begünstigt durch die Verlagerung der innertropischen Konvergenzzone und der Monsungrenze nach Norden. Ein etwa 19 km2 großer See nördlich der Oase Tayma’ kann mit diesen Daten korreliert werden, dessen Wasserspiegel einst 10 m über dem heutigen Niveau lag. Angesichts des zunehmend ariden Klimas transformierte der See ab dem 6. Jt. v. Chr. in eine Salztonpfanne oder playa (arab. sabkha). Die Ablagerungen in den Geoarchiven, insbesondere Pollenbefunde, dieser Sabkha bergen wichtige Informationen zur Umweltgeschichte des Fundorts. Demzufolge gab 104 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ 105 Abb. 3 Der Bir Hadaj in Tayma' Foto: DAI Orient-Abteilung/ A. Hausleiter es eine sehr dichte Vegetation, die durch einen höheren und noch intakten Gehölzanteil in den zahlreichen Wadisystemen gekennzeichnet war. Neben der Dattel sind Kulturpflanzen wie Olive (olea), Wein (vitis) und Feige (ficus) nachgewiesen, die feuchte Standortbedingungen erfordern. Durch die Analyse von Makroresten ist der Nachweis von Wein bereits für das 3. Jt. v. Chr. erbracht sowie unter anderem für Gerste, Nacktweizen, Hafer und Borstenhirse. Weitere Hinweise auf die antike Umwelt sind einerseits durch Faunenreste aus den Ausgrabungen zu gewinnen – hier zeigt sich ein stetig zunehmender Anteil des Dromedars ab der Frühen Eisenzeit bis auf ca. 20 % –, andererseits aus den Felszeichnungen, die typische Savannentiere, wie Löwen, Leoparden und Strauße, zeigen. Die wenigen heute geschützten Wadis der Region bieten einen Eindruck des für die Antike rekonstruierten Landschaftsbildes. Abb. 2 Luftbild der Oase Tayma' im Jahr 2005 Foto: DAI Orient-Abteilung/HansaLuftbild, Riad Handel Der Fernhandel Arabiens mit seinen Nachbarn setzt spätestens ab dem ausgehenden 2. Jt. v. Chr. ein und gewinnt durch die Domestikation des einhöckrigen Kamels (Camelus dromedarius), die auf der Arabischen Halbinsel stattfand, einen erheblichen Aufschwung. Sein Zustandekommen ist damit zum Gutteil Ergebnis eines autochthonen Prozesses. Von dieser Entwicklung profitieren mobile nomadische Gruppen und die sesshafte Bevölkerung in den Oasen, die mit dem Dromedar über einen verlässlichen Fleischlieferanten verfügten. Aus dem für die Oasen höchst profitablen Handel konnten aber auch Konflikte erwachsen, wie dies die Auseinandersetzung zwischen den Oasen Tayma’ und Dedan im späten 1. Jt. v. Chr. zeigt. Im archäologischen Befund sind in der Regel die Resultate von Handelsbeziehungen als Teil kultureller Austauschmechanismen zu erkennen; seltener sind hingegen In- 106 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ 107 formationen zum Ablauf des Handelsgeschehens. Eine der für Tayma’ relevanten Quellen ist der Keilschrifttext eines „Gouverneurs“ am Mittleren Euphrat (Irak) des 8. Jhs. v. Chr., der sich brüstet, eine Karawane mit Leuten „aus Tema und Saba“ festgesetzt und sich ihrer Ladung bemächtigt zu haben. 200 Dromedare benötigten demzufolge 100 Begleiter, was eine Vorstellung vom Umfang einer Karawane vermittelt. Da die Handelswaren keinen Weihrauch enthielten, ist anzunehmen, dass sich der Zug wahrscheinlich auf dem Rückweg nach Arabien befand. In der Region von Tayma’ weist die wachsende Anzahl registrierter Wasserstellen und Brunnen auf ein dichtes Versorgungsnetz, das den Karawanen in der Wüste zur Verfügung stand. Im Befund von Tayma’ spiegeln sich ab dem 2. Jt. v. Chr. Kontakte mit seinen Nachbarregionen in Syro-Mesopotamien, Ägypten und der Levante sowie – in geringerem Ausmaße – mit Südarabien und der Golfregion wider. Neben den puren Austausch von Gütern tritt damit auch ein Transfer von Ideen, Konzepten und Innovationen, der andere Bereiche des menschlichen Lebens als allein die ‚Handelsbilanz‘ betrifft. Wo konnten in der Oase Tayma’ die Dromedare der Karawanen Rast machen? Ein durch Mauern abgetrennter Sektor im Südwesten der antiken Ruine („Compound B“), der über einen eigenen mit Dromedaren betriebenen Brunnen verfügt, könnte als Aufenthaltsbereich gedient haben, in dem neben dem Tierbestand auch die verhandelten Waren sicher untergebracht waren. Auf dem Weg zur Entdeckung der antiken Vergangenheit Tayma’ geriet mehr oder weniger zeitgleich zu den Ruinenstätten Mesopotamiens in das Blickfeld europäischer Forschungsreisender des 19. Jhs. (siehe dazu den Beitrag von R. Eichmann, S. 48ff.). F. V. Winnett und F. Reed führten 1962 im Rahmen ihres epigraphischen Nordwest-Arabien-Surveys Untersuchungen in Tayma’ durch, die sich vor allem auf die Tayma’nitischen und nabatäischen Inschriften am Jabal Ghunaym richteten. Sie bildeten zum ersten Mal Scherben der für Tayma’ typischen bemalten wie unbemalten Keramik ab. P. J. Parr, G. L. Harding und J. Dayton (1972) untersuchten den Turm Mintar bani Attiya nordwestlich von Tayma’ und identifizierten ihn als Teil des weitläufigen Befestigungssystems. Systematische archäologische Untersuchungen sind mit der landesweiten Aufnahme archäologischer Stätten ab Mitte der 1970er Jahre durch die saudi-arabische Antikendirektion verbunden. In ihrem Auftrag führten 1979 G. Bawden, Ch. Edens und R. Miller (1980) erste wissenschaftliche Ausgrabungen in Tayma’ durch, die den Auftakt für mehr als 20 Jahre dauernde Aktivitäten bildeten. H. I. Abu Duruk untersuchte die Anlagen von Qasr al-Hamra und Qasr al-Radm, die Stadtmauer sowie Qasr alBujidi und die so genannte „Industrial Site“ (Sana’iye), in der sich zahlreiche Grabanlagen mit Mehrfachbestattungen befanden (zusammenfassend Abu al-Hassan & al-Ansary 2002). Ausgrabungen in den weitläufigen Bestattungsfeldern von Rujum Sa’sa’, südwestlich der Oase, wurden vor kurzem publiziert (al-Taimā’i 2006). Seit 2004 untersucht ein multidisziplinäres Forschungsprojekt der Saudischen Kommission für Tourismus und Antikenwesen und des Deutschen Archäologischen Instituts die Oase. Die Förderung des deutschen Langfristprojekts liegt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Es werden systematische archäologische, epigraphische, bio- und geo-archäologische sowie hydrologische Untersuchungen durchgeführt – mit dem Ziel, die sich wandelnden Lebensbedingungen der Oase Tayma’ zu untersuchen und die gesellschaftlichen und historischen Entwicklungszusammenhänge zu erklären. Abb. 4 Plan der Mauern von Tayma' DAI Orient-Abteilung: BTU Cottbus Stadtmauerprojekt Tayma'/ GIS-Animation S. Lora Topographie und Mauersystem Die Ruine ist durch die eindrucksvollen Überreste der antiken Stadtmauer gekennzeichnet, deren Ausläufer ein ca. 9,5 km2 großes Gebiet einschließen, das jedoch nie auf seiner gesamten Fläche besiedelt war. Das alte Siedlungszentrum liegt südwestlich der Sabkha und der Palmoase – und damit in jenem Bereich, den das Oberflächenwasser durchfließt, das in die Sabkha entwässerte (Abb. 4). Die Zone der antiken Bebauung konzentriert sich auf ein etwa 80 ha großes Gebiet, namens Qraya (auch: Qrayan), ein Begriff, der auf das nahe gelegene alte Dorfzentrum zurückgeht (Abb. 5). Tayma’ ist von einem 18,2 km langen Mauersystem eingefasst (Schneider 2010). Innerhalb dieses Gebiets befinden sich weitere von Mauern abgegrenzte Siedlungsbereiche („Compounds“), die um einen zentralen Turm herumgruppiert sind. Die Umfassungsmauern erreichten einst beträchtliche Höhen. Ob dies auch für die annähernd 3,2 km lange Rückhaltemauer im Norden der Siedlung gilt, die den Bereich zwischen Palmoase und Sabkha schloss, muss noch verifiziert werden. Sie dürfte die landwirtschaftlichen Nutzflächen vor Erosion in die Sabkha geschützt haben, diente aber auch mit Erfolg dazu, die salzhaltigen Sedimente von den salzlosen Böden zu trennen, wie dies Bohrungen beiderseits der Mauer nachweisen konnten. 108 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ Seite 108 Abb. 5 Karte des antiken Siedlungszentrums von Tayma' in Qraya DAI Orient-Abteilung/J. Krumnow 109 Stationen der Besiedlungsgeschichte In Tayma’ wurden sechs Hauptperioden identifiziert, die durch die Schichtenabfolge von Bauwerken und Nutzungshorizonten oder durch Artefakte nachgewiesen und archäologisch, epigraphisch oder naturwissenschaftlich datiert wurden (Hausleiter 2010). Sie reichen von der Jungsteinzeit (Neolithikum) bis zu rezenten Beduinencamps im Ruinengebiet und decken damit mehr als 6000 Jahre ab. Periode Zeitraum Datierung Nachweis 1 Modern ab 20. Jh. Temporäre Siedlungsreste 2 Islamisch 7.–19. Jh. Siedlungsreste, Inschriften 3 4. Jh. v. Chr. – 6. Jh. n. Chr. Siedlungsreste, Hellenismus bis Friedhöfe, Spätantike 7.–5. Jh. v. Chr. Artefakte, Inschriften Späte Eisenzeit Mittlere Eisenzeit 9.–8. Jh. v. Chr. 4 Frühe Eisenzeit 12.–9. Jh. v. Chr. Siedlungsreste, Artefakte 5 Mittlere und Späte Bronzezeit 20.–13. Jh. v. Chr. Siedlungsreste (Stadtmauer) Artefakte (?) 6 Neolithikum Post-Neolithikum Frühbronzezeit 5.–3. Jt. v. Chr. Artefakte Beginnende Sesshaftigkeit und Ausbau der Siedlung (5000–2000 v. Chr.) Die frühesten archäologischen Reste (Neolithikum bis Frühbronzezeit) bestehen aus sporadischen Oberflächenfunden von Pfeilspitzen (Abb. 6). Überreste einer Karneolperlenproduktion mit Steingeräten aus Flint lassen sich am Rande der Sabkha in Abfallhalden lokalisieren, von wo aus sie mit dem Lehm, der für Lehmziegel benötigt wurde, in die Siedlung gelangten (Abb. 7a–b). Die Artefakte sind mit Steinwerkzeugen aus chalkolithischen Kontexten in anderen Regionen des Vorderen Orients zu vergleichen. Hinweise auf die Subsistenzformen während des Neolithikums ergeben sich aus den zahlreichen Felsbildern in Nordwestarabien. Sie bilden unter anderem Hirten mit ihren Tieren ab, zu denen auch Rinder gehörten. Es lässt sich, analog zu den für die Sahara vorgeschlagenen Hypothesen einer allgemeinen Entwicklung, vermuten, dass diese mobilen Gruppen die Süßwasserseen der arabischen Wüsten zum Tränken ihrer Tiere nutzten, bevor diese Seen dann austrockneten. In Tayma’ deutet sich eine Sesshaftigkeit des Menschen ab dem Ende des 4. Jts. v. Chr. an (Engel et al. 2011). 110 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ 111 Es lässt sich jedoch noch nicht eindeutig nachweisen, an welcher Stelle in Tayma’ die Besiedlung der folgenden Jahrhunderte lokalisiert werden kann. Vorstellbar wäre der überbaute Bereich der heutigen Palmoase nahe an der Sabkha. Sollten sich die mit optisch stimulierter Lumineszenz (OSL) erzielten Datierungen von Ablagerungen an der äußeren Stadtmauer in das 3. Jt. v. Chr. bewahrheiten, so wäre die erste Umfassung des Siedlungsgebiets Qraya bereits zu dieser Zeit erfolgt. Dazu könnte zivilisationsgeschichtlich passen, dass im jemenitischen Hochland inzwischen urbane bronzezeitliche Siedlungen identifiziert wurden (Schiettecatte 2010). In diesem Zusammenhang könnten die spektakulären Bronzewaffen syro-levantinischen Typus’ aus Tayma’ ein Zeugnis für überregionale Kontakte bereits um 2000 v. Chr. sein (Abb. 9, siehe dazu den Themenkasten von M. al-Hajiri, S. 112). Konsolidierung und regionale Netzwerke (2000–1200 v. Chr.) Folgt man allein der archäologisch-stratigraphischen Datierung der Stadtmauer, wurde frühestens um die Mitte des 2. Jts. v. Chr. die Siedlung von Tayma’ substanziell erweitert und mit einer massiven Umfassungsmauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln und Sandstein versehen. Größe und Ausmaß implizieren nicht nur das Vorhandensein administrativer und personeller Ressourcen, sondern auch die Notwendigkeit zur Errichtung von Befestigungsanlagen. Eine völlige Abkoppelung Nordwestarabiens von den spätbronzezeitlichen städtischen Palastkulturen Syro-Mesopotamiens, Ägyptens und der Levante wird damit weniger wahrscheinlich als bislang angenommen. Dafür sprechen nun auch archäometrische Untersuchungen an Scherben der bemalten „Qurayyah Painted Ware“ aus Tayma’ (Abb. 8) und der Oase Qurayyah (nahe Tabuk). Demzufolge lässt sich während der Späten Bronzezeit an mehreren Oasen eine entwickelte Keramiktechnologie nachweisen, die im Stande war, Produkte einer regionalen Keramiktradition mit vor Ort vorhandenen Mitteln standardisiert zu produzieren. Dies könnte in letzter Konsequenz bedeuten, dass der nordwestarabische Raum bereits während der Späten Bronzezeit ökonomisch und kulturell eigenständig war. Damit würde die früher von P. J. Parr vorgetragene Hypothese einer allein auf ägyptischer Intervention beruhenden Blüte einzelner Oasen Nordwestarabiens erheblich an Gewicht verlieren. Die noch ausstehende Entdeckung jener Reste, welche die ‚Herrscherelite‘ von Tayma’ repräsentieren, könnte dazu beitragen, diese Rekonstruktion auf eine bessere Grundlage zu stellen. Auch die von Ch. Robin (2008) postulierte bedeutende Rolle von Tayma’ bei der Entstehung des südsemitischen Alphabets könnte damit eine Entsprechung im archäologischen Befund erhalten. Abb. 6 Neolithische Pfeilspitzen, Klingen und gezähnter Sicheleinsatz aus Tayma' (Oberflächenfunde) Foto: DAI Orient-Abteilung/M. Cusin Abb. 7a–b Fragmente chalkolithischer Karneolperlen (a) und Bohrer (b) vom Rande der Sabkha Foto: DAI Orient-Abteilung/ J. Kramer Abb. 8 Scherben der bemalten Qurayyah Painted Ware aus Tayma' ca. 13.–12. Jh. v. Chr. Foto: DAI Orient-Abteilung/ J. Kramer Internationale Kontakte: Ägypten und Assyrien (1200–600 v. Chr.) Überreste der Frühen Eisenzeit (12.–10./9. Jh. v. Chr.) befinden sich im südwestlichen Teil von Qraya nahe der äußeren Mauer (Areal O). Eingefasst von einer massiven, 2 m Meter dicken Mauer war ein langrechteckiges Gebäude (12 × 20 m), das von mindestens einer Reihe von Pilastern umgeben war und über einen vorgelagerten gepflasterten Bereich verfügte. Auf dem Gelände befand sich eine kleine Zisterne (Abb. 11). Fragmente zahlreicher unbemalter Keramikbecher geringer Größe deuten hier auf eine häufige Verwendung von Flüssigkeiten. Daneben wurden Schalen und Kelche einer mehrfarbig braun und rot bemalten Keramik verwendet, deren hervorstechendes Merkmal eine Kombination aus Vogeldarstellungen und geometrischen Motiven ist. 112 DAS ANTIKE TAYMA’ Syro-levantinische Bronzewaffen aus Tayma' Bei Rettungsgrabungen der saudischen Antikenverwaltung im Jahr 2003 wurden im Industriegebiet von Tayma' (Sana'iye) zwei Bronzewaffen in sekundärem Kontext entdeckt, deren Verbreitungsgebiet in Syrien und der Levante liegt. Chronologisch stehen diese Waffen in der Zeit um 2000 v. Chr., der ausgehenden Frühen Bronzezeit und der beginnenden Mittelbronzezeit. Bei den Waffen handelt es sich um eine Fensteraxt und einen Rippendolch, Objekte, die in dieser Kombination als Zeremonialwaffen in sog. Kriegergräbern belegt sind. Das gemeinsame Auftreten dieser Objekte in Tayma' ist nicht nur der erste Beleg auf der Arabischen Halbinsel, sondern legt auch 113 Diese Keramik dürfte eine Weiterentwicklung der oben genannten Qurayyah Painted Ware sein. Das Gebäude enthielt in seinem verbrannten Schutt größere Mengen an Objekten aus Elfenbein, Holz, Knochen und Fayence. Darunter befinden sich Spielsteine, Amulette sowie glasierte Gefäßfragmente mit Parallelen in der Frühen Eisenzeit. Einlegefriese aus Knochen und Holz gehörten zu Behältern, von denen einige auch mit ostmediterranen Dekorationsmotiven (guilloche), die seit der Späten Bronzezeit bekannt sind, geritzt waren. Mehrere ägyptische Götterfiguren, Gefäßfragmente und ein Menschenkopfskarabäus aus Fayence sprechen nicht nur für enge Kontakte zwischen Tayma’ und Ägypten (Abb. 10), sondern deuten darauf, dass es sich bei dem Gebäude in Areal O tatsächlich um einen Tempel gehandelt haben könnte (Sperveslage, im Druck). Dass sein Grundriss nicht mit gleichzeitigen Tempelbauten der Nachbargebiete exakt vergleichbar ist, könnte auf die Herausbildung einer nordwestarabischen Bautradition hinweisen. Ein kultischer Zusammenhang ließe sich dann auch für die zahlreichen Becher in Anspruch nehmen, da in dessen Kontext Flüssigkeiten im Rahmen von Ritualen konsumiert oder dargebracht worden sein könnten. Wenngleich eine vor kurzem westlich von Tayma’ entdeckte Kartusche des ägyptischen Pharaos Ramses III. (13.–12. Jh. v. Chr.) ein starkes Indiz für ägyptische Kontakte tief nach Nordwestarabien ist, ist die Natur dieser Kontakte noch nicht klar zu erkennen. Der Tempel wurde nach dem Feuer, das ihn zerstörte, nicht wiederaufgebaut. Verlassen und nicht wieder besiedelt wurden auch andere früheisenzeitliche Bauten an der äußeren Stadtmauer (Areal A). Aus der Mittleren Eisenzeit (ca. 8.–7. Jh. v. Chr.), in welcher der Norden Arabiens in das Blickfeld des Assyrischen Reiches geriet, sind paradoxerweise bislang nur wenige Horizonte bekannt. Dabei waren bereits vor mehreren Jahrzehnten Keramikformen aus Tayma’ als „assyrisch“ angesprochen worden, doch war ihr Fundkontext unbekannt. Stratifizierte Ablagerungen weisen nun Keramik mit syro-mesopotamischen Formen auf, die eine Kontinuität der Besiedlung während der Eisenzeit untermauern. die Vermutung nahe, dass sie auch zusammen hierher gelangt sind. Sollte dies bereits um 2000 v. Chr. geschehen sein, wäre dies nicht nur der erste Beleg für Artefakte aus dieser Zeit in Tayma', sondern auch für entsprechende Kontakte in den Nordwesten. Möglich ist jedoch auch, dass die Stücke später nach Tayma' gerieten. Die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Nekropole war in der Mittleren Eisenzeit (ca. 9.–5. Jh. v. Chr.) belegt. Die Waffen werden derzeit mittels Röntgenfluoreszenzanalyse auf ihre Provenienz hin untersucht. Mahmud al-Hajiri Friedhöfe und Bestattungssitten der Eisenzeit Abb. 10 Fragment einer ägyptischen Stierstatuette (Apis) aus Fayence (Areal O) Foto: DAI Orient-Abteilung/J. Kramer Abb. 9 Bronzewaffen aus Tayma': Rippendolch und Fensteraxt Foto: DAI Orient-Abteilung/I. Wagner Die Bedeutung des Ortes während der Mittleren und Späten Eisenzeit wird überdies durch ausgedehnte Friedhöfe in Tayma’ und Umgebung bezeugt (Sana’iye, Tal’a), die in die Zeit zwischen der ersten Hälfte bis zur Mitte des 1. Jts. v. Chr. datiert wurden (Eichmann 2009b). Die Gräber bestehen aus Gruppen rechteckiger, nebeneinander gesetzter Steinkisten, in denen Kollektivbestattungen vorgenommen wurden (Abb. 13). Daneben gibt es auch runde Grabbauten mit rechteckigen Annexen. Neben Keramik und Schmuck belegen die vergesellschafteten Objekte die soziale Differenzierung der Bestatteten (Lora, Petiti & Hausleiter 2010). Bei der bemalten Keramik setzen sich einige Dekorationselemente aus der Früheisenzeit fort, doch ist die Umsetzung oft sehr kursorisch (Abb. 12). In technologischer Hinsicht sind ebenfalls Unterschiede feststellbar. In Qraya wurde diese Keramik nur in Schutt- und Füllschichten beobachtet, weshalb anzunehmen ist, dass die gleichzeitige Bebauung später vollständig beseitigt wurde. Einige massive Mauerreste auf dem Felsboden von Qraya stammen möglicherweise aus dieser Zeit. 114 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ 115 Abb.11 Früheisenzeitlicher Tempel in Areal O DAI Orient-Abteilung/J. Krumnow Abb. 12 Bemalte Keramik des 1. Jts. v. Chr. aus dem Friedhof von Tal'a Foto: DAI Orient-Abteilung/J. Kramer Abb. 13 Grabanlagen des 1. Jts. v. Chr. in Tal'a Foto: DAI Orient-Abteilung/A. Beuger Babylonische Besetzung und Tendenzen zur Autonomie (600–400 v. Chr.) Ebenso wie die Zeit der assyrischen Kontakte ist der zehnjährige Aufenthalt des babylonischen Herrschers Nabonid (556–539 v. Chr.) in Tayma’ bisher durch Baureste nicht eindeutig zu fassen. Mehrere Textzeugen in babylonischer Keilschrift aus dem Siedlungszentrum sind jedoch diesem König zuzuweisen. Hinzu kommen Widmungsinschriften in taymanitischer Schrift in der Umgebung der Ruine (Müller & AlSaid 2002). Als Werke Nabonids sind eine Rundbogenstele mesopotamischen Typus’ und zwei Fragmente einer vermutlich dazugehörigen Basis in Form einer Scheibe anzusprechen. Während die fragmentarische Weihinschrift der Stele die Ausstattung Seite 115 Abb. 14 Stele des Nabonid, König von Babylon Obj. Nr. 102 (mit Umzeichnung) Mitte des 6. Jhs. v. Chr. Sandstein 51 × 59 × 10 bis 12 cm Tayma', Areal E, im Schutt östlich von Tempel E-b1 Saudisch-Deutsche Archäologische Expedition, Tayma' Museum, TA 488 a Foto: DAI Orient-Abteilung / M. Cusin b Zeichnung: DAI Orient-Abteilung / T. Rickards von Tempeln in Babylon behandelt – mit Erwähnung des dortigen Stadtgottes Marduk und seiner Gattin Zarpanitu –, ist der Name des Herrschers Nabonid im Text der Basis erhalten – erstmals in Keilschrift in Tayma’. Die Stele zeigt den Herrscher vor den astralen Symbolen der babylonischen Götter Sin (Mondscheibe und -sichel), Shamash (Sonne) und Ishtar (Stern. Eichmann, Schaudig & Hausleiter 2006. Abb. 14). Der Fundort dieser Objekte im Umfeld eines Tempels (Gebäude E-b1/Areal E), der wahrscheinlich erst 150 Jahre später errichtet wurde, suggeriert eine Verbindung mit einem Tempel, der hier ebenfalls stand. Für diese Annahme und die damit verbundene kultische Bautradition in Qraya spräche, dass im selben Kontext ein skulptiertes Bukranion gefunden wurde, das jenem auf der seitlichen Abbildung der Tayma’-Stele ähnlich sieht (ca. 5.–4. Jh. v. Chr.) und damit im Übrigen einen Hinweis auf ihren früheren Aufstellungsort gibt. Das Aussehen eines Tempelschreins dieser Zeit ist aus dem Qasr al-Hamra im Nordwesten der Ruine überliefert. Hier wurden der al-Hamra-Würfel und die al-HamraStele in originaler Fundlage entdeckt, die zusammen mit anderen Paraphernalia Voraussetzungen für die Rekonstruktion der Anlage im Zusammenhang mit der Vereh- 116 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ rung des Gottes Ṣalm R/DB in diesem Gebäude liefern. Die Darstellung eines Bukranions und eines Stiers nach Art des Apis-Stiers auf dem al-Hamra-Würfel folgt ägyptischen Darstellungsformen. Ein ähnlicher Stier ohne Sonnenscheibe wurde wiederum auf einem Relief im Tempel von Qraya gefunden, das damit zwar einerseits eine einheitliche Ikonographie in der Darstellung des Gottes Ṣalm in Tayma’ sichtbar werden lässt, andererseits aber eine Differenzierung in der Verteilung von Stierdarstellungen mit (Qasr al-Hamra) und ohne Sonnenscheibe (Tempel von Qraya) andeutet. Die Herkunft des in Tayma’ verehrten „aramäischen Pantheons“ um die Götter Ṣalm, Ashima und Shengalla weist dabei eindeutig auf Syrien (Maraqten 1996; Hausleiter 2011). Historisch bedeutend ist die Nennung eines „Sohnes der Könige von Lihyan“ auf der al-Hamra-Stele. In einer neu gefundenen Inschrift aus Qraya wird wiederum dessen Sohn – nun als König von Lihyan – genannt, was Peter Stein (im Druck) dazu veranlasst, hier den Übergang von der vorausgehenden Achämenidenherrschaft, welche durch die Tayma’-Stele repräsentiert ist, auf die Dynastie von Lihyan zu erkennen. 117 Abb. 16 Wohngebiet (nabatäische bis spätantike Besiedlung) DAI Orient-Abteilung/ J. Krumnow Regionale Mächte: die Dynastie von Lihyan in Tayma’ (400–ca. 150 v. Chr.) Während der Zeit dieser Dynastie von Lihyan (etwa 4.–2. Jh. v. Chr.) aus Dedan (modern al-Khurayba), in der Oase von al-’Ula, geriet Tayma’ vermutlich in eine Form der Abhängigkeit von Dedan, die im Zusammenhang mit der Kontrolle der Handelsstraßen stand. Bereits während der neuassyrischen und spätbabylonischen Zeit war Dedan ein bedeutender Machtfaktor in der Region. Felsinschriften in der Umgebung von Tayma’ bezeugen „Kriege“ zwischen Tayma’ und Dedan, Massa und Nabayat. König Tulmay (auch: Tilmī?) von Lihyan deponierte während seiner 44 Regierungsjahre im Abstand von maximal zehn Jahren seine Inschriften in dem Tempelgebäude von Qraya (Regierungsjahre 4, 20, 30 und 40). Vermutlich in dieser Zeit wurden mehrere überlebensgroße männliche Statuen so wie in Khurayba auch in Tayma’ am Tempel aufgestellt (Abb. 1). Eine derjenigen aus Khurayba trägt eine Königsinschrift, weshalb zu vermuten ist, dass auch die Statuen aus Tayma’ königliche Darstellungen sind. Das oben genannte Gebäude E-b1 in Areal E (Abb. 15) war in dieser Zeit über eine ver- Abb. 15 Tempel E-b1 in Qraya Foto: DAI Orient-Abteilung/J. Kramer mutlich von Sphingen flankierte monumentale Treppenanlage und eine Eingangsplattform erreichbar; am Tempel, aus dem Kanäle Flüssigkeiten entwässerten, befanden sich mehrere riesige Becken. Ein 15 m langer unterirdischer Tunnel verband den Tempel mit einem Brunnen und gewährleistete damit eine ungestörte Wasserversorgung. Aus einer späteren Fußbodenfüllung des Gebäudes stammt die Imitation einer Athena-Münze des späten 4. oder frühen 3. Jhs. v. Chr. 118 ARNULF HAUSLEITER DAS ANTIKE TAYMA’ Anzeichen für die politische und administrative Organisation werden durch die aramäische Inschrift eines lihyanischen Gouverneurs von Tayma’ sichtbar, der in die Stadtmauer „eine Bresche schlagen“ lässt, also Baumaßnahmen durchführte. Dies könnte bedeuten, dass zu dieser Zeit nicht nur die innere Mauer (der Fundort der Inschrift) bereits stand, sondern dass auch die tatsächliche Siedlungsgröße der Oase erheblich zurückgegangen war. Die äußere Stadtmauer war bereits seit der Frühen Eisenzeit von Dünen zugeweht und konnte ihre Verteidigungsfunktion nicht mehr uneingeschränkt wahrnehmen. Vermutlich hängt der Rückgang der Siedlungsgröße auch mit dem Verlust der politischen Autonomie der Oase zusammen. Wo außerhalb der inneren Mauer während der Frühen Eisenzeit noch ein Tempel stand, befand sich nun ein Begräbnisplatz. Hier wurden mehrere Grabstelen mit schematischer Wiedergabe eines Gesichts und kurzer aramäischer Namensinschrift als Grababdeckung wiederverwendet. Während diese sog. Augenstelen Parallelen zu südarabischen Grabmonumenten aufweisen, zeigen neu gefundene Grabstelen mit Reliefs Motivübernahmen aus Syrien und Assyrien, die jedoch eigenständig kombiniert werden (siehe Beitrag R. Eichmann, Abb. 5). Die Inschriften weisen auf das 5./4. Jh. v. Chr., also in die Zeit vor der lihyanischen Dynastie. Südlich des Tempels E-b1 (in Areal F) wurden die Grundlagen für die Nutzung als Wohngebiet gelegt, die bis in die Spätantike fortdauern sollte. Abb. 18 Nabatäische Grabinschrift des Vorstehers von Tayma' aus dem Jahr 203 Foto: DAI Orient-Abteilung/J. Kramer Der administrative und repräsentative Schwerpunkt der Siedlung verlagerte sich nun nach Norden, auf eine palastartige Anlage, die sich über annähernd 2 ha erstreckte. Große Höfe gliedern diesen Komplex, von dessen Ausstattung sich nichts erhalten hat. Die einzige Schriftquelle aus dieser Zeit in Tayma’ bildet eine auf das Jahr 203 datierte, doch in sekundärem Kontext bei Bauarbeiten gefundene Grabplatte in Form einer tabula ansata, die einen Vorsteher von Tayma’ zusammen mit einer Reihe weiterer jüdischer Namen nennt und damit auf die einst bedeutende jüdische Gemeinde des Ortes verweist (al-Najem & Macdonald 2009. Abb. 18). Obwohl keine stratigraphische Verbindung mit dieser Inschrift existiert, geben diese architektonischen Überreste eine sehr deutliche Vorstellung von Größe und Bedeutung der Siedlung. Möglicherweise ist dieser Periode auch das Qasr al-Radm zuzuschreiben, eine rechteckige Anlage mit turmartigen Verstärkungen, die innerhalb der nordwestlichen Stadtmauer liegt und einen Brunnen umschließt. Verlagerung des Zentrums in die Palmoase: Islamische Periode (ab 600 n. Chr.) Innerhalb von Qraya verlagert sich nach der Islamisierung der Siedlungsschwerpunkt nun nach Nordwesten und Norden. Die Bauten dieser Periode sind hier auf Sand gegründet und unterscheiden sich im Raumkonzept von den präislamischen Gebäuden (Eichmann 2009b). Die historische arabische Überlieferung über das wohlhabende Tay- Wechselhafte Entwicklungen: Nabatäer bis Spätantike (ca. 150 v. Chr. – ca. 600 n. Chr.) Der Grundriss des Tempels in Areal E wurde während der nabatäischen Zeit umstrukturiert. Neben dekorativen Bauelementen deuten eine Inschrift und eine Nennung König Aretas’ IV. auf Verbindungen nach Mada’in Salih/Hegra, dem politischen Zentrum des südlichen Nabatäerreichs. Münzen, mehrere beschriftete Weihrauchbrenner unterschiedlicher Form, eine Adlerdarstellung und Fragmente beschrifteter Keramikgefäße wurden auch im Wohngebiet südlich des Tempels entdeckt. In der nabatäischen bis spätrömischen Keramik Tayma’s deuten sich überregionale Standardisierungen an, die nach Mada’in Salih und bis nach Petra reichen (Abb. 17). Vermutlich der späten Nabatäerzeit ist die Errichtung eines Großbauwerks zuzuweisen: eines mehr als 500 m langen, 12 m breiten und bis zu 6 m tief in den Fels gehauenen Grabens, der an der inneren Stadtmauer entlang führt und vermutlich dem Hochwasserschutz diente. Sein Aushub wurde für die Füllung der neu errichteten Doppelschalenmauer verwendet, die auf der früheren, wahrscheinlich lihyanischen (oder älteren) Mauer aufsaß. Das Wohngebiet südlich des Tempels wurde auch während der Spätantike weiter genutzt (Abb. 16). Mehrere quadratische Häuser mit jeweils etwa 100 m2 Grundfläche und Überresten des Inventars (Keramik, Küchengeräte zur Nahrungsverarbeitung) sind erhalten. Allerdings deuten die Umstrukturierungen in der Architektur auf soziale und wirtschaftliche Umwälzungen, denn die Bauwerke werden durch kleinere, unregelmäßige und weniger sorgfältig errichtete Gebäude ersetzt. In diese Zeit dürfte auch die Reorganisation des Bereichs öffentlicher Bauwerke in Qraya fallen: Der Tempel dürfte im 3. Jh. n. Chr. endgültig seine Funktion verloren haben – der einstige Hallenbau wurde in kleine Raumeinheiten unterteilt. Fragmente lihyanischer Statuen und Inschriftenpfeiler des Königs Tilmī von Lihyan wurden als Baumaterial wiederverwendet. 119 Abb. 17 Fragmentarisches Vorratsgefäß der nabatäischen Periode Foto: DAI Orient-Abteilung/M. Cusin Abb. 19 Frühislamische Baureste im nördlichen Bereich von Qraya (Areale C und Z) DAI Orient-Abteilung/ J. Krumnow 120 ARNULF HAUSLEITER ma’ lässt sich zwar kaum direkt mit den archäologischen Befunden in Verbindung bringen, doch zeugt eine quadratische Anlage von 2.500 m2 Ausdehnung von einer gewissen Größe (Abb. 19). Sie diente wahrscheinlich als Warenumschlagplatz. Mehrere kleine Gehöfte dürften kurz nach dem 8./9. Jh. errichtet worden sein, wie dies auch für einen größer angelegten Baukomplex nördlich des Wadis von Qraya gilt. In ihrer Konzeption als Gebäude mit vorgelagertem Hof sind einige dieser Gehöfte mit jenen zu vergleichen, die in Tell Mabiyat südlich von al-’Ula ausgegraben wurden. Einen festungsartigen Charakter weist die nördlich des Qasr al-Radm gelegene Anlage al-Bujidi auf, deren Keramik auf ayyubidische oder fatimidische Parallelen verweisen könnte. Wann es zur Aufgabe der frühislamischen Besiedlung in Qraya gekommen ist, kann bisher nicht präzisiert werden. Größere Eingriffe in den alten Baubestand fanden arabischen Inschriften zufolge im 9./10. Jh. statt. Ihre Fundumstände im Schutt des Tempels von Qraya deuten auf eine Zerstörung der antiken Bauwerke hin, vielleicht im Rahmen der Entnahme von Baumaterialien. Es ist anzunehmen, dass sich die Siedlung zu jener Zeit in den Bereich der heutigen Altstadt verlagerte, nahe an die Palmoase, und dabei erneut an Größe einbüßte. Frühestens dem islamischen Mittelalter gehört dementsprechend das östlich des Bir Hadaj gelegene Qasr ibn Rumman an, der Sitz des Gouverneurs von Tayma’ bis zur Einigung des Königreichs durch König ‘Abd al-’Aziz al-Sa’ud. Die antiken Ruinen von Tayma’, welche sich schon zu Zeiten des Dichters Imru’ al-Qays (ca. 6. Jh. n. Chr.) den extremen klimatischen Einflüssen widersetzen mussten, wurden vom Sand verweht und waren längst verlassen worden. Allein die großartigen Mauern zeugen von der einstigen Bedeutung der Oase von Tayma’, die mehrere Jahrtausende zuvor ihren Ausgang genommen hatte.1 1 Vorberichte über die Ausgrabungen der saudischen Antikenverwaltung und des deutsch-saudischen Kooperationsprojekts sind in der Zeitschrift „Atlal“ erschienen. Jährliche Kurzberichte werden seit 2005 in den Jahresberichten des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) veröffentlicht. Internetseiten des Projekts: „Archäologie der Oase Tayma’, Saudi-Arabien“, www.dainst.org/de/project/Tayma’?ft =all. 121 Objekte Tayma' Schale mit schwarzer und roter Bemalung Obj. Nr. 83 12.–9. Jh. v. Chr. (Frühe Eisenzeit) Keramik H. 11,5 cm, Dmr. 28 cm Tayma', Areal O Saudisch-Deutsche Archäologische Expedition, Tayma' Museum, TA 4300 122 Große Schale mit schwarzer und roter Bemalung Obj. Nr. 84 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Keramik mit hellem Überzug und mit in sehr feinem Pinselstrich aufgetragener Bemalung. H. 22 cm, max. Dmr. 34 cm Tayma', Sana'iye, Grab Nr. 4 Nationalmuseum, Riad, 151 123 Flache bemalte Schale Obj. Nr. 91 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Keramik, heller Überzug und braune Bemalung. Dmr. 14 cm Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 521 Tiefe bemalte Schale Obj. Nr. 85 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Keramik H. 13,5 cm, Dmr. 18 cm Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 530 Halskette oder Armband Obj. Nr. 100 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Muschel, Karneol, glasartiges Material oder Stein. Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 1508 Muschelarmreifen Obj. Nr. 97 a–c erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Muschel Dmr. 6 bis 9 cm Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 21386 Kleiner Krug Obj. Nr. 93 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Keramik, poliert, weiße Kalkfarbe (Barbotine), Stempelmuster. H. 19,5 cm, Dmr. max. 11,5 cm Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 533 Flache bemalte Schale Obj. Nr. 90 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Keramik, rotbraune und weiße Bemalung Dmr. 19,5 cm Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 524 Krug (oben rechts) Obj. Nr. 95 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Die beiden Krüge (Nr. 95, 96) mit langem engen Hals sind eventuell Importe aus der Levante. Keramik mit rotem polierten Überzug H. 34,5 cm, Dmr. max. 16,5 cm Tayma' Nationalmuseum, Riad, 21386 Halskette oder Armband Obj. Nr. 99 erste Hälfte bis Mitte des 1. Jts. v. Chr. Muschel und Perlmutt Tayma', Sana'iye Nationalmuseum, Riad, 1514 Scheibenförmiges Objekt mit einer Inschrift von König Nabonid Obj. Nr. 102 Mitte des 6. Jhs. v. Chr. (Regierungszeit von Nabonid, König von Babylon) Sandstein 40 × 16 × 7,5 cm, Dmr. rekonstruiert: ca. 80 cm Tayma', Areal E, im Schutt östlich von Tempel E-b1 Saudisch-Deutsche Archäologische Expedition, Tayma' Museum, TA 9208 und TA 3656 (rechts) Sockel/Altar mit rituellen Szenen („al-Hamra cube“) (oben mitte) Obj. Nr. 103 5.–4. Jh. v. Chr. Sandstein 38 × 39 × 41 cm Tayma', Qasr al-Hamra, Raum 1 Nationalmuseum, Riad 1021 al-Hamra-Stele Obj. Nr. 104 ca. 4. Jh. v. Chr. Sandstein 45 × 16 × 102 cm Tayma', Qasr al-Hamra, Raum 1 Nationalmuseum, Riad 1020 „Augen-Stele“ mit Gesicht und aramäischer Inschrift (oben rechts) Obj. Nr. 107 5.–4. Jh. v. Chr. Sandstein 26 × 15 × 72 cm Tayma', Streufund Tayma' Museum, T/M/119 Fragment einer Statue Obj. Nr. 109 4.–2. Jh. v. Chr. Sandstein 120 × 57 × 46 cm Tayma', Areal E, in der Spätantike in einer Mauer von Tempel E-b1 verbaut Tayma' Museum, TA 200 298 LITERATURVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis Alsharekh, A. M. S. 2006 The Archaeology of Central Saudi Arabia: Investigations of lithic artefacts and stone structures in northeast Riyadh. Riad. Alster, B. 1983 CIS II 1889– Corpus Inscriptionum Semiticarum. Pars II. Inscriptiones Aramaicas Continens, Académie des Inscriptions & Belles-Lettres. Paris. EI 1954–2006 Encyclopaedia of Islam. 2nd ed., 12 vols., hrsg. von P. Bearman et al. 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