WMF Buch Kapitel8

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WMF Buch Kapitel8
150 JAHRE WMF
Die Präsentation der Marke WMF heute
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KAPITEL
8
Die Marke als Erlebnis
Internationalisierung und modernes Design
(1986 – 2003)
1986: Ein neuer Vorstand und
ein neuer Hauptaktionär
Im Jahr 1986 übernahm Rolf Allmendinger den Posten
des Vorstandsvorsitzenden und brachte mit Erfolg die
strukturellen Veränderungen der WMF zum Abschluss.
Unter seiner Führung ist die WMF heute wieder zu
einem Markenzeichen für Qualität und Design geworden.
Die angesprochenen Korrekturen an der Spartenorganisation verantwortete bereits der neue Vorstand. Er erkannte schnell, dass die neue Unternehmensstruktur für
die WMF nicht wirklich passte und setzte daher eine
Verschlankung durch. Der Vorstand wurde von fünf auf
drei Mitglieder reduziert und von den vier Sparten blieben
nur noch drei übrig. Gleichzeitig wurde im gesamten
Unternehmen eine schlankere Organisation eingeführt.
Durch diese teilweise einschneidenden Maßnahmen
konnten die Kommunikationswege erheblich verkürzt und
wichtige Entscheidungen beschleunigt werden.
Rolf Allmendinger,
Vorstandsvorsitzender
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150 JAHRE WMF
Mit diesen Umstrukturierungen hatte Allmendinger die Basis dafür geschaffen, die bereits in
den Jahren zuvor begonnene Modernisierung
der WMF voranzutreiben.
Eine strikte Marktorientierung, die Besinnung auf
die Kernkompetenz, die
Rationalisierung der Produktion sowie eine durchgreifende internationale Ausrichtung in Design, Vertrieb
und Produktion kennzeichnen seitdem die Geschäftspolitik der WMF.
Für seine Leistungen bekam
Rolf Allmendinger die Wirtschaftsmedaille des Landes
Baden-Württemberg und
Dr. Wolfgang Schuppli
das Verdienstkreuz am
Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland verliehen.
Unterstützung für die Modernisierungsmaßnahmen fand Allmendinger bei dem neuen
Hauptaktionär, der 1985 die Anteile der Rheinmetall AG übernommen hatte: Schuppli zeigte
als Anleger ein sehr weitsichtiges unternehmerisches Engagement. Um das notwendige Kapital für die anstehenden Aufgaben bereitzustellen, stärkte er das Unternehmen durch
Kapitalerhöhungen und verzichtete zunächst
auf die Durchsetzung von Ausschüttungen.
1994 verkaufte er den größten Teil seiner
Aktien an institutionelle Anleger; seitdem sind
Beteiligungsgesellschaften der Deutsche Bank
AG, die Münchener Rückversicherung AG und
die Wüstenrot und Württembergische AG
Hauptaktionäre der WMF. Schuppli ist aber
nach wie vor noch größter Einzelaktionär.
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Wiedervereinigung – die WMF gewinnt
ihre alten Filialen zurück
Das einschneidendste Ereignis der deutschen
Nachkriegsgeschichte war ohne Frage die Wiedervereinigung 1990. Nach dem Sturz der
kommunistischen Regierung und dem Fall der
Berliner Mauer 1989 und den schwierigen Verhandlungen mit den früheren Siegermächten
traten am 3. Oktober 1990 die im Sommer
neu gegründeten Bundesländer in der ehemaligen DDR der Bundesrepublik bei. Das mehr
als 40 Jahre lang geteilte Deutschland war wieder vereinigt.
Wie für viele andere Unternehmen in Westdeutschland stellte sich auch für die WMF die
Frage, wie sie auf diese neue Situation reagieren
sollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das
Unternehmen zahlreiche Filialen in Ostdeutschland verloren. Die WMF begann nun sofort
damit, dieses Filialnetz wieder auszubauen. Bereits 1989 hatte sie Kontakte in die damals noch
bestehende DDR geknüpft und als erstes Ergebnis einen Vertrieb von Kaffeemaschinen mit
angeschlossenem Kundendienst eingerichtet.
Die Aufbruchstimmung in den Jahren 1989/90
war gewaltig und erfasste nicht nur die Bevölkerung in der DDR, sondern auch die alte
Bundesrepublik. Bei der Suche nach den alten
Standorten erlebten die Mitarbeiter oftmals
Überraschungen. Teilweise waren an den Standorten noch Haushaltswarengeschäfte, die an
einer Zusammenarbeit mit der weltbekannten
WMF sehr interessiert waren. Alte Nachbarn
meldeten sich, die sich noch an die WMF
Filiale erinnern konnten und weitere Kontakte
zu möglichen Geschäftspartnern vermitteln
konnten.
KAPITEL
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Abrundung der Kernkompetenz durch
Übernahmen
Insgesamt konnte die WMF ihre Marktposition
seit 1986 deutlich festigen und ausweiten –
nicht nur durch die angesprochene interne Umstrukturierung. Bereits in den ersten beiden
Jahren nach dem Eintritt Allmendingers rundete das Unternehmen sein Produktangebot
durch die Übernahme von zwei führenden Herstellern auf ihrem Gebiet ab. 1987 erwarb die
WMF mit alfi Zitzmann in Wertheim einen
führenden Hersteller von Isoliergefäßen. Die
zukunftsweisenden Designideen von alfi waren
eine sinnvolle Ergänzung für das Programm
der WMF. Das 1914 gegründete Unternehmen
bringt neben seiner Erfahrung und hervorragenden Marktkenntnis ein fundiertes technisches
Know-how im wichtigen Bereich des Warmund Kalthaltens ein, so dass sich die WMF noch
deutlicher als Komplettanbieter für Küche und
Tisch profiliert. alfi bleibt als eigenständige
Firma weiter auf dem Markt und kann dort
seine Position erfolgreich ausbauen.
Filiale Rostock
Farbige alfi-Isolierkanne.
Zur Währungsunion im Juli 1990 war die WMF
bereits flächendeckend in der DDR vertreten,
und im Herbst konnte sie die ersten vier eigenen
Filialen in Ostdeutschland eröffnen. Der Ausbau des Filialnetzes ging danach zügig voran:
Bis Ende 1991 konnten insgesamt 15 Geschäfte
aufgebaut werden. So konnte in Leipzig, im
alten WMF Gebäude in der Grimmaischen
Straße, wieder eine Filiale eröffnet werden.
Viele ältere Leipziger erinnerten sich noch gut
an den früheren „Löffelladen“, vor dessen Eingang Reliefs in Löffelform auf dem Bürgersteig
den Weg in den Laden wiesen.
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von Hutschenreuther (heute BHS tabletop)
kann der Hotelvertrieb von WMF mit einem
Porzellansortiment als Komplettanbieter auftreten. Weitere Synergien ergeben sich durch
gemeinsame Produktentwicklungen, mit denen
die Modelle von BHS und WMF harmonisch
aufeinander abgestimmt werden.
In den 1990er-Jahren baute die WMF durch
weitere Übernahmen die Marktstellung in den
Bereichen Tisch und Küche weiter aus. 1995
übernahm sie die Auerhahn Besteckfabrik in
Altensteig im Schwarzwald. Wie alfi Zitzmann
und Hepp war auch Auerhahn ein eingesessenes Unternehmen mit einer langen Tradition.
1870 gegründet, gehört Auerhahn zu den ältesten Besteckmarken Deutschlands.
Hepp: Seit mehr als 125 Jahren Erfahrung im Hotelgeschäft
1988 übernahm die WMF auch die Firma
Hepp aus Pforzheim, ein Traditionsunternehmen mit einem hervorragenden Ruf und einer
starken Marktposition. Das 1863 gegründete
Unternehmen stellt hochwertige Hotelbestecke
und Serviergeräte her; mit ihm rundete die
WMF ihre Kompetenz und ihre Marktposition
auf dem Hotelsektor ab. Da Hepp auch international sehr erfolgreich ist, konnte die WMF
durch die Übernahme ihre internationale Position im Hotelgeschäft festigen. Wie alfi blieb
auch Hepp nach der Übernahme als eigenständiges Unternehmen bestehen. Zur selben Zeit
erwarb die WMF eine Beteiligung an dem Porzellanhersteller Hutschenreuther. Ziel war auch
hier die Stärkung des Objektgeschäfts, denn
durch die Kooperation mit dem Hotelbereich
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Besteckmodell
„Silk“ von Auerhahn
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Die frühere WMF Gründung Silit gehört seit
1998 wieder zum Konzern.
Die WMF und der Markt:
Ein neues Leitbild vollendet
die Umstrukturierung
Im Jahr 2000 wurde die eigene Produktionsstätte in Altensteig geschlossen, zugleich konnte
Auerhahn sich durch ein neues, modernes Markendesign immer besser am Markt behaupten.
Als weiterhin eigenständiger Anbieter ergänzt
Auerhahn mit seinen design-orientierten Besteckmodellen das WMF Programm im mittleren und oberen Preissegment.
Im Jahr 1998 wurde durch die Übernahme
einer Mehrheit an den Silit-Werken in Riedlingen ein altes WMF Unternehmen wieder in
den Konzern übernommen. Mit dieser zweiten
Küchenmarke verspricht sich das Unternehmen
eine weitere Durchdringung des Marktes mit
Vertriebswegen, die von der WMF selbst nicht
genutzt werden können.
Der neue Vorstand war von Anfang an überzeugt, dass die Veränderungen innerhalb der
WMF nur erfolgreich sein konnten, wenn das
Unternehmen zugleich auch sein Verhältnis zu
den Kunden änderte. Sowohl der Einzelhandel
als auch die Kaufhäuser und in jüngster Zeit in
zunehmendem Maße auch die Einrichtungshäuser mussten viel stärker als Partner begriffen
werden, mit dem man gemeinsam den Erfolg
suchen will.
Die Vertriebswege, jetzt als Teile der neuen
Sparten organisiert und damit auf bestimmte
Produkte spezialisiert, konnten den Kunden
Im Jahr 2002 schließlich wurde das Sortiment
weiter abgerundet durch den Erwerb der Firma
Kaiser Backformen.
Kaiser
Backform
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diese Produkte viel genauer und ausführlicher
präsentieren. Zugleich entwickelte sich die WMF
verstärkt zum Komplettanbieter und kompetenten Partner ihrer Kunden. Als innovativer
Hersteller gab die WMF dem Markt schon
immer mit ihren neuen Ideen wichtige Impulse,
und auch diese Kompetenz wurde jetzt weiter
entwickelt.
Um das neue Verhältnis zu seinen Kunden
deutlich zu machen, legte das Unternehmen
ein Leitbild fest, in dem seine Kernkompetenzen beschrieben sind: Die WMF versteht
sich als Partner ihrer Kunden und will bei
Qualität, Gebrauchsnutzen und Design ihrer
Produkte Maßstäbe setzen. Gemeinsam mit
ihren Partnern strebt die WMF international
die Marktführerschaft in allen Bereichen an.
In diesem Leitbild eines modernen und marktorientierten Unternehmens vollendete sich die
Neuorientierung der WMF seit den 1980er-Jahren. Design und Marke, Kunden- und Marktorientierung, moderner Vertrieb und Produktion fanden hier ihren Ausdruck.
Neue Besinnung auf das Design
Mit der neuen Spartenorganisation und mit der
bereits begonnenen Konzentration auf das Kerngeschäft war die WMF vorbereitet, um auf
einen sich rasant ändernden Markt zu reagieren.
Zeitgeist – Postmoderne – eine neue Lust am
Konsum und an schönen Dingen: die WMF
musste frühzeitig wissen, in welche Richtung
der Geschmack ging. Aber „den Geschmack“
gibt es eigentlich immer weniger, sondern statt
dessen immer mehr individuelle Vorlieben.
Diese Differenzierung des Marktes stellt aber
die Produktentwicklung, die Produktion selbst
und den Vertrieb vor schwierige Aufgaben,
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denen die WMF sich stellen musste. Innerhalb
der Produktentwicklung hat sie aus diesem
Grund ein ausgefeiltes System der Trendforschung eingerichtet, mit dem ein breites Spektrum verschiedener Zielgruppen beschrieben
wird. Mit modernen Methoden der Marktbeobachtung und detaillierten Analysen aus Vertrieb
und Filialen kann sie rechtzeitig auf Veränderungen reagieren und dadurch marktgerecht produzieren – ein wichtiger Erfolgsfaktor der WMF.
Ein Ergebnis der zunehmenden Segmentierung
der Märkte ist das gewachsene Markenbewusstsein der Konsumenten. Die WMF reagierte
schnell auf diese bedeutende Veränderung und
präsentiert sich seit den 1980er-Jahren verstärkt
als ein bedeutender Anbieter von Qualität und
Design. Dazu musste sie aber das Design wieder
in den Vordergrund stellen. Auch wenn das Spitzendesign nicht die größten Verkaufszahlen
brachte – es prägte doch ein neues Markenimage
der WMF. Heute verfolgt das Unternehmen
erfolgreich ein ausdrückliches Lifestyle-Konzept.
Das internationale Spitzendesign hat sich durchgesetzt.
Die CAD-Modelleure im modernen Atelier
Um im Design wieder eine internationale
Qualität zu erreichen, führte die WMF bereits
1984 einen Design-Workshop durch, dessen
Ergebnisse ein Jahr später auf der Frankfurter
Messe vorgestellt wurden.
Zur Jahrtausendwende garantiert das hauseigene Atelier gemeinsam mit internationalen
Designern wie Matteo Thun, Ole Palsby, dem
Büro Sieger Design oder
Makio Hasuike den WMF
Produkten einen weltweiten
Erfolg. Qualität, Gebrauchsnutzen und Design kennzeichnen die Position der WMF am
Markt.
Haushaltsmesser „Grand Gourmet“,
Design: Makio Hasuike
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Nicht nur das Produktdesign war dabei wichtig:
Auch im Ladenbau ging die Entwicklung weiter
und heute zeigen sich die Filialen in einem zeitgemäßen Lifestylekonzept. Die zurückhaltende
Schaufensterdekoration rückt das Ladeninnere
in den Vordergrund. Die Themen des WMF
Sortiments (Kaffee und Tee, Bar und Wein,
Küche, usw.) werden inszeniert und mit jahreszeitlich wechselnden Farben präsentiert. Die
Marke WMF erscheint mit diesem Ladenbaukonzept in allen Ländern einheitlich und unterstreicht damit ihre Bedeutung als internationaler Anbieter.
Durch die Zusammenarbeit zunächst mit
Matteo Thun und später mit anderen Designern war die WMF wieder auf der Höhe der
Zeit – und zwar in einem internationalen Maßstab. Das Unternehmen wollte die entstehenden Trends bedienen und sie wenn möglich
mitbestimmen. Aufbruchstimmung herrschte
also in diesen Jahren, in denen die WMF sich
auf ihr Kerngeschäft besann. Denn sie besann
sich zugleich auch auf ein internationales
Design, traf damit den veränderten
Geschmack in Deutschland und
konnte ihre internationale Marktposition ausbauen.
Die Bedeutung, die die Gestaltung
der Produkte in diesen Jahren
gewann, zeigte sich bald auch bei
technischen Geräten wie den Kaffeemaschinen: 1992 präsentierte die
WMF mit dem Programat 4 ein
neues Designkonzept für Kaffeemaschinen und hatte damit international einen gewaltigen Erfolg.
Aufbruch in eine neue Ära des Designs bei
Kaffeemaschinen: der Programat 4,
Design: Dieter Sieger
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Besteck „Materia“, Design: Dieter Sieger
KAPITEL
Lifestyle & Traditionskultur
– neue Themen für Küche und Tisch
prägen das Konsumgeschäft
Seit den 1990er-Jahren versucht die WMF
noch stärker, ihr Markenimage herauszustellen.
Sie reagiert damit auf die fortschreitende Segmentierung des Marktes, der von einer wachsenden Zahl an Stilen und einem immer
schnelleren Wechsel geprägt ist. Die WMF
steht unter diesen Bedingungen vor der Aufgabe, mit regelmäßigen Neuheiten die Trends
rechtzeitig aufzuspüren und möglichst selber
trendbildend zu werden.
Besonders im Besteckbereich
macht sich die Marktsegmentierung bemerkbar. Konnte die
WMF noch in den 1960erJahren Millionen Bestecke einer
Serie verkaufen („Stockholm“
mit 10,1 Millionen verkauften
Besteckteilen allein aus Cromargan, hinzu kamen 8 Millionen versilberte Teile), so wurden die Absatzzahlen der einzelnen Serien jetzt immer kleiner.
Da die Kosten für die Entwicklung und Produktion von
Bestecken aber trotzdem sehr
hoch bleiben, hat das Unternehmen ein differenziertes System
von Zielgruppendefinition und
Markterhebung eingerichtet, um
erfolgversprechend mit zielgruppenorientierten neuen Besteckmodellen auf den Markt zu
kommen. Das Risiko von Fehlentwicklungen kann dadurch
erheblich vermindert werden.
Durch ein betont internationales Design stellte sich der Erfolg
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dieser Produktpolitik nicht nur in Deutschland
ein, sondern auch im Auslandsgeschäft. Bis
Anfang der 1990er-Jahre konnte die WMF
ihre Umsätze im Besteckbereich stetig steigern.
Dabei zeigte sich übrigens, dass die überdurchschnittlichen Erfolge bei den Bestecken für
junge, designorientierte Kunden auch dem traditionellen Standardsortiment zugute kamen,
da sie die Bekanntheit und den Ruf der Marke
WMF deutlich aufwerteten.
Je mehr die WMF das Design ihrer Produkte in
den Mittelpunkt stellt, desto stärker steht sie
vor der Frage, wie sie die „lifestyle-orientierten“
Werbung heute
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Kunden ebenso ansprechen kann wie ihre „traditionell-kultivierten“ Käuferschichten. Zielgruppenorientierung bestimmt daher seit den
späten 1980er-Jahren die Strategie der WMF.
Mit einem breiten Programm, einem zielgruppenspezifischen Marketing und vor allem durch
die Verbindung von Qualität, Funktion und
Gestaltung begegnet das Unternehmen dieser
Herausforderung.
Die WMF profitiert seit den 1980er-Jahren
vom anhaltenden Trend zu einer hochwertigen
professionellen Küchenausstattung. Daher baut
das Unternehmen sein Küchensortiment konsequent aus. Seit den späten 1980er-Jahren kochen immer mehr auch Männer und haben die
Küche als Hobby entdeckt.
Besteck „Onda“, das erfolgreichste Modell der 1980erund 1990er-Jahre. Design: Franz O. Lipp
Ein neuer Freizeitmarkt entstand: „Kochen zu
Hause wie ein Profi“. 1987/88 reagierte das
Unternehmen mit der Collection „Gourmet“
auf diesen Trend. Bei der Präsentation dieser
Kochgeschirrserie arbeitete die WMF erstmals
mit einem bekannten Spitzenkoch zusammen,
in diesem Fall war es Heinz Winkler, der den
professionellen Gebrauchswert der Serie unterstrich. Seit den 1990er-Jahren ist es vor allem
die Kooperation mit dem bekannten Koch
Johann Lafer, die die besondere Qualität der
WMF Produkte herausstellt.
Das Gebäude der österreichischen Vertriebstochtergesellschaft in
Innsbruck
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Besonders erfolgreich ist seit den 1990er Jahren
die Topfserie „Topstar“, ein Produkt, das durch
seine Profiqualität ebenso überzeugen konnte
wie durch sein ausgezeichnetes Design. Seit
2001 stattet die WMF schließlich alle Töpfe
mit dem von ihr entwickelten TransTherm
Allherdboden aus und konnte dadurch ihrem
Küchensortiment international einen weiteren
Aufschwung verschaffen. Im Jubiläumsjahr
2003 soll eine neue Serie im Küchensortiment
(CombiNation Cuisine) an diese Erfolge anknüpfen und die internationale Marktposition
weiter ausbauen helfen.
Ein gutes Beispiel für die trendbildenden Entwicklungen in den 1990er-Jahren ist die Einführung der Gewürzmühlenserie Ceramill, die
1997 auf den Markt kam und seitdem mit großem Erfolg verkauft wird oder das Ordnungssystem für die Küche Variofix. Zahlreiche
Kopien bestätigen, dass die WMF mit diesen
Produkten den Geist der Zeit getroffen hat.
Die Gewürzmühlen „Ceramill“
mit dem patentierten
Crushgrind-Mahlwerk aus Keramik.
Design: Metz und Kindler
WMF Topstar, das Kochgeschirr- und
Gerätesystem für die moderne Küche.
Design: Makio Hasuike
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Weiter ausgebaut wurde darüber hinaus das
Sortiment hochwertiger Schneidwaren bis hin
zu den individuellen, nur in geringen Stückzahlen gefertigten Messern mit Klingen aus
aufwändig geschmiedetem Damaszenerstahl.
Obwohl die WMF erst in den 1970er-Jahren
in die Klingenproduktion eingestiegen ist, hat
sie sich inzwischen weltweit einen hervorragenden Ruf als Anbieter hochwertiger Klingen
erworben.
Ein innovativer Küchenhelfer: der Rührblitz
WMF Schnellkochtopf „Perfect Plus“.
Design: Wagner Design
WMF Frischhalte- und Serviersystem „Top Serve“.
Design: Achim Bölstler
In den letzten Jahren bestimmen
besonders die Themen „Wein & Bar“
und vor allem „Kaffee und Tee“ die
neuen Trends. Die WMF ist darauf
vorbereitet: mit Gläsern und Zubehör
für Wein und Bar, mit Geschirr und
Geräten für Kaffee und Frühstückstisch
sowie mit einem breiten Sortiment der
verschiedenen Küchenwerkzeuge;
vor allem aber mit den international
erfolgreichen Großkaffeemaschinen
für die Gastronomie.
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Der Siegeszug
der WMF Kaffeemaschinen
Die Produktion der Kaffeemaschinen hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen,
entwickelte sich aber vor allem seit den 1950erJahren zu einer wichtigen Säule im WMF Geschäft. Ständige Innovationen auf der einen
Seite und vor allem der werkseigene schnelle
und zuverlässige Kundendienst auf der anderen
Seite trugen zu diesem Erfolg bei. Ein wichtiger
Entwicklungsschritt war die Kaffeemaschinenserie „Programat“, die 1969 als absoluter Messeknüller in Hamburg auf der Internorga vorgestellt wurde. Der Programat war die erste elektronisch gesteuerte Mengenbrüh-Kaffeemaschine der Welt. Sämtliche Vorgänge, vom Portionieren des frisch gemahlenen Kaffeemehls bis
zum Füllen von Tasse oder Kännchen laufen
vollautomatisch ab. Bis heute wurde diese erfolgreiche Maschine ständig weiter entwickelt.
Besonders der Programat 4, der 1992 auf den
Die Kaffeemaschine „Bistro“ ist
das erste Modell, das im Ausland
genauso gut verkauft wird wie in
Deutschland.
Markt kam, symbolisiert den neuen Weg der
WMF seit Mitte der 1980er Jahre, denn in dieser
Maschine wurden Funktion und modernes Design verbunden. Der Erfolg: hervorragende Verkaufszahlen und Auszeichnungen für das Design.
Das Thema mit Zukunft wurden aber bald die
Kaffeespezialitäten. Cappuccino, Café Crème,
Latte Macchiato oder Ristretto – eine weltweite
neue Kaffeekultur entstand und wird sich auch
in Zukunft weiter entwickeln. Eine echte
Neuentwicklung der WMF auf diesem Gebiet
war bereits im Jahr 1986 der „etamat“, eine
Kaffeemaschine für die Zubereitung einzelner
Tassen, die auch Café Crème, Espresso oder
andere Spezialkaffees anbot. An diese Entwicklung knüpfte 1995 die „Bistro“ an, von der die
WMF erstmals im Ausland so viele Maschinen
verkaufen konnte wie in Deutschland.
Der Programat und die Bistro begründeten
endgültig den internationalen Ruf der WMF
Kaffeemaschinen.
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Das Geschäft mit Kaffeemaschinen hat sich
inzwischen zu einer wichtigen Säule des Unternehmens entwickelt und seine Internationalisierung weiter vorangebracht. WMF Japan,
eine im Jahr 2001 übernommene eigene Vertriebsgesellschaft für Kaffeemaschinen im
Teeland Japan, unterstreicht die Bedeutung
dieses Bereichs.
Im Frühjahr 2001 stellte die WMF schließlich
die neue Kaffeemaschine „combiNationS“ vor,
einen neuen Entwicklungsschritt auf diesem
Markt. Durch ihr modulares Konzept, eine
durchdachte elektronische Steuerung und vor
allem durch das patentierte Brühverfahren soll
sich die „combiNationS“ als würdiger und
erfolgeicher Nachfolger der weiterhin gut am
Markt positionierten Bistro erweisen.
WMF Kaffeemaschinen finden sich heute in
den meisten internationalen Hotels,
auf Kreuzfahrtschiffen und in
Eisenbahnen überall auf der
Welt. Und die Kaffeespezialitäten werden immer
gefragter: Neuerdings bieten auch Fastfood-Ketten
Kaffeespezialitäten an –
mit Kaffeemaschinen der
WMF.
Vielseitig und flexibel:
die Kaffeemaschinen aus
der Modellreihe „combiNation“.
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Das Objektgeschäft im
internationalen Maßstab
Innerhalb des Objektgeschäfts ist die Erfolgsgeschichte der Kaffeemaschinen sicherlich
außergewöhnlich. Aber auch das Hotelgeschäft
wurde, wie die anderen Geschäftsbereiche der
WMF, seit den 1980er-Jahren neu aufgestellt.
In diesem Bereich steht die WMF in einem
harten internationalen Wettbewerb. Sie konzentrierte sich zur Festigung ihrer Marktposition daher auch hier auf ihre Kernkompetenzen und erarbeitete wie im Konsumgeschäft
komplette zielgruppenorientierte Kollektionen
(klassisch – traditionell – modern). Durch
Kooperationen mit Hutschenreuther (Porzellan) und Spiegelau (Glas) konnte die WMF
ihr Hotelangebot hochwertig abrunden.
Die Stellung auf dem hochgradig
internationalen Markt konnte nicht
zuletzt durch die Übernahme von
Hepp 1988 gefestigt werden. Und
auch der steigende Absatz der Kaffeemaschinen in der internationalen Hotellerie
und Gastronomie stärkt das Hotel- und
Gastronomiegeschäft.
Im Jahr 1993 übernahm die WMF den Schweizer Hersteller von Buffettorganisationssystemen
Hogatron. Die neue „WMF Hogatron“ entwickelt seitdem komplette Kellnersysteme für
die Dosierung und Abrechnung von
Getränken über ein zentrales Buchungsund Kassensystem. Nachdem die
WMF erfolgreich einen „elektronischen Kellnerstift“ als Abrechnungsinstrument für ihre Kaffeemaschinen
eingeführt hatte, wurde dieses
System gemeinsam mit WMF
Hogatron auf die Ausgabe von
Kaltgetränken ausgeweitet.
WMF Hogatron
Design: Achim Bölstler
Nach der Übernahme der geschäftlichen Aktivitäten der Gebrüder Boehringer Großhandels
GmbH im Jahr 1995 gründete die WMF die
Boehringer Gastro Profi GmbH, mit der sie
ihren Vertriebsweg für die Gastronomie schließlich vervollständigen konnte.
Moderne Problemlösung für die
Gastronomie: combiNation Buffet.
Design: Caroline Schäfer
150 JAHRE WMF
im Ausland aufgelöst werden, die oftmals nicht
die komplette Produktpalette vorhalten konnten. Seitdem wird sowohl das Inland als auch
das Ausland von Geislingen aus beliefert. Das
Versandsystem wird dabei ständig modernisiert
mit dem Ziel, auf immer kürzere Bestellfristen
zu reagieren und zugleich kleinere Versandmengen zu ermöglichen. Auch diese Entwicklung ist Teil der WMF Strategie, so kundenorientiert wie möglich aufzutreten.
Auch auf der Schiene sind WMF
Kaffeemaschinen zu Hause.
Modernisierung der Produktion und
der Logistik und Brand in Geislingen
Um den Produktionsstandort Deutschland weiterhin zu sichern, müssen alle Produktionsbereiche ständig modernisiert werden, um durch
Rationalisierungen die steigenden Lohnkosten
und die schwankenden Rohstoffkosten auffangen zu können. Rationalisierungen sind aber
auch notwendig, um auf einem internationalen
Markt schnell und flexibel auf die Kundenwünsche reagieren zu können. Die Logistik erhält
in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung. Die WMF hatte darauf bereits durch
das in den 1970er-Jahren gebaute Lager- und
Warenverteilzentrum (endgültige Fertigstellung
1981) reagiert. Durch das Zentrallager in Geislingen konnten die meisten dezentralen Lager
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Durch das neue Besteck-Kommissionierungslager, das 1993 in Betrieb genommen wurde,
konnte auch der Besteckbereich flexibilisiert
werden. Gelagert werden dort nur noch einzelne
Besteckteile, die dann erst nach Auftrag zu Garnituren zusammengestellt werden. Parallel dazu
wurde bereits seit den 1970er-Jahren durch den
Ausbau der Informationsverarbeitung in Vertrieb und Verwaltung auch die Kommunikation innerhalb des Unternehmens verbessert
und die Informationswege zwischen den Abteilungen verkürzt. So wurde nicht nur die Produktion rationalisiert, sondern auch Vertrieb
und Verwaltung. Durch ein internet-basiertes
Bestell- und Informationssystem kommt die
WMF schließlich seit 2000 ihren Kunden im
modernen Medium entgegen.
Im Juli 1991 wurde die positive Geschäftsentwicklung in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung empfindlich gebremst, als ein Großbrand die 5000 Quadratmeter große Halle 86
in Geislingen völlig zerstörte. Betroffen waren
von dieser Brandkatastrophe vor allem die Tafelmesserfertigung und die Endfertigung der versilberten und Echtsilberbestecke. Neben den
Maschinen wurden auch rund 1,2 Millionen
Besteckteile zerstört, insgesamt betrug der Schaden rund 70 Millionen Mark. Die Mitarbeiter
des Unternehmens und besonders die technischen Abteilungen leisteten sofort eine außer-
Ein Großbrand zerstörte in der Nacht vom
31. Juli auf 1. August 1991 eine 5000 m2
große Fertigungshalle.
gewöhnliche Aufbauarbeit.
Innerhalb weniger Tage
organisierten sie die Sicherung der zerstörten Halle
und richteten Ersatzfertigungsstätten ein. Ohne
die tatkräftige Kooperation des Betriebsrates
wäre diese dringende Schadensbegrenzung nicht
möglich gewesen. Zugleich entschied die WMF
schnell, dass an die Stelle der abgebrannten
Halle eine neue größere Halle gebaut werden
sollte, in der neben den betroffenen Fertigungslinien auch eine moderne Kochgeschirrfertigung Platz finden sollte. Der Neubau
wurde in Rekordzeit innerhalb eines Jahres
geplant und fertiggestellt.
Die Betonierarbeiten wurden vom beauftragten
Unternehmen teilweise bei minus 15 Grad
durchgeführt. Bereits im Sommer 1992 konnte
auf diese Weise die Produktion in der neuen
Halle aufgenommen werden. Trotz der zeitweise bedrohlichen Situation konnten die Folgen des Brandes, auch durch den außergewöhnlichen Einsatz der Mitarbeiter, ohne Nachteile
für die Marktposition der WMF bewältigt
werden.
Anfang 1993 ging die neue Kochgeschirrfertigung in Betrieb. Ähnlich wie in der „Neuen
Besteckfertigung" wurde hier die Produktion
durchgreifend modernisiert und dadurch zugleich rationalisiert. Stärker noch als bei den Bestecken kommt in der Kochgeschirrherstellung
der technische Vorsprung der WMF zum Tragen.
Eine moderne Logistik ist Voraussetzung
für Markt- und Kundennähe.
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Die Ausrichtung der Produktion an den Wünschen der Kunden – der Kern des WMF Leitbildes – war und ist gerade bei der Fertigung
der Kaffeemaschinen erfolgreich, die mittlerweile weitgehend kundenauftragsorientiert
funktioniert. Durch die Entwicklung modularer Maschinen können sich die Abnehmer ihr
Wunschmodell zusammenstellen; nach Auftragseingang wird dann die bestellte Maschine
zusammengestellt und montiert und in kürzester Zeit ausgeliefert.
Die nach dem Brand neu aufgebaute Fertigungshalle 86
So werden – nicht zuletzt mit Blick auf die
internationalen Märkte – seit 2001 sämtliche
Töpfe mit dem selbstentwickelten TransThermBoden ausgestattet, einem Kapselboden, der für
alle Herdarten, auch für Induktionsherde, geeignet ist. Mit dieser aufwändigen Entwicklung
konnte die WMF ihre internationale Marktposition ausbauen.
Der Boden macht´s:
Kochgeschirr mit
TransTherm-Allherdboden.
Hochmoderne Fertigung von Blechteilen für Kaffeemaschinen
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Die Unterstützung des Kundendienstes bei der
Einrichtung und Programmierung der Geräte
rundet das Konzept von Kundennähe und Flexibilität schließlich ab. Der Erfolg der WMF
Kaffeemaschinen gerade bei großen Geschäftspartnern wie internationalen Hotelketten oder
Eisenbahngesellschaften basiert neben der
Qualität der Maschinen (und des Kaffees) auf
dieser schnellen auftragsorientierten Produktionsweise.
Bodenaufschlagen in der Kochgeschirrproduktion
Montage von Kaffeemaschinen
60 Jahre Ausbildungszentrum
Im September 2000 feierte die WMF das 60jährige Jubiläum ihres Ausbildungszentrums,
das 1940 als „Lehrwerkstatt“ gegründet wurde.
In den vergangenen 60 Jahren wurde die WMF
Ausbildung neuen Bedingungen, veränderten
Berufsbildern und neuen Berufen immer gerecht und garantierte einen hohen Standard.
Nach der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe 1987 und veranlasst durch neue Technologien und Berufe setzte die WMF früher als
vom Gesetzgeber geplant die neuen Ausbildungsinhalte um. Die umfangreiche Ausstattung des
Ausbildungszentrums mit modernen Techno-
logien garantiert eine moderne Ausbildung.
Dabei ist sich die WMF ihrer Verantwortung
als wichtiger regionaler Arbeitgeber und Ausbilder bewusst und garantiert auch in wirtschaftlich schwachen Zeiten ein hohes Ausbildungsniveau.
Letztlich sichert sie dadurch für ihr Unternehmen eine ausreichende Zahl hochqualifizierter
Mitarbeiter. Diese Qualifizierung bezieht sich
überdies nicht nur auf die fachliche Ausbildung,
denn die WMF fördert auch die sogenannten
Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit,
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Kreativität usw. durch spezielle zusätzliche Maßnahmen. Sozialpädagogische Seminare, Kreativitäts-Workshops, aber auch Sprachunterricht
und ähnliche Angebote runden daher die Ausbildung ab.
Ganzheitliches Konzept: die Ausbildung in der WMF zielt nicht
nur auf die Vermittlung fachlicher Kenntnisse und Fähigkeiten,
sondern auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der
Auszubildenden.
Als eines der ersten Unternehmen in BadenWürttemberg gründete die WMF 1983 eine
Junioren-Übungsfirma, in der die Auszubildenden lernen, einen realen Betrieb zu organisieren.
Zur Zeit bildet WMF in Deutschland rund 250
junge Menschen aus.
Um ihre Mitarbeiter für die vielfältigen Veränderungen des Marktes und der Arbeitswelt
fit zu machen, organisiert die WMF ein eigenes
Fort- und Weiterbildungsprogramm. Erhebungen in allen Werksbereichen ermitteln regelmäßig den Bedarf an solchen Maßnahmen, die
dann sowohl mit internen als auch mit externen
Dozenten realisiert werden. Dabei hat sich inzwischen ein zweigleisiges System entwickelt:
Einerseits gibt es ein berufsorientiertes „Geschlossenes Forbildungsprogramm“ mit spezifischen Angeboten, andererseits ein „Offenes
Fortbildungsprogramm“ mit Angeboten zur
persönlichen Weiterentwicklung.
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All diese Maßnahmen dienen der notwendigen
Qualifizierung der Mitarbeiter und sie erhöhen
zugleich ihre Motivation und Eigenverantwortung. Denn das WMF Leitbild der Marktnähe
ist ohne die Bereitschaft der Mitarbeiter, ebenfalls kundenorientiert zu arbeiten, nicht umzusetzen. Nach und nach wurden daher flexible
Arbeitszeiten mit einem Jahresarbeitszeitkonto
eingeführt, die eine schnelle Reaktion auf den
aktuellen Auftragsstand ermöglichten. Für die
einzelnen Produktionsbereiche werden jede
Woche abhängig von der Auftragslage konkrete
Stundenzahlen festgesetzt. Auf diese Weise
können plötzliche Auftragsspitzen leichter
abgebaut werden, während bei sinkendem
Auftragsvolumen die angesammelten Mehrarbeitsstunden abgebaut werden können.
Dieses flexible Arbeitszeitmodell wurde durch
eine wegweisende Kooperation mit dem
Betriebsrat möglich. Entscheidend war für alle
Beteiligten, dass durch diese Regelung nicht
nur das Unternehmen reaktionsfähiger wurde,
sondern zugleich die Mitarbeiter in ihrer
Eigenverantwortung und Selbstbestimmung
gestärkt wurden.
KAPITEL
8
Die Zukunft der WMF :
Innovativ – International – Kundennah
In den vergangenen 150 Jahren hat die WMF
auf die vielfältigen Veränderungen des Marktes
stets zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Antworten gefunden. Durch ihre Produktpolitik
und ein erfolgreiches Management konnte sie
nach der Umbildung zur Aktiengesellschaft
1880 erfolgreich wachsen und ihre Marktposition ausbauen. Auf dieser Basis wurde sie in den
1920er-Jahren zu einem führenden Anbieter
von Tisch- und Küchengeräten, aber auch von
kunsthandwerklichen Gegenständen, die heute
begehrte Sammlerobjekte sind. Dabei knüpfte
das wachsende Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit renommierten Gestaltern an
das fortschrittliche Design seiner Zeit an.
Die WMF war immer dann besonders erfolgreich, wenn sie auf Qualität, Funktion und
Design besonderen Wert legte. Dies begründet
ihren Erfolg bis heute. Durch die hohe Eigen-
kapitalanlage von rund 60 Prozent hat die
WMF die Voraussetzungen, ein international
kompetenter Anbieter von Produkten und
Dienstleistungen mit Schwerpunkt Tisch und
Küche im privaten und gewerblichen Bereich
zu bleiben.
Auf einem Markt der unbegrenzten Stile versteht sich die WMF heute als kompetenter und
serviceorientierter Partner ihrer Kunden. Neue
Formen der Kundenansprache und Öffentlichkeitsarbeit, Offenheit und Transparenz sind
dazu notwendig. Globalisierung ist das
Stichwort der wirtschaftlichen Entwicklung in
der Zukunft. Auch die WMF kann nur dann
weiter erfolgreich sein, wenn sie ihre Marktposition im Ausland stärken kann. Die WMF stellt
sich diesen zukünftigen Aufgaben mit einem
neuen Kommunikationszentrum, das im Jahr
2002 fertig gestellt wurde; ein offenes Haus,
Innovation im Jubiläumsjahr: CombiNation CUISINE, ein völlig neuartiges System zum Kochen und Servieren,
schafft ein ungewöhnliches Kocherlebnis. Come together. Cook together. Design: Ole Palsby
163
150 JAHRE WMF
mit dem sich die WMF ihren nationalen und den internationalen Partnern ansprechend und modern präsentiert. Mit Schulungen und Seminaren wird
das Unternehmen hier gemeinsam mit den
Kunden und anderen Besuchern daran arbeiten,
weiterhin erfolgreich am Markt aufzutreten –
gerade angesichts der wachsenden Internationalisierung.
Die WMF war schon immer einem starken
Wettbewerb ausgesetzt, der durch die Internationalisierung weiter zunimmt. Aus diesem
Grund wird die Standortfrage wie schon in
der gesamten Geschichte des Unternehmens
ein Thema bleiben um die Produktion in
Deutschland zu sichern.
Neben der Fertigung im eigenen Werk in Singapur, die von 1975 bis 2002 betrieben wurde,
lässt die WMF bereits seit mehr als 15 Jahren
in China produzieren. Seit 1995
wird in Kooperation mit dem
japanischen Messerhersteller Kai
und der Firma Kremmel eine Fabrik in He Shan
betrieben. Am gleichen Standort hat die WMF
schließlich 2001 eine eigene Produktion aufgebaut, in der anfangs rund 150 Mitarbeiter
Bestecke fertigten.
Mit dem neuen Werk in China ist die WMF
noch stärker im wichtigen ostasiatischen Markt
präsent. Die Entscheidung für den Standort
China war daher auch eine Entscheidung für
diesen riesigen Markt und ein wichtiger Schritt
in die erfolgreiche Zukunft.
150 Jahre WMF – aus der kleinen Geislinger
Metallwarenfabrik des Müllersohnes Daniel
Straub hat sich ein weltweit agierendes
Unternehmen entwickelt, das gut vorbereitet
ist, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Steht für ein modernes, kundenorientiertes Unternehmen:
das WMF Kommunikationszentrum, erbaut im Jahr 2002.
164
KAPITEL
8
SCHLUSSWORT
150 Jahre Württembergische Metallwarenfabrik WMF sind eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen ist gut auf die Zukunft vorbereitet. Mit seinen innovativen
Produkten für Tisch und Küche wird es auch weiterhin international erfolgreich sein.
Als designgeprägtes Markenunternehmen mit internationaler Bedeutung hat sich die WMF
weltweit durchgesetzt. „Markendesign“ und „Internationalisierung“ sind dabei die wichtigsten
Erfolgsfaktoren für die Zukunft. Hinzu kommt ein erstklassiger Kundenservice, mit dem die
WMF ihre Position als Partner ihrer Kunden unterstreicht.
Die wechselvollen Herausforderungen der Zeit führten in der Vergangenheit manchmal zu
Rückschlägen oder Fehlentwicklungen, die WMF bewältigte aber jede Herausforderung mit
Flexibilität und zukunftsorientierten, nicht selten risikobereiten Unternehmensentscheidungen.
Sie konnte sich auf diese Weise auch in schwierigen Situationen erfolgreich behaupten.
Einen großen Anteil an diesem Erfolg hatten gerade auch in den Krisenzeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich schon immer in besonderer Weise „ihrer“ WMF verbunden
fühlten. Das Unternehmen war sich dessen stets bewusst, und es hat seit dem 19. Jahrhundert
vieles unternommen, um seine Mitarbeiter zu unterstützen und zu fördern.
Weltweit entwickeln sich die Märkte immer schneller. Die Lebensstile der Menschen verändern
sich und mit ihnen ihr Geschmack. Die WMF ist auf diesen andauernden Wandel gut vorbereitet und hat die Weichen gestellt, um auch in den kommenden Jahrzehnten internationale Maßstäbe in Design und Funktion zu setzen – nahe am Zeitgeist und mit den Erfahrungen der
vergangenen 150 Jahre.
v. l. n. r. :
WMF Vorstände
Dr. Bernd Flohr,
Rolf Allmendinger
(Vorsitzender),
Dr. Rudolf Wieser
165
Q U E L L E N U N D L I T E R AT U R
Das Archiv der WMF für die Zeit bis etwa 1950/60 befindet sich im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Bestand B
70. Neben Unterlagen aus der Gründungszeit der Aktiengesellschaft 1880 wurden unter anderem zahlreiche Reiseberichte von WMF-Vertretern, Akten zu den Kontrollen der Alliierten Kontrollkommission 1919-1924 sowie dem
Neubeginn nach 1945 und über Arthur Burkhardt berücksichtigt, sowie ein Manuskript von 1939: „Württembergische
Metallwarenfabrik Geislingen-Steige. Ein Ausschnitt aus der Vor- und Entwicklungsgeschichte der deutschen GrossIndustrie“ von Otto Mörike, der damit einen ersten Versuch einer Firmengeschichte lieferte.
Vollständige Ausgaben der Firmenzeitschriften „Feierstunde“, „Brücke“ und „WMF-Spiegel“ im Firmenarchiv der WMF
in Geislingen waren eine notwendige Ergänzung, ebenso das ausführliche Tagebuch eines früheren WMF-Mitarbeiters,
das freundlicherweise von seiner Nichte zur Verfügung gestellt wurde.
Für die Zeit nach 1945 standen als Quellen vor allem die Geschäftsberichte der WMF zur Verfügung. Für ausführliche
Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden Rolf Allmendinger, Herrn Helmut Schindele, Herrn Willi Wilhelm,
Herrn Hans Vonau und Herrn Horst Roth bedanken wir uns herzlich. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts
danken wir Herrn Heinz Scheiffele. Unser besonderer Dank für die intensive Unterstützung und Zusammenarbeit
gilt Herrn Thomas Dix.
Ein interessanter Versuch, die Geschichte der WMF in einem Roman darzustellen, ist:
Rudolf Baumgardt, Das silberne Band, Darmstadt 1953
Das Buch erschien genau 100 Jahre nach der Gründung der WMF. Die WMF selber veröffentlichte aus diesem Anlass:
Geformtes Metall, gestaltetes Glas. Ein Buch vom Entstehen modernen Hausgeräts, Geislingen 1953.
Literaturauswahl:
Hecht, Volker: Die Württembergische Metallwarenfabrik Geislingen/Steige 1853-1945, Geschäftspolitik und
Unternehmensentwicklung, St. Katharinen 1995
Ziegler, Walter: Daniel Straub und die Anfänge von MAG und WMF. Korrekturen und Ergänzungen zu seinem Lebensbild, in:
Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Bd. 1, 1991
Stille, Bernhard: Die Geislinger Steige – Ein schwäbisches Jahrhundertbauwerk. Wie unsere Vorfahren den Albaufstieg planten und
bauten. In: Stadtarchiv Geislingen (Hrsg.), Die Geislinger Steige – ein Jahrhundertbauwerk. 150 Jahre Eisenbahngeschichte,
Geislingen 2000
Gruber, Hartmut: Die Galvanoplastische Kunstanstalt der WMF 1890-1953. Geschichte, Betriebseinrichtungen und
Produktionsverfahren. In: Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Bd. 9, 1999
Doege, Christine: Zur Geschichte der Orivit AG. In: Kölnisches Stadtmuseum (Hrsg.), Orivit. Zinn des Jugendstils aus Köln, Köln 1992
Haller, Ulrich: Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion in Geislingen/Steige 1939-1945 (Magisterarbeit Universität Tübingen), 1995
Dry, Graham (Hrsg): Art Nouveau. Domestic Metalwork from Württembergische Metallwarenfabrik. The English Catalogue 1906
with Introduction by Graham Dry. Woodbridge, Suffolk, 1988
Schwandt, Jörg: Glas, Keramik, Metall. Versuche künstlicher Gestaltung. Berlin 1980
Altgeld-Peters, Dagmar: Die Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF). Bestecke und Hohlwaren aus Metall zwischen 1945 und
1975. Vom Historismus zur Guten Form. Münster 2000
Denhardt, Annette: Das Metallwarendesign der Württembergischen Metallwarenfabrik zwischen 1900 und 1930. Historismus,
Jugendstil, Art Deco. Münster/Hamburg 1993
Bildverzeichnis:
Bildarchiv der WMF im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg: 12, 28, 29, 30, 34/35, 36, 38, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 48, 50, 51, 52,
53, 57 oben, 61, 62, 63, 64, 65, 69, 73, 74/75, 77, 78, 79, 82, 83, 87, 92 unten, 93 oben, 97 oben, 98/99, 102, 103 oben, 104, 105,
107, 108, 110/111
Stadtarchiv Geislingen: 7 oben, 9, 10, 11, 13
Kreisarchiv Göppingen: 14, Rainer Haaff, Gründerzeit. Möbel und Wohnkultur, 1992: 25
Ziegler, Walter, Daniel Straub und die Anfänge von MAG und WMF: 27 unten
Kölnisches Stadtmuseum, Bildquelle Rheinisches Bildarchiv, Köln: 72
Thomas Madel, Geislingen: 159 oben
Weitere Werks- und Produktaufnahmen: Horst Alexy, Birenbach, Foto Design Peter Kißner, Bad Überkingen, Gert Körner, Kürten,
Michael Rieger, Geislingen
Alle übrigen Abbildungen: WMF Geislingen
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