Dr. Mag. Rudolf Müllner

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Dr. Mag. Rudolf Müllner
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Sozial‐ und Zeitgeschichte des Sports unterrichten – Zum Status
quo eines Wissenschaftsfaches – Forschungsbeispiele und
didaktische Überlegungen zur Sportkunde
Rudolf Müllner, Universität Wien
Sozial- und Zeitgeschichte des Sports, Forschungsfelder-, Forschungsbeispiele,
Mediatisierung, „Sporthelden“, Didaktische Umsetzung
Einleitung
Der Vortrag gliedert sich in 4 Teile.
1. Es wird in einem kurzen Überblick dargestellt welche rezenten Inhalte und Themen
im Bereich Sozial- und Zeitgeschichte des Sports international und in Österreich
thematisiert werden.
2. Kurzvorstellung eines sporthistorischen Forschungsthemas: Konkret wird dabei aus
dem Bereich der Sport-Celebrety-Forschung auf die historisch politische Funktion von
„Sporthelden“ fokussiert. Das Thema bietet sich aus mehreren Gründen an. Zum einen
wird es - auch im Zuge nationaler und europäischer Identitätsdebatten - international
stark diskutiert. Zweitens kann es anlassbezogen immer wieder mit aktuellen
Erscheinungsformen des Sports in Beziehung gesetzt werden. (Mediensport als
Heldenproduktionsmaschine in Permanenz.) Drittens ist die Thematik eng mit wichtigen
sozial- und kulturwissenschaftichen Aspekten des Sports, wie etwa
Medienrepräsentanz, Medienkritik, politische Repräsentanz, (nationale, ethnische,
Gender Indentität, Ökonomie etc. verschränkt.
3. Das Thema „Sporthelden“ hat, so die These, hohe Anschlussakzeptanz an die
Lebenswelten sportmedienrezipierender SchülerInnen.
4. Diskussion über die Umsetzbarkeit des vorgestellten Themas im Rahmen der
Sportkunde bzw. im Wahlpflichtgegenstand. (Adaptierungs-,
Aktualisierungsmöglichkeiten) Diskussion über die Vermittlung sporthistorischen
Wissens im Rahmen des Faches Sportkunde allgemein.
Literaturüberblick
Ausgangspunkt ist der Text:
[2]
Müllner, R. (2005). Skirennläufer als Heimatmacher. Sportpolitische Narrative in
Österreich nach 1945, Spectrum der Sportwissenschaften, 17 (1), 88-108.
Methode (methodische Fragen, Design, Inhalt)
Skirennsport leistet in Österreich einen bedeutenden Beitrag zur Identitätsbildung des
Landes. Die Erzählungen/Narrative über die Triumphe oder Niederlagen aber auch über
das Privatleben der „Skihelden“ wurden und werden zu Teilen des kollektiven
Gedächtnisses der österreichischen Gesellschaft. Am Beispiel der Biographien der
Skirennläufer Anton Sailer und Karl Schranz kann gezeigt werden, wie diese Narrative
mit zentralen Inhalten, Werten und Mythen der Zweiten Republik korrespondieren.
Sailers größte Triumphe fanden im Jahr eins nach dem Erhalt des Staatsvertrages statt.
Er verkörpert eine Art wedelnden Gründungsmythos. Sailers Biographie wird zum
Synonym für Wiederaufbau, Fortschrittsoptimismus und Wirtschaftswunder. Die
sportlich-politische Biographie von Schranz kulminiert nicht auf den Skipisten der Welt
sondern in der sporthistorisch größten Massenmobilisierung der Zweiten Republik am
Wiener Ballhausplatz. Die massenmedial erregte Republik feiert ihn und sich selbst als
Opfer. Im Narrativ des Skisportlers Schranz verdichtet sich das zentrale Paradigma der
Nachkriegsgeneration – der Opfermythos.
Ergebnisse
Mediatisierter Spitzensport produziert exponierte Persönlichkeiten, Stars, Helden. Die
Geschichten über diese Personen sind als Narrative interpretierbar. Sportliche Erfolge,
Olympiasiege oder Weltmeistertitel alleine reichen allerdings nicht aus, um im
kollektiven Gedächtnis eines Gesellschaft verankert zu werden. Die hunderten Skisiege
österreichischer Spitzenläufer erzeugten nur ebenso viele narrative Leerstellen. Die
Geschichten der Sieger oder Verlierer werden nur dann relevant und erinnert, wenn „das
Erzählte an die dominanten Werte und Diskurse einer Gesellschaft“ (Sieder, 2004, S.
16) gekoppelt ist. Im Fall Sailer fokussieren diese Narrative zentrale Paradigmen der
österreichischen Gesellschaft-, Wirtschafts- und Politikgeschichte der 1950er Jahre.
Sailers persönliche Erfolgsgeschichte ist eng verknüpft mit der Erfolgsgeschichte der
Zweiten Republik. Sie ist charakterisiert durch den Glauben an die nationale
Eigenständigkeit, wirtschaftliche Prosperität, beginnenden Massenkonsum, Fleiß und
Fortschrittsoptimismus. Die Biographie von Schranz kulminiert nicht in rennsportlichen
Erfolgen sondern in seiner Disqualifikation bei den Olympischen Spielen 1972 in
Sapporo. Schranz wird als Opfer des IOC betrachtet. Er ermöglicht damit eine eruptive
Aktualisierung des, bis dahin staatstragenden Opfermythos´. Das hier dargestellte
Interpretationsmuster ist nicht nur auf den Skisport und auf Österreich anwendbar. Der
Sieg Deutschlands bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz
beispielsweise wurde als eine Art Neugründung Deutschlands nach dem Zweiten
Weltkrieg empfunden. Der Sieg desselben Nationalteams bei der Weltmeisterschaft in
Italien 1990 konnte nicht annähernd an die emotionale Mächtigkeit des „Wunders von
Bern“ herankommen. Die historischen Rahmenbedingungen – die narrativen Settings hatten sich seither radikal verändert.
Diskussion
[3]
Diskussion über die Umsetzbarkeit des vorgestellten Themas im Rahmen der
Sportkunde bzw. im Wahlpflichtgegenstand. (Adaptierungs-,
Aktualisierungsmöglichkeiten) Diskussion über die Vermittlung sporthistorischen
Wissens im Rahmen des Faches Sportkunde allgemein.
Literatur
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Tomlinson, A., Whannel, G. (Hrsg.) Understanding Sport. An Introduction to the Sociological and
Ciltural Analysis of Sport, 161-192..
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Wien, Bozen: StudienVerlag.
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Zeitschrift für Geschichte, 42-45.
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Müllner, R. (2001). „Toni, wir beten für dich!“ Anton Sailer als Sportheld des österreichischen
Wirtschaftswunders. Wiener Zeitung / Extra/ Historicum, 02./03.02.2001, 5.
Müllner, R. (2005). Skirennläufer als "Heimatmacher". Sportpolitische Narrative in Österreich nach 1945.
Spectrum der Sportwissenschaften 17 (1), 88-108.
Müllner, R. (2006a). Anton Sailer. Österreichs Sportler des Jahrhunderts. In M. Marschik & G. Spitaler
(Hrsg.), Helden und Idole. Sportstars in Österreich. (S. 242-258). Innsrbuck: Studien Verlag.
Müllner, R. (2006b). Hermann Maier. Eine biographische Skizze. In M. Marschik & G. Spitaler (Hrsg.),
Helden und Idole. Sportstars in Österreich. (S. 404-413). Innsrbuck: Studien Verlag.
Müllner, R. (2007). Zinédine Zidane. Kultfigur – Bedeutungen – Medienkonstrukt. ide, 4, 39-47.
Norden, G., Weiß, O. (2007). Sporthelden. In Hilscher, P. & Norden G. et al. (Hrsg.),
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Penz, O. (2009). Hyperrealität des Sports. In M. Marschik, R. Müllner, O. Penz & G. Spitaler (Hrsg.),
Sport Studies. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung (S. 99-111). Wien: facultas
utb.

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