Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles

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Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles
(1982 - 2012)
***
„Ich bin das Projekt“
eine biografische Selbstbeschreibung
Abschlussarbeit des Weiterbildungskurses der Fakultät für angewandte
Sozialwissenschaften der Hochschule München
„Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“
vorgelegt von:
Dipl.-Ing.(FH) Kuno Kübler
Referent:
FH-Prof. Dr. rer. silv. Bernhard Zimmer
Koreferentin:
Prof. Dr. phil. habil. Susanne Elsen
eingereicht am: 24.02.2012
Kuno Kübler
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Inhaltsverzeichnis
1 Voraberklärung:............................................................................................................................ 4
2 Einführung.................................................................................................................................... 4
3 Fundamente................................................................................................................................. 6
3.1 Herkunft, Ausbildung und Motivation.....................................................................................6
3.2 Systemisch Denken lernen (Vorbild Frederic Vester)............................................................7
3.3 Systeme erleben - Systemisch Handeln lernen...................................................................17
3.3.1 Beispiel: Politik im Raum.............................................................................................17
4 Umsetzung in den einzelnen Lebensbereichen..........................................................................22
4.1 Bereich: Energie................................................................................................................. 23
4.2 Bereich: Mobilität................................................................................................................ 26
4.3 Bereich: Ernährung............................................................................................................. 28
4.4 Bereich: Ökonomie............................................................................................................. 29
4.4.1 Fehler im Geldsystem und Auswege...........................................................................29
4.4.2 Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten....................35
4.4.3 Auf dem Weg zur Solidarökonomie ............................................................................36
4.5 Bereich Genossenschaften (gemeinschaftlich Wohnen).....................................................37
4.6 Bereich: Vernetzung............................................................................................................ 43
4.7 Bereich: Bewusstsein.......................................................................................................... 43
5 Zusammenfassung..................................................................................................................... 45
6 Fazit:.......................................................................................................................................... 48
7 Literaturverzeichnis.................................................................................................................... 49
8 Anhang:...................................................................................................................................... 53
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1 Voraberklärung:
Zur Abfassung der Abschlussarbeit wurde der Interview-Stil gewählt. Das Interview ist
fiktiver Natur und als Interviewer diente keine andere Person.
2 Einführung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist nicht die abstrakte Aufbereitung wissenschaftlicher Ansätze zur
nachhaltigen Entwicklung. Im Folgenden möchte ich vielmehr den Versuch unternehmen, anhand
eigener biographischer Stationen eine Art „persönliche Lernkurve“ zur Entwicklung eines
nachhaltigen Lebensstiles nach zu zeichnen.
Sich mit ökologischen Fragen zu beschäftigen, war dies Ende der 70er Jahre des
20. Jahrhunderts für Sie ein „In“-Thema oder bedeutete es mehr für Sie, Herr Kübler?
„Die Erde kann ohne uns leben, aber wir nicht ohne sie“, mit dieser Aussage konfrontierte Prof. Dr.
Frederic Vester (1925-2003) das Auditorium in den Diskussionen nach seinen Vorträgen, sobald
die Frage gestellt wurde, wie er das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten denn
einschätze.
Als junger Umweltschutzingenieur Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts musste ich mir
also keine Sorgen um das Ökosystem „Erde“ machen. Ich sollte mir eher Sorgen machen um die
Menschen und im Besonderen um mich. Damit war die Grundlage gelegt, um mich mit der
Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles zu befassen.
Haben Sie einfach angefangen oder sind Sie nach einem Plan vorgegangen?
„Wo anfangen“, das hat mich schon intensiv beschäftigt. Und wie? Das Hauptinteresse lag im
Bereich „Sonnenenergie“. Ich erinnere mich noch gut an die Katholische Sommerakademie 1984
in Gars am Inn. In dieser Zeit lernte ich, wie man einen einfachen Sonnenkollektor aus
Altmaterialien bauen konnte. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht und im nächsten Sommer
hatte ich meinen eigenen Selbstbaukollektor im Garten stehen. Hier entpuppte sich ein
unbequemer Umstand als Ansporn. In dem Haus, in dem ich 1985 wohnte, gab es nur einen
Kohlebadeofen. So konnte ich im Sommer mit solar erwärmtem Wasser duschen! Damals war ich
ein Solarpionier und wurde selbst von guten Freunden belächelt.
Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich Sie in Ihrem Leben von 1982, als Sie kurz vor
dem Abschluss des Studiums des Technischen Umweltschutzes standen, bis Anfang 2012
begleiten – also über 30 Jahre hinweg. Die Fragen zielen darauf ab, Ihren Weg nach zu
zeichnen und Interessierten Anregungen zu geben, wie Sie Ihren umwelt- und
ressourcenschonenden Lebensstil entwickelt und gelebt haben. Dass Sie auf einem guten
Weg sind, zeigte die Auszeichnung, die Sie im Dezember 2011 von der Stadt München
erhalten haben. Doch dazu kommen wir später.
Neugierig und wissbegierig , wie ich bin, fing ich mit theoretische Vorarbeiten an, die die jeweiligen
Einzelschritte erforderten. Die heutige „Plug-and-play“-Mentalität war mir vollkommen fremd. Die
gewonnenen theoretischen Erkenntnisse wurden gleich in die Praxis umgesetzt und die daraus
abgeleiteten Erfahrungen und Erkenntnisse wurden in Vorträgen und Führungen an Interessierte
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weitergegeben, um so andere zur Nachahmung an zu stiften, Mitstreiter zu finden und weitere
gemeinsame Projekte zu starten.
Zur Orientierung für die weitere Lesbarkeit im Text finden sich Stellen mit farbigen Markierungen,
die die nächsten Schritte und Vorgehensweisen vorausblickend andeuten und Handlungsoptionen
für Interessierte enthalten:
Legende:
nächste Schritte / Ziele / Wünsche
Kontakte und weiterführende Informationen
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3 Fundamente
3.1 Herkunft, Ausbildung und Motivation
Ein Haus braucht ein gutes Fundament. Können Sie sagen, dass Ihnen das Thema
„Nachhaltigkeit“ quasi in die Wiege gelegt wurde? Und wann ist Ihnen das so richtig
bewusst geworden?
Ja, an der Basis fängt es an. Ich bin 1959 in Addis Abeba geboren und lebte dort bis 1965.
Bewusst wurde es mir, als ich den Spruch „Mein roter Faden im Leben ist grün…“, ergänzen sollte.
Dies war im Herbst 2011 bei einer Aktion des Vereins Green City e.V*. in München [1]. Meine
Ergänzung lautete:“… seit meiner ersten Stoffwindel vor 53 Jahren“. Und es ist ein Grundgefühl:
Ich bin im äthiopischen Addis Abeba geboren. Meine Mutter hatte keine Waschmaschine, Pampers
gab es 1959 schon zweimal nicht und so wurden meine Stoffwindeln von Hand gewaschen und
sonnen getrocknet. Ich erlebte somit eine den Umständen geschuldete Nachhaltigkeit ab den
ersten Lebenstagen. Dabei wusste meine Mutter instinktiv, wie sie ressourcenschonend
wirtschaften konnte. Das Ende des Zweiten Weltkrieges war gerade erst vierzehn Jahre her. Oft
hat sie mir oder haben meine Großtanten von den Entbehrungen erzählt (Hunger, Kälte,
Zerstörung). Nur eines stand für sie damals im Fokus des Alltags, einfach den Zweiten Weltkrieg
(1939-1945) überleben.
Jetzt leben Sie seit langem in einem der reichsten Industrienationen und beschäftigen sich
mit Fragen wie:
„Wie überlebe ich 65 Jahre später im 21. Jahrhundert in der Postwachstumsökonomie?
Keiner der Vorträge in unserem Zertifikatskurs „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“ [2] hat
mich so erschüttert, wie der von Niko Paech über „Peak Oil“, und „Peak Everything“ im April 2011
[3]. Jedenfalls hatte ich eine sehr unruhige Nacht. Ein innerer Dialog entspann sich: Was, wenn es
kein Öl mehr gibt? [4]. Dann heizen wir eben mit Kohle. Die Kohle muss mit Schiffen aus China
und Südamerika herbei transportiert werden. Das Schweröl für die Dieselmotoren gibt es aber
nicht mehr. Wie viele Dampfschiffe mit Kohlefeuerung gibt es noch weltweit? Oder doch lieber
wieder Segelschiffe bauen? Zuerst müssen sie gebaut werden: Wenn es aber keinen Diesel gibt
für die Kettensägen und für die Traktoren, um die Bäume aus dem Wald zu holen. Dann brauchen
wir Pferde, die uns die Arbeit erleichtern. Nur wie viele Arbeitspferde haben wir noch? Ein paar in
Bayern, die jedes Jahr auf die Wies'n ausgeführt werden. Mehr aber auch nicht. Gedanken verwirrt
erwachte ich.
*
Umweltverein in München, www.greencity.de
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Abb. 1: Die kurze Zeitspanne der intensiven Nutzung der fossilen Energieträger [4].
Ihre Schulzeit, insbesondere die Gymnasialzeit war von 1969 bis 1978. Was prägte Sie hier
besonders?
Wir hatten einige kritische LehrerInnen. Darüber bin ich sehr froh und, dass es Diskussionen über
demokratische Grundwerte gab und wir angehalten wurden, nicht einfach nur alles zu glauben,
sondern zu hinterfragen und uns selbst eine Meinung zu bilden, auch unabhängig von den
gängigen Medien.
3.2 Systemisch Denken lernen (Vorbild Frederic Vester)
Ihr Studium des technischen Umweltschutzes (1978-1983) an der damaligen
Fachhochschule München war nicht nur ein Einstieg in die Laufbahn als Umweltschutzingenieur, sondern auch Berufung zugleich.
Ja. Im zweiten Praxissemester holte ich mir den „Vester-Virus“ und war vom vernetzten Denken
infiziert. Dies war für viele Jahre im Beruf hinderlich, aber ich fühlte mich wohl dabei. Kurz nach
dem Studium erwischte mich der „Solar-Virus“ und brach nach Tschernobyl heftigst bei mir aus. Ich
wollte in meiner Lebensführung „autark“ werden und analysierte, wie ich dies auf einem langen
Weg nach und nach erreichen könnte. So begann die Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles
in alle meine Lebensbereiche ein zu sickern. Dazu nahm ich mir immer wieder die Werke von
Frederic Vester zur Hand, um sie zu studieren und Schritte für die persönliche Umsetzung zu
finden. Schon früh begann ich, mich autodidaktisch weiter zu bilden. In meiner Neugier hielt ich
immer Ausschau nach neuen Arbeitsinstrumenten und -methoden. Eines das es mir sehr früh
angetan hat, war z.B. das Format der „Zukunftswerkstatt“ nach Robert Jungk. So entstand im
geistigen Sinn schnell meine persönliche Zukunftswerkstatt.
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Wer wie ein „Rufer in der Wüste“ unterwegs ist, bei schönsten Wetter, anfängt ein Schiff zu bauen,
wie Moses, das er Arche Noah nannte, der musste es sich gefallen lassen, als Exot angesehen zu
werden.
Die Arbeiten von Frederic Vester haben Sie sehr früh kennengelernt. Wir werden noch mehr
darüber erfahren. Es ist schon ungewöhnlich, als Wissenschaftler, der sie sind, einen
Selbstversuch zu wagen.
Um Vorstellungen zu entwickeln, wie die Menschheit überleben könnte, brauchte ich ein
„Testobjekt“, eben mich. Warum in die Ferne schweifen, wenn „es“ mir jeden Morgen im Badezimmerspiegel gegenüberstand. Also habe ich mich selbst in den Fokus genommen. In all den Jahren
haben mich dann Vorbilder wie Vester oder Jungk u.a. und Sprüche auf meinem Weg begleitet:
Willst du das Land in Ordnung bringen,
musst du erst die Provinzen in Ordnung bringen.
Willst du die Provinzen in Ordnung bringen,
musst du erst die Städte in Ordnung bringen.
Willst du die Städte in Ordnung bringen,
musst du erst die Familien in Ordnung bringen.
Willst du die Familien in Ordnung bringen,
musst du erst die eigene Familie in Ordnung bringen.
Willst du die eigene Familie in Ordnung bringen,
musst du erst dich in Ordnung bringen.
Orientalische Weisheit
Text: Vom Anfang, die Welt zu verändern [5]
In Ihrem Leben gab es wohl eine Vielzahl von Zufällen und Fügungen, die Sie zu dem
werden ließen, der Sie jetzt sind. Die Begegnung mit Frederic Vester markiert einen
Meilenstein, Sie selbst sprachen von einer „Infektion“ mit dem „Vester-Virus“ (1981).
Beschreiben Sie doch Ihre Entwicklung des Systembewusstseins näher.
An dieser Stelle gehe ich gerne auf das „vernetzte Denken“ ein, ohne das die Komplexität meines
Versuchsprojektes nicht zu bewältigen (gewesen) wäre. Jeder Mensch (und auch ich) bin ein
Bestandteil des ihn umgebenen ökologischen Systems, in dem er lebt. Dies ist die erste
Dimension der Nachhaltigkeit, die es zu betrachten gilt (s. Abb.2).
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Nachhaltig leben in den drei Bereichen:
Abb. 2: aus dem Flyer des Zertifikatskurses 2012 [6]
Prof. Dr. Dr. h.c. Frederic Vester (1925-2003)
Bis kurz vor seinem Tod im November 2003 arbeitete Frederic Vester an der CD „Zeitbombe
Klimawandel“ [7]. Daraus sind die Grafiken (auf S. 10-13) entnommen.
Abb. 3 Frederic Vester (1925-2003) [8]
Auf die umfassenden, wissenschaftlichen Arbeiten zur Bewahrung des Planeten Erde mit dem
Menschen kann ich an dieser Stelle nur in einem winzigen Blitzlicht eingehen. Nach dem Tode
Vester's sind alle Unterlagen an das Malik Managementzentrum St.Gallen gebracht worden. Dort
arbeitet Gabriele Harrer, die langjährige Mitarbeiterin von Frederic Vester, weiter.
Frederic Vester hat sich über 30 Jahre mit vernetztem Denken befasst und aus den Vorgängen in
der Natur die Regeln zur Steuerung in komplexen Systemen herausgearbeitet. Er hat die Regeln
als biokybernetische Grundregeln bezeichnet. Siehe Tab. 1.
Zunächst noch eine Definition für Biokybernetik nach Vester:
Das Wort „kybernetes“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Steuermann“.
Biokybernetik ist die Lehre „von den Gesetzmäßigkeiten der Steuerung und Regelung lebender
Systeme bei minimalem Energieaufwand“.
Zu den ausgewählten Grafiken der CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ sind Erläuterungen
erforderlich:
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In einem System kann die Wirkung einer Variablen auf eine andere verstärkend (gleichgerichtet
sein) oder abschwächend sein.
Es werden zwei Symbole verwendet:
Sind die Wirkungen selbst verstärkend, dann steht das Zeichen
+
für positive Rückkopplung (sich selbst verstärkend; d.h. aufschaukelnd oder
abschaukelnd).
Um ein stabiles System zu erreichen, braucht es eine Wirkung, die entgegen gerichtet ist. Das
Zeichen
steht für negative Rückkopplung. Grundregel Nr. 1 nach Vester ist das Vorhandensein
von negativen Rückkopplungen, damit das System überlebensfähig ist.
Tab. 1: Die acht biokybernetischen Grundregeln nach Vester [9]
„DIE ACHT GRUNDREGELN DER BIOKYBERNETIK
•
Negative Rückkopplung
Negative Rückkopplung muss über positive Rückkopplung dominieren.
Positive Rückkopplung bringt die Dinge durch Selbstverstärkung zum Laufen. Negative
Rückkopplung sorgt dann für Stabilität gegen Störungen und Grenzüberschreitungen.
•
Unabhängigkeit vom Wachstum
Die Systemfunktion muss unabhängig vom Wachstum sein.
Der Durchfluss an Energie und Materie ist langfristig konstant. Das verringert den Einfluss von
Irreversibilitäten und das unkontrollierbare Überschreiten von Grenzwerten.
•
Funktionsorientierung
Das System muss funktionsorientiert und nicht produktorientiert arbeiten.
Entsprechende Austauschbarkeit erhöht Flexibilität und Anpassung. Das System überlebt auch bei
veränderten Angeboten.
•
Jiu-Jitsu-Prinzip
Nutzung vorhandener Kräfte nach dem Jiu-Jitsu-Prinzip statt Bekämpfung nach der
Boxermethode.
Fremdenergie wird länger ausgenutzt (Energiekaskaden, Energieketten), während eigene Energie
vorwiegend als Steuerenergie dient. Profitiert von vorliegenden Konstellationen, fördert die
Selbstregulation.
•
Mehrfachnutzung
Mehrfachnutzung von Produkten, Funktionen und Organisationsstrukturen.
Reduziert den Durchsatz. Erhöht den Vernetzungsgrad, verringert den Energie-, Material- und
Informationsaufwand.
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•
Recycling:
Nutzung von Kreisprozessen zur Abfall-, Abwasser- und Abwärmeverwertung.
Ausgangs- und Endprodukte verschmelzen. Materielle Flüsse laufen kreisförmig. Irreversibilitäten
und Abhängigkeiten werden gemildert.
•
Symbiose.
Gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeit durch Kopplung und Austausch.
Begünstigt kleinräumige Abläufe und kurze Transportwege. Verringert Durchsatz und externe
Dependenz, erhöht interne Dependenz. Verringert den Energieverbrauch.
•
Biologisches Design
Biologisches Design von Produkten, Verfahren und Organisationsformen durch
Feedback-Planung mit der Umwelt.
Berücksichtigt endogene und exogene Rhythmen. Nutzt Resonanz und funktionelle Passformen.
Harmonisiert die Systemdynamik. Ermöglicht organische Integration neuer Elemente nach den
acht Grundregeln.“[9]
Abb. 4: Beispiel für biologisches und unbiologisches Design:
Art gerecht wohnen (Antti Lovag, Frankreich)
Oder Käfighaltung ?
[10]
[11]
Beides hat seine Auswirkungen auf die Psyche
Sich die acht Grundregeln immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und bei Projekten anzuwenden,
ist der erste Schritt, um sich im vernetzten Denken zu üben.
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CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“
Aus der CD „ Zeitbombe Klimawandel“, die unter Einsatz des Sensitivitätsmodells Prof. Vester®
erstellt worden ist, sind nachfolgende Teilszenarien entnommen, um die Komplexität anzudeuten,
die in dem Thema Klimawandel steckt. Eine nähere Beschreibung der CD-ROM-Inhalte findet hier
nicht statt. Unter www.frederic-vester.de kann tiefer in die Materie eingestiegen werden.
„Der Ablauf dieser CD-ROM zeigt den Versuch, das Klimageschehen in seinen vielfältigen, teils
selbstregulierenden, teils selbstverstärkenden Wirkungen darzustellen und die Folgen und
Rückwirkungen menschlicher Aktivitäten zu simulieren. Das geschah mit Hilfe eines von uns
(F.Vester u.a., Anm. d. V.V.) entwickelten und bereits mit Erfolg auf die Lösung vieler komplexer
Probleme angewandten computergestützten Instrumentariums, den System-Tools des
"Sensitivitätsmodells Prof. Vester®, München 2005“.
Die Schlüsselvariable „Verhaltensänderung“ trifft jeden und damit alle. Bei mir kann ich anfangen
und nach und nach andere dafür gewinnen. Wie schnell sich andere finden können, z.B. zum
Thema Energie, zeigen die großen Ereignisse wie die Ölkrise 1973, der Atomunfall in Harrrisburg,
die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986, Fukushima 2011 etc.
Abb. 5,6,7,8,9: Teilszenario: Verhaltensänderung aus CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“
„Die kybernetische Analyse zeigt, dass 21 sich selbst verstärkenden, also gefährlichen
Rückkopplungen insgesamt 78 regulierende Regelkreise gegenüberstehen – genug, um das
riskante Geschehen noch einmal in normale Bahnen zu lenken“.
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Abb. 6
Abb. 7
Dass 78 stabilisierende Regelkreise über eine zentrale Schlüsselvariable d.h. die
„Verhaltensänderung“ laufen, ist markant und zeigt, wo man mit viel Aufklärungsarbeit und
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Änderungen ansetzen kann. Sowohl die 2011 entstandene Occupy-Bewegung als auch das an
anderer Stelle beschriebene Biosphärenbewusstsein (s.S. 15, 19) vieler Menschen kann hier
zunächst sehr viel ohne die Politik und ohne die Wirtschaftskonzerne verändern. Auch die Nutzung
der neuen Medieninfrastruktur können dies begünstigen (Entstehung des „Arabischen Frühlings“).
Was passiert, wenn die Systemkomponente „Verhaltensänderung“ herausgenommen wird:
Abb. 8
Vester formuliert unter der Fragestellung „Was wäre, wenn die Industriestaaten so weitermachten
wie bisher?“, d.h. nach Wegfall der 78 stabilisierenden Regelkreise so: „Das System wird dann nur
noch von acht selbstverstärkenden Rückkopplungen gesteuert und schaukelt sich über die davon
ausgehenden Wirkungen bis zum Umkippen ungehindert weiter auf“.
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Abb.9
Das klingt höchst alarmierend. Wenn bei der Konferenz „Rio 20+“ in 2012 als Ergebnis „ein
weitermachen wie bisher“ herauskommt, dann wird die Variable Verhaltensänderung in der Tat
ausgehebelt. Wenn stabilisierende Regelkreise wegfallen, dann können die sich selbst
verstärkenden Rückkopplungen voll durchschlagen und die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Der „kritische Punkt“, siehe Abb. 10, dürfte in vielen Bereichen schon längst überschritten sein [12].
Abb. 10: Wachstum ohne Übergang auf eine neue Systemstruktur führt zum Systemkollaps
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Kontakt, um mehr zu erfahren:
Bei BenE e.V. (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung) fand Anfang Dezember 2011 eine
Multiplikatorenschulung „Zukunft gestalten lernen - Systemisches Denken“ statt [13].
Wer spielerisch in das Thema „vernetztes Denken“ einsteigen möchte, findet im Internet zur
jährlichen Ecopolicyade den Einstieg [14].
Sie haben jetzt über das ökologische System gesprochen, in dem jeder ein Bestandteil ist.
Im nächsten Abschnitt will ich mit Ihnen einen Schritt zurückgehen und mir mit Ihnen ein
hochkomplexes, biologisches Subsystem ein bisschen näher anschauen. Haben Sie alles
verstanden?
Nein, mit Nichten. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken. Der menschliche Organismus ist
wahrlich hochkomplex und alle Prozesse laufen selbstregulierend ab. Ohne Computer.
Dieses biologische System als Subsystem des Ökosystems wird von vielen Ärzten jedoch immer
noch „mechanistisch“ betrachtet. An dieser Stelle zeigt sich, wie das alte mechanistische Weltbild
aussieht, wie agiert wird: Ärzte operieren, Organe werden entfernt, Körperteile werden gegen
Mechanik (Implantate etc.) ausgetauscht und die Pharmaindustrie hat jede Menge an Medikamenten parat. Ein gigantischer Apparat und ein unbezahlbares Reparaturdienstverhalten bestimmt das
Gesundheitswesen. Weitere Betrachtungen zu diesem Thema finden sich in den Büchern von
Frederic Vester. Warum werden die Selbstheilungskräfte des Körpers so negiert?
Unter der Bezeichnung Humanopoly®, beschreibt Vester [15] seine Vision für ein Simulationsspiel,
in dem der einzelne Mensch in seinen Wechselwirkungen mit sich selbst und mit seiner
unmittelbaren Umwelt betrachtet wird. Eine Realisierung dieses Projektes kam bisher nicht
zustande.
Zum Thema Ernährung werde ich nochmals auf das biologische System zu sprechen kommen.
(siehe Abschnitt: Die Weisheit des Bauches, S.26). Der Mensch lebt nicht isoliert, so wie es uns
die Medien und die Pharmaindustrie vorgaukeln und einreden wollen. Er ist inständigem Austausch
mit der Umwelt. Die reine, biologische Erbsubstanz eines Menschen ist ohne die Symbionten in
ihm und auf seiner Oberfläche nicht lebensfähig.
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3.3 Systeme erleben - Systemisch Handeln lernen
3.3.1 Beispiel: Politik im Raum
„Systemisch Denken und Handeln lernen“ – Ihre Pionierarbeit ging weiter und Sie fanden
1996 noch einen zweiten Zugang zum systemischen Arbeiten. Berichten Sie, was Sie
entdeckten:
Von der „Familienaufstellung“ zur systemischen Strukturaufstellung [16]
Ein weiteres Rüstzeug im Umgang mit komplexen Systemen kam für mich Mitte der 90er Jahre
dazu. Jeder Mensch ist in soziale Systeme eingewoben (2. Dimension der Nachhaltigkeit in der
Betrachtung, s.S.7, 18, 34). Die „Visualisierung im Raum“ in der Gruppe von Dr. Ruth Sander [17]
zeigt, dass wir dieses Arbeitsinstrument nutzen können, neue Dimensionen erfassen können und
dem Ziel der methodischen Möglichkeiten zur Entwicklung nachhaltiger Planungs- und Handlungsansätze näher kommen können. Sehr einfach und verständlich zeigt dies auch Sepp Holzer, der
Agrarrebell in den Salzburger Alpen mit seinen Arbeiten [18].
Ohne Systemkunde und systemische Methoden werden wir mit einem mechanistischen Weltbild
im 21.Jahrhundert endgültig scheitern. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass Jeremy Rifkin von einem
„Biosphärenbewusstsein“ spricht, das sich weltweit entwickelt [19].
Mein Leitmotiv fand ich 2002 in der Zeitschrift “Praxis der Systemaufstellung”, Heft 1/2002 [20]:
“Lebende Systeme funktionieren nicht, wie wir wollen, sondern wir funktionieren, wie sie
wollen. Wenn das stimmt, wird nicht nur der seit der Aufklärung postulierte ‘freie Wille des
Menschen’ in Frage gestellt, sondern dieses Prinzip muss dann wohl auch für alle sozialen
Organisationsformen gelten. Für den vernunftbegabten Menschen ist das starker Tobak.”
Die Methode der Aufstellung von (Teil)systemen mit Repräsentanten im Raum kann in Worten nur
sehr dürftig beschrieben werden. Das Erleben ist das Entscheidende. Daher wird hier auf die
Beschreibung eines Ablaufes verzichtet. Als Stichwort seien nur noch genannt „repräsentierende
Wahrnehmung“ und „morphologisches Feld“. Die klassische Wissenschaft kann sich die
Phänomene in Aufstellungen nicht erklären. Es bleibt jedem selbst überlassen, „Neuland zu
betreten“. Auf dem alten Terrain kommen wir sowieso nicht mehr weiter.
"Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“.
Albert Einstein [21]
Bei der Gruppe „Politik im Raum“ sind Sie aktiv tätig. Beschreiben Sie ein wenig, was Sie
erlebt haben und was Sie an Erkenntnissen mitnehmen.
In der Gruppe „Politik im Raum“, initiiert und geleitet von Dr. Ruth Sander, werden aktuelle Themen
aufgegriffen und Vorschläge von TeilnehmerInnen in Aufstellungsabenden umgesetzt. Die Abende
sind öffentlich und finden in München statt:
Zwei Aufstellungsabende will ich hier kurz ansprechen.
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Aufstellung Nr. 1
„Die Erde kann ohne uns leben – wir nicht ohne sie“, Ankündigung vom 03.12.2008 in München.
Bei diesem Aufstellungsabend wurde die Eingangsfrage von den TeilnehmerInnen so formuliert:
„Wie kommen wir zu einer Beziehung, die der Erde und uns Menschen im Prozess des
Wandels gut tut?"
Es wurden dann folgende Elemente gewählt und von Repräsentanten übernommen:
zeigt sich als
wird ergänzt um:
Frauen
•
die Erde,
•
die Menschen,
Männer
•
die Vision,
wandelt sich zu „Kinder 1“ (nächste Generation)
•
die Beziehung,
•
der Wandel,
•
die Hindernisse,
•
die Ressourcen.
„Natur“
Bäume
Kosmos
Kinder 2 (übernächste
Generation)
Das Protokoll dieser Aufstellung kann im Internet (oder im Anhang) nachgelesen werden [22]:
Link: http://www.netzwerk-gemeinsinn.net/content/view/446/43/ [23]. Nach der Aufstellung gibt es
noch eine Reflexionsrunde.
Abb. 11: Beispielbild aus einer Aufstellung [22]
Ob der Wandel gelingt und die Menschen weiterhin ein Bestandteil im Ökosystem sind, hängt sehr
von ihnen selbst ab. Die „Erde“ äußerte sich mehrfach, dass sie auch anders könne
(Vulkanausbrüche, Erdbeben etc.), wenn die Menschen nicht umdenken und anders handeln. Es
gilt die Werte wieder zu erkennen, die unsere Lebensbasis ausmachen. Ansonsten kann uns dies
in Naturkatastrophen gespiegelt werden.
Kuno Kübler
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Z.B. war Neuseeland mit seiner herrlichen Natur in den beiden letzten Jahren (2010/2011)
Schauplatz zweier schwerer Erdbeben und wenigstens einer Ölpest mit mehreren hundert Tonnen
Schweröl, die die neuseeländische Küstenregion verseucht hat. Diese Zeichen sollten erkannt und
in „Handeln“ umgesetzt werden.
Aufstellung Nr.2
„Welche Bedeutung geben wir dem Begriff „Nachhaltigkeit“? Ankündigung vom 26.03.2010
Bei diesem Aufstellungsabend wurde die Eingangsfrage von den TeilnehmerInnen so formuliert:
„Wie wirken folgende Elemente in Bezug auf Nachhaltigkeit zusammen ?“
Als Elemente wurden gewählt:








Menschen 1
Menschen 2
Politik
Wirtschaft
Luxus
Nachhaltigkeit
Bremse
Zukunft
Eine zentrale Stelle aus dem Protokoll der Aufstellung möchte ich zitieren:
„Da hat der im Hintergrund am Boden liegende Luxus einen Geistesblitz: „Nachhaltigkeit ist
Luxus!“ – Er steht auf und stellt sich wertschätzend, liebevoll und leise nahe zur Nachhaltigkeit.
Während die Anderen weiter verhandeln (Menschen 1 wollen Menschen 2 Richtung Nachhaltigkeit
und Wirtschaft orientieren, während Menschen 2 nur Nähe und Verbundenheit suchen), blüht die
Nachhaltigkeit durch die Nähe zum stillen Luxus immer mehr auf. Schließlich machen sich
Nachhaltigkeit und Luxus langsam und beschwingt, untergehakt auf den Weg, ziehen große Kreise
im Raum: „Es ist wunderschön, einfach nur spazieren zu gehen, zu schauen, zusammen zu sein.
Das ist ein Genuss, ein Luxus!“
Fazit des Abends:
„Gelebte Nachhaltigkeit ist Luxus pur“, wie ein Teilnehmer zusammenfasste, aber nur wenn die
Transformation gelingt. Dazu bedarf es offenbar eines „Geistesblitzes“ und das alte Bild von
Nachhaltigkeit=Verzicht muss erst aufgelöst werden. Der materielle Luxus hat sich in eine neue
Qualität verwandelt, die eher einen geistigen oder spirituellen Charakter hat.
Zu diesem Abend gibt es ebenso ein Protokoll von Dr. Ruth Sander (siehe Anhang).
Im Zusammenhang mit Aufstellungen beschäftigen mich weitere Themen:
Zeithorizont:
Bei einer Betrachtung unter dem Fokus „Nachhaltigkeit“ ändert sich der Zeithorizont. Er dehnt sich
aus auf über 100 Jahre und mehr.
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Das „7 Generationen-Modell“
Wie können wir die Auswirkungen eines geplanten Projektes über 7 Generationen bzw. einen
Zeitraum von z.B. 150 Jahren in seinem Ökosystem abschätzen. Die Herleitung für das „7Generationen-Modell“ unterbleibt an dieser Stelle. Vielmehr will ich versuchen dies in einer
Fragestellung zur ökologischen Langzeitauswirkung eines regenerativen Energieprojektes an zu
reißen:
Es stand an, diese Fragestellung beim Bau des Praterkraftwerkes an der Isar im Stadtbereich
München zu beurteilen. Wenn dafür heute ein paar Bäume gefällt werden müssen, um eine
optimale Größe des Kraftwerkes zu erreichen, wie sieht die Bilanz über 150 Jahre aus? Die etwas
höhere, erzeugte Strommenge pro Jahr ist mit „150“ zu multiplizieren. Zudem haben die Bäume für
die Ersatzpflanzung über einen langen Zeitraum die Chance den Schaden durch die Baumfällungen auszugleichen. Mit Hilfe der systemischen Strukturaufstellung oder der „Systemic
Enquiry“ (Weiterentwicklung von Dr. Gerolf Bender) kann auch eine Abfrage auf dem Zeitstrahl
zum ökologischen Nutzfaktor eines Projektes gemacht werden.
Es macht mir auf jeden Fall großen Spaß, systemische Zusammenhänge zu erleben, mich immer
wieder einmal in der Zeitqualität bestätigt zu sehen, die ich spüre und wahrnehme. Für einige
Monate tragen mich diese Bestätigungen in meinem Alltag. Zudem habe ich jede Menge an Ideen
für neue Aufstellungsthemen und Formate. Nur ein nächster Arbeitsschritt sei noch genannt:
Systemische Spielregeln für den Alltag
An diesem Punkt ist noch nicht viel für die Alltagsanwendung beschrieben. Das bleibt einem
meiner, nachfolgenden Projekte vorbehalten.
Je weiter Sie vordringen, desto mehr des Bestehenden stellen Sie in Frage. Finden Sie
immer wieder Gleichgesinnte mit denen Sie sich verständigen und austauschen können?
Ja. Erst im Dezember hatte ich einen visionären Gesprächspartner, da hat es mir glatt „die Schuhe
ausgezogen“. Ich bin nicht der einzige Vordenker und Vorreiter, um mich für eine lebendige
Nachhaltigkeit einzubringen. Hans-Peter Dürr beschreibt den Begriff „Nachhaltigkeit“ so:
„Das Lebendige lebendiger werden lassen“[25]. Nachhaltig leben, soll Spaß machen und mich
nicht mit tausenderlei Bedenken blockieren.
Nachhaltig leben in den drei Bereichen:
Abb. 12: aus Kursflyer der Hochschule München (2012) [6]
Neben Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit (aktuell: Arabischer Frühling, Occupy
Everywhere-Bewegung) spielt für mich noch die geistig / spirituelle Dimension eine Rolle.
Kuno Kübler
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Seminare mit dem Titel „Spiritualität und Wirtschaft“ lassen aufhorchen und zeigen den Bedarf an
Wandel in allen Bereichen der Gesellschaft. Jeremy Rifkin schreibt in der taz [19]: „Nunmehr
würde sich die Menschheit in Einheit mit der Natur als Großfamilie begreifen.“ (Stichwort
Biosphärenbewusstsein). Wenn dies nur schneller vor sich ginge ! Im Mai 2007 hat sich das EUParlament in einer Erklärung für Rifkins Idee ausgesprochen, die EU-Kommission will Europa bis
2050 ökologisch umbauen.
Bei dem „Be the Change“-Seminar 2011 in Gronsdorf [26] wurden Übungen gezeigt, die einem
schnell auf die Sprünge helfen können, sich aktiv und spielerisch mit dem schweren Thema
Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Sich mehr auf die eigene Intuition zu verlassen, kann helfen
die sonst „Kopf gesteuerten“ Fehlentscheidungen zu umgehen.
Auf der Gedenkveranstaltung der E. F. Schumachergesellschaft am 17.09.2011 zum
100.Geburtstag von E.F.Schumacher wurde erwähnt, dass es bislang keinen Lehrstuhl für
„Intuition“ gebe. [27]
Mehr erfahren:
“Fühlen ist klüger als denken! Mit Intuition die richtigen Entscheidungen treffen” von Kurt Zyprian
Hörmann [28].
Mit Sicherheit haben Sie sich mit weiteren Methoden und Arbeitsinstrumenten beschäftigt,
die Sie hier nicht vorstellen werden. Die Vielzahl der Themen, mit denen Sie sich beschäftigt
haben, aber auch der Tiefe, mit der Sie in ein Thema eindringen ist erstaunlich.
Über das „Wie“ zur Erfassung der komplexen Umwelt Bescheid zu wissen, erleichtert es mir, die
angedachten Lebensbereiche näher unter die Lupe zu nehmen. Einen nachhaltigen Lebensstil
kann ich nicht von heute auf morgen entwickeln. Dem Ziel kann ich Tag für Tag näher kommen,
aber auch Rückschläge müssen verkraftet werden können. Es ist einer von vielen möglichen
Lebensstilen. Es wäre an der Zeit, dass mein privates Forschungsprojekt wissenschaftlich näher
betrachtet wird und Vergleichsuntersuchungen angestellt werden.
Kuno Kübler
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4 Umsetzung in den einzelnen Lebensbereichen
Doch was wurde aus Ihren Zielen? Beschrieben Sie die erreichten Schritte.
Als nächstes stand ich vor der Aufgabe, das angeeignete, theoretische Wissen in die Praxis
umzusetzen, Erfahrungen zu machen und Erkenntnisse zu sammeln :
Im folgenden sind die Verhaltensänderungen in den einzelnen Lebensbereichen näher
beschrieben.
•
•
•
•
•
•
•
Energie
Mobilität
Ernährung
Wirtschaft / Arbeit:
• Fehler im Geldsystem und Auswege
• Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten
• Solidarökonomie
gemeinschaftlich Wohnen
Vernetzung
Bewusstsein
Abb. 13: Schematische Darstellung der Vernetzung zwischen den Lebensbereichen für ein
einzelnes Individuum
Visionen ohne Taten werden zu Träumereien,
Taten ohne Visionen zu Alpträumen.
Japanisches Sprichwort
Kuno Kübler
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4.1 Bereich: Energie
Autark werden mit regenerativen Energien
Jeremy Rifkin FOET schreibt in dem erwähnten taz - Artikel [19] „Ihr habt ein richtig großes
Problem“ über die dritte industrielle Revolution, die die Bereiche Erneuerbare Energien und
Internet betrifft:
In wenigen Stichworten zusammengefasst, sehe ich weiterhin viel Arbeit vor mir und den vielen
MitstreiterInnen liegen:
„Die fünf Säulen:
• Umstieg auf Erneuerbare Energien
• dezentrale KWK
• Ausbau von Energiespeichern
• Elektrofahrzeuge (?)* als Speicherstationen (!)*
• Verbindung von Internet und Energienetz, um Energie zu managen und wie Informationen
zu verteilen.“[19]
Abb. 14: Entwicklung des Ölpreises 1960 – 2011 [29]
Auf der CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ gibt es ein Teilszenario „Energie“. Der Umstieg von
den fossilen Energieträgern auf Regenerative Energiequellen ist dort anschaulich dargestellt. An
dieser Stelle der Ausführungen steht die Umsetzung meiner Vorstellungen und die praktische
Erfahrung im Vordergrund:
Über 20 Jahre beschäftigte ich mich theoretisch und praktisch damit [30]. Am liebsten führe ich
dann den Sonnen-Motor nach Kolin vor. Er arbeitet nach dem Stirlingprinzip (www.stirlingmotor.org).
Gleichzeitig befasste ich mich mit Energiesparen und Energieeffizienz. Wer weiß, dass in amerikanischen Kühlschränken das Butterfach elektrisch beheizt wird, damit die Butter streichzart bleibt?
*
„?“ und „!“ Anm. d. Verf.
Kuno Kübler
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Es gibt auch deutsche Kühlschränke, da brennt das Licht, selbst wenn die Türe geschlossen ist.
Nur so werden wir die Energiewende zu 100 % regenerative Energien nicht schaffen. Das ist klar.
Höhepunkt meiner Forschungsarbeiten war die Einbindung eines Mikro-Heizkraftwerkes in ein
virtuelles Kraftwerk (2009) [31]. Das Heizsystem war zwar schon fast 20 Jahre alt, aber immer
noch das energiesparendste (Niedertemperaturheizung der Böden und Wände, LeitwerkSchichtspeicher nach Sandler). 1991 kam die erste Solarstromanlage auf das Dach des „ÖkoSolar-Hauses“ in München-Perlach und wurde mit 7,5 Ct/kWh der Stadtwerke München vergütet.
Dafür war ich im Haus mit meiner Beleuchtung autark vom öffentlichen Stromnetz. Leider fiel zu
selten das öffentliche Netz aus, um dann bei mir auf „Festbeleuchtung“ schalten zu können.
Die Benzin- und Ottomotoren werden so schnell nicht ersetzt werden, aber man kann das Auto als
mobiles Mikroheizkraftwerk in der Garage betreiben und an die Heizung anschließen. Über
Zwischenschritte lassen sich Erfahrungen sammeln und eine Monostruktur mit Elektroautos ist
sicher nicht erstrebenswert.
Seit 1985 zeichne ich jeden Monat meinen Strom, Gas und Wasserverbrauch auf. Kein elektrisches Gerät wird bei mir angesteckt, ohne dass ich es auf Standby-Stromverbrauch getestet habe.
Jedes Watt bedeutet, dass ich den Gegenwert von einer Pizza im Jahr weniger genießen kann.
Diese einmalige Mühe lohnt sich, denn nächstes Jahr ist wieder eine Pizza fällig.
Nachdem der Platz auf dem Hausdach mit Sonnenkollektoren und Solarzellen belegt war, habe ich
mich dann an weiteren Photovoltaikprojekten beteiligt. 2005 entstand eine Bürgerbeteiligungsanlage der Agenda 21 Gruppe Hadern in Oberschleißheim [32]. Die jährlichen Die Erträge an
Sonnenstrom sind in Kilowattstunden dargestellt.
Abb. 15: Erträge des 1. Oberschleißheimer Bürger-Solarkraftwerkes (2005-2009)
So kann ich Stück für Stück meinen CO2-Rucksack „leeren“ bzw. meinen ökologischen
Fußabdruck auf der Erde verringern. Eine Beteiligung an einer Solarstromanlage mit 1 kW
Leistung bedeutet, dass dadurch ca. 800 kg CO2 vermieden werden.
Kuno Kübler
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Abb. 16: Der ökologischen Fußabdruck in Kombination mit dem Human Development Index (HDI),
Fachgebiet Nachhaltige Ernährung, TUM [33]
Mehr erfahren:
Der Ökologische Fußabdruck ist auch als Flyer der Deutschen Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (giz) erhältlich [33] Es gibt das Klimasparbuch München (Ausgabe 2010), das
wertvolle Anregungen enthält [34]. Zudem finden sich mehrere CO2-Rechner im Internet, um die
persönliche Bilanz zu bestimmen.
Abb. 17: Karikatur zum Ökologischen Fußabdruck [33]
Dem ersten, solaren Zeitalter folgt(e) für eine kurze Zeitspanne das fossile Zeitalter. Doch dieses
neigt sich dem Ende zu und wir treten ein in das zweite solare Zeitalter. Siehe Abb.1 auf Seite 5.
Kuno Kübler
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Die Insel El Hierro hat ihre Energieversorgung im Rahmen der „Blue Economy“ (Gunter Pauli) auf
erneuerbare Energien umgestellt und somit entsteht eine Wertschöpfung auf der Insel. Müssten
fossile Energieträger eingekauft werden, so würde dies Ausgaben von acht Millionen Euro pro Jahr
verlangen [35].
Mein persönliches Ziel:
Prof. Hans-Peter Dürr, Träger des Alternativen Nobelpreises, beschreibt in einem Aufsatz die 1,5
kW Gesellschaft (Belastungsgrenze des Ökosystems Erde bei 7 Mrd. Menschen) [36]. Bildlich
gesprochen sind dann immer noch 15 Fitnessprofis, Dürr nennt sie „Energiesklaven“, rund um die
Uhr im Einsatz, um mit je 100 W Dauerleistung meinen Energieverbrauch abzudecken.
Über Beteiligungen an regenerativen Energieprojekten will ich (siehe S. 33f) meinen CO2Rucksack von 10-11 Mg reduzieren und auch die benötigte Energiemenge bereitstellen können.
Meine nächsten Wünsche:
• Elektrofahrradanhänger von Willi Kirchensteiner
• Mit anderen ein NEGAWATT-Kraftwerk bauen.
• Getreidemühlenfahrrad (s. Abb. 18)
Abb. 18: Getreidemühlenfahrrad beim Hoffest auf Gut Riem
4.2 Bereich: Mobilität
Die meisten Wege lege ich seit meiner Kindheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. In meiner
Diplomarbeit habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und das Glück gehabt, hier ansatzweise
das „Sensitivitätsmodell“ von Prof. Dr. F.Vester einsetzen zu können. Erst jetzt kann ich sagen,
dass ich mich mit dem Thema „Nachhaltige Mobilität“ beschäftigt habe, ohne dass dieser Begriff
schon geprägt war (Brundtland 1987). Außerdem ist mit der Straßenbahn und U-Bahn in vielen
Städten der Welt seit Jahrzehnten die „Elektromobilität“ Realität .
Aus meiner Diplomarbeit [37] habe ich zwei Seiten ausgewählt (siehe Anhang [38]), die eine
Darstellung der Situation (1982) bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht biokybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit einer möglichen anderweitigen Nutzung der
Straßenbahn wiedergeben.
Kuno Kübler
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Natürlich besitze ich (seit 1978) einen Führerschein, bin Auto gefahren und kenne auch das
Gefühl, wie schnell man vom Auto abhängig werden kann. Darum lohnt es sich beim „Autofasten“
mitzumachen, um entdecken zu können, dass es ohne Auto in der Stadt auch geht. Die neuesten
Untersuchungen zeigen, dass das Auto bei den jungen Städtern an Bedeutung verliert [39]. Jetzt
wohne ich in einem neuen Stadtteil Münchens, der Messestadt Riem, wo dem Autofahrer Grenzen
gesetzt werden. Aber autofrei ist das Viertel noch nicht. Und die „einfallenden“, auswärtigen
Vielfahrer sind eine Plage.
In der Tiefgarage der Wohnanlage bei „wagnis 3“ (s.S.36) stehen zwei STATTAUTO-Fahrzeuge
und so wurde mein PKW im Herbst 2011 verkauft. Im Dezember 2011 wurde das 10.000 Mitglied
bei STATTAUTO München aufgenommen.
Ich träume immer noch von dem Elektrofahrradanhänger von Willi Kirchensteiner und habe die
Hoffnung nicht aufgegeben Mitstreiter zu finden, um mein Fahrrad zu elektrifizieren. Noch mehr
Spaß würde es mir machen, wieder einmal selbst eine Straßenbahn durch München zu fahren.
Seit 115 Jahren ist die Straßenbahn Paradebeispiel für innerstädtische Elektromobilität und die UBahn seit 40 Jahren in München.
Elektromobil „Laubfrosch“ und Öko-Solar-Haus in München Ramersdorf (1994) (s. Abb. 19)
Abb. 19 Elektromobil „Laubfrosch“ und Öko-Solar-Haus
Die Erinnerungen an die Bayern Solar von 1994 lösen noch heute ein Glücksgefühl bei mir aus. Es
war eine große Freude, den Sieg mit dem grünen „Laubfrosch“ (Fa. Horlacher Schweiz) errungen
zu haben. Mein „Spritverbrauch“ lag umgerechnet bei 0,7 l Benzin auf 100 km (7 kWh Strom).
Elektroautos für den heutigen Verkehrsstandard zu entwickeln, heißt für die Vergangenheit zu
entwickeln. Vielmehr sollten die Aussagen von F.Vester in dem Buch „Ausfahrt Zukunft“ den
Neuentwicklungen zugrunde gelegt werden [40].
Kuno Kübler
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4.3 Bereich: Ernährung
Bei diesem Thema fällt mir auf, dass die Umstellung auf gesunde und klimaschonende
Ernährungsweise bei mir am längsten dauert. Obwohl ich in den 1980ern Volkshochschulkurse zu
Vollwerternährung und Biolebensmitteln besuchte, war dies am schwierigsten für mich. Bis heute
gibt es in unserer städtischen Kantine kein Bioessen. Gerade einmal ein vegetarisches Gericht,
das aber immer noch tierisches Fett enthalten kann. Die meisten Lebensmittel kaufe ich
inzwischen im Bioladen ein. Es war ein Erkenntnisprozess, zu begreifen, dass ich durch den Kauf
der Produkte von der Biogärtnerei Obergrashof bei Dachau [41] mit dazu beitrage, dass ein
seltener Schmetterling eine Überlebenschance hat. „Manchmal fällt das Zehnerl, pfennigweise“.
Mich gesund, vollwertig, mit regionalen und saisonalen Produkten, weniger Fleisch und
Biolebensmitteln zu ernähren [42], kann meinen CO2-Rucksach stark entlasten. 20% der CO2Emissionen sind dem Bereich Ernährung zuzuordnen.
Abb. 20: Anteile der Treibhausgas-Emissionen nach Bereichen – in Deutschland [42]
Die Bekanntschaft von Dr. Karl von Koerber, der das Büro für Ernährungsökologie leitet und an der
TUM das Aufgabengebiet „Nachhaltige Ernährung“ mit einer eigenen Arbeitsgruppe führt, hilft mir,
auch in diesem Bereich Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Der Besuch der
Weltleitmesse „Biofach 2011“ in Nürnberg hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Viele Menschen bringen sich für den Erhalt der Biodiversität, gesunder Böden, sozialer
Arbeitsbedingungen, fairen Handel, energie- und ressourcenschonenden Handelns etc. ein. Und
das Ganze mit viel, viel GENUSS. Nachzulesen auch in dem neuesten Werk meines jetzigen
Nachbarn Dr. Karl von Koerber „Nachhaltig geniessen – Rezeptbuch für unsere Zukunft“ (Trias
Verlag, Februar 2012) [43].
Die Weisheit des Bauches
In dem Geo-Magazinartikel 11/2000 war von dem Bauchhirn die Rede. Eine Vielzahl an
Informationen fließen vom Bauchhirn zum Kopfhirn.
„Das Kopfhirn denkt, es würde autonom entscheiden, weil es nicht merkt, wie es vom Bauchhirn
gesteuert wird“ [44]. In 75 Jahren verdauen wir: 30.000 kg Lebensmittel und 50.000 l Flüssigkeit.
D.h. für mich: die Qualität der Lebensmittel mit ihrer Vielzahl an Informationen entscheidet auch
darüber, was ich denke. Wenn ich eine holländische Wassertomate esse, nehme ich andere
Informationen auf, als wenn ich eine sonnen gereifte Biotomate esse. Das Mehr kann ich nur über
den Geschmack erahnen. Mit klassischen, physikalischen und chemischen Messmethoden wird
dies nicht erfasst.
Kuno Kübler
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Dies war nochmals ein kurzer Blick in das Innere des biologischen Systems. Die Systemgrenzen
sind auf der materiellen Ebene klar. Die Kontaktflächen zur Umwelt können trotzdem gewaltig sein.
Die Oberfläche der Haut beträgt z.B. 2 m². Die Innenoberfläche des Darmes beträgt ein Vielfaches
davon.
Die schematische Darstellung der Vernetzung zwischen den Lebensbereichen deutet
komplexe Strukturen an. Die Bereiche berühren sich und überschneiden sich. Behalten Sie
dabei den Überblick?
Ja. Hier kann ich gleich ein Beispiel geben:
Nach dem Blick ins Körperinnere wende ich mich nun wieder dem außen zu und habe mein
Handeln so ausgerichtet. Um z.B. mit meinen Möglichkeiten aktiv die Biohandels-Szene zu
unterstützen, habe ich eine Beteiligung am Biosupermarkt Grüner Markt mit einem Genussrecht in
2010 getätigt. [45]
Damit komme ich zum nächsten Thema, das zentral im Vernetzungsschema steht und das seit ein
paar Jahren ein Dauerbrenner ist, die Finanzkrise, eher Finanzdauerkrise.
4.4 Bereich: Ökonomie
Die 3.Dimension der Nachhaltigkeit betrifft den Bereich Wirtschaft. Aus diesem Themenkomplex
möchte ich nur den Ausschnitt „Geldsystem“ heraus greifen. Meine Hauptrolle im Wirtschaftssystem ist die des Verbrauchers, daneben die des Arbeitnehmers und nebenberuflich als
Selbständiger.
Auf der persönlichen Ebene des Einkommenserwerbes habe ich vor mehr als 15 Jahren
experimentiert. Z.B. habe ich eine Arbeitspause über längere Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung
eingelegt. Seit dem Jahr 2000 arbeite ich Teilzeit mit 50 bis 60 % (sog. „Brotjob“). Weniger Arbeit,
bedeutet weniger Geld und Konsum, dafür mehr Zeit und Lebensqualität. Antizyklisch am Montag
einen freien Tag zu haben und Ausflüge machen zu können, ist wunderbar. Kein Stau, kein
Gedränge, Sonderpreise etc.
Neben dem weniger an Arbeiten, kam das Standbein freiberufliche Nebentätigkeit dazu. Diese wird
in den Interessensgebieten ausgeführt und ist mit dem Lustfaktor gekoppelt. Darüber hinaus gibt
es ein jahrzehntelanges, ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement [46].
Ohne Geld zu leben, diesen Weg sind nur wenige Menschen gegangen, siehe z.B. „Das
Sterntalerexperiment“ [47]. Da mein Alltag nicht ohne Geld funktioniert habe ich hier aus der
Analyse des Finanzsystems meine Wege gefunden und begonnen aktiv an Alternativen
mitzuarbeiten.
4.4.1 Fehler im Geldsystem und Auswege
Unter dem Titel „Welt Macht Geld“ hat Georg Zoche ein Buch verfasst [48]. Die Systemfehler des
globalen Finanzsystems werden von den Insidern nicht gesehen. Vielmehr erfindet man schöne
neue Bezeichnungen wie „Lehmann-Moment“, um den Glauben an ein ewiges Wachstum aufrecht
erhalten zu können. Der Zinseszins ist als exponentielle Funktion in der Mathematik bekannt und
beschrieben.
Kuno Kübler
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Exponentielles Wachstum (Zinseszins-Wachstum)
"Jeder der glaubt, dass exponentielles
Wachstum in einer endlichen Welt für immer
weitergehen kann, ist entweder verrückt oder
ein Wirtschaftswissenschaftler."
Kenneth Boulding, anerkannter US-Professor und
Wirtschaftswissenschaftlicher britischer Herkunft
Zu dem Thema Geldsysteme gibt es Bücher über Bücher. An dieser Stelle seien ein paar
anschauliche Beispiele genannt. Im Grunde ist es auch eine Glaubens- und Vertrauensfrage. Geld
ist bedrucktes Papier, mehr nicht. Wir glauben an den Wert eines „50-Euro-Scheines“, der mit
nichts hinterlegt ist. In einer Hyperinflation und Währungsreform können hierzu die Erfahrungen
gemacht werden.
Abb. 21: Geldschein der Bank von Zimbabwe (2008) [49]
Gerade einmal drei Eier konnten mit 100.000.000.000 Zimbabwe Dollar gekauft werden (2008).
Ich will Ihnen weitere Beispiele zur Verdeutlichung der Zinseszins-Thematik nennen:
Sie haben die Wahl für ein Jahr (52 Wochen)
a) ein Gehalt von 10.000 Euro pro Woche oder
b) ein Gehalt, das sich von 1 Cent in der ersten Woche, auf 2 Cent in der 2.Wochen, 4 Cent in der
dritten Woche etc. verdoppelt, zu wählen.
Was wählen Sie ?
Was schätzen Sie verdienen Sie nach 20 Wochen im Fall b) und was in der 52. Woche?
(Lösung im Anhang).
Das genannte Gehaltsbeispiel stammt aus dem Vortrag von Margrit Kennedy, die mehrere Bücher
zum Thema Geld geschrieben hat. Eine Kernaussage sei hier wiedergegeben: Wir haben ein
undemokratisches Finanzsystem, das zu Lasten von über 90 % der Bevölkerung geht. Dies gilt
weltweit:
„Eine Hauptursache für Inflation, regelmäßige Krisen und Zusammenbrüche liegt in der
fehlerhaften Konstruktion unseres Geldsystems. Davon profitiert eine kleine Minderheit von etwa
10 Prozent der Menschen. Die große Mehrheit zahlt drauf. Über die in allen Preisen und Steuern
versteckten Zinsen beträgt diese Umverteilung von Arm zu Reich in Deutschland etwa 600
Millionen Euro pro Tag“ [50]. Doch unser Geldsystem ist nicht gottgegeben. Wir können es neu
gestalten! Also „Occupy Money“, so lautet der Titel des neuesten Buches von M.Kennedy (2011).
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Alexander Czerny beschreibt in dem Aufsatz „Kurzbeschreibung der aktuellen Finanzkrise (2009)“
[51] dass den Billionen an öffentlichen Schulden Billionen an privaten Guthaben gegenüberstehen.
Abb. 22: Geldschulden und Geldvermögen [52]
Die Frage bleibt offen, „Wer hat die Billionen?“. Es sind nur ein paar Dutzend Familien weltweit.
Dafür haben fast 7 Milliarden Menschen die Schulden und werden zum „Schuldendienst“
gezwungen. Es ist möglich, das System zu durchschauen.
Es wird immer wieder argumentiert, dass es den Zins braucht, um das Geld im Umlauf zu halten.
Bei der Regionalwährung Chiemgauer zeigt sich, dass sich der Negativzins auf eine höhere
Umlaufgeschwindigkeit auswirkt:
Abb. 23: Umlaufgeschwindigkeit der Regionalwährung Chiemgauer [53]
Kuno Kübler
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F.Malik vom Managementzentrum St.Gallen hat eine Systemstudie nach Vester erstellt und hier
zeigen sich viele positive Rückkopplungen [54]. Das weltweite Finanzsystem wird sich weiter
aufschaukeln bis es kollabiert. Ob dann ein neues System geschaffen wird, ist unklar, denn die
Systemfehler im bisherigen System werden bisher kaum benannt und Änderungen gefordert.
Abb. 24: Teilszenario aus einer Systemstudie nach Vester [54]
Ich möchte noch eine Auswahl an Aufklärern und einige kurze Anmerkungen hinzufügen:
• Georg Zoche, Welt Macht Geld [48],
• Margrit Kennedy, Occupy Money [50],
• Bernd Senf, Der Nebel um das Geld, (Lösung von Blockaden, fließendes Geld) [55]
• Jean Ziegler, Imperium der Schande [56]
Anmerkungen:
Eine letzte Rate aus einem Kriegsdarlehen vom 1.Weltkrieg 1914 wurde 2011 von Deutschland an
einen privaten Geldgeber zurückgezahlt [57]. Frage: Welche Darlehen laufen noch aus dem
2.Weltkrieg für den die Enkel und Urenkel noch zu arbeiten und Zahlungen zu leisten haben?
Vor 40 Jahren am 15.08.1971 hat der amerikanische Präsident Nixon die Golddeckung des US $
aufgehoben. Seitdem sind es bedruckte, grüne Scheine. Die Staatsschulden der U.S.A. liegen
derzeit bei mehr als 14.000.000.000.000 US $.
Jean Ziegler beschreibt in seinem Buch „Imperium der Schande“ sehr gut das weltweite
Finanzsystem und weshalb täglich eine Milliarde (!) Menschen hungern müssen, davon 25.000 bis
30.000 täglich sterben. In der 1.Welt werden etwa 20 bis 50 % der erzeugten Lebensmittel
weggeworfen statt verzehrt. Zudem gibt es einen makaberen Wettlauf der Vorstandsvorsitzenden
von Lebensmittelkonzernen, um sich gegenseitig im Wachstum und Gewinn zu überbieten. Ethik
und Moral müssen da auf der Strecke bleiben. Eine neue Studie von foodwatch zeigt auf, dass
„Hunger durch Spekulation“ gemacht wird. Die Finanzprodukte hierzu werden offen in den Banken
beworben. Sie sind allerdings gut verpackt, so dass der unbedarfte Anleger dies nicht erkennen
kann.
Kuno Kübler
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Abb. 25: Zahl der Hungernden weltweit (in Mio.) [58]
Meine Konsequenzen und meine Handlungsalternativen:
Seit der Lektüre des Buches „ Der Nebel um das Geld“ von Bernd Senf [55] im Jahr 1996 befasse
ich mich damit, einen anderen Weg im Umgang mit den täglichen Geldgeschäften aber auch der
Altersvorsorge zu entwickeln und zu gehen:
Abb. 26: Cartoon von Waldah [59]: Die wundersame Geldvermehrung
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Mitbegründer der Regio-Geld-Initiative in München
Bei der Gründung der Münchner-Regiogeld-Initiative 2005 habe ich mitgewirkt. Seitdem bin ich im
Regioteam aktiv. In einer reichen Großstadt wie München ist dies ein sehr schwieriges Pflaster.
In 2012 wird die Regiocard eingeführt, mit der man/frau bargeldlos bezahlen kann.
Abb. 27: Folie aus dem Vortrag von C.Gelleri (Chiemgauer) [60].
Abb. 28: Titelseite des ersten Flyer zum Regio (2006) [61]
Alle Informationen zum Regionalgeld im Großraum München finden sich unter www.der-regio.de
Sie geben zu, dass die Bemühungen des Regio-Teams München bisher wenig an Erfolg
gebracht haben. Machen Sie weiter?
An dem Punkt muss ich sagen. Hier ist die Luft für mich raus. Es ist für viele noch ein weiter Weg,
Kuno Kübler
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sich darüber zu informieren, wie unser Geldsystem funktioniert, die eigene Trägheit und die
Gewohnheit zu überwinden und zu alternativen Handlungen zu kommen.
Die Weiterentwicklung des „Regio München“ in 2012 kann ich schwer einschätzen. Vielleicht
kommen ja tatkräftige Interessierte zu unseren Treffen dazu. Wenn ich einen Artikel lese: „In den
U.S.A: schießen die Lokalwährungen wie Pilze aus dem Boden“ [62] dann bestätigt mich dies und
ich finde wieder Kraft für die nächste Wegstrecke. Die Lage wird von Tag zu Tag dramatischer (z.B.
erhalten 45 Mio. Amerikaner Lebensmittelmarken [63]).
In der Abschlussarbeit „Global Currency – Geld ist Zeit“ des Zertifikatskurses 2011/2012 beschreibt
Christian Gruber eine global verwendbare elektronische Währung mit einer entfernungsabhängiger
Abgabe/Steuer, die lokales Wirtschaften fördert [64]:
„Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit ist eine elektronische, regionale Währung, die auch
globales Wirtschaften ermöglicht. Mit der konstanten Einheit Zeit wird eine international bekannte
Größe und ein leicht verständliches Rechensystem verwendet. Durch eine in den Zahlungsvorgang integrierte abstandsabhängige Abgabe können Ausgaben für das Gemeinwohl gedeckt
werden“ [64].
Die einzelnen Themen schauen Sie sich immer wieder von einer anderen Seite an. Wie geht
es mit dem Euro weiter?
Wahrlich eine spannende Frage. Eine Antwort kann ich nicht geben, aber einen Hinweis:
„Wie viel Sturm verträgt der Euro-Rettungsschirm?“
unter dieser Ankündigung fand am 13.2.12 von Politik im Raum ein Aufstellungsabend mit
anschließender Reflexion statt:
„Die EU schnürt ein Rettungspaket nach dem anderen und verkündet, dass nun endlich die
Banken „bluten“ müssen. In mehreren südeuropäischen Ländern herrschen unübersichtliche
Verhältnisse, zudem äußern Finanzexperten Zweifel, ob der Staatsbankrott Griechenlands durch
Umschuldungen überhaupt noch zu verhindern ist.
Pessimisten verkünden das baldige Ende des Euro als Währung, schlaue Geschäftemacher bieten
für den Währungszusammenbruch im Internet Überlebenspakete (Trocken-Lebensmittel, Batterien,
Pfefferspray…) für zwei Monate an.
Was sollen wir davon halten? Welche Möglichkeiten haben wir, bleiben uns?“
Leider können die Erkenntnisse dieses Abends nicht mehr in die Arbeit einfließen. Vielmehr
möchte ich mich dem Thema Altersvorsorge und meinen Beteiligungen an verschiedenen
Projekten im Bereich Erneuerbare Energien zuwenden:
4.4.2 Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten
Da die Rente nicht sicher ist und ich über den Umgang mit meinem Geld zentral Entscheidungen
treffen kann, kann ich fürs Alter vorsorgen und gleichzeitig zügig die Energiewende mit
voranbringen.
Meine Beteiligungen liegen gestreut in mehreren Bereichen:
• Wind, weht für mich in der Uckermark mit Förderung des ländlichen Raumes
• Sonne, scheint für mich auf das Maximilianeum (Bay.Landtag)
• Wasser, fließt durch das Praterkraftwerk unter der Isar
• Biomasse, erzeugt Wärme und Strom in Seckach
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In der Uckermark ist eine hofangepasste Biogasanlage im Entstehen (Frühjahr 2012). Der
„Bioenergie Beatenhof“ mit Biogasanlage und Fischzucht wird den ländlichen Raum aufwerten.
Der Projektplaner Gerd Hampel von der Clusterinitiative Energie Nord-Ost-Brandenburg [65],
informiert mich regelmäßig über die Entwicklung des Projektes.
Die Beteiligungen an erneuerbaren Energieanlagen dienen dazu, meinen CO2-Rucksack zu
verkleinern, helfen mit, dezentrale Energieversorgungsstrukturen aufzubauen, lassen neue
Arbeitsplätze entstehen, bedingen demokratische Kontrolle über Sinn und Größe von Anlagen.
Es beinhaltet die Rückkehr zum menschlichen Maß (nach Leopold Kohr und E. F. Schumacher)
[66,67] und fördert eine angepasste Energietechnologie („small is beautiful“), die überschaubar
und beherrschbar bleibt. Kohr hat eine fussläufige Entfernung von ca. 21 km als „1 Kohr“
bezeichnet. Es gilt, verloren Gegangenes, Vergessenes wieder zu entdecken.
Eine Beteiligung an BENG eG (Bürgerenergiegenossenschaft) [68] in München ist als einer der
nächsten Schritte geplant. Ein Einstieg ist auch mit schmalem Geldbeutel möglich. Der „Lauf der
Dinge“ lässt sich oft nur mit kleinen Schritten verändern und die Veränderung bedeutet eigene
Gewohnheiten und Muster zu brechen [69].
Viele Ihrer Schritte sind Sie in den letzten zwei Jahrzehnten mehr oder weniger alleine
gegangen und auch die Projekte waren Einzelprojekte. Jetzt werden es größere Schritte, die
Sie zu einer Gemeinschaft geführt haben und größere Projekte, in denen Sie mit Ihrer
Beteiligung einer von „vielen“ sind. Haben Sie als Pionier Gleichgesinnte gefunden?
Ja, das „Öko-Solar-Haus“ entstand unter meiner Federführung. Jetzt haben sich schon viele auf
den Weg gemacht und so treffen wir uns und können wir neue, größere Projekte starten.
4.4.3 Auf dem Weg zur Solidarökonomie
Während meine Etappen mehr Einzelaktionen und persönliche Einzelakte waren, so sind größere
Veränderungen nur mit größeren Organisationseinheiten und ihren zugehörigen Strukturen
möglich. In der Veröffentlichung „Solidarökonomischer Aufbruch der Region Berchtesgadener Land
– Ein alternatives kleinräumiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell stellt sich vor“ [70]
beschreiben Franz Galler und Norbert Rost wie Einzelthemen, z.B. Regionalwährung Sterntaler,
verknüpft und zu einem regionalen Wirtschaftskonzept wie der RegioSTAR Genossenschaft mit
ihrem 3-Schalen-Modell ausgebaut werden können [71].
Meine Beteiligung mit den Pflichtanteilen und weiteren Geschäftsanteilen an der
Wohnbaugenossenschaft wagnis eG dient neben meiner Altersvorsorge, den Unwägbarkeiten
eines ausreichenden Einkommens im Alter (Slogan von Norbert Blüm „Die Rente ist sicher“) auch
weiteren Aspekten eines Lebens in der Postwachstumsökonomie.
Damit wären wir beim nächsten Themenfeld den „Genossenschaften“. Greifen Sie die
2. Dimension der Nachhaltigkeit, den Bereich „Soziales“ nochmals auf, und betrachten Sie
ihn unter einer anderen Handlungsoption doch einmal näher!
Das tue ich gerne.
Kuno Kübler
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4.5 Bereich Genossenschaften (gemeinschaftlich Wohnen)
In der Bayerischen Verfassung findet sich der Artikel 153, der genossenschaftlich organisierten
Klein- und Mittelstandsbetrieben staatlichen Beistand zusichert [72]:
„Artikel 153
Die selbständigen Kleinbetriebe und Mittelstandsbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel,
Gewerbe und Industrie sind in der Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen
Überlastung und Aufsaugung zu schützen. Sie sind in ihren Bestrebungen, ihre wirtschaftliche
Freiheit und Unabhängigkeit sowie ihre Entwicklung durch genossenschaftliche Selbsthilfe zu
sichern, vom Staat zu unterstützen. Der Aufstieg tüchtiger Kräfte aus nicht selbständiger Arbeit zu
selbständigen Existenzen ist zu fördern.“
In ihrer Veröffentlichung „Genossenschaften als Organisationen der sozialen Innovation und
nachhaltigen Entwicklung“ schreibt Frau Prof. Dr. Susanne Elsen u.a. „genossenschaftliche
Lösungen sind Teil der neuen Bewegungen zur Wiederaneignung und Erschließung von
dezentralisierten und demokratischen Steuerungsformen sowie eigenständigen Handlungsmöglichkeiten, die als Teil der Suche nach tragfähigen Lösungen in der Postwachstumsgesellschaft zu
verstehen sind“ [73].
Sozialgenossenschaften lassen sich nach Elsen mit folgenden Merkmalen kurz beschreiben:
• Identitätsprinzip
• Demokratieprinzip
• Förderprinzip
• Zweck und Nutzer bezogene Gewinnverwendung (keine dysfunktionalen
Finanzmittelabflüsse)
• Neutralisierung des Kapitals
• Schule der Demokratie
• Akt der Selbstbemächtigung
• Stabilität durch Kooperation
• Empowerment und Aneignung von Handlungsoptionen
Internationales Jahr der Genossenschaften 2012
„Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen.
In der Begründung wird betont, dass Genossenschaften in vielen Ländern einen wichtigen Beitrag
für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung leisten. Kreditgenossenschaften, ländliche und
gewerbliche Genossenschaften stabilisieren regionale Wirtschaftskreisläufe und sorgen für lokale
Beschäftigung.“[74]. Das Motto lautet „Ein Gewinn für alle“.
Beispiel der Wohnungsbaugenossenschaft „wagnis eG“
Wohnen in München ist sehr teuer und so beschreibe ich den Ansatz der Wohnbaugenossenschaft
wagnis eG aus meiner Sicht als junges Mitglied (Eintritt 2008). Dabei kann ein ganzes Themenfeld
betrachtet werden, da es nicht nur primär um die Schaffung günstigen Wohnraumes geht. Viele der
vorweg besprochenen Themen, die ich in den letzten 30 Jahren für mich persönlich für einen
nachhaltigen Lebensstil „abgearbeitet“ habe, finden sich hier wieder, nur mit dem Unterschied,
dass es jetzt Themen für die Gemeinschaft sind.
Auch „angesichts der veränderten demografischen Situation sind neue Formen des
intergenerativen Zusammenlebens, sowie der Unterstützung auf Gegenseitigkeit von großer
Bedeutung. Genossenschaften als gewachsene oder neue Unternehmen der sozial orientierten
Kuno Kübler
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Wohnraumversorgung sind Partner für die Gestaltung des Wohnumfeldes sowie die Entwicklung
und Stärkung lebendiger Nachbarschaften (z.B. Wagnis eG, München)“ [73], betont Frau Prof.
Elsen.
Am Beispiel eben der Wohnungsbaugenossenschaft wagnis eG, in der ich 2009 eine Wohnung im
Projekt „wagnis 3“ in der Messestadt Riem bezogen habe, will ich beschreiben, was diese Wohnform für Vorteile bietet und welche Aufgaben für den Einzelnen damit verbunden sein können [75 ]:
wagnis eG steht für [76]:
wohnen und arbeiten
gemeinschaftlich
nachbarschaftlich
innovativ
selbstbestimmt
© Wohnbaugenossenschaft wagnis eG
Abb. 29: Motto der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG und Logo
Wie es begann: 2008 hat mich das Schicksal nach vorne geschubst
Ein Artikel im SZ-Immobilienteil (Juli 2008) [77] zog mich in den Bann: Kristine Alex schrieb über
systemische Aufstellungen zu Wohnungen und Häuser. Im Artikel darunter wurde ein
Wohnprojektetag angekündigt, den ich zusammen mit einem Freund besuchte und es gab bald
kein zurück mehr. Unbeachtet ließ ich einen weiteren Artikel auf dieser Seite mit einem Bild vom
Wagnis-Projekt, denn in einer „Ritter-Sport-Werksiedlung – quadratisch, praktisch, gut“ wollte ich
nicht wohnen. Die Systemregel Nummer acht nach Vester (s.S. 9)vor Augen, kam dies für mich
nicht in Frage. Nun, aber sehe ich aus einem dieser vielen Rechteckwohnblöcke der Messestadt
aus dem Fenster…
In den letzten Jahrzehnten habe ich mich immer wieder einmal mit dem Thema Lebensgemeinschaften beschäftigt. Ich weiß, dass ich vor langer Zeit mehrmals bei den Treffen einer Gruppe
war. Ich bin insgesamt froh, dass mir das „wagnis-Projekt“ erst begegnet ist, als der Zeitpunkt war,
um „wie auf einen fahrenden Zug auf zuspringen“ und passgenau dabei zu sein. Damit musste ich
Kompromisse schließen, konnte nicht alles hinterfragen, musste Abstriche an meine
Idealvorstellungen machen etc. Seit 15 Jahren kenne und verfolge ich z.B. ein ähnliches
Wohnprojekt in Wien, die „Sargfabrik“. Seit ein paar Jahren war und bin ich noch Mitglied bei
Wogeno München eG, ebenfalls einer Wohnungsbaugenossenschaft.
Im August 2008 wurde ich Genossenschaftsmitglied bei wagnis eG, im September suchte ich mir
meine Wohnung aus. In dieser Zeit besuchte ich die Informationsveranstaltungen von wagnis, die
Plenen und lernte ich die GenossInnen in den aktuellen Projektgruppen des Projektes kennen. Als
ich im Herbst 2009 im Haus Süd einzog, kannte ich schon fast alle meine NachbarInnen im Haus.
Ein wohlig angenehmes Gefühl.
Die Beschreibung des Projektes erfolgt stichpunktartig.
Kuno Kübler
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Eckdaten des Projektes (aus den Informationsmaterialien, Stand 2008) [78]:
•
•
•
•
•
•
Mehrgenerationen-Wohnen:
Fünf Häuser mit 99 Wohnungen (7562 m² Nutzfläche)
Café und Restaurant (verpachtet)
Entfaltungsraum (Vortrags- und Veranstaltungsraum)
drei Gästeappartements
Tiefgarage mit sehr wenig Autos, zwei "Stattautos", dafür zwei große Areale für Fahrräder
und Fahrradanhänger
Gemeinschaftsräume:
• Kinderraum,
• Jugendraum
• Bibliothek und Medienraum
• Meditationsraum
• Fitnessraum
• Werkstatt (Metall und Holz)
• Nachbarschaftstreff der Stadt München
Weitere Treffpunkte:
• drei Dachterrassen mit Kräuterbeeten
• zwei Innenhöfe mit Tischen und Bänken
• Naturkinderspielplatz (im Entstehen)
• „Landeier“, Kleingartenparzellen zum Gärtnern (Mini-Urban Gardening, Basis für Transition
Town Aktivitäten ist vorhanden).
Weitere Merkmale:
• Solarenergie (Sonnenkollektoren in einer Grundausstattung, erweiterungsfähig)
• vier Niedrigenergiehäuser / ein Passivhaus
• Mechanische Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung in allen Wohnungen
Heizung:
Drei Wärmepumpen mit Grundwasserwärme. Das System ist noch in der Einregulierungsphase.
Die Arbeitszahl der Wärmepumpen ist für 2010 noch „suboptimal“. Im Bereich des Energiekonzeptes habe ich mich 2008 eingebracht und werde dies weiterhin machen. Somit fließt von vielen
Seiten fachliches und berufliches Know-How auch anderer GenossInnen in die Gemeinschaft ein.
Für eine Bauleitung, die solche Strukturen nicht kennt, war dies eine große Herausforderung.
Auszeichnungen:
• Gütesiegel der Stadt München 2006 im Wettbewerb "München - offen für Kinder“
• „jung, schön und noch zu haben“ (Immobilienpreis von muenchenarchitektur.de 2008)
• Preis Soziale Stadt 2008 (vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.)
• Genossenschaftspreis Wohnen" 2010, (GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen e. V.)
• Ehrenpreis "guter Wohnungsbau" 2010 der Stadt München
Dorfcharakter
Für den Weg zum Müllraum oder die letzten Meter für den Nachhauseweg sollte man/frau Zeit
einplanen, denn bei den zufälligen Begegnungen mit den NachbarInnen werden Fragen geklärt,
Informationen ausgetauscht, an Termine erinnert usw.
Kuno Kübler
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Es entstehen neue Beziehungsstrukturen:
Die BewohnerInnen in jedem Haus treffen sich zu Hausgruppentreffen und klären die Anliegen. Die
Regelungen z.B. für den Hausputz, die Infotafel über den Briefkästen etc. sind von Haus zu Haus
verschieden. Generell wird versucht, einen Konsens mit möglichst wenig Einschränkungen zu
erreichen. Jede Altersgruppe soll die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse finden (Bewegungsdrang
der Kinder, Ruhebedürfnis der Freiberufler und SeniorInnen etc). Frühzeitig Rückmeldung zu
geben ist wichtig, damit keine/r einen „dicken Hals“ bekommt und missmutig wird. Andererseits soll
das Lachen und Fröhlich sein an lauen Sommerabenden nicht unterdrückt werden. Es gab schon
Rundmails, in denen um erhöhte Rücksicht gebeten wurde, wenn jemand schwer krank war.
Es ist große Bereitschaft da, aktiv zu zuhören, dazu zu lernen. Bei Konflikten gibt es auch
GenossInnen mit dem beruflichen Hintergrund für „gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall
Rosenberg“ etc. [79 ] .Das Potential an Ressourcen zur Realisierung von Visionen scheint mir
schier unerschöpflich in dem wagnis-3-Projekt.
Abb. 30: wagnis 3 BewohnerInnen auf den Laubengängen von Haus West/Süd (2011) [80]
„Leben und leben lassen“, wobei die Grenzen nicht strikt gesetzt sind, aber immer wieder diskutiert
werden und es auch Änderungen gibt. Jeden gilt es da „abzuholen“, wo er gerade steht und mit
welchem individuellen “Rucksack“ er in wagnis 3 angekommen ist. Das intensivere, persönliche
Kennenlernen hat erst begonnen. Es gilt viel Neues und Spannendes zu entdecken.
Heute und morgen
Viele Anforderungen sind für mich in dem Projekt erfüllt (z.B. behinderten- und altersgerechte
Wohnungen), um dem Wandel in den nächsten drei Jahrzehnten begegnen zu können. 2008 hörte
ich einen Radiobeitrag, dass Pflegeroboter in der Entwicklung sind für die Pflegeheime [81]. Ich bin
erschrocken und dachte mir nur, bin ich froh, dass ich Mitglied bei wagnis geworden bin. Dann wird
mir dieses Schicksal hoffentlich erspart bleiben, wenn ich in unserer Gemeinschaft im Alter Unterstützung und Pflege brauchen sollte. Durch den demografischen Wandel wird es eine große Herausforderung an die Gesellschaft werden, wie dies bewältigt werden kann. Mit oder ohne „Robby“?
Kuno Kübler
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Die Satzung der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG vom 26.11.2007 [82] ist für alle
GenossInnen bindend. Neben den Organen, Vorstand und Aufsichtsrat gibt es weitere, Themen
bezogene Projektgruppen, das Nachbarschaftswerk wagnis e.V. und Kooperationen mit Vereinen
und Gruppen in der Nachbarschaft. Das wagnis 3 Projekt ist keine Insel, wagnis will eingebunden
sein, vernetzt sein mit der Nachbarschaft in diesen nach ökologischen Gesichtspunkten ausgerichteten Stadtteil [83]. Als Herzstück wächst das Café und Restaurant heran. GenossInnen und
NachbarInnen treffen sich, besprechen sich und feiern, wenn wieder etwas gelungen ist.
Wunsch und Wirklichkeit
Das ursprünglich geplante Bio-Café und Restaurant eröffnete als konventionelles Lokal. Bei so
manchem der GenossInnen war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Der Kreis mit
Vorstellungen von gesunden, fair gehandelten, regionalen und saisonalen Produkten hätte sich so
leicht schließen lassen. Die Nachbarschaft hatte sich im Vorfeld schon auf einen Bio-Backshop,
Regale mit Biolebensmitteln etc. gefreut [83]. Vielleicht besinnt man sich bei einem der nächsten
Skandale der konventionellen Lebensmittelindustrie eines besseren. Den Aspekt einer nachhaltigen Ernährung kann ich mir derzeit nur in meiner Wohnung oder bei meinen Nachbar-Innen oder
der „Biobäuerin“ in Gronsdorf erfüllen. Prinzipien sind mir wichtig aber nicht um jeden Preis, denn
eine Medaille hat mindestens drei Seiten (Vorder-, Rückseite, Rand).
Die Strukturen, Gremien und Spielregeln innerhalb wagnis 3 sind teilweise noch im Aufbau,
erfahren Korrekturen und wollen gelebt und umgesetzt werden. Es sind viele kleine und auch
große Prozesse im Gange, um das Wachsen und Gedeihen in eine lebendige und nachhaltige
Zukunft zu ermöglichen. Wie wenig oder wie viel „Partizipation“ kann, will und darf gelebt werden?
Eine Frage, die durchaus einmal an einem Wochenendseminar gestellt werden sollte. Und z.B. für
die Belegung von frei werdenden Wohnungen in einem Haus offen diskutiert werden sollte. Gerade
ist eine Datenschutzrichtlinie für unsere geschlossenen und offenen Mailinglisten entstanden und
in der Diskussion.
In den Recherchen über die Größe von Gemeinschaften stieß ich auf die Dunbar-Zahl: Demnach
ist ein Kontakt zu „150 Personen“ im sozialen Umfeld möglich [84]. Die Wohnanlage mit 99 Wohnungen und ca. 250 Erwachsenen dürfte an ihrer oberen Grenze für einen intensiven, sozialen
Austausch liegen. Die Interessengruppen für Einzelaktivitäten sind wesentlich kleiner. Über Email
läuft die Kommunikation sehr gut, denn es gibt einen Gesamtverteiler für wagnis 3 und Unterverteiler für die einzelnen Projektgruppen. Eine Diskussion von kontroversen Themen via Email
erwies sich als nicht so glücklich und führte schon zu erheblichen Irritationen, insbesondere, wenn
gruppeninterne Debatten plötzlich an andere GenossInnen oder gar Externe gelangten. Die direkte
Aussprache scheint hier sinnvoller, um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen
oder schneller durch direkte, sprachliche Rückmeldungen zu klären.
Insgesamt kann ich sagen, dass ein aktives Mitgestalten des Gemeinschaftslebens und das
organisatorische Mitwirken einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand bedeutet. Manchmal
komme ich mir vor, als wäre ich in einer weiteren „Firma“ tätig. Als GenossInnen sind wir in einer
Doppelrolle: als Nutzer (quasi Mieter) und als Miteigentümer. In wagnis 3 besteht der Wunsch der
„Selbstverwaltung“. Dies ehrenamtlich umzusetzen stößt an Kapazitätsgrenzen der bereits Aktiven.
Mein Wunsch für 2012
Über einen „Markt der Möglichkeiten“ mit dem Motto: „gemeinsam sind wir stärker“ und mit
möglichst vielen GenossInnen würde ich mich freuen, um zu erfahren wer welches Know-How hat,
wer welche Schwächen hat und an diesem Punkt Unterstützung gut täte. Um noch einmal Bezug
zu nehmen auf die Aussagen von Niko Paech: „Wir werden froh sein, wenn wir eine starke
Gemeinschaft sind, um den Stürmen der Zeit zu trotzen“.
Kuno Kübler
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Ausblick:
wagnis 4 ist in der Planung, wagnis-Art in Vorbereitung
In den bestehenden Projekten finden regelmäßig Führungen statt, denn wagnis eG ist als
Zukunftswohnmodell der Stadt München [85] bereits mit mehreren nationalen Preisen ausgezeichnet worden. Anfragen sind an das wagnis-Büro zu richten. Ganze Stadtratsdelegationen
reisen an, um sich zu informieren.
In Ihrem Zertifikatskurs haben Sie sehr viel über das Genossenschaftswesen erfahren. Sie
haben schon gesagt, dass Sie sich an weiteren Energiegenossenschaften beteiligen wollen.
Welche anderen Genossenschaften sind für Sie noch von Interesse?
Ich will mich in weiteren Genossenschaften vernetzen. Neben der Mitgliedschaft bei Wagnis eG
beschäftige ich mich mit dem Beitritt in weitere Genossenschaften:
Rewig: Regionales Wirtschaften im Rahmen meiner freiberuflichen Tätigkeit
Tagwerk eG: (Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft, Dorfen)
Bezug von ökologisch produzierten Lebensmitteln. Die Ökokiste wird jede Woche an die Haustüre
geliefert. Mehr als 20 wagnis 3 GenossInnen sind Bezieher der Ökokiste.
Bahngeno: Im Herbst 2011 wurde die Bahngenossenschaft gegründet, die zum Ziel hat, den Weg
der Bahn AG an die Börse zu stoppen und in eine Genossenschaft zu überführen [86].
RegioSTAR eG: Diese Genossenschaft ist im Berchtesgadener Land beheimatet. Ein
Erfahrungsaustausch ist erstrebenswert.
Hess Natur i.G.:
Mein Konsumverhalten im Bereich Kleidung ist geprägt von „Auftragen“, Second Hand, Abgreifen
auf dem „Umsonsttisch“ bei wagnis 3, Einkauf auf dem Hofflohmarkt, minimalem „Shoppen“ etc.
Ein noch offenes Arbeitsfeld, das sich vor mir ausbreitet.
In einer der Projektgruppen von wagnis 3 wurde schon die Gründung einer Sekundärgenossenschaft erwogen. Es war dabei an eine Produktivgenossenschaft gedacht. Der Weg ist offen und
aufgrund des Zertifikatskurses (Modul 4) stehen die Informationen jetzt allgemein verfügbar in
unserer Bibliothek zur Verfügung [87]. Die ersten Ideen sind Hausmeisterdienst in der Messestadt
Riem, Bio-Lebensmittel-Einkaufsgemeinschaft usw.
BenG eG:
Wie im Abschnitt Beteiligungen beschrieben, steht dies mit auf meiner Agenda 2012.
TAZ eG:
Um unabhängige Informationen zu erhalten, bin ich sporadischer Mitleser der taz bei meinem
Nachbarn. Eine eigene Mitgliedschaft steht noch aus.
Im Jahr 2011 entstand im städtischen Nachbarschaftstreff Heinrich-Böll-Str. 69 die Projektgruppe
„Nachhaltige Messestadt“. Je nach Aktivitäten, die die Mitglieder entwickeln, liegt die Gründung
einer „Stadtteilgenossenschaft“ im Bereich des Möglichen [88] (Community Development).
Kuno Kübler
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Dadurch werden es noch mehr Kontakte, die Sie haben werden. „Netzwerken“ ist heute
wichtig. Beschreiben Sie eine Qualität, die Sie erlebt haben.
4.6 Bereich: Vernetzung
Damit entsteht ein Mehrwert. Denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. In dem
genossenschaftlichen Wohnmodell wagnis 3 erlebe ich, dass bei einem gemeinsamen Vorhaben
für die Realisierung viel mehr Know-How und Erfahrung zusammenkommt, als wenn ich etwas
alleine mache. Wenn dann noch Kreativität und Gruppenprozesse dazu kommen, dann entsteht
wahrlich Neues und Schönes.
Mein Netzwerk
Hinter meinen Aktivitäten verbirgt sich ein großes Netzwerk (siehe z.B. Netzwerk Gemeinsinn
e.V.) an Kontakten. Aus ersten Kontakten sind Beziehungen und Freundschaften geworden.
Durch die Beteiligung an der ersten Occupy-Demonstration in München am 15.10.11 auf dem
Karlsplatz ergaben sich neue Kontakte. Direkt und real.
In der virtuellen Welt der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, Skypen (mit Freunden in
Japan) etc. oder der beruflichen wie Xing bin ich nicht zuhause. Das Internet, iPhone und iPad mit
allen ihren Möglichkeiten werden bestehende Strukturen in Frage stellen, auflösen und neue
Strukturen werden entstehen. Aber auch ohne diese Möglichkeiten haben sich vor 70 Jahren
Menschen verabreden und treffen können. Die dritte industrielle Revolution nach J.Rifkin betrifft
neben dem Bereich der Energiegewinnung das Internet.
Facebook hatte am 03.02.2012 weltweit 825 Millionen Anmeldungen. Wenn die ersten anfangen
würden sich als Weltbürger zu sehen (www.transnationalrepublic.org), dann könnte schnell eine
Lawine ins Rollen kommen. Wenn die ersten dann noch zwei Freunde ebenso dazu überreden
könnten und jeder der beiden am nächsten Tag wieder zwei Freunde...
Dann hätte für Sie die Funktion des exponentiellen Wachstums etwas Positives?
Aber ja. Wir müssen nicht warten, bis es die perfekte Lösung für etwas gibt. Der Weg ist fast schon
das Ziel. Der Wandel wird sich noch verstärken. Mit meinem inneren Wandel beschäftige ich mich
ebenfalls schon sehr lange.
“Before we had the knowledge, the earth was already orbiting the sun. The earth did not
wait to make its orbits till mankind knew exactly what was going on and why.”
4.7 Bereich: Bewusstsein
Einer Ihrer Leitsprüche ist: „Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst!“
von Mahatma Gandhi. Lassen Sie mich ein wenig hinter die Kulissen blicken?
Ja, alles wandelt sich, in mir und um mich herum. Die letzten Jahre waren einem starken Wandel
unterzogen.
Kuno Kübler
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Der Wandel im Inneren
Im außen kann ich viel verändern, mein Verhalten der Umwelt und den Mitmenschen gegenüber.
Wie sieht es mit dem inneren Wandel aus? Erkenne ich die Muster, nach denen ich lebe? Kann ich
die Muster brechen? Prof. Wüthrich, Universität der Bundeswehr München, gab den Zuhörern in
einer Veranstaltung für die MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung die kurze Frage für die tägliche
Arbeit mit auf den Weg: „Muss das so sein ?“
Ohne weiter in den Bereich der Psychologie oder der Tiefenökologie einzusteigen hat mich
folgendes Bild wieder einmal beschäftigt und dann gab es ein „AHA“. Mann fühlt sich klein, wie ein
Moskito und sucht andere Moskitos, um einen Schwarm bilden zu können, der dann das feindliche
Rhinozeros (Synonym für Umweltzerstörung) in eine andere Richtung glaubt, lenken zu können.
Vielleicht gibt es dieses Rhinozeros gar nicht. Vielleicht ist es vielmehr ein Schattenwurf des
Moskitoschwarms auf eine Wand in Aussehen/Gestalt eines „Rhinozeros“ und damit eine
Projektion. Wir sind die Summe der Teile und projizieren ein Rhinozeros. Dieses Trugbild wird allzu
gerne von den Medien und den Mächtigen aufrecht erhalten, damit wir schön brav und abhängig
bleiben. Denn SIE wissen ja, wie das Rhinozeros zu dirigieren wäre.
Es ist eine sensationelle Entdeckung, wenn ich aus dem KonsumEnten-Schwarm auf das
Schattenbild sehe und feststelle, dass ich meine Wege (z.B. anders einkaufen) verändern kann. Im
Großen fällt es überhaupt nicht auf, aber ich habe autonom gehandelt und bin teilautark.
Das Seminar „Welt im Wandel“ oder „Be the change“ in Gronsdorf 2011 hat Sie stark
berührt. Was haben Sie dort Bedeutendes für sich mitnehmen können?
Seit vielen Jahren sind sich immer mehr Menschen dem Raubbau an der Natur und der
Zerstörungen auf diesem Planeten bewusst. Die Konzeption dieses Seminars ist darauf
ausgerichtet, ins eigene Handeln zu kommen und das aus tiefstem Herzen heraus. Sobald ich aus
der Trance aufwache, mein Hamsterrad-Handeln reflektiere, kann ich anfangen etwas zu ändern.
Die letzte Übung, die einem dort mit auf den Weg gegeben wurde, war [26]:
Unterteile ein Blatt (DIN A 4 quer) in drei Spalten.
Schreibe in die erste Spalte: Was macht mich lebendig ?
Die zweite Spalte bleibt zunächst leer.
Schreibe in die dritte Spalte: Was braucht die Welt / Weltgemeinschaft ?
Wenn du das, was dir einfällt, eingetragen hast in die linke und rechte Spalte, dann folgt noch ein
Schritt:
Ziehe Verbindungen zwischen Spalte 1 (deinen Bedürfnissen und Aktivitäten) und denen der Welt
(Spalte 3). Du wirst sehen, es gibt Entsprechungen. Was passt zusammen, was ist sich ähnlich?
Ich kann mit meinen Gaben und Fähigkeiten etwas für die Welt tun. Gleichzeitig nährt es mich und
die anderen, weil ich es ja gerne und aus mir heraus mache. Viel Spaß beim aktiv werden!
Mehr erfahren:
www.pachamama.org, www.awakeningthedreamer.org, www.be-the-change.de, www.oneearth.org
Kuno Kübler
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5 Zusammenfassung
Wie überprüfen Sie Ihre Erfolge und die selbst gesteckten Ziele ?
Nun, ich mache mir Listen und ziehe die Vorlesungsmanuskripte hinzu:
Um z.B. die „soziale Fallhöhe“ nach Peach nach dem Peak Oil zu verringern wurden bereits viele
persönliche Umstellungen in einzelnen Lebensbereichen vorgenommen. Vom globalisierten
Konsummodell habe ich mich schon weit Richtung Regionalökonomie bewegt. Weitere Schritte
sind noch möglich und werde ich anstreben.
Abb. 32: Soziale Fallhöhe in Abhängigkeit von Fremdversorgung und Versorgungsniveau (Niko
Paech) [3]
In der folgenden Aufstellung kann ich zusammen fassen:
Maßnahmen zum Übergang zur Postwachstumsökonomie (nach Niko Paech) [3]:
- „Den eigenen Lebensstil entschleunigen und entrümpeln:
• Mobilität,
√
• Ernährung,
√
• Konsumgüter,
√
• Gebäude
√
– Das unmittelbare Umfeld gestalten im Sinne einer neuen Balance zwischen Selbst und
Fremdversorgung:
• Transition Towns,
• Gemeinschaftsgärten,
√
• Tauschringe und
• Nachbarschaftshilfe,
√
• Regionalwährungen,
√
• 100%-Regionen,
• Reaktivierung handwerklicher Fähigkeiten etc. (Werkstatt bei wagnis 3 vorhanden)
Kuno Kübler
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– Industrie: Stoffliche Nullsummenspiele
– Politik und Planung
•
Arbeitszeitumverteilung
•
Subventionsabbau
•
Flächenversiegelungsmoratorium
•
Geld- und Bodenreform, Finanztransaktionssteuer (Tobin Tax)
•
Rückbauprogramme: Autobahnen, Flughäfen, Parkplätze, industrielle Areale
entsiegeln, begrünen oder für Erneuerbare Energieanlagen um nutzen
– Welches Messkonzept (Zielvariable) schafft Orientierung?
Alternative Wohlfahrtsmaße haben ihre Grenzen.
Weitaus wichtiger ist die Blickwende von Objekt- zur Subjektorientierung:
CO2-Kennzeichnung von Produkten und individuelle CO 2-Bilanzen“
Die persönlichen Bereiche wurden weitgehend darauf ausgerichtet und mit „√“ markiert.
Abb. 33: Selbsteinschätzung zu persönlichen CO2 Emissionen [90]
In dieser Darstellung [90, modifiziert] ist der Beitrag durch vermiedene Treibhausgasemissionen
durch die Produktion von Strom aus regenerativen Energien nicht berücksichtigt. Durch die auf
S.33 und S.45 genannten Beteiligungen werden Jahr für Jahr mehrere Megagramm CO2
Emissionen vermieden.
In einer dreidimensionalen Anordnung könnten die CO2-Profile weiterer Testpersonen, auch sog.
Randgruppen, aufgenommen werden (Obdachloser, Hartz IV Empfänger, etc.)
Kuno Kübler
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Im Rahmen der Beteiligung an dem Münchner Klimaschutzbündnis entstand diese Auflistung.
Sie gibt zusammenfassend einen Überblick über meine Aktivitäten der letzten 20 Jahre wieder:
Tab. 2: Klimaschutzleistungen (durchgeführt bis 31.12.2010) von Dipl.-Ing.(FH) Kuno Kübler [91]
Nr.
1.
2.
3.
3.
4.
5.
Maßnahme
Energieeinsparung / Energieeffizienz
Ökologische Sanierung eines Reihenhauses
• Wärmedämmung Dach
• Fensteraustausch
 Niedertemperaturheizung,
Pufferspeicher
• Gasbrennwertkessel
• 8 m² Sonnenkollektoren
• Photovoltaikanlage I (Hausbeleuchtung)
• Mikro-Heizkraftwerk mit Stirlingmotor
Nutzen
Ja
12 / 1991
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Regenerative Energien
Ja
• Photovoltaikanlage II Netzeinspeisung
• Mikro-Heizkraftwerk auf Stirlingmotorbasis ja
mit Biobrennstoffen
2008/2009
01 / 1999
04 / 2007
Ernährung
Biologisch, vegetarisch, vollwertig,
Ja
1996
Mobilität
MVV-Jobticket
Fahrrad
Mitglied bei Stattauto
Ja
ja
ja
07 / 1985
Ja
2004 - heute
Beteiligungen an Regenerativen-EnergieProjekten von Green City Energie GmbH
(Photovoltaik auf dem Bay. Landtag, Biogas,
Praterkraftwerk etc.)
Weitere Beteiligungen an PV-Anlagen in
Bayern, Windkraft in Norddeutschland
1998
Ja
6.
Nachhaltige Bildung, Mitglied bei BenE e.V.
7.
Genossenschaftliches Wohnen in einem
Niedrigenergiehaus (www.wagnis.org)
Ja
ab 09/09
8.
Mitarbeit bei der Münchner Regionalwährung
Ja
2006
Kuno Kübler
2008
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6 Fazit:
Ihre Bemühungen über drei Jahrzehnte achtsam mit der Umwelt und den Ressourcen
umzugehen, hat im Dezember 2011 zu einer Auszeichnung geführt. Welcher?
Am 1. Dez. 2011 habe ich den Münchner Umweltpreis 2011 von Bürgermeister Hep Monatzeder
überreicht bekommen. In seiner Laudatio hob er hervor, „ein Pionier bei der Entwicklung und
Vermarktung des Stirlingmotors“ zu sein und „einen frühzeitigen Protagonisten der Solarenergie in
Lehre und Ausbildung“, zu ehren. „Mehr als 20 Jahre lang hat er sein Wissen in Veröffentlichungen, Vorträgen und mit der Betreuung unzähliger Diplomanden weitergeben und dadurch eine
immense Aufklärungsarbeit geleistet“ [92].
Den Titel meiner Abschlussarbeit kann ich auch umformulieren in „Ich bin das Projekt - eine
biografische Selbstbeschreibung“ und getrost hinzufügen: „Träger des Münchner Umweltpreises
2011“.
Ich gratuliere Ihnen zu dieser Auszeichnung und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre nächsten Schritte.
Ausblick:
Mein Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Einige Wege wollen noch beschritten werden [93]:
Wo kämen wir hin,
wenn alle sagten,
wo kämen wir hin
und niemand ginge,
um zu schauen,
wohin man käme,
wenn man ginge.
Kurt Marti
Abb. 31: Löwenzahnsamen [89]
Mögen sich all die Erkenntnisse der letzten Jahre verbreiten wie die Samen dieses Löwenzahns.
Kuno Kübler
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7 Literaturverzeichnis
1. Aktion von Green City e.V. „Mein roter Faden im Leben ist grün...“
http://www.klimaherbst.de/kunos-gruner-faden
2. Berufsbegleitende Weiterbildung an der Hochschule München, „Nachhaltige Entwicklung
ländlicher Räume“, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
http://www.hm.edu/allgemein/studienangebote/wissenschaftliche_weiterbildung/master_2/n
achhaltige_entwicklung_laendlicher_raeume.de.html
3. apl. Prof. Dr. Niko Paech, Universität Oldenburg, Lehrstuhl für Produktion und Umwelt
(PUM), Vortrag Postwachstumsökonomie - ein neues Modell für die Zukunftsfähigkeit,
8.4.2011, Teisendorf, www.postwachstumsoekonomie.org, www.voevoe.de
4. Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen, Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik, TUM
5. Orientalische Weisheit, Quelle unbekannt
6. Flyer zu Nr. 2, Abbildung „Dimensionen der Nachhaltigkeit“
7. Frederic Vester, Zeitbombe – Klimawandel, CD-ROM, Herausgeber: Malik Management
Zentrum St. Gallen AG
8. Portrait von Frederic Vester, www.frederic-vester.de
9. Frederic Vester, Ballungsgebiete in der Krise ,dtv Sachbuch, 1994, S.84
10. Wohngebäude von Antti Lovag, Frankreich, Foto K.Kübler
11. Süddeutsche Zeitung, G.Matzig, Leben in Megacitys - Wie die Hühner im Massenkäfig,
29.10.2011, http://www.sueddeutsche.de/leben/leben-in-megacitys-wie-die-huehner-immassenkaefig-1.1175931
12. TUM Ringvorlesung Umweltschutz 2010 (Klimaherbst), Gabbriele Harrer, Mit wenig viel
erreichen – Vernetztes Denken und Handeln, 20.10.2010
13. BenE e.V. (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung), www.bene-muenchen.de
14. Ecopolicyade, www.ecopolicyade.info/
15. Frederic Vester, Die Kunst vernetzt zu denken, dtv Verlag, 2011
16. SySt®-Institut, Institut für systemische Ausbildung, Fortbildung und Forschung,
Dipl. Psych. Insa Sparrer & Prof. Dr. Matthias Varga von Kibéd, www.syst.info
17. Politik im Raum, Dr. Ruth Sander, www.politik-im-raum.org
18. Sepp Holzer, Der Agrarrebell – Permakultur in den Salzburger Alpen, www.krameterhof.at
19. taz 15./16.2011, S.30
20. Praxis der Systemaufstellung, Heft 1/2002
21. Zitat zu Albert Einstein, http://zitate.net/albert%20einstein.html
22. Netzwerkgemeinsinn, http://www.netzwerk-gemeinsinn.net
23. PIR Protokoll 1, 03.12.2008, http://www.netzwerk-gemeinsinn.net/content/view/446/43/
24. PIR Protokoll 2, 26.03.2010 (im Anhang)
25. Hans-Peter Dürr, Das Lebendige lebendiger werden lassen, oekom verlag, 2011
26. Seminar-Handzettel „Welt im Wandel / Be the Change“, Gronsdorf 2011
27. EFSG Ernst Friedrich Schumacher Gesellschaft für politische Ökologie e:V., Festakt und
Symposium zum 100.Geburtstag von Ernst Friedrich Schumacher, 16./17.9.2011,
München, www.e-f-schumacher-gesellschaft.de
28. Kurt Zyprian Hörmann, Fühlen ist klüger als denken! Mit Intuition die richtigen
Entscheidungen treffen, J.Kamphausen, 2011
29. Entwicklung des Ölpreise 1960 bis 2011, Abb. von www.tecson.de
30. Hochschule München Fakultät 06, Seite der Lehrbeauftragten (im Wintersemester)
http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/vita?staffid=426LB und
Kuno Kübler
49
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/uebersicht/archiv/327-2011-muenchnerumweltpreis-2011.html
31. Hochschule München Fakultät 06, Download der Datei „WEEL“ unter
http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/vita?staffid=426&furtherid=13
32. Bürgerbeteiligungsanlage der Agenda 21 Gruppe Hadern in Oberschleißheim
33. Dr. Karl von Koerber, Ringvorlesung Leitbild Nachhaltigkeit, 10.1.12, Ökol.Fussabdruck,
s.a. www.footprintnetwork.org/de und www.hdr.undp.org/hd, siehe auch Flyer der GIZ,
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, http://www.giz.de/
34. Klimasparbuch, München 2010, Hrsg. LH München, oekom verlag, 2010.
35. Gunter Pauli, Blue Economy, www.factory-x.info
36. Prof.Dr.Dr.h.c.Hans-Peter Dürr, 1,5-kW – Gesellschaft, www.gcn.de/download/D15KW.pdf
37. Kuno Kübler, Gegenüberstellung von technokratischer Planung und biokybernetischem
Systemansatz für die öffentlichen Nahverkehrsmittel Straßenbahn und U-Bahn am Beispiel
München - Studie zur Entwicklung einer Sensitivitätsanalyse nach F.Vester, Diplomarbeit,
Fachhochschule München Fakultät 06, 1983
38. Abb. Nr. 79 aus der Diplomarbeit von K.Kübler (Nr. 37)
39. Umweltbriefe 07 14.4.2011, S.14
40. Frederic Vester, Ausfahrt Zukunft, Heyne Verlag 1990
41. Rathausumschau Nr. 21/2012, Förderpreis Ökologischer Landbau für Biogärtnerei
Obergrashof, Grüne Woche 2012
42. Beratungsbüro für Ernährungsökologie, Dr. Karl von Koerber, München
43. Dr.K.v.Koerber, Nachhaltig geniessen - Rezeptbuch für unsere Zukunft, Trias Verlag, 2012
44. Hania Luczak,Neurologie - Wie der Bauch den Kopf bestimmt, Geo-Magazin 11/2000,
http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/686.html
45. Grüner Markt, http://www.gruener-markt.de/, sowie
http://www.genussrechte.org/seite/beispiele-referenzen
46. G.Hilscher, Stirlingmotor im Fokus einer praxisorientierten Aufklärung über nachhaltige
Energieversorgung,NET-Journal, Jahrgang Nr. 14, Juli 2009, Sonderdruck
47. Heidemarie Schwermer, Das Sterntalerexperiment: Mein Leben ohne Geld, Goldmann
Verlag, 2003
48. Georg Zoche, Welt Macht Geld, Blumenbar Verlag, 2009
49. Mitarbeiterzeitung Abfallwirtschaftsbetrieb München, Dez. 2009
50. M.Kennedy, Occupy Money, J.Kamphausen, 2011
51. Alexander Czerny, Kurzbeschreibung der aktuellen Finanzkrise, 2009
52. Franz Galler, RegioSTAR eG, Vortrag am 21.10.2011
53. Christain Gelleri, Vortrag Prien am Chiemsee, 22.10.2011
54. Gabriele Harrer, Managementzentrum St.Gallen, Ringvorlesung Umweltschutz/Klimaherbst
2010, München
55. Bernf Senf, Der Nebel um das Geld, Aufklarungsbuch, Gauke, 2005
56. Jean Ziegler, Imperium der Schande, Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung,
Goldmann Verlag, 2008
57. Radio B5 aktuell, 2011
58. Dr. Karl von Koerber, Ringvorlesung Leitbild Nachhaltigkeit, 10.1.12,
59. Walter Wesinger, Cartoon, Die wundersame Geldvermehrung, www.waldah.de
60. Christian Gelleri, Chiemgauer...das bessere Geld für die Region, Vortrag, 22.10.11
61. Flyer von Regio e.V., 2006, www.der-regio.de
62. US-Lokalwährungen schießen wie Pilze aus dem Boden (U.S.A.), 23.01.2012,
http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=14128
63. Radio B5 aktuell, 29.1.12
Kuno Kübler
50
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
64. Christian Gruber, Global Currency - Geld ist Zeit, Februar 2012, www.global-currency.org
65. Gerd Hampel, Clusterinitiative E-Nob, (Nord-Ost-Brandenburg), persönliche Mitteilung
66. Leopold Kohr, The Breakdown of Nations“, (Hauptwerk), deutsch: „Das Ende des Großen
– zurück zum menschlichen Maß“ 1986
67. Ernst Friedrich Schumacher „Small is Beautiful“ (Englisch 1973), (Deutsch 1977), Untertitel
„Zurück zum menschlichen Maß“
68. Beng eG, Bürgerenergiegenossenschaft, http://www.beng-eg.de/
69. Prof.Dr.Hans A. Wüthrich, Universität der Bundeswehr München, "Vorsicht Management Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", Veranstaltung der LH München am 14.10.11
70. Franz Galler, Norbert Rost, Solidarökonomischer Aufbruch der Region Berchtesgadener
Land – Ein alternatives kleinräumiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell stellt sich vor,
71. Franz Galler, Vortrag RegioSTAR eG, 21.10.2011
72. Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946
73. Prof.Dr.Susanne Elsen, Genossenschaften als Organisationen der sozialen Innovation und
nachhaltigen Entwicklung, Der Artikel ist erschienen in „Münchner Hochschulschriften für
Angewandte Sozialwissenschaften“ - Susanne Elsen (Hrsg.) Ökosoziale Transformation Solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens - Perspektiven und
Ansätze von unten, 2011
74. Internationales Jahr der Genossenschaften 2012:
http://www.dgrv.de/de/genossenschaftswesen/jahrdergenossenschaften.html
75. tz München, Serie Wohnen, Mehrgenerationenhaus in der Messestadt Riem, „Die größte
Wohnfamilie der Stadt“, 23.1.12, S.6
76. Logo der wagnis eG, www.wagnis.org
77. Süddeutsche Zeitung , SZ Immobilienteil „Wenn Häuser zu sprechen beginnen“, „Die neue
Solidarität“, „Patente Partner – Drei gleichwertige Preisträger bei „Jung, schön und noch zu
haben““, 11.7.2008
78. Informationsmaterialien der wagnis eG, Stand 2008
79. Flyer von Günter Herold, Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg in
München, 2012, www.dialog-herold.de
80. Bild, Hermann Wittekopf, 2011
81. Forschungsprojekt „Pflegeroboter“, Pressemitteilung der TUM, Juni 2008
82. Satzung der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG vom 26.11.2007
83. Süddeutsche Zeitung, Grüne Dächer, Radlanhänger und Krötenteiche, 18.5.2009, S.50
84. Dunbarzahl http://de.wikipedia.org/wiki/Dunbar-Zahl
85. Zukunft findet Stadt: München Zukunftswohnmodelle, Ideen, Planungen, Projekte, LH
München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Flyer zur Ausstellung 2009
86. Deutsche Bahn und ÖPNV als Genossenschaft betreiben, in Bay. Staatszeitung, 03.02.12
87. Genossenschaften gründen, Genossenschaften nutzen – Hilfen zur Gründung von
Genossenschaften, Hrsg. innova eG, Dez. 2007, www.innova-eg.de
88. Initiative „Nachhaltige Messestadt“, Ideenskizze nach dem 2. Initiativkreis am 09.08.2011,
Kuno Kübler, Wolfgang Fänderl
89. Bild, Carmen Hübner, 2011
90. Prof. Heissenhuber, TUM, Grafik, Aktivitäten mit vergleichbaren Treibhausgasemissionen
(modifiziert)
91. Kuno Kübler, Klimaschutzleistungen, Auflistung für das Klimaschutzbündnis München 2010
92. Pressemitteilung der LH München, 02.12.2011,
http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtinfos/Presse-Service/Pressemitteilungen2011/1202M-nchner-Umweltpreis-2011—B-rgermeister-Monatzeder--berreicht-vierAuszeichnungen.html
93. Kuno Kübler, Vision 2025, in Mitarbeiterzeitung des Kommunalreferates, 2006
Kuno Kübler
51
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Links:
Weiterbildungszertifikatskurs „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“:
http://www.hm.edu/allgemein/studienangebote/wissenschaftliche_weiterbildung/master_2/
nachhaltige_entwicklung_laendlicher_raeume.de.html oder
http://www.nachhaltige-region.de/zertifikatskurs
Nachhaltigkeit an der Hochschule München:
http://www.hm.edu/studierende/mein_studium/nachhaltigkeit/index.de.html
Benutzte und weiterführende Links:
www.frederic-vester.de
www.klimaherbst.de/category/magazin/der-grune-faden/page/2/
www.bene-muenchen.de/
www.ecopolicyade.info/
www.syst.info
www.politik-im-raum.org
www.netzwerk-gemeinsinn.net
www.e-f-schumacher-gesellschaft.de
www.waldah.de
www.stirlingmotor.org
www.anders-besser-leben.de
www.stattauto-muenchen.de
www.bfeoe.de
(Ausstelllung „Essen für den Klimaschutz“, 2007)
www.wzw.tum.de/ernaehrungsoekologie/index.shtml
www.genusssrechte.de
www.sterntalerin.net/
www.berndsenf.de/
www.der-regio.de
www.global-currency.org
www.greencity-energy.de
www.beng-eg.de
www.regiostar.com
www.wagnis.org
http://rewig-muenchen.de/
www.tagwerk.net/
www.bahngeno.de/
www.hngeno.de/
(hessnatur)
www.taz.de/zeitung/genossenschaft/
www.pachamama.org
www.awakeningthedreamer.org
www.be-the-change.de
www.oneearth.org
www.transnationalrepublic.org
www.gcn.de/download/D15KW.pdf
Kuno Kübler
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8 Anhang:
•
Abb. 79 aus der Diplomarbeit von Kuno Kübler
•
•
Frage von S. 28
Sie haben die Wahl für ein Jahr (52 Wochen)
a) ein Gehalt von 10.000 Euro pro Woche oder
b) ein Gehalt, das sich von 1 Cent in der ersten Woche, auf 2 Cent in der 2.Wochen, 4 Cent
in der dritten Woche etc. verdoppelt zu wählen.
Was wählen Sie ?
Was schätzen Sie verdienen Sie nach 20 Wochen im Fall b) und was in der 52.Woche ?
a) 52 x 10.000 Euro ergeben eine Summe von 520.000 Euro
b) Ihr Gehalt in der 52. Woche beträgt: 22.517.998.136.852,50 Euro (Das Aufsummieren der
anderen 51 Wochen vernachlässigen wir hier). In der 21.Woche verdienen Sie 10.485,76
Euro. In der Woche haben Sie Fall a) überholt.
•
Urkunde Umweltpreis
•
Seminarbescheinigung EFSG e.V.:
Symposium zum 100.Geburtstag von Ernst Friedrich Schumacher, 16./17.9.2011,
München, www.e-f-schumacher-gesellschaft.de
•
Seminarbescheinigung
http://www.bene-muenchen.de/
•
Protokolle zu den Aufstellungsarbeiten (mit nachträglicher Ergänzung des
Aufstellungsabend vom 13.2.2012)
Kuno Kübler
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Abb. 79 aus der Diplomarbeit [37]:
Darstellung der gegenwärtigen Situation bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht
kybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit der möglichen anderweitigen Nutzung
der Straßenbahn (zwei Seiten)
Kuno Kübler
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Abb. 79 aus der Diplomarbeit [37]:
Darstellung der gegenwärtigen Situation bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht
kybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit der möglichen anderweitigen Nutzung
der Straßenbahn (zwei Seiten)
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MOHR-VILLA FREIMANN e.V. • Situlistraße 75 • 80939 München
Tel. 324 32 64 - Fax 32 19 53 54
www.mohr-villa.de
www.politik-im-raum.org
Politik im Raum – Politik im Raum – Politik im Raum
Die Erde kann auch ohne uns, - aber wir nicht ohne die Erde...
Aufstellung* mit anschließender Reflexion
So einleuchtend obiger Spruch ist, so sehr klingt er auch nach erhobenem Zeigefinger. Und
überhaupt: Kann denn der/die Einzelne überhaupt noch etwas bewirken, ist es nicht schon viel zu
spät? Wozu nachhaltig zu leben versuchen, wenn Milliarden Menschen in den aufstrebenden
Entwicklungsländern die Umwelt verschmutzen? Oder ist es vielleicht gar nicht so schlimm, ist
alles nur Panik-Mache?
Organisationen wie das ÖBZ (Ökologisches Bildungszentrum) versuchen aufzuklären,
wachzurütteln, Lust auf nachhaltiges Konsumenten-Verhalten zu wecken. Welche
Chancen haben sie damit, bzw. wie könnten diese erhöht werden?
Gast: Brigitte Hefele, Mitarbeiterin des ÖBZ München
Moderation: Dr. Ruth Sander
Zeit: Mi., 03.12.2008, 18.30 Uhr
Ort: Mohrvilla, Dachgeschoss
Beitrag: eine Kleinigkeit fürs Buffet, Zeit für Herrichten/Wegräumen oder eine Spende
von 5,-- €/Regio
Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
_________________________________________________________________
* Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von FamilientherapeutInnen entdeckt.
Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen erfolgreich eingesetzt.
Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet:
Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System
werden sicht- und erlebbar.
Kuno Kübler
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Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für
unsere westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar
zu machen, ohne dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen.
Zusammenfassung
Wir beginnen mit Skalenarbeit im Raum:
• Zur Frage ‚Für wie dringend haltet ihr das Thema Nachhaltigkeit?’ platzieren sich
die Anwesenden zwischen dem Skalenwert fünf und fünfzehn; die Aussagen
reichen von ‚Ja, wichtig, aber bitte ohne Panik und entspannt angehen’ auf fünf bis
zu ‚sofort handeln’ auf fünfzehn.
• Bei der Frage ‚Wie sehr lebt ihr schon nachhaltig?’ verteilen sich die Anwesenden
zwischen null und acht; die Aussagen reichen von ‚Ich fahre zwar ein Hybridauto,
aber ich könnte so viel mehr tun’ über ‚Ich lebe aus ökonomischen Gründen
nachhaltig (keine Flugreisen, fünf Personen in einem Auto...)’ bis ‚Ich befasse mich
seit meiner Jugend mit dem Thema, schon bevor es ins öffentliche Bewusstsein
rückte’.
• Zur Frage ‚Wie sehr veröffentlicht ihr euer Tun?’ reichen die Skalenwerte von eins
bis elf: auf zehn und elf stehen Personen, die Multiplikatoren-Konzepte zum Thema
Nachhaltigkeit mitentwickelt haben.
Da unsere Gäste vom ÖBZ, Brigitte Hefele und Jutta Zarbock-Brehm, kein eigenes
konkretes Anliegen formulieren, sondern lieber die Anwesenden zum Thema arbeiten
lassen wollen, erarbeiten Kleingruppen mögliche Fragen für die Arbeit im Raum:
• Was möchte uns der Wandel zeigen/lehren?
• Wie können Menschen ihre Beziehungen bewusst leben, so dass sie ihre
Fähigkeiten und Ressourcen (z.B. Technik) nutzen und konsequent leben (KonsumVerhalten) mit Mutter Erde?
• Welche Bindung und Beziehung haben wir zu Mutter Erde?
• Wie können wir Ressourcen in uns entdecken, um neue Lösungen zur Rettung
unserer Erde zu finden?
Das Plenum einigt sich schließlich auf die Frage
„Wie kommen wir zu einer Beziehung,
die der Erde und uns Menschen im Prozess des Wandels gut tut?“
und wählt folgende Elemente:
• die Erde,
• die Menschen,
• die Vision,
• die Beziehung,
• der Wandel,
• die Hindernisse,
• die Ressourcen.
Im ersten Bild verkündet die Erde, es sei ihr ganz zu Beginn, so lang sie ganz allein
Kuno Kübler
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im Raum stand, am besten gegangen. Von den Menschen sehe sie nur die Füße, die
auf ihr herumtrampelten, ebenso von der Vision. Wandel und Hindernisse werden von
der Erde als Stärkung erlebt. Außerdem fehle da was: Da stünden nur die Männer, die
Frauen fehlten. Wir nehmen also ein weiteres Element, die Frauen, mit dazu.
Die Männer stehen der Erde gegenüber, seitlich zwischen ihnen die Vision. Die Männer
verspüren Fremdheit, Sehnsucht nach Verbundenheit und Traurigkeit über die
Fremdheit. Von allen anderen Elementen außer den Frauen wissen sie nicht, wer wofür
steht. Die Frauen genießen es, neben den Männern zu stehen und zu zweit zu sein.
Sie fühlen sich dadurch mächtig.
Die Vision würde gerne Menschen und Erde verbinden, bekommt aber zur traurigen,
erschöpften Erde keinen Kontakt. Sie wendet sich deshalb mehr den Menschen zu. Die
Beziehung fühlt sich mit allen verbunden, auf einer Spür-Ebene.
Der Wandel steht ganz nah bei der Erde, fühlt sich als deren Sprachrohr, ist bereit sie
zu schützen und zu verteidigen. Er ist wütend auf die Menschen, weil sie die Erde nur
benutzen. Und er ist empört, dass von den Frauen das Wort ‚Macht’ kommt: „Wenn
die nicht aufhören damit, fahre ich dazwischen und sorge dafür, dass sie
verschwinden.“ Die Hindernisse haben anfangs Körperkontakt zur Vision und erleben
das als angenehm. Als die Vision ihre Position verändert und der Körperkontakt fehlt,
beginnen die Hindernisse in Schieflage zu geraten und dann allmählich wie ein
Klappmesser nach vorn gebeugt stehend sich weiter zu bewegen.
Die Ressourcen stehen ganz weit abgeschlagen außerhalb des Systems. Es geht ihnen
schlecht. Sie lehnen sich an einen Tisch, der hinter ihnen steht, und den sie als Natur
deklarieren. Die Natur gibt ihnen Kraft, baut sie auf. Sie sind entsetzt darüber, dass
die Menschen den Kontakt zur Natur und zu ihren Ressourcen so ganz aus den Augen
verloren haben und würden sich wünschen, dass die Erde zu ihnen kommt.
Im weiteren Verlauf wandelt sich die Vision zu den Kindern (der nächsten
Generation) von Männern und Frauen. Der Erde geht es daraufhin noch schlechter
(„Noch mehr, die auf mir rumtrampeln!“). Sie wendet sich vom Geschehen ab. Als wir
noch das Element Kosmos hinzunehmen, hat dieses nur Bezug zur Erde, nicht zum
Rest des Systems. Der Kosmos fühlt sich dafür zuständig, die Erde stabil zu halten,
egal was auf ihr passiert. Der Erde tut es gut, sich abzuwenden, nur noch den Bezug
zum Kosmos zu spüren.
Die Männer spüren Scham und Schuld. Sie möchten den Kindern ungern in die Augen
schauen. Die Frauen hingegen können nicht verstehen, warum sich die Erde
abgewandt hat. Sie bitten sie, ihnen ihre schönen Seiten zu zeigen, die sie doch auch
hätte. Das empört den Wandel wiederum, macht ihn fassungslos und wütend. Es
bringt auch die Kinder in Bewegung, die den Eltern ihr neues Bewusstsein nahe
bringen wollen. Das erreicht die Frauen. Sie wollen ein gutes Verhältnis zu ihren
Kindern, hören zu.
In der Zwischenzeit hat sich eine Verbindung zwischen Beziehung und Hindernissen
angesponnen. Die beiden haben sich an den Händen gefasst, wiegen sich selig im Takt
einer unhörbaren Musik und haben den Rest des Systems vergessen. Weit
abgeschlagen kochen weiterhin die Ressourcen, jetzt ergänzt um die Bäume, traurig
vor sich hin.
Kuno Kübler
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Gebeten, den eigenen Impulsen zu folgen, machen sich Ressourcen und Bäume auf
den Weg. Sie beziehen Position neben Erde und Wandel, drehen die Erde sanft wieder
den Menschen zu. Hindernisse und Beziehung beenden den Tanz und blicken auf Kind
1. Eine weitere Beobachterin wird noch ins Bild hineingezogen: Sie ist ein weiteres
Kind (Kind 2), die übernächste Generation. Die Hindernisse freuen sich sehr über
dieses Kind der übernächsten Generation.
Männer und Frauen stehen jetzt nebeneinander, ihnen gegenüber Kind 1 und Kind 2,
dahinter Erde, Wandel, Bäume, Ressourcen. Die Beziehung steht leicht seitlich und
wundert sich darüber, so wenig Beachtung zu finden. Dabei könnte sie doch so
nützlich sein. Die Hindernisse haben sich weit in den Hintergrund zurückgezogen. Sie
verkünden, sie seien jetzt überflüssig, so lange Austausch und Kontakt (Beziehung!)
gepflegt würden und keine Schuldzuweisungen erfolgten. Allerdings werden sie wieder
auf den Plan gerufen in dem Augenblick, in dem die Männer in eine Opferhaltung
gehen. Da stellen sie sich hinter die Männer und teilen ihnen mit, dass es unbedingt
wichtig ist, aus dieser Haltung herauszukommen und anzupacken. Sie danken dem
Wandel für sein Dasein und Wirken.
Die Kinder haben noch Meinungsverschiedenheiten: Kind 1 steht auf dem Standpunkt,
Männer und Frauen hätten ihr Bestes getan, sie hätten es eben nicht besser gewusst.
Kind 2 steht auf dem Standpunkt, Männer und Frauen hätten es „verbockt“ und
müssten dafür auch die Verantwortung übernehmen. Diesen Dissens lösen wir nicht
mehr auf, sondern beenden an diesem Punkt die Aufstellung.
In der anschließenden Reflexionsrunde werden folgende Aussagen gemacht:
„Der Konflikt unter der Menschen um die Schuld hat mich verwirrt. Hier geht es nicht
um Schuld – es geht um Verantwortung!“
„Als Repräsentantin der Ressourcen war mein Eindruck: Die Hindernisse und die
Beziehung waren zeitweise in einem Abwehrmechanismus, für mich waren es die
vielen Suchtformen der Menschen. Eine Form, sich mit der Wahrheit, um das was es
geht, nicht auseinandersetzen zu müssen.
Die Ressourcen sind nicht nur Gefühl, sie sind auch sehr stark ein klarer Kopf mit
Ideen und Vorschlägen, Wissen, Weisheit zurück bis zu den Vorfahren. Beides soll
verknüpft werden. Kopf und Bauch, und dieses dann auch noch mit der Verbindung
"Natur" und "Tieren" - unglaublich.“
„Der stärkste Eindruck für mich waren die zwei weiteren Generationen, die zwei
Entwicklungsstufen. Ich weiß nicht immer, wo ich stehe. Aber das wird sich auch noch
klären. Vielleicht gibt es auch Zwischenstufen...“
„Mir hat das Mut gemacht, was ich hier erlebt habe. Das, was zuerst so aussichtslos
aussah, hat eine gute Wendung genommen. Mit dem Wandel ist Erneuerung
verbunden. Das hat mir gut getan.“
Kuno Kübler
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Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
„Ich nehme als intensivstes Bild mit, wie wichtig der Wandel ist, welche Kraft der hat.
Dass der Wandel richtig wütend werden kann, was wegputzen kann. Dass es drauf
ankommt, wie geh ich mit dem Wandel um. Geh ich mit dem Wandel mit oder stell ich
mich dagegen? Ich merk grad auch im eigenen Leben, was sich alles wandelt, und
habe Mühe, da mitzukommen.“
„Auch für mich ist das Thema Wandel wichtig, in meinem Leben. Das Bild der Kinder
in Verbindung mit Wandel und Erde, diese Einheit, die ich auch gespürt habe, hat mir
viel Hoffnung und Kraft für die Zukunft gegeben, dass die Kinder die Zukunft bereiten
werden.“
„Als ich heute hergefahren bin, hatte ich noch eine andere Frage im Kopf. Ich muss
noch drüber nachdenken, was bleibt. Im Moment steht im Vordergrund, dass die
Hindernisse gar nicht so eine Rolle spielen, ob das nicht vielleicht nur faule Ausreden
sind, nicht zu handeln?“
„Da antworten die Hindernisse: Stimmt!“
„Mich hat die Aufstellung heute sehr berührt. Es hat mich in großen Teilen bestätigt.
Ich habe für mich wahrnehmen können, wie wichtig es ist, an dem Punkt zu sein, wo
ich bin, an der Schnittstelle zwischen Eltern und Kindern, und wie wichtig diese Arbeit
ist. Auch zu hören: Fehler sind wichtig. Fehler soll man machen, darf man machen.
Erst dann kann Wandel stattfinden. Das hat mich tief in mir beruhigt. Dass keine
großartigen Dinge von uns erwartet werden, sondern da sein, spüren...“
„Ich finde, die überzeugendste Rolle heute waren die Hindernisse. Ich bin gar nicht
gekommen, um mich damit auseinander zu setzen, aber wie sich gezeigt hat, gibt es
gar keine Hindernisse, sondern nur ein gemeinsames „Voran“. Und das nehme ich
gerne mit nach Hause.“
„Für mich war ganz spannend, dass es keine Schuld gibt und keine Hindernisse. Und
meine Ahnung, dass die Kinder unsere Zukunft sind, die hat sich bestätigt. Da ich
selber Kinder habe, fühl ich mich auch bestätigt in meiner Erziehung, die ich
vollbringe. Ich nehme ganz viel mit von heut Abend.“
„Ich hab schon vorher geahnt und gedacht: Ich bin auf dem richtigen Weg. Was ich
verstärkt dazu beitragen kann: Wenn ich die Arbeit mit den Kindern weitermache,
noch mehr ressourcenorientiert zu arbeiten. Das ist wahnsinnig wichtig. Ich bin
ehrlich, ich vergesse das zwischendurch wieder. Ich kann nur bestätigen: Wenn das
Positive rausgeholt und gestärkt wird, dann löst sich alles andere auf. Man schaut so
gern immer wieder mal auf die schwarze Seite. Man soll die Klarheit und die
Gefühlsebene in den Vordergrund stellen, dann wird das schon, dann hat man wieder
das Urvertrauen.“
„Ich bin dankbar für diesen Abend, weil ich noch mehr in eine gewisse Ruhe
gekommen bin, das mag sich blöd anhören, so ein Zurücklehnen, dass es gut wird.
Dass das auf dem Weg ist. Trotzdem erschreckt mich, dass die menschlichen
Spielchen nicht aufhören, dass die Dualität, die Polarität, gegen die ich so lang
Kuno Kübler
63
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
gekämpft habe, doch irgendwie weitergeht. Das hab ich gehofft, dass die aufhört.
Aber die gehört zur Welt dazu...“
„Ich nehme das kosmische Schweigen mit...“
„Ich nehme meine erste Erfahrung mit Aufstellungen an sich mit, was sehr aufregend
war. Aber es bleibt ein Rest an Bedenken, der Verdacht, dass da jeder unglaublich viel
persönlichen Background mit in die Rollen genommen hat, dass wahrscheinlich, wenn
man die Rollen getauscht hätte, auch was anderes hätte rauskommen können.“
„Das möchte ich aufgreifen. Ob ich den Hindernissen im Leben immer so intensiv in
die Augen schaue?... Das würde ich gerne mitnehmen wollen. Das war eine große
Öffnung für die Beziehung, den Hindernissen wirklich intensiv ins Auge zu blicken und
dann daraus in Bewegung zu kommen. Das ist sehr schön für die Dinge, die ich mir so
anschaue: die gewaltfreie Kommunikation, Playback Theater...“
„Als außen stehender Beobachter hab ich die Intensität bestaunt, die sich entwickelt
hat, und die Dramatik gespürt, die auf uns alle noch zukommt. Mich hat das eher
aufgewühlt als beruhigt. Wir sind weit entfernt von ‚Ende gut, alles gut.’ Die Rolle des
Wandels war da überzeugend. Dass es auch nach wie vor in die andere Richtung
losgehen kann, leider.“
„Für mich hat sich zum xten Mal vieles bestätigt. Zum Ersten die Rückverbindung mit
der Emotion, zum Zweiten hab ich ein ganzes starkes Gefühl, dass ich für die Kinder
sprechen muss, dass die Älteren das nur langsam merken, was von den Jungen
kommt. Ich hab sehr viel Kontakt. Es gibt so viele Gruppen, so viel Vernetzung, so viel
Vorbereitung. Kinder bilden sich nicht so viel drauf ein.“
„Für mich war die starke Rolle der Kinder recht einprägsam, die in der Aufstellung
ganz deutlich wurde. Anfangs waren sie gar nicht da, die haben sich entwickelt. Das
hat mir gezeigt, da ist eine richtige Aufgabe für uns drin, wir sind auf einem guten
Weg, wenn wir da dran arbeiten. Die Zukunft liegt wirklich bei den Kindern.“
„Ich bin ziemlich frei von Erwartungen hergekommen und wollte einfach mal schauen
und das erleben. Und es ist ein großartiges Erlebnis. Was ich mitnehme: Fehler dürfen
gemacht werden, dafür sind sie da – wenn man dazu steht. Und: Es ist alles richtig.“
„Ich habe interessant gefunden, wie wenig Beachtung lange Zeit die Ressourcen
fanden. Ganz lang war das ganze System wie in einer Problemtrance, ohne Auge für
die Ressourcen. Aber da hat die Aufstellung vermutlich sehr genau die Realität
widergespiegelt...
Was mich noch beschäftigt: Ich finde, es gibt eine Verwirrung um die Begriffe ‚Schuld’
und ‚Verantwortung’ und um den Unterschied zwischen Schuld und Schuldgefühlen.
Ich kann nicht finden, dass es Schuld nicht gibt. Das zu leugnen, erzeugt Nebel und
Verwirrung. Auch an diesem Abend war etwas davon zu spüren.“
„Ich kann gut mitgehen mit dem Gedanken: Es geht nicht um Schuldzuweisungen.
Aber ich tu mir schwer mit dem Gedanken: Es reicht, bei sich zu bleiben, zu fühlen,
Kuno Kübler
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den Müll zu trennen und Energie sparsam zu verwenden. Ich hab Bedenken, ob das
reicht. Mich beschäftigt: Wie können wir auf gute Weise nach außen weiter wirken,
wie ohne Schuldzuweisungen kommunizieren? Das beschäftigt mich stark...“
Und noch mail-Beiträge aus den Tagen nach der Aufstellung:
„Es war eine intensive Aufstellung und ich habe viel von profitiert.
Allerdings möchte ich eine Rückmeldung geben: Ich habe den Eindruck, dass durch
das viele Reden vor und nach der Aufstellung vieles zerredet wurde und am Ende eine
Stimmung entstand im Sinne von: Unsere Kinder werden’s schon richten, wir müssen
sie nur unterstützen, an ihre Fähigkeiten glauben etc.
In meinem Erleben war dies nicht die Aussage der Aufstellung, sondern viel mehr,
dass nachfolgende Generationen (vielleicht zum Teil schon bereits lebende Menschen)
für diesen Wandel sorgen werden, also in gewisser Weise unsere Kinder, aber halt
nicht die Kinder an sich. Natürlich ist das nur meine Meinung, ich fand aber, dass
dadurch etwas von der Tiefe der Aufstellung verloren ging.“
„Ich war in der Aufstellung Kind 2.
Ich möchte der Aussage von Kind 1, die Eltern oder Menschen hätten es nicht anders
gewusst, noch etwas anfügen.
Ich bin der Meinung, in der heutigen dringlichen Zeit wird es wohl so gut wie
niemanden geben der nicht wüsste, was mit der Erde los ist. Also denke ich, die
Menschen (Eltern) wissen sehr wohl, was zu tun wäre.
Warum tun dann so wenig etwas dagegen? Oder beteiligen uns an sinnvollen
Aufgaben, die Erde vor dem Supergau zu schützen? Nach dem Motto: nach mir die
Sinnflut!
In erster Linie auch die Industrie, die am Besten weiß, was sie mit der Erde anstellt.
Und trotzdem werden Abgase ohne Ende in die Luft geblasen, die Bodenschätze bis
zum Letzten ausgebeutet und die grünen Lungen abgeholzt! Alles im Zeichen der
Macht und der Gier.
Ich denke, für diese Vergehen sollten die Menschen schon die Verantwortung
übernehmen. Und wenn sie so wollen, auch die Schuld dafür tragen.
Der Einzelne kann im Kleinen etwas tun. Doch wir alle können gemeinsam mehr
unternehmen. Wir sollten uns täglich bewusst sein, dass wir nur Gast auf der Erde
sind. Unser umweltbewusstes Verhalten sollte jeden Tag die Rücksicht und
Dankbarkeit unserem Gastgeber gegenüber zum Ausdruck bringen!
Wenn ich mir bewusst bin, dass es nicht richtig ist, und ich tu es trotzdem, so ist es
mir Sünde. Das sagt schon die Bibel. Wir versündigen uns an der Erde.
Wie und wann werden wir dafür Rechenschaft ablegen müssen?“
Kuno Kübler
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www.politik-im-raum.org
„Ich darf Ihnen berichten, dass die meisten Glühlampen
in meiner Wohnung Energiesparlampen sind“,
Aufstellung* mit anschließender Reflexion
so O-Ton Angela Merkel. - Die Klima-Konferenz in Kopenhagen liegt ein Viertel Jahr
zurück. Was hat sie gebracht?
Welche Bedeutung geben wir dem Begriff ‚Nachhaltigkeit’? Reichen die
Energiesparlampen und die Mülltrennung aus? Wenn nein, was dann? Was können wir
Einzelnen beitragen, oder müssen wir das Thema der Politik, den Konzernen und den
NGOs auf internationaler Ebene überlassen?
Moderation: Dr. Ruth Sander
Zeit: Fr., 26.03.2010, 19.00 Uhr
Ort: Gasteig München, Rosenheimer Platz, Presseraum Nr. 0.131 im EG
Beitrag: 15,00 € oder Regio
Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
-------* Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von FamilientherapeutInnen entdeckt. Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen
erfolgreich eingesetzt.
Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet:
Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System
werden sicht- und erlebbar.
Kuno Kübler
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In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für
unsere westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar
zu machen, ohne dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen.
Zusammenfassung
Wie immer steigen wir über Skalenarbeit ins Thema ein:
Zur ersten Frage: „Wie fit fühlt ihr euch vom Wissen her in Bezug auf das Thema
‚Nachhaltigkeit?‘ – reicht die Palette von 9+ (Beschäftigung mit dem Thema seit der
Studienzeit, Diplomarbeit dazu) bis zu 0 („solange der Begriff Nachhaltigkeit nicht
definiert ist, weiß ich auch nichts darüber“ – was von der Gruppe eher als
Spitzfindigkeit eines viel Wissenden interpretiert wird…).
Zur zweiten Frage: „Wie sehr verhaltet ihr euch nachhaltig in eurem Alltag?“ steht
unser ‚Experte‘ einsam bei Punkt 8; er lebe im Großen und Ganzen nachhaltig – was
Energieverbrauch, Mobilität, Ernährung betrifft. Nur bei der Kleidung könnte er noch
mehr tun. Der Rest der Anwesenden verteilt sich zwischen 0 und 6: Vor allem bei den
niedrigeren Werten wird geschildert, dass das richtige Tun oft als zu anstrengend
erlebt und deshalb eher den gewohnten Mustern gefolgt wird, mit mehr oder weniger
schlechtem Gewissen.
Danach sammeln wir, welche Aspekte des Themas die Anwesenden besonders
interessieren. Hier ein Auszug:
• Widersprüchlichkeit, Ambivalenz zwischen Wissen und Tun
• nachhaltig zu leben ist anstrengend, anders rum ist es bequemer
• Auf Schönes wie Reisen nicht verzichten wollen
• Wie kann Balance zwischen wirtschaftlichen Zwängen und Nachhaltigkeit
aussehen?
• Sich manipulierbar fühlen bei diesem Thema; welchen Veröffentlichungen kann
man/frau trauen? Je nach Stimmung ein gutes oder schlechtes Gewissen haben
in Bezug auf das eigene Verhalten
• Was kann ich tun? Wie ein gutes Beispiel geben?
• Wie kann Nachhaltigkeit über Generationen und nicht nur kurzfristig
ausschauen?
Als wir versuchen, konkretere Fragen zu formulieren, werden folgende genannt:
• Was bremst der Begriff Nachhaltigkeit in uns?
• Sind politische Zwänge ein Mittel, um Nachhaltigkeit zu fördern? Ist die
Wirtschaft der bestimmende Faktor für nachhaltiges Handeln? Haben wir ein
Recht auf Luxus?
• Wie können wir die Zukunft mitprägen? Was ist realistisch/zumutbar bei
unterschiedlichen finanziellen Hintergründen?
Kuno Kübler
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Beim Versuch, uns auf eine Frage zu einigen, landen wir bei dieser:
Wie wirken folgende Elemente in Bezug auf Nachhaltigkeit zusammen:
• Menschen 1
• Menschen 2
• Politik
• Wirtschaft
• Luxus
• Nachhaltigkeit
• Bremse
• Zukunft
Die Menschen unterteilen wir in zwei nicht näher definierte, da wir uns nicht einigen
können, wir wie sie unterschiedlich benennen sollten: Reiche und Arme, Gebildete und
Bildungsferne… Wir überlassen es der Aufstellung, die Unterschiede zu definieren.
Im ersten Bild haben die Menschen 1 die weit entfernt an der Wand stehende
Nachhaltigkeit im Auge und wollen näher zu ihr, während Menschen 2 die
Nachhaltigkeit im Rücken haben und in ihrem Blickfeld zuerst die Politik, dann die
Wirtschaft ist.
Die Politik steht so, dass sie alles gut im Blick hat, aber auch etwas abgeschlagen ist.
Sie findet alles gut, es könne so bleiben.
Die Wirtschaft steht zwischen Politik und Menschen 2. Was sie als störend empfindet:
dass sie Menschen 1 und Zukunft im Rücken hat.
Dem Luxus hat sich die Bremse zugesellt. Das empfindet der Luxus als unangenehm,
die Bremse als stimmig.
Die Nachhaltigkeit befindet sich weit abgeschlagen, nah an der Wand und an einer Tür.
Sie schaut nach unten auf eine schwarze glänzende Tasche, die sie anzieht. Sie fühlt
sich schwer und stützt sich nach einer Weile an der Wand ab.
In diesem ersten Bild sitzt die Zukunft noch im Beobachterkreis. Aber jetzt will sie
aufstehen, mit im Bild sein.
Insgesamt herrscht große Beziehungslosigkeit. Niemand hat Kontakt zu jemand
anderem.
Als wir Veränderungen zulassen, ergibt sich folgende Dynamik:
Menschen 1 möchten etwas tun. Sie versuchen, eine Verbindung zwischen
Nachhaltigkeit und Zukunft herzustellen – mit wenig Erfolg. Menschen 2 drehen sich,
um Menschen 1 und den Luxus in den Blick zu bekommen. Obwohl sie nicht auf die
Nachhaltigkeit fokussiert sind, löst diese bei ihnen ein Kribbeln aus, das erst
nachlässt, nachdem diese zu Boden gegangen ist.
Kuno Kübler
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Die Wirtschaft dreht sich um, um Menschen 1 und Zukunft in den Blick zu bekommen.
Die Politik hat keinen Veränderungswunsch. Der Nachhaltigkeit geht es immer
schlechter, sie stützt sich an der Wand ab. Das beeinflusst auch den Luxus, dem es
zusehends schlechter geht.
Die Zukunft fühlt sich so wichtig, dass sie auf einen Stuhl steigt. Das wiederum finden
Mehrere der Anderen dominant, überheblich oder abgehoben. Die Zukunft ihrerseits
sagt: „Ich bin nicht das Morgen oder das Übermorgen. Ich befasse mich nicht mit
eurem Alltag. Den müsst ihr selber regeln. Und ich bin auch nicht die Zukunft
Einzelner oder nur der Menschen. Ich bin die Zukunft generell, und ihr könnt mir
Dominanz oder anderes zuschreiben, das ändert nichts an meinem Stand.“
Während Menschen 1 mit der Zukunft und ihrer Unbeugsamkeit und Unbeweglichkeit
hadern, machen das Palaver und die Beziehungslosigkeit die Nachhaltigkeit fertig. Sie
geht am anderen Ende des Raumes langsam zu Boden. Da scheint sie sich besser zu
fühlen. Das hat Einfluss auf den Luxus: Auch ihm geht es immer schlechter, bis er
schließlich zu Boden geht. Menschen 1 nehmen Kontakt zur Wirtschaft auf, gehen mit
ihr gemeinsam zur Nachhaltigkeit und versuchen, diese zum Aufstehen zu bringen.
Das gelingt, aber die Nachhaltigkeit fühlt sich nach wie vor schlecht und ist geradezu
angewidert von dem vielen Gerede um sie herum.
Menschen 1 sind nach wie vor sehr aktiv. Sie bringen schließlich auch Menschen 2
dazu, sich der Nachhaltigkeit zuzuwenden. Da die Politik jetzt weit abgeschlagen vom
Rest des Geschehens steht, beschließt sie einen Ortswechsel und bildet mit
Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Menschen 1 und 2 einen losen Kreis. Außer
wohlmeinenden Worthülsen hat die Politik zum Geschehen allerdings nichts
beizusteuern.
Nun scheint sich die Situation wieder festzufahren: Es wird viel geredet und überlegt,
aber der Nachhaltigkeit geht es immer noch schlecht, und Ratlosigkeit herrscht vor.
Da hat der im Hintergrund am Boden liegende Luxus einen Geistesblitz:
„Nachhaltigkeit ist Luxus!“ – Er steht auf und stellt sich wertschätzend, liebevoll und
leise nahe zur Nachhaltigkeit. Während die Anderen weiter verhandeln (Menschen 1
wollen Menschen 2 Richtung Nachhaltigkeit und Wirtschaft orientieren, während
Menschen 2 nur Nähe und Verbundenheit suchen), blüht die Nachhaltigkeit durch die
Nähe zum stillen Luxus immer mehr auf. Schließlich machen sich Nachhaltigkeit und
Luxus langsam und beschwingt, untergehakt auf den Weg, ziehen große Kreise im
Raum: „Es ist wunderschön, einfach nur spazieren zu gehen, zu schauen, zusammen
zu sein. Das ist ein Genuss, ein Luxus!“
Trotz Protest, vor allem von Menschen 1, deren Konzept der Bündelung aller Kräfte
durch den Abzug der Nachhaltigkeit in Frage gestellt ist, beenden wir an diesem Punkt
die Aufstellung und gehen in die Reflexion. Hier einige Statements:
„Ich habe die Politik repräsentiert, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Aber ich
dachte, sie muss hier vertreten sein. Die hat wirklich nicht das beste Ansehen.
Kuno Kübler
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Maulhelden ohne emotionale Intelligenz…“
„Als Bremse wusste ich lange nicht, was ich überhaupt sein sollte. Zwischendurch
hatte ich die Assoziation ‚Erde‘…“
„Ich dachte, die Bremse ist unsere Bequemlichkeit…“
„Ich war schockiert, wie wenig wichtig die Politik hier war. Andererseits hat das meine
eigene Meinung eher bestätigt.“
„Für mich waren die Menschen 1 die der ersten Welt, die die anderen ins Boot holen
müssen. Und die Wirtschaft ist offensichtlich ein wichtiger Faktor dabei. Stimmig war
für mich, dass der Zukunft wurscht ist, was mit den Menschen passiert.“
„Ich habe die Menschen anders erlebt. Menschen 1 waren für mich die Macher,
Menschen 2 die Fühler…“
„Mich hat überrascht, dass Politik und Wirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit so gar
keinen Bezug zueinander hatten – wo sie doch bei anderen Themen so eng verflochten
sind…“
„Wenn die Zukunft zu abstrakt, zu weit weg ist, können die Menschen nicht mit.“
„Nachhaltigkeit funktioniert nur mit Wertschätzung. Und dass Nachhaltigkeit der Luxus
des Genusses des einfachen Lebens sein könnte: Zeit haben, Muße haben, genießen
– dazu haben die Menschen gar keinen Bezug.“
„Am Ende war der Luxus das Erstrebenswerte. Aber das wird von den Menschen noch
nicht angenommen.“
„Die Wirtschaft hat allein gehandelt, mit den Menschen, die Politik musste abgeholt
werden, die hat keine Akzente gesetzt.“
„Als Menschen 1 war ich zerrissen, in Widersprüche ohne Ende verwickelt, voll im Tun.
Jetzt denke ich, es geht um eine weitere Komponente, eine geistige. Wir müssen
lernen, integral zu denken!“
„Für mich als Nachhaltigkeit hat die freie Bewegung am Ende die Lösung gebracht. Die
vielen Palaver waren das nicht. Die waren heftig. Das alte Bild von Nachhaltigkeit ist
Verzicht. Das neue: schauen, frei werden, lebendig und präsent sein. Luxus ist: in
Ruhe spazieren gehen statt Stress haben!“
„Als Luxus habe ich am Boden eine unterwartete Wandlung erlebt. Das war wie ein
Geistesblitz und dann ein Schweben, der Freiheit und Wahlmöglichkeiten gebracht hat.
In Beziehung sein, leicht, ohne Gier. Das ist ein neuer Wert, eine neue Definition von
Luxus.“
„Ich nehme das Schlussbild mit: diese neue starke Nachhaltigkeit in Verbindung mit
Kuno Kübler
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dem neuen Luxus. Nur: Wie kommt es zu dem Blitz, der einschlägt? Das nehme ich
als interessante Frage mit…“
„Ich hatte die Befürchtung, dass wir in Schwere, Ernsthaftigkeit, Ratlosigkeit enden.
Jetzt finde ich die Momentaufnahme ermutigend. Ich habe einen Paradigmenwechsel
von materiellem Luxus zu einem Luxus des Umdenkens erlebt.“
„Was für mich bleibt: der versöhnliche Teil am Ende…“
„Reichtum ist: ins Gebirge gehen können, sich an Kleinigkeiten erfreuen, an einem
schönen Wochenende, einer gelungenen Veranstaltung…“
„Ich war überrascht, wie sehr diese Idee des Luxus sich durch den Abend gezogen
hat…“
„Mich hat diese Rolle von Menschen 1 sehr angesprochen. Ich kenne das gut von mir
selbst: Die Ernsthaftigkeit, das Pflichtgefühl, Verantwortung übernehmen und was tun
zu müssen. Der Wechsel von der Tun- zur Seins-Ebene und zum Genießen hat mich
sehr erleichtert. Und das Schöne daran: Wir müssen nicht darauf warten, dass die
Politik uns Vorgaben oder Zwänge setzt, wir können mit dem Umdenken, dem
Genießen und dem in Bezug sein mit Anderen sofort beginnen!“
Nachgedanken per Mail nach der Veranstaltung:
„Im Nachgang ist mir noch aufgefallen, dass die "Verbindung" eher die "Hoffnung" ist,
v.a. nachdem die Zukunft als Hoffnungsträger ausfällt und sich auf eine Metaphysische
Position zurückgezogen hat.
Die Hoffnung weiß nicht genau, welche Rolle sie spielt, aber sie ist wichtig und ist
vielleicht als neues Element ein Baustein, um mit der aufgekommen Dynamik von
Nachhaltigkeit/Luxus umzugehen.
Für mich erscheinen die "Hoffnungsmenschen" als Menschen, die gerne möchten, sich
aber noch nicht aus ihrer Haut wagen und ihren Gefühlen noch nicht vertrauen,
obwohl sie diese gut kennen.
Zudem denke ich, dass die Opferrolle der Politik nicht ausreichend gewürdigt wurde.
Sie hatte einen sehr herzlichen Kern, den sie (wg. der Opferrolle) nicht nach aussen
zeigt und daher nur "lebloses Geplapper" von sich gibt. Dennoch steckt viel Potential
für die Politik in der Rolle für die eigene Weiterentwicklung und das Erkennen der
Opferrolle.“
Kuno Kübler
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Ergänzung vom 23.03.2012:
www.politik-im-raum.org
Wie viel Sturm verträgt der Euro-Rettungsschirm?
Aufstellung* mit anschließender Reflexion
Die EU schnürt ein Rettungspaket nach dem anderen und verkündet, dass nun endlich
die Banken „bluten“ müssen. In mehreren südeuropäischen Ländern herrschen
unübersichtliche Verhältnisse, zudem äußern Finanzexperten Zweifel, ob der
Staatsbankrott Griechenlands durch Umschuldungen überhaupt noch zu verhindern
ist.
Pessimisten verkünden das baldige Ende des Euro als Währung, schlaue
Geschäftemacher bieten für den Währungszusammenbruch im Internet
Überlebenspakete (Trocken-Lebensmittel, Batterien, Pfefferspray…) für zwei Monate
an.
Was sollen wir davon halten? Welche Möglichkeiten haben wir, bleiben uns?
Moderation: Dr. Ruth Sander
Zeit: Montag, den 13. Februar 2012, 18.30 Uhr
Ort: Ökologisches Bildungszentrum (ÖBZ), Englschalkinger Str. 166, München
Eintritt: 15,00 € oder Regio
Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
____________________________________________________________
* Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von Familientherapeut-Innen
entdeckt. Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen erfolgreich eingesetzt.
Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum
abgebildet: Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die
Dynamiken im System werden sicht- und erlebbar.
In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für unsere
westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar zu machen, ohne
dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen.
Kuno Kübler
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Zusammenfassung
Wir beginnen den Abend mit Abfragen im Raum.
Zur Frage: Wie fern/nah ist Euch das Thema Euro-Krise? – beziehen einige ziemlich
nah Stellung („ich informiere mich fast täglich“; „ich mag die verbindende Idee des
gemeinsamen Geldes, drum fühl ich mich nah“), eine Person ganz fern („Geld ist für
mich ein Zahlungsmittel, und sonst will ich nichts damit zu tun haben“).
Zur Frage: Wie gut fühlt Ihr Euch informiert? - stehen alle in der unteren Hälfte der
Skala. Denn auch die viel Informierten fühlen sich nicht gut informiert: Die
Informationen passen nicht zusammen, widersprechen sich teilweise, des Öfteren fällt
der Begriff der ‚Propaganda‘.
Zur Abfrage: Was löst die Situation bei Euch aus, wie blickt Ihr in die Zukunft? Steht
niemand eindeutig beim Pol ‚vertrauensvoll/optimistisch‘, eine Person deutlich beim
Pol ‚pessimistisch (aggressiv/panisch)‘, einige bei ‚Beides‘ und die meisten bei ‚Keins
von Beidem‘: „Ich bin zwar eher pessimistisch, wenn ich mir die Kompetenz der
handelnden Personen anschaue, aber nicht aggressiv oder panisch, einfach gelassen“;
„ich bin fatalistisch, was kommen wird, das kommt“; „ ich habe Vertrauen, dass alles
einen tieferen Sinn hat und gut weiter geht“; „ich bin besorgt, glaube jedoch an
Europa“ ….
Dann geht es in Kleingruppen ans Fragen sammeln für die Aufstellung. Folgende
Fragen werden genannt:
- Was (welchen Missstand) spiegelt die Euro-Krise in der EU?
- Was passiert gerade? Was geht nicht mehr so weiter? Entsteht etwas Neues?
- Woraus generiert sich der EU-Gedanke? (Angst/Abwehr oder Gemeinschaftsgefühl)
- Was dominiert den Prozess? Handelnde Personen oder systemische
Gesetzmäßigkeiten?
- Hat Europa verborgene Schätze?
- Gibt es in Europa etwas anderes Verbindendes außer Geld und Macht?
- Griechen verbrennen die deutsche Fahne, Deutsche schimpfen über die faulen
Griechen. Was passiert auf der Ebene des einfachen Volkes, was auf der politischen,
und wie passt das zum Europa-Gedanken?
- Welche Systeme spielen mit, und wie wirken sie zusammen?
- Welche Interessen sind im Spiel? Welche Machtspiele laufen ab?
- Ist es für Europa schädlich/trennend, wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt?
- Welches Zusammenspiel gibt es zwischen Europa und anderen Mächten der Welt?
- Worauf kann man sich einstellen, was ist zu erwarten in den nächsten Jahren?
Welche Handlungsperspektiven gibt es?
- Müssen wir aktiver (wütender) werden?
Kuno Kübler
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- Wie kommen wir zu einem nachhaltig funktionierenden System?
Nach einem Brainstorming über mögliche Elemente wählen wir:
- Wir (die wir hier zusammen sind und diese Fragen formuliert haben bzw. die
Menschen, die sich solche und ähnliche Fragen stellen),
die EntscheidungsträgerInnen, aufgeteilt in
- die Politik,
- die Wirtschaft und
- die Geldwirtschaft,
- den Euro,
- die zu Rettenden (es bleibt zuerst offen, ob damit die Bevölkerung, die Regierung
oder die ganzen zu rettenden Staaten gemeint sind),
- die RetterInnen,
- die Spielregeln, repräsentiert durch einen Stuhl.
Als designiertes Element bleibt die EU zuerst sitzen, später kommen noch das
Menschliche (das, was verbindet außer Geld & Macht), die Nachhaltigkeit und die
anderen Mächte der Welt (USA/China/Schwellenländer…) dazu.
Im ersten Bild bezieht das Wir eher am Rand Stellung. Es hat einen guten Überblick
über das ganze System und beobachtet eher unbeteiligt. Nur über den sehr großen
Abstand zur Politik zeigt es sich verwundert, aber auch ein bisschen amüsiert.
Politik, Wirtschaft und Geldwirtschaft stehen mit ziemlichem Abstand zueinander in
einem inneren Kreis, sind aber nicht aufeinander ausgerichtet, sondern schauen alle in
eine Richtung, auf eine Wand des Raumes. Ebenso der Euro, wenn er auch mit
Abstand zu den dreien steht. Die zu Rettenden sind zuerst extrem hippelig. Aber
sobald der Euro seine Position bezogen hat und sie selbst die eigene wählen sollen,
legen sie sich mit einigem Abstand vom Euro auf den Boden, seitlich aufgestützt,
ausgerichtet auf die RetterInnen, die im Rücken des Euro, voll ausgerichtet auf die zu
Rettenden ihren Platz wählen. Diese stehen bald wieder auf, weil es am Boden zu
unbequem ist, lassen aber verlauten, dass sie von der Rolle her am Boden liegen
bleiben müssten.
Noch vor einer ersten Abfrage kommen die Spielregeln ins Spiel: Gefragt, wo die
denn hin gehören, werden sie von allen vehement abgelehnt – bis auf die
RetterInnen, die ebenso vehement nach ihnen verlangen: „Na, ohne die läuft hier gar
nichts“. Gefragt, wer die Spielregeln denn mache, ist die Antwort: Die RetterInnen in
Kooperation mit Politik und Wirtschaft; jedenfalls hätten die zu Rettenden über die
Spielregeln nicht mitzubestimmen.
Die Aussagen bei der ersten Abfrage:
Die Wirtschaft ist nur am Wir und am Euro interessiert; es macht ihr Sorge, dass der
Euro abgewandt steht; sollte er sich auch noch nach außen bewegen, müsste die
Wirtschaft ihm nach.
Die Geldwirtschaft hat Lust auf Bewegung und Dynamik, langweilt sich fast die ganze
Kuno Kübler
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Aufstellung lang. Die Geschehnisse im Innenkreis sind ihr zu statisch, sie will weg, in
interessantere Gegenden.
Der Euro hatte zuerst nur zu den RetterInnen Kontakt. Dann sieht er die zu Rettenden
auf dem Boden und empfindet sie zuerst als "Gartenzwerge".
Die zu Rettenden fühlen sich als Bevölkerung und Land, als zu rettende Länder. Ihr
Blick geht ausschließlich zum Euro.
Die RetterInnen sind – vorausgesetzt, die Spielregeln sind klar und werden
eingehalten – zur Hilfe bereit, aber ohne viel Mitgefühl für die zu Rettenden.
Inzwischen kann sich auch die Politik mit den Spielregeln anfreunden. Ja, nicht nur
das, sie wird massiv: Sie drückt die zu Rettenden auf den Stuhl der Spielregeln, legt
den zu Rettenden die Hände schwer auf die Schultern und fixiert sie damit auf die
Spielregeln.
Nun fragen wir die EU ab. Sie hat die Maßnahmen der Politik als Gewaltausbruch
erlebt und spricht davon, dass es selbstmörderisch wäre, sich selbst in diese
Dynamiken in der Mitte einzubringen. Als aber der Euro leise in Richtung EU „Feigling“
flüstert, motiviert das die EU hinein zu stürmen. Sie bezieht in der Mitte des
Geschehens Stellung, bringt sich einen eigenen Stuhl mit und lässt sich darauf nieder.
Das hat erstaunliche Auswirkungen: Die RetterInnen und die zu Rettenden scheinen
nun ganz auf die EU fixiert; sie gehen langsam zu Boden, es wirkt, als würden sie zu
Füßen der EU sitzen, um ihren Worten lauschen zu können. Der Euro dreht sich um,
um die EU im Auge behalten zu können. Er hat er ganz intensiven Blickkontakt mit
den zu Rettenden. Zu Rettende und Euro bewegen sich aufeinander zu und stehen
schließlich nebeneinander. Auch die Politik kommt näher, sodass EU, RetterInnen, zu
Rettende, Politik und Euro einen Innenkreis bilden. Die zu Rettenden empfinden die
EU wie einen Großvater, dem man gebannt zuhört. Sie nehmen niemanden außen
herum wahr. Nach eigener Aussage empfinden sie sich auf der Entwicklungsstufe eines
Kleinkindes.
Interessant ist, dass sich hier die Wahrnehmungen des Innenkreises stark von denen
der Außenstehenden unterscheiden: Für die EU war das Geschehen sehr aufregend
und sehr im Werden, von außen (Geldwirtschaft, Wirtschaft und Wir) wurde dieser
Innenkreis als heimelig und eher statisch bezeichnet.
Wir sind an einem Punkt, wo sich zwei eher starre Blöcke bilden: der Innenkreis um
die EU, die sich um innere Stabilität innen bemüht und damit voll beschäftigt ist, und
weit draußen Geldwirtschaft und Wirtschaft, die auf der Suche nach neuen,
dynamischen Märkten sind. Das gegenseitige Unverständnis ist mit Händen zu greifen,
Verständigung scheint kaum mehr möglich.
Das ruft die drei weiteren Elemente auf den Plan, die unaufgefordert und von sich aus
die Szene betreten:
Das Menschliche bezieht Stellung hinter den zu Rettenden, lässt die Gruppe um die
EU aufatmen. Nur die Politik ist zuerst irritiert, denn sie stand hinter den zu Rettenden
und verliert durch das dazwischen Treten des Menschlichen den Blick auf den
Innenkreis. Der Versuch, das Menschliche zur Seite zu drängen, gelingt nicht. So stellt
Kuno Kübler
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sich die Politik schließlich an die Seite des Menschlichen. Die EU versucht die Politik
zum Tanzen zu bringen, um gemeinsam Kontakt zur Finanzwirtschaft aufzunehmen.
Die Nachhaltigkeit, die sich übrigens eher als Zukunft fühlt, reagiert stark auf die
Mächte der Welt: Sie geht zur Tür und überlegt, ganz rauszugehen oder das Wir zu
sich einzuladen. Das Wir folgt dieser Einladung. Es soll nach dem Wunsch der
Nachhaltigkeit/Zukunft seinen eigenen Blick auf das Ganze gewinnen.
Die anderen Mächte der Welt stellen sich ganz an den Rand des Raumes, an dem sie
der Wirtschaft und der Geldwirtschaft am nächsten stehen. Damit erklärt sich auch,
wohin Wirtschaft, Geldwirtschaft, Euro und Politik am Anfang geschaut haben, quasi
auf die noch gar nicht aufgestellten Mächte der Welt. Diese haben einen guten
Überblick über den Raum und ziehen sofort die gesamte Aufmerksamkeit von
Wirtschaft und Geldwirtschaft auf sich.
Das Schlussbild zeigt eine geschlossene Gruppe in der Mitte um die EU: zu Rettende,
Euro, Politik und Menschlichkeit.
Drei selbstbewusste Elemente weit außen: Mächte der Welt, Wirtschaft und
Geldwirtschaft, die sagen, viel miteinander anfangen zu können;
am anderen Ende des Raumes das Wir und die Nachhaltigkeit;
und zwischen der EU-Gruppe und den Mächten der Welt eine Zerrissene: die
RetterInnen, die nach wie vor zu retten bereit sind, aber wissen, dass das nur mit
Hilfe der Wirtschaft möglich ist.
Aussagen der Elemente aus diesem letzten Bild; die Abschlussfragen waren: Was war
für dich das Wesentlichste am ganzen Geschehen, und was müsste jetzt passieren,
dass es für dich gut weitergeht?:
Das Wir: „Das Wichtigste für mich war, mich mit der Nachhaltigkeit zu verbinden. Gut
tut mir, dass die anderen damit beschäftigt sind, sich neu zu orientieren. Gut weiter
gehen wird es dann, wenn es möglich ist, neue Positionen vorsichtig auszuprobieren.“
Die daneben stehende Nachhaltigkeit/Zukunft: „Das Wichtigste war, dass das Wir aktiv
geworden ist und die Geschichten erzählt – und nicht die da! [alle anderen Elemente].
Die sind nämlich nur Fiktionen von irgendwas, die aber die Deutungshoheit für sich
beanspruchen. Ich will, dass das Wir diese Deutungshoheit zurückgewinnt.“
Die EU: „Das Wichtigste war, dass das Hineingehen kein Selbstmord war, sondern zu
einer ganz anderen Entwicklung geführt hat.
Das Auftreten des Menschlichen hinter dem Euro war der entscheidende Schritt hin zu
einer Stabilisierung des „Innenkreises“. Dass ich als EU, die Armen (die zu
Rettenden), die Reichen (die Retter) und der Euro für das Menschliche ANZIEHEND
waren, war völlig unerwartet. Es war wie das Auftauchen eines verborgenen Schatzes.
Dadurch war die Voraussetzung geschaffen dafür, sich später auch als „Gruppe“
gemeinsam auf die Außenstehenden hin zu bewegen. Gut wird es dann weitergehen,
wenn endlich die Finanzwirtschaft etwas eingebunden wird und sich auch an
Spielregeln hält. Dafür wäre ich zusammen mit der Politik zuständig.“
Kuno Kübler
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Die zu Rettenden: „Ich habe mich am Anfang fast wie ein Baby gefühlt. Jetzt fühle ich
mich wie ein Jugendlicher oder in der Vorpubertät. Hier fühle ich jetzt große Kraft und
Wärme, habe großes Vertrauen in die EU. Der Rest ist so weit weg, ich nehme da nicht
viel wahr. Wir sind viel zentraler hier. Damit es gut weitergeht, müsste sich gar nicht
viel ändern – eher müsste diese Stabilität hier erhalten bleiben…“
Der Euro: „Das Wichtigste für mich ist, dass Geld und Menschlichkeit jetzt zusammen
sind. Die Politik braucht mich, um etwas bewegen zu können.
Das Erscheinen der Menschlichkeit war für mich von existenzieller Wichtigkeit. Da erst
hatte ich die Hoffnung, dass ich überhaupt einen Sinn habe.
Pessimistisch stimmen mich die da hinten [Weltmächte und Finanzwirtschaft], die
machen einfach ihr Ding – wenn die Politik und ich nicht in der Lage sind, uns
zusammenzutun, dann erst recht. Sonst haben wir keine Chance…“
Die Menschlichkeit: „Das Wichtigste für mich ist: ins Gespräch kommen, alte
Standpunkte auflösen, alte Ansichten. Ich rutsche hier von einem Thema ins nächste.
Ich hätte noch so viel abzuarbeiten, mit der Politik, mit den anderen hier. Und dann,
später, auf die Wirtschaft und die Globalisierung zugehen. Aber eins nach dem
anderen, alles zusammen geht nicht…“
Die RetterInnen: „Wir sind leicht verzweifelt. Ohne Wirtschaft sind die in der Mitte ein
alter Haufen, die EU sitzt noch immer, das ist ein Geklüngel von Hilflosigkeit. Ich
möchte vorangehen, die EU mitziehen, aber die sind so selbstgefällig. Ich weiß, es
geht in diese Richtung [Weltmächte…], die fühlt sich aber nicht gut an, mit der
Nachhaltigkeit so weit weg. Es ist, als ob ich krampfhaft nach Ideen suche, um die EU
für die Wirtschaft noch interessant zu halten, damit die Wirtschaft noch irgendwie den
Draht zu uns behält. Aber so wie’s im Moment ist, wirkt die EU für mich wie ein
Altenheim, starr und betulich. Ich bin auf der Suche nach etwas, was Leuchtkraft für
die Wirtschaft hat, denn ohne die geht’s nicht. Am besten noch mit Nähe zur
Nachhaltigkeit…“
Die Politik: „Das Wichtigste für mich war der überraschende und absolut
unvorhersehbare Moment, als plötzlich die Menschlichkeit vor mir stand und mir
komplett den Blick verstellte. Das war wie ein Schock, ich wusste gar nicht, was ich
machen soll. So wie es jetzt hier ist, kann ich nur sagen: Das Leben ist hier! Hier ist
Wärme, da ist Menschlichkeit! Jetzt müssen wir zuerst innen schauen, dass wir das
regeln, nicht nach außen schauen. Das andere, sowohl die Wirtschaft wie die
Nachhaltigkeit, das kommt erst nachher. Es geht nicht alles auf einmal!“
Die Wirtschaft: „Als die RetterInnen gesprochen haben, das hab ich doch so
interessant gefunden, dass ich ein Team in dieses System [EU] schicken will, um die
RetterInnen zu unterstützen, dass da was Konstruktives passiert. Ansonsten: Das
wahre Leben ist hier [Weltmächte], meine Kraft geht auch hier rein. Denn in diesem
Klüngel da [EU], da kann nichts Lebendiges rauskommen…
Zur Nachhaltigkeit hab ich gar keinen Kontakt, ich weiß gar nicht, was das sein soll…“
Die Geldwirtschaft: „Ich orientiere mich jetzt an der Wirtschaft, habe den Eindruck,
wir zwei bewegen uns jetzt im globalen Raum. Mich interessiert die Nachhaltigkeit, ich
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schau die gerne an, ich find sie gut. Da will ich was reinstecken.
Ein Funken Interesse ist bei mir auch erwacht, seit die im Innenkreis aufgestanden
sind. Das ist besser als vorher.
Insgesamt: Ich fühl mich als reine Energie, Dynamik. Will was bewegen und bin
interessiert an Gleichgesinnten.“
Die Weltmächte: „Mit Wirtschaft und Geldwirtschaft – das ist eine feine Sache. Es ist
gut, und es wird noch besser werden.
Der Innenkreis um die EU wirkt auch auf mich wie ein Altenheim. Wenn die so
weitermachen wollen und ihre Dinge abarbeiten: nett, gerne! Nur die Aussage der
RetterInnen war für mich interessant, da hab ich mir gedacht: Da könnten wir
unterstützen, ein paar Leute rein schicken.
Und sonst: Die sind gar keine Konkurrenz. Wir gehen schon mal voraus, und wenn sie
mal nachkommen wollen – gerne!“
Hier lösen wir die Aufstellung auf und widmen uns der Reflexion. Folgende
Gedanken werden laut:
„In der Realität versuche ich, die Wirtschaft für Spirituelles und Menschliches zu
interessieren. Hier in der Aufstellung war ich als Wirtschaft vor allem an Dynamik
ausgerichtet, alles andere hat keine Rolle gespielt. Das gibt mir zu denken. Mir ist
jetzt klar: Damit das Neue für die Wirtschaft interessant wird, muss es
Anziehungskraft haben!“
„Als Nachhaltigkeit war für mich klar: Das Wir muss eine größere Rolle spielen, also
die denkenden, interessierten, aktiven Menschen! – Das ganze Geschehen um die EU
rum hat mich am Anfang an Kindergarten, später an Cowboy-Spiele erinnert. Alle
stehenden Elemente waren für mich eher Theater und nicht handelnde Elemente, weil
sie für sich eine Bedeutung definierten, die sich jeweils verselbständigt hatte.
Dann ist mir noch ein Buch eingefallen, das ich gerade lese: ‚Die Ökonomie von Gut
und Böse‘ vom Tomas Sedlacek, einem Berater Václav Havels. Der schreibt, dass nicht
Fakten oder Ereignisse unsere Geschichte bestimmen, sondern Mythen, die wir uns
erzählen, angefangen vom Gilgamesch-Epos. Mit Mythen meine ich nicht: Mythen als
Unterscheidung zu Geschichte aufgrund materieller Grundlagen etc., sondern ich
meine: Geschichten im Sinne von systemischen Landkarten, Kontext, Erzählungen, die
die Wirklichkeit konstruieren. Und in diesem Sinne scheint mir Tomas Sedlacek die
alten Texte nochmal durchzugehen: In welcher Form kommen darin Ökonomie und die
moralischen / ethischen Grundlagen für das wirtschaftliche Handeln vor, welche
Geschichten werden erzählt, was könnten sie hinsichtlich dieser Fragen bedeuten? Und
in diesem Sinne fand ich an der Aufstellung das für mich Frappierende, dass das Wir
sich untergeordnet hatte unter die Deutungen der einzelnen Elemente, anstelle sie alle
von außen anzusehen und für sich daraus Schlüsse / Veränderungswünsche zu
entwickeln. Das wäre aber der für mich richtige Weg, um aus dem jetzigen Chaos
rauszukommen.“
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„Als Wir hab ich empfunden: Ich muss beobachten, verstehen, ableiten, nächste
Schritte gestalten…“
„Ich hatte die Frage: Hat Europa verborgene Schätze? Meine Antwort ist jetzt: Ja. Es
hat sich viel bewegt. Die Einbeziehung der Menschlichkeit ist ein großer Schritt.“
„Da war ganz viel Dynamik, viele Schritte. Mir ist die occupy-Bewegung dazu
eingefallen. Vielleicht geht’s ja in diese Richtung: Einigung, sich verständigen,
gemeinsame Werte und dann mit konkreten Vorstellungen der Wirtschaft, der
Finanzwelt und den Mächten gegenübertreten können.“
„Ich hatte die Frage, ob es was Verbindendes gibt außer Geld und Macht. Die Antwort
ist: Ja! Das alte Griechenland fordert Europa, sich zu entscheiden zwischen den alten
Werten und der Globalisierung. Es wirkt zwar verstaubt, aber ich habe Hoffnung auf
das alte Wissen…“
„Ich bin gespalten, hatte so eine Idee: Weiteres rasantes Wirtschaftswachstum wird ja
wirklich in anderen Weltgegenden stattfinden, da ist Europa zu gesättigt. Aber
vielleicht werden in Europa ja jetzt andere Werte wichtiger? Der gute alte
Humanismus, weniger das Geld? Und zugleich denke ich mir: Ist das jetzt nur
Sozialromantik und Wunschdenken?“
„Als Geldwirtschaft war mir nur wichtig, mit der Dynamik, mit dem Neuen zu gehen!
Veränderungen haben mich angezogen, nicht Moralvorstellungen.“
„Diejenigen, die sich hier als die angeblich so dynamischen Kräfte dargestellt haben,
waren aber doch recht statisch. Sie haben sich weder aufeinander zu noch
voneinander weg noch auf die EU und deren Gruppe hin bewegt. Für mich war mehr
Bewegung im alten Europa. Die anderen haben nur viel von Dynamik geredet und
dem angeblich statischen Innenkreis verbal Angst gemacht. Wenn wir auf die
tatsächliche Bewegungslosigkeit dort schauen, brauchen wir gar keine Angst mehr
haben…“
„Asien und Europa entwickeln sich beide, halt verschieden. Aber an der Menschlichkeit
lohnt es sich in jedem Fall festzuhalten. Die Menschen müssen die Entscheidungen
treffen, nicht die abstrakte Globalisierung über die Menschen.“
„Es war interessant, wie Europa sich als Nabel der Welt betrachtet hat. Da seh ich die
Gefahr der Erstarrung, Lagerfeuerromantik, Monologisierung ohne Neuem, auch die
Gefahr der Abkapselung. Es war schon erschreckend bis ernüchternd, wie sich alles
Neue auf die Weltmächte fokussiert. Und es hat nicht so ausgeschaut, als würde
Europa sagen wollen: ‚Wir sind Europa‘ und überhaupt einen Platz für sich
beanspruchen wollen.“
„Es wird schwierig für Europa werden, die eigenen Werte zu halten.“
Nachgedanken in den Tagen nach der Aufstellung:
„Im Nachhinein denke ich mir, dass am Ende wie zwei Systeme im Raum waren, die
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ihre ganz eigene Sprache gesprochen, ihre eigenen Wertesysteme gehabt haben.
Wenn nun ganz viel Platz auf dieser Erde wäre, könnten sie ja vielleicht nebeneinander
existieren, quasi jedes in seiner Wirklichkeitskonstruktion. Aber in Zeiten der
Globalisierung? Setzen sich dann einfach die Stärkeren, Schnelleren,
Rücksichtsloseren, Gierigeren durch, oder gibt es Chancen auf Dialog, auf Einspeisen
alter Werte und Einsichten, damit es zu einem friedlichen Miteinander kommen kann?“
„Nun, das eine System, das alte Europa, ist ja in Wirklichkeit auf die anderen drei
zugegangen. Das war ganz am Ende der Aufstellung, während Wirtschaft,
Finanzwirtschaft und Weltmächte abgefragt wurden. Die Weltmächte haben gesagt:
„Es war schon erschreckend bis ernüchternd, wie sich alles Neue auf die Weltmächte
fokussiert“ und das war für mich auch so zu verstehen, dass jetzt dort auf einmal das
alte Europa auftaucht, in Sichtweite, auf die Weltmächte zukommt, das einen Prozess
erlebt hat und seinen Zusammenhalt unter Spannung und im Dialog erhält, während
die Weltmächte (und die Wirtschaft und Finanzwirtschaft) ahnen, dass sie dies alles
noch vor sich haben und auch Zweifel haben, ob sie dies alles hinbekommen.“
„Selbst wenn es genügend Platz auf dieser Erde für zwei (oder mehr) „Parallelwelten“
geben würde, wäre das keine Lösung: Die Vernetzung würde trotzdem stattfinden,
und wahrscheinlich würde eine Welt, welche die „alten“ Werte zu bewahren versucht,
ausbluten oder vergreisen. „Unsere westliche Welt“ hat ja viele andere Kulturen auch
nicht ihren eigenen Weg gehen lassen, sondern sie zu einer Öffnung gezwungen oder
ist zumindest in diese Welten eingedrungen – ob dies nun das alte China ist oder sehr
ursprüngliche Kulturen im Amazonasgebiet oder in Neuguinea. Frei nach Friedrich
Schiller "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn
nicht gefällt." Ich glaube einerseits nicht, dass eine immer schneller voranschreitende
Welt irgendeinen anderen Teil der Welt in Ruhe lassen würde, und andererseits glaube
ich auch nicht, dass eine ganze Kultur die „Ruhe“ hat, sich auf ihre Werte zu besinnen
und sich nicht von der Dynamik der wirtschaftlich Erfolgreichen mitreißen lässt abgesehen von kleineren Lebensgemeinschaften wie heute schon Klöster
unterschiedlicher Kulturen, aber auch etwa die Amish-people in USA.
Einen Dialog wird es sicher geben (müssen), die Frage ist, wie er aussehen wird. Ja
ich denke es werden sich irgendwie die Stärkeren, Schnelleren, Rücksichtsloseren,
Gierigeren durchsetzen – wie das bisher eigentlich auch meist der Fall war, auch bei
uns im alten Europa mit seiner so hochstehenden Kultur – und meist war es deutlich
schwieriger als heute, einen anderen Weg zu gehen. … da könnte ich jetzt endlos
weiterdenken…“
„Ich glaube, dass Europa eine eigene Identität braucht, um sich in der Globalisierung
behaupten zu können. Um die geht es jetzt, um dann gestärkt weiter gehen zu
können. China und Asien sind von der Menschlichkeit noch weit entfernt, die haben
erst mal andere Aufgaben. Wir müssen uns nach den Kriegen einen neuen Platz geben
und das Vergangene wirklich aufarbeiten. Brasilien, Afrika wird in der Wirtschaft einen
Platz bekommen sowie alle anderen Schwellenländer – es wird spannend bleiben die
nächsten Jahrzehnte. Das heißt in meinen Augen nicht, dass wir nicht wachsen. Wir
wachsen, aber anders. Die Wirtschaft hat bei uns viel erreicht – jetzt geht es um
andere Werte, und da ist Deutschland schon immer Vorreiter gewesen – siehe jetzt
mit dem Atomausstieg und den erneuerbaren Energien. Da zeigt sich schon der
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Wertewandel – weg vom schnellen Geld – hin zur Nachhaltig- und Menschlichkeit.
Ich glaube, es war nur ein kleiner Aspekt, den wir gestern beleuchtet haben.
Für mich ganz wichtig wäre das Zusammenspiel hinsichtlich Entwicklung Europas mit
USA/China/Asien und den Schwellenländern. Ich glaube, da würde man noch mal ein
anderes Verständnis erhalten, was die Eurokrise bedeutet. USA sind, was die Schulden
betrifft, auf gleichem Stand wie Griechenland, nur mit einer besseren Wirtschaft,
China gehört zur Hälfte bereits USA – also die Globalisierung hat in meinen Augen auf
dem Finanzsektor schon einen ziemlichen Einzug gehalten.“
„Die Bewegung für mehr ‚Menschlichkeit in der Wirtschaft‘ muss erst entstehen und
erstarken. Das Gegenteil läuft überall ab.
Mir fiel noch die Parallele zu der Geldaufstellung ein: fließendes Geld. Die
Finanzwirtschaft hat viel von Dynamik, Energie und Bewegung gesprochen. Es ist aber
das rasende Tempo der Spekulationsbillionen, die täglich um den Globus gejagt
werden.
Die besinnliche Runde am Boden war für mich sehr bedeutend. Wir müssen erst
aus dem Hamsterrad aussteigen, wieder den Boden unter den Füßen spüren, damit
wir herausfinden können, was wir an Werten hochhalten wollen. Dass diese Besinnung
der rasenden 90-Tages-Quartalswirtschaft nicht passt, ist mir schon klar. Der äußere
Kreis hat sich lustig gemacht über die EU und den inneren Kreis. Die ersten OccupyAktivisten an der Wallstreet sind von den Bankern auch nur belächelt worden. Es
braucht Zeit, in Kontakt zu gehen, alte Positionen zu überdenken...
Spannend fand ich die Bemerkung zu den Indianern. Die Lagerfeuer"romantik"
finde ich wichtig. Sich wieder rückbinden mit der Natur, den kosmischen Gesetzen etc.
Ich habe das Gefühl, dass das Wissen der indigenen Völker ganz ganz wichtig ist!!
Spannend war auch, dass die Nachhaltigkeit umherspazierte, wie in der
Aufstellung im Gasteig mit den Menschen/Wir an der Seite!
Ich habe eine sehr hohe Dynamik in der ganzen Aufstellung erlebt (auch viel
Heftiges, Aggressives). In der Rolle haben ich weitergezählt, 4., 5., 6. Aufstellung. Es
gab kein statisches Schlussbild, es ging weiter. Fast so, als wenn ein Film langsam
weiterläuft, obwohl der Projektor schon keinen Strom mehr hat.
Die Frage tauchte noch in mir auf, wer ist hier Täter und wer Opfer??
Das Neue ist noch nicht geboren. Das Neue müsste etwas Anziehendes haben,
wurde gesagt. Kann es jetzt aber noch nicht ausstrahlen. Das Neue wächst im
Verborgenen, behütet und beschützt.
Das was später als die Mächte der Welt in die Aufstellung hineinging, war die
ganze Aufstellung schon da, unsichtbar, hat subtil Einfluss genommen.
Was wäre passiert, wenn wir zu Anfang in dieser Ecke schon jemanden hätten
erscheinen lassen?? Vielleicht besser so, wie es lief, denn dadurch trat der innere
Prozess mit der EU etc. stärker hervor. Es gärt im Inneren. Ich stelle mir vor, dass hier
eine neue Kraft wächst, die es dann mit dem Thema "Globalisierung" aufnehmen
kann.
Ich habe noch viele Fragen. Mir kommt das Thema derart vielschichtig vor, dass
wir über die Jahre erst die ersten Schichten in den zahlreichen Geld- und
Finanzaufstellungen aufgezeigt haben.
Entweder durchdringt der Wandel schon so vieles, dass wir die alten Bilder und
Muster gar nicht mehr verwenden können (z.B. "verdeckte erotische
Psychospielchen"), weil sie schon so blass geworden sind. Ich bin auf das Neue
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gespannt, was sich zeigt.“
„Die Aufstellung hat mir gezeigt, wie sehr wir in der Auswahl der Elemente, der
Bedeutungsgebung gefangen sind in dem, was sich als scheinbar unabhängige
Systeme geriert und von bestimmten Leuten genutzt wird, um genau diese scheinbar
unabänderlichen Sachzwänge/ Zielrichtungen / Gegensätze zu formulieren und als
„alternativlose“ Handlungsoptionen darzustellen. Es wird Zeit, das alles grundsätzlich
immer wieder in Frage zu stellen, daraus könnte dann ein fruchtbarer und
zukunftsweisender Dialog entstehen.“
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