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R EI S E M A G A ZIN
Mit dem Radl unterwegs auf Sado
Nur zwei Stunden dauert die Fahrt mit dem Shinkansen von Tokyo
auf die andere Seite ans Japan-Meer. Vierzig Minuten weiter mit dem
Jetfoil-Boot ab Niigata und man ist auf Sado, einer verschlafenen Insel
voller natürlicher Schönheit und faszinierenden Traditionen.
Von Alena Eckelmann
1 Die Soto-kaifu Küste lädt zum Fahrradfahren ein: Auch wenn das Auf und Ab der Route anstrengend wird
Z
um Glück ist Sado bei japanischen
Investoren und Baufirmen nicht
beliebt. Man sieht hier keinen grauen
Häuserdschungel aus Beton, sondern
eine fast leer anmutende Landschaft von
Reisfeldern und Berggipfeln. Hier gibt es
auch noch keine westlichen Fastfood-und
Kaffeehaus-Ketten und selbst die in Tokio
allgegenwärtigen Convenience Stores
sind selten.
Einst war die Insel eine Kolonie von
auf Lebenszeit verbannten Kriminellen
und Politisch-Unerwünschten und dann
war sie die Schatzkammer des Shoguns,
der die Obdachlosen von Edo hier nach
Gold und Silber graben ließ. Der Goldrausch ist längst verflogen, die unfreiwilligen Inselbewohner haben jedoch ihr
Vermächtnis hinterlassen.
Nicht einmal JR ist hier
Eine japanische Bekannte hat einmal stolz
erklärt, dass man überall in Japan, sei es
auch noch so abgelegen, immer die „drei
J´s“ finde – JP (Japan Post), JA (Japan
Agriculture Association) und JR (Japan
Rail). Ein kurzer Blick auf Sados Landkarte
belehrt uns jedoch schnell eines Besseren.
42 J A PA N M A R K T Oktober 2010
Nicht eine einzige Bahnlinie ist markiert.
Japan Rail, deren Gleise doch sonst das
Land wie ein Spinnennetz überspannen,
hat auf der sechst-größten Insel Japans
keinen müden Yen investiert.
Die Einheimischen kommen ohne
Auto kaum aus, denn die wenigen Busse,
die die Kleinstädte und Dörfer verbinden,
verkehren unregelmäßig. Die meisten
Touristen leihen sich daher in Ryotsu, der
größten Stadt und dem Verwaltungszentrum von Sado, nach Ankunft mit dem
Jetfoil-Boot einen Mietwagen aus.
Doch für die sportlichen unter uns ist
das Radl eine umweltfreundliche Alternative. Während Urlaub mit dem Fahrrad
vielerorts in Japan eher im Revierkampf
mit den motorisierten Verkehrsteilnehmern und einer Staublunge endet, ist
Sado noch ein echtes Radsportler-Paradies. Wenig Verkehr, frische Luft, Natur
pur und einige interessante Sehenwürdigkeiten, die zum Anhalten einladen,
machen die Insel zum perfekten Wochenendausflugziel im Sattel.
Sado ist auch auf die Radlerfreunde
vorbereitet. Die Touristenbüros in Ryotsu
und in den Kleinstädten Mano und Ogi im
Süden der Insel vermieten Räder, sogar
die motorisierten, damit der Urlaub nicht
zur Strapaze wird.
Einmal rundum die Insel
Ryotsu liegt im Kuninaka, dem „Mittelland“ der Insel, das den bergigen Norden
vom ebenfalls bergigen Süden trennt.
Auf dieser weiten Ebene findet man noch
viele Minka, Häuser im traditionellen Stil,
und einige gut erhaltene traditionelle
Bauerngehöfte sind echte Schmuckstücke
japanischer ländlicher Architektur.
National Highway 350 schneidet
durch die Kuninaga-Ebene und ist damit
die schnellste Verbindung zwischen Ostund Westküste. Hier wohnen die meisten
der rund 66.000 Einwohner der Insel und
hier befinden sich auch Sados sehenswerte Tempel, Kompon-ji und Myosen-ji,
die der buddhistischen Nichiren-Sekte
angehören. Nichiren, gleichnamiger
Begründer der Sekte (1222-1282) und
Verbannter auf Sado, hat seine Zeit im Exil
anscheinend gut genutzt.
Sados Top-Attraktion ist jedoch die
Natur. Landstraße 45 führt immer an der
Küste entlang um die ganze Insel herum
1 Reisfelder, Wälder und Berge soweit das Auge reicht
1 Gestaltähnliche Felsbebilde findet man einige entlang der Westküste Sados:
Hier der Meoto-iwa (Mutter-Vater-Stein)
1 Mönch Nichiren verewigt als Statue im Garten des
1 Diese übergroße Noh-Maske sieht man gleich bei
1 Senkaku Bucht: Fjord-ähnliche Felsen und azur-
und bietet einige fantastische Ausblicke.
Die steilen Kliffe in der Senkaku-Bucht
werden mit den finnischen Fjords verglichen und die wild-romantische Sotokaifu Küste gehört zu den feinsten Landstrichen auf Sado.
Wer sich für die Geschichte von Sados
Goldrausch interessiert, der sollte auf
jeden Fall in Aikawa bei den Goldminen
aus der Edo- und Meiji-Zeit haltmachen.
Einige dieser Bergwerkstunnel waren bis
1989 in Betrieb und die gewieften Touristenführer vergessen nicht, darauf hinzuweisen, dass sogar „German“ Technologie
eingesetzt wurde.
hat sich eine neue Generation von Künstlern, dieses Mal ganz freiwillig, auf Sado
niedergelassen. Inspiriert von Sados folkloristischer Tradition des Onidaiko (TeufelTaiko) schlug im Jahr 1969 die OndekozaTrommlergruppe hier ihr Quartier auf.
Aus dieser Gruppe ist in den 80er Jahren
eine neue Taikotruppe hervorgegangen
– Kodo – die mittlerweile wohl berühm-
teste japanische Trommlergruppe. Wenn
sie gerade nicht auf Welttournee sind, ist
das Kodo Village in der Nähe von Ogi ihr
Trainingsort und Zuhause. In Ogi finden
auch jedes Jahr im August die Kodo Earth
Celebrations, ein internationales Taikound Musikfestival, statt.
Wer es lieber sportlich mag, der
komme doch zum Sponichi Sado Long
Ride, einem Fahrradrennen um die Insel
im Mai, zum Sado Toki Marathon im April
oder zum Sado Astroman International
Triathlon im September. Ob Natur, Kultur
oder Sport, Sado ist auf jeden Fall einen
Ausflug wert.
Kompon-ji Tempels
der Ankunft am Hafen von Ryotsu
5 Festivalstimmung während Kodo Earth Celebrations:
Die Kodo-Trommler sind nicht nur auf der Bühne in
Aktion
Noh-Theater und Taiko-Trommeln
Schauspieler und Stückeschreiber Zeami
Motokiyo (1363-1443), Begründer des
japanischen Noh-Theaters und Verbannter
auf Sado, hat wie der Mönch Nichiren
ebenfalls sein unfreiwilliges Zuhause
kulturell bereichert. Das moderne NohTheater hat eine starke Tradition auf der
Insel und man sagt sogar, dass sich ein
Drittel aller Noh-Bühnen Japans auf Sado
befinden.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts
blaues Wasser
R EI S E T IPP
Reisende nach Sado sollten sich auf
jeden Fall die neueste englische
Broschüre mit Landkarte von MIJ
International besorgen. Sie enhält
nicht nur Hinweise auf die Sehenswürdigkeiten, sondern auch jede
Menge praktische Informationen.
www.mijintl.com/
Oktober 2010
J A PA N M A R K T
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