SONNENBURG Materialfundus Finde das schwarze Schaf

Transcrição

SONNENBURG Materialfundus Finde das schwarze Schaf
Finde das schwarze Schaf!
Aus der Arbeit der Grundschulwerkstatt der Humboldt-Universität zu Berlin
Vier weiße und vier schwarze Keramik-Schäfchen als Dekofiguren auf dem Regal
sollten Studierende der Grundschulpädagogik insperieren, in der Projektarbeit
grundschulbezogen Theorie und Praxis zu verbinden.
Die Projektidee / -aufgabe dazu: Stellen Sie durch eine vorbereitete Lernumgebung
grundschulrelevante Theoriebezüge zu Ausbildungsinhalten der studierten
Lernbereiche (Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, musisch-ästhetische Erziehung)
her!
Erste Ideen, Themenfelder und Theoriebezüge wurden benannt: Sachaufgaben in
Mathematik, das „EIS-Prinzip“ nach BRUNER1, handlungsorientiert sinnliche
Erfahrungen beim Herstellen von Keramiken machen, „entdeckendes Lernen“,
„Lernen mit allen Sinnen“, Begriffsbildung, „natürliche Differenzierung“ nach
WITTMANN2, Grammatik-Werkstatt nach RÜTIMANN 19933 und MENZEL 19994, …
Aus der Diskussion angedachter theoretischer Bezüge erwuchs die Projektidee
Finde das schwarze Schaf!
Sprache und Sprachgebrauch mit Grundschulkindern untersuchen“.
Nachstehende Projektskizze verdeutlicht das Vorgehen:
Klärung des Begriffs „schwarzes Schaf“
Diskussion, wie viele „Schafe“ den Sinngehalt verdeutlichen sollen
(Mengenlehre: mindestens fünf Elemente)
Erkundung, ob sich das „EIS-Prinzip“ anhand einer gestalteten
Lernumgebung insbesondere sprachbezogen (Sprache und Sprachgebrauch
untersuchen, Lernbereich Deutsch) anwenden lässt
Anfertigen von Hilfsmitteln für das Projekt
Übertragen der Erkenntnis auf weitere Beispiele
Erarbeiten von Lernmaterialien
Projektreflexion
Klärung des Begriffes „schwarzes Schaf“
Begriffe mit übertragener Bedeutung sind für Grundschulkinder schwer fasslich. Mit
dem sprichwörtlichen Ausdruck „schwarzes Schaf“ wird meist ein Gruppenmitglied,
1
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jerome_Bruner, letzter Aufruf: 4.2.2011
Vgl. Wittmann, E. Ch./ Müller, G.N. (1990/ 1992): Handbuch produktiver Rechenübungen. Bd. 1:
Vom Einspluseins zum Einmaleins. Bd. 2: Vom halbschriftlichen zum schriftlichen Rechnen. Klett:
Stuttgart/ Leipzig.
3
MENZEL, W.: Grammatik-Werkstatt. Theorie und Praxis eines prozessorientierten
Grammatikunterrichts für die Primar- und Sekundarstufe. Kallmayer 1999
4
Vgl. RÜTIMANN, H.: Sprachentdecker. Eine Grammatik-Werkstatt. Zytglotte 1993
2
ein Element einer Menge bezeichnet, das sich von den anderen durch ein Merkmal
unterscheidet. Es war herauszuarbeiten, in welcher Weise der meist negativ besetzte
Begriff „schwarzes Schaf“ (z.B. sozialer Außenseiter einer Gruppe, Repräsentant
krimineller Machenschaften, …) für die Lernumgebung produktiv gemacht werden
kann. Im Projekt sollte der Begriff „schwarzes Schaf“ keine negative Bedeutung
haben, sondern lediglich für ein u n t e r s c h e i d e n d e s Merkmal stehen. Dies
sollte im sprachlichen Bereich Anwendung finden (z.B. schwarzes Schaf, weißes
Schaf). Dies stellt einen hohen Abstraktionsgrad dar.
So kann man den Erkenntnisprozess unterstützen:
Reihe A:
In Reihe A unterscheidet das schwarze Schaf von den anderen Schafen durch die
Fellfarbe und die Blickrichtung.
Reihe B:
In Reihe B sind zwei schwarze Schafe zu identifizieren. Die „Unterscheidungs-These“
trifft auf zwei Elemente wegen der Fellfarbe und der Blickrichtung zu.
Reihe C:
In Reihe C ist das weiße Schaf das eigentlich „schwarze Schaf“ (Fellfarbe,
Blickrichtung).
Reihe D:
In Reihe D ist das grüne Schaf als „schwarzes Schaf“ zu identifizieren, weil es ein
grünes „Fell“ hat, voll aus Keramik besteht, eine andere Funktion (Sparbüchse) hat,
im Original auch viel größer ist und in eine andere Richtung blickt.
Diskussion, wie viele „Schafe“ den Sinngehalt verdeutlichen sollen
Die Studierenden kamen zu der Auffassung, dass das simultane Erfassen einer
Menge von Elementen durch Grundschulkinder gut gelingen kann, wenn die Menge
(Gruppe der Schafe) nur etwa fünf Elemente enthält. Differenzierend kann aber auch
wie im folgenden Sprachbuchbeispiel mit mehr Elementen einer Menge gearbeitet
werden:
Beispiel für ein Differenzierungsaufgabe „Finde die schwarzen Schafe!“ Aus:
Sprachfreunde 4. Ein Sprachbuch für die Grundschule. Volk und Wissen Berlin 2010,
S. 41
Anregungen aus der Projektarbeit der Studierenden wurden in die Handreichungen
zum Sprachbuch übernommen.
Erkundung, ob sich das „EIS-Prinzip“ anwenden lässt
Das von J. BRUNER entwickelte Unterrichtsprinzip „E-I-S“ orientiert sich als
Abkürzung an den Adjektiven enaktiv (handelnd), ikonisch (bildhaft) und symbolisch
(sprachlich), was das Prinzip im Wesentlichen charakterisiert. Die drei verschiedenen
Darstellungsebenen / Repräsentationsmodi werden insbesondere zur Verdeutlichung
mathematischer Sachverhalte im Unterricht genutzt. Die Kinder entdecken durch
Tätigkeiten / Handlungen (enaktive Ebene), anhand von Bildern (ikonische Ebene)
und durch Zeichen / Sprache (symbolische Ebene) den Lernstoff bzw. Begriffsinhalte.
Die Ebenen stehen in Wechselwirkung zueinander und beeinflussen sich
gegenseitig. Der Sprache fällt dabei nicht nur auf symbolischer Ebene, sondern auch
als verbindendes Element zwischen den Ebenen eine besondere Rolle zu. Dies war
für die Studierenden ein Grund mehr, anhand eines eigentlich sprachlichen
Lernstoffes (Sprache und Sprachgebrauch untersuchen, Lernbereich Deutsch) das
Unterrichtsprinzip zu erproben.
Versuch einer Anwendung des Prinzips:
Drei Formen der Repräsentation von Wissen:
1. Enaktive Repräsentation (Handlungen)
Abb. 1: Konkrete Handlung (Handlung hier im Bild dargestellt.) wird ausgeführt. Auf
dem Tisch stehen fünf Schaf-Figuren. Das schwarze Schaf wird anhand der Fellfarbe
identifiziert und h e r a u s g e n o m m e n.
2. Ikonische Repräsentation (Bilder)
Abb. 2: B i l d h a f t e Darstellung. Eine Abbildung zeigt eine Gruppe von Schafen.
Das schwarze Schaf wird in der Gruppe anhand der im Bild erkennbaren Fellfarbe
identifiziert.
3. Symbolische Repräsentation (Zeichen, Sprache)
ein weißes Schaf, ein weißes
Schaf, ein schwarzes Schaf,
ein weißes Schaf, ein weißes
Schaf
Abb. 3: Die Schafe einer Gruppe werden d u r c h A t t r i b u t e / A d j e k t i v e in
Wortgruppen näher b e z e i c h n e t.
Der Zusammenhang der drei Repräsentationsebenen schafft erst wirklich ein solides
Begriffsverständnis.
Anfertigen von Hilfsmitteln für das Projekt
Die vorhandenen Keramik-Schafe sind ein Hilfsmittel, das als fasslicher Einstieg auf
der enaktiven Ebene benutzt werden kann.
Zur Verdeutlichung von Vor- und Nachteilen von Fotos und Abbildungen werden
Objekt-Arrangements zusammengestellt und fotographiert. Die Fotos stehen auf der
ikonischen Ebene zur Verfügung,
Gesprochene oder geschriebene Sprachbeispiele können auf der symbolischen
Ebene genutzt werden.
Das Zuordnen / Identifizieren der schwarzen Schafe zu Objekten wird durch selbst
hergestellte Schaf-Kärtchen oder Schaf-Vignetten erleichtert.
Abb. 4: Projektbeispiel von Studierenden: Selbst gezeichnete, laminierte und
ausgeschnittene „Schaf-Kärtchen“
Sie können nun Bildelementen, Sprachbeispielen und Gegenständen zugeordnet
werden. Oft reicht es auch schon aus, nur mit den Vignetten „schwarze Schafe“ zu
arbeiten (vgl. auch kleine „Schaf-Vignetten“ auf der Kopiervorlage und Abb. 6).
Für die Tafelarbeit können die „Schaf-Kärtchen auf der Rückseite auch mit Magneten
/ Takkis versehen werden.
Übertragen der Erkenntnis auf weitere Beispiele
Nachfolgend soll eine Auswahl von Beispielen die Projektarbeit illustrieren.
Abb. 5: Projektbeispiel von Studierenden: Ein oder zwei schwarze Schafe?
Abb. 6: Projektbeispiel von Studierenden: Identifizieren eines unterscheidenden
Merkmals durch Zuordnen einer „Schaf-Vignette“.
Abb. 7 Projektbeispiel von Studierenden: A3-Grundblatt mit zugeordneten Objekten
Auf ein großes Blatt (A3, Querformat) werden Schafe gezeichnet, darunter ein
schwarzes Schaf. Objekte werden zur Auswahl gestellt. Das schwarze Schaf wird
identifiziert und alle Objekte werden den Schafen entsprechend zugeordnet.
Als Variante wäre es möglich, den bereitgelegten Objekten „Schaf-Kärtchen“
zuzuordnen.
Es kann auch mit nebeneinander aufgeschriebenen Sprachbeispielen gearbeitet
werden.
Übung zum Erfinden von schwarzen Schafen aus dem
Deutschunterricht
• auf der Buchstabenebene
Beispiel: A, E, N, O, I („O“ ist das schwarze Schaf als einziger Konsonant
unter Vokalen.)
• auf der Wortebene
Beispiel: gelb, orange, rot, fröhlich („fröhlich“ ist das schwarze Schaf als
einziges Adjektiv, das ein Gefühl beschreibt, statt einer Farbe.)
• auf der Wortgruppenebene
Beispiel: laufen können, ein Instrument lernen, schreiben lernen, das 1x1
lernen („laufen können“ ist das schwarze Schaf, weil statt des Verbs
„lernen“ „können“ verwendet wurde.)
• auf der Satzebene
Beispiel: Er wird belohnt, wenn er es schafft. Sie treffen sich, obwohl er
keine Lust hat. Sie hat eine Jacke, falls es regnet. Sofern sie kommen,
Bereich
gehen wir raus. (Das schwarze Schaf ist ein Konzessivsatz unter
Konditionalsätzen.)
Quelle: Nach: KASZTANTOWICZ, V.: Handout zur Projektreflexion
Abb. 8 Projektbeispiel von Studierenden: Klänge
Abb. 9: Projektbeispiel von Studierenden: Fühlen
Abb. 10 Projektbeispiel von Studierenden: Düfte
Abb. 11 Projektbeispiel von Studierenden: Schmecken
((Red.: Bildrechte werden noch eingeholt))
Abb. 11 Projektbeispiel von Studierenden: Welcher Ball wird ohne Schläger/Kelle
bewegt?
Individualisierung des Lernprozesses der Kinder durch „natürliche Differenzierung“
Deutsch: Sprache und Sprachgebrauch untersuchen durch „analytische“ und
„synthetische“ Übungen
Deutsch: Lernstandserhebung (Feststellen, welchen stofflichen Zugang das Kind von
sich aus findet)
Bedeutung und Wirkung von Sprache untersuchen
Bau der Sprache verstehen
Analyse / Synthese
Sprache und Sprachgebrauch untersuchen
durch
analytische Übungen (Sprachrezeption)
(z.B. Ermitteln, Bestimmen, Unterscheiden, Anwenden
von Ermittlungsverfahren, Kommentieren /
Begründen, …)
synthetische Übungen (Sprachproduktion)
(z.B. unverändertes Übernehmen von Beispielen,
Ergänzen, Umformen, selbstständiges Auswählen von
Beispielen, zusammenhängendes Darstellen, …)
Erarbeiten von Lernmaterialien
Die im Projekt gemachten Erfahrungen wurden von einigen Studierenden beim
Herstellen von Lernmaterialien für Grundschulkinder verarbeitet.
Abb. 12 – 16 Projektbeispiel von Studierenden: Lernmaterialien entwickelt von
Studentin RÜHL
Spielanleitung
1. Name des Spiels: Finde das schwarze Schaf!
Abbildung: Herde mit einem schwarzen Schaf
2. Das Spiel kann nach Bruner auf drei Ebenen (enaktiv, ikonisch, symbolisch) gespielt
werden.
Enaktive Ebene: vorbereitete Spielsituation durch Stofftiere, Gegenstände,...
Ikonische Ebene: Abbildungen, Fotos von Schafherden, Dingen, kopierten Elementen usw.
(bildhaft)
Symbolische Ebene: vorbereitetes Spielmaterial (Sprachbeispiele auf der Buchstaben-, Wort-,
Wortgruppen-, Satz- oder/und Textebene)
3. Art des Spiels: Legespiel
Ziel: Herausfinden des schwarzen Schafes
Spielverlauf: Die Sprachbeispiele (fünf Elemente) werden nebeneinander auf ein Blatt
geschrieben. Dann werden die vorbereiteten Schafkärtchen (darunter ein schwarzes) den
Sprachbeispielen zugeordnet. Die Auswahl des schwarzen Schafes sollte begründet werden.
Es sollte eine Selbstkontrolle durch Symbole auf der Rückseite erfolgen. Danach können
weitere Beispiele folgen.
Alter: Grundschulkinder
Anzahl der Mitspieler: 1 – 4 (allein oder in der Kleingruppe)
Spielvariante: „Finde die zwei schwarzen Schafe!“ - Unter fünf Elementen finden sich zwei
schwarze Schafe.
Spielverlauf: gleiches Vorgehen
Wird das Spiel in der beschriebenen Weise beherrscht, können eigene Sprachbeispiele
anderen Kindern zum Finden des oder der schwarzen Schafe vorgegeben werden (Kinder
denken sich für Kinder Sprachbeispiele mit einem oder zwei schwarzen Schafen aus).
Möglichkeit: Punktvergabe für das Finden des schwarzen Schafes und die Erklärung dazu
Projektbeispiel von Studierenden: Spielanleitung
Projektreflexion
Bilder von Tätigkeiten / zu Klängen können bestenfalls Erfahrungswissen zum Klang
von Instrumenten aktivieren, ersetzen aber keineswegs das Hören. Ebenso ersetzt
das Benennen von Klängen / Instrumenten noch lange nicht das „Erleben / Hören“.
Die Studierenden maßen dem Handeln / den Tätigkeiten beim Umgang mit Begriffen
große Bedeutung bei. Verben wie laufen, springen, sitzen, hüpfen, schleichen sind
auszuführen. So gewinnt das Begriffsverständnis zu diesen Verben eine sinnliche /
körperliche Anschaulichkeit. Durch das bloße Anschauen von im Bild / in
Abbildungen dargestellten Tätigkeiten wird deren Bedeutung / wird die semantische
Bedeutung von Verben anders erschlossen. Die Tätigkeit sitzen wird so im Vergleich
zu den anderen Tätigkeiten als statisch (unterscheidendes Merkmal, schwarzes
Schaf) besonders augenfällig.
Die analytischen (sprachbetrachtenden) Fähigkeiten von Grundschulkindern werden
auf der symbolischen Ebene der Vorbereitete, selbst gezeichnete und laminierte
„Schaf-Kärtchen“ (Beispiele aus dem Projekt siehe Abbildung) werden
Sprachbeispielen zugeordnet.
Auswertung der Übung:
• Die Interpretation der Elemente ist ein analytischer Prozess (Sprachrezeption).
• Das Analogieprinzip kann unter Umständen angewendet werden.
• Häufig gibt es mehrere schwarze Schafe. Es kommt nur auf eine logische
Begründung an.
• Es lassen sich schwarze Schafe für alle Altersstufen und für alle Lernbereiche
erfinden.
• Generell gilt: Je mehr Schafe es gibt, desto häufiger kann die aufgestellte These
überprüft werden.
• Für Kinder sollten mindestens drei und maximal 5 Schafe gezeigt werden.
• Zur Hervorhebung und Veranschaulichung des schwarzen Schafes sollen Karten
von weißen und schwarzen Schafen gebastelt werden, die innerhalb der
Lernumgebung platziert werden können.
• Synthetische Aufgaben (Sprachproduktion) sind möglich: Kinder produziert selbst
Beispiele für andere
Kinder.
Quelle: Nach: KASZTANTOWICZ, V.: Handout zur Projektreflexion
Individualisierung des Lernprozesses der Kinder durch „natürliche Differenzierung“
Deutsch: Sprache und Sprachgebrauch untersuchen durch „analytische“ und
„synthetische“ Übungen
Deutsch: Lernstandserhebung (Feststellen, welchen stofflichen Zugang das Kind von
sich aus findet)
Die Erfahrungen mit dem Projekt ermutigten den Autor, im September 2010 dieses
Projekt in Form eines Workshops in der Grundschulwerkstatt auch interessierten
Lehrerinnen zum 1. Berliner Grundschultag der Humboldt-Universität Berlin
vorzustellen. Außerdem wurden Projektgedanken auch in differenzierenden Übungen
eines Sprachbuches5 berücksichtigt.
5
Vgl. BONAS/CZARNETZKI/DELONGE/FLIEGEL/JUNGHÄNEL/SONNENBURG: Sprachfreunde 4. Ein Sprachbuch
für die Grundschule. Volk und Wissen, Berlin 2010, S.41

Documentos relacionados