Üblicher Routenplaner ist Maßstab für gefahrene Kilometer

Transcrição

Üblicher Routenplaner ist Maßstab für gefahrene Kilometer
Sachverständigenvergütung
28
Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses
erfolgte Zurückweisung der Erinnerung vom
12./24.7.2002 richtet. Gegen die gleichzeitig nach § 16 ZSEG festgesetzte Sachverständigenentschädigung steht der Bekl.
keine Beschwerde zu (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., 16 ZSEG Rdnr. 22).
Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als in der angefochtenen Kostenrechnung XII vom 02. 07. 2002 unter der laufenden Nummer 2 eine Entschädigung nach
dem ZSEG für den Sachverständigen M enthalten ist; der Betrag von 11.561,11 Euro ist
um 3.210,51 Euro herabzusetzen. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Dem Sachverständigen M steht für seine
Tätigkeit in diesem Verfahren ein Vergütungsanspruch nicht zu, da er durch Beschluss des LG vom 19.6.2000 für befangen
erklärt wurde und seine Ablehnung grob
fahrlässig verschuldet hat. Nach Übernahme
des Gutachtenauftrags entstandene Ablehnungsgründe lassen den Entschädigungsanspruch des Sachverständigen entfallen,
wenn das von ihm erstattete Gutachten nicht
verwertet werden kann und der Sachverständige diesen Umstand durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten herbeigeführt hat. Dies wird in der Rechtsprechung
dann angenommen, wenn der Sachverständige zur Durchführung eines Ortstermins nur
eine der Parteien lädt (OLG München, NJWRR 1998, 1687) und sich damit willentlich
über elementare Regeln des Berufsausübung als Gerichtssachverständiger hinwegsetzt.
Dabei kann es dahinstehen, ob schon die
unterbliebene Bekanntgabe des Ortstermins
am 16.2.2000 ausgereicht hätte. Spätestens
bei der Ansetzung des Termins am 14.3.2000
hat der Sachverständige die Rechte der Bekl.
in schwerwiegender Weise verletzt, indem er
ihr die Möglichkeit einer Teilnahme an dem
Termin faktisch genommen hat. Ausweislich
der Faxprotokolle hatte der Sachverständige wenn auch wegen der falschen Telefonnummer im Ergebnis vergeblich - die Bekanntgabe des Ortstermins vom 14.3.2000
am 13.3.2000 um 22:52 Uhr die Prozessbevollmächtigten der Bekl. gefaxt. Er musste
davon ausgehen, dass diese Nachricht die
Bekl. frühestens am 14.3. erreichen würde
und ihr wegen der weiten Anreise eine Teilnahme nicht möglich sein würde. Die Bekanntgabe ist aber auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil in dem Anschreiben zwar
das Datum, aber keine Uhrzeit der Besichtigung genannt ist. Da der Termin mit der
anderen Seite - offensichtlich - abgestimmt
war, ist der Grundsatz der Waffengleichheit
verletzt. Der Sachverständige M hat elementare Pflichten seines Amtes nicht beachtet
und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt. Dass
ihm der Termin selbst durch den weiteren
(Unter-)Sachverständigen B erst am 13. 3.
mitgeteilt worden war, vermag den Vorwurf
der groben Fahrlässigkeit nicht zu entkräften. Denn als gerichtlich bestellter Sachverständiger war Herr M für ein faires und ordnungsgemäßes Verfahren verantwortlich
und hätte - falls anders die Möglichkeit der
Teilnahme nicht hätte sichergestellt werden
können - auf eine Verlegung des Termins hinwirken müssen. Auf Grund der Ablehnung
waren die von ihm erbrachten Leistungen in
dem Verfahren unverwertbar mit der Folge,
dass ihm ein Anspruch auf Entschädigung,
der in die Kostenrechnung mit einem Betrag
von 3.210,51 Euro eingegangen ist, nicht
zusteht.
Die weitere Beschwerde gegen den Kostenansatz wegen der Entschädigung des Sachverständigen D ist nicht begründet. Der Beschwerde der Bekl. ist insoweit zuzustimmen, dass der Sachverständige das Ergebnis
seiner Untersuchungen in dem Gutachten
vom 10.12.2001 in sehr knapper Weise darstellt und deshalb vom Leser hinsichtlich des
Verständnisses erhöhte Anforderungen zu
erbringen sind. Gleichwohl sind die Ausführungen / Feststellungen aus sich heraus verständlich und fachlich nachvollziehbar. Dass
in beiden Instanzen eine mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen erwogen, aber letztlich nicht
durchgeführt wurde, steht dem Entschädigungsanspruch nicht entgegen.
:
Üblicher Routenplaner ist
Maßstab für gefahrene Kilometer
Streitigkeiten über Fahrtzeiten und Entfernungen sind an der Tagesordnung. Die Kostenbeamten halten sich ausnahmslos an die
im Internet von sog. Routenplanern vorgegebenen Entfernungsangaben. Die Sachverständigen gehen dagegen von den tatsächlich gefahrenen Kilometern aus, die länger
sein können, weil Straßensperrungen oder
Staus umfahren werde müssen, weil ein
Parkplatz gefunden werden muss oder weil
man auf Umwegen schneller zum Ziel kommt, also Zeit einspart. Letztere Berechnung
ist die richtige, wenn sie sachgemäß nachgewiesen werden kann.
In dem vom Bayerischen Landessozialgericht (2.1.2007, AZ: L 3 U 195/06 Ko) entschiedenen Fall hatte die Antragstellerin für
den Hin- und Rückweg eine Strecke von 220
Kilometern angegeben, wobei von einer reinen Entfernung mit 187,60 km ausgegangen
wurde; die darüber hinausgehenden Kilometer wurden mit der Suche des Zielorts und
eines Parkplatzes begründet. Der Kostenbeamte hat sich an den Routenplaner gehalten
und zusätzlich 14 km für Parkplatzsuche gewährt, so dass er auf 200 Kilometer kam.
Gestritten wurde also letztlich um eine Differenz von 20 Kilometern (x 0,25 € = 5 €).
Das Bay LSG hat sich der Berechnung des
Kostenbeamten angeschlossen und eine
Entfernung von 200 km zugrunde gelegt. Die
Begründung der Antragstellerin für eine
noch höhere Kilometerzahl wurde für nicht
glaubhaft gehalten.
Fundstelle: DS 2004, S. 263.
Leitsatz der Entscheidung
Anmerkung der Redaktion
Die Ladungsfrist sollte in der Regel zwei
Wochen betragen und für beide Prozessparteien am selben Tag zur Post gegeben werden. Bestehen sachliche Gründe (z. B. Gefahr in Verzug oder das zu begutachtende
Objekt wird zugebaut oder vernichtet), kann
der Sachverständige nach Rücksprache mit
dem Gericht oder beiden Parteien eine kürzere Ladungsfrist ansetzen. In Ausnahmefällen braucht der Sachverständige keine der
beiden Parteien zu laden.
Beispiele: Geräuschmessungen einer Baustelle; hier besteht die Gefahr, dass der Geräuschpegel gesenkt wird, wenn der Termin
der Ortsbesichtigung vorher bekannt gegeben wird; Schussversuche mit einer zu begutachtenden Waffe oder Untersuchungen
eines Patienten durch den Sachverständigen.
In ständiger Rechtsprechung ist daran festzuhalten, dass übliche Routenplaner als geeignete Grundlage zur Ermittlung der notwendig gefahrenen Kilometer herangezogen
werden können.
Gründe
I. In dem am Bayer. Landessozialgericht
(BayLSG) anhängigen Streitverfahren L 3 U
195/06 der Antragstellerin gegen die Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und
Elektrotechnik ist die Antragstellerin am
29.08.2006 durch den gerichtlich bestellten
Sachverständigen Dr. J. (Krankenhaus D. in
M.) untersucht worden. Die gutachtliche Untersuchung hat ausweislich der Bestätigung
von Dr. J. vom 29.08.2006 um 10.03 Uhr
begonnen; die Antragstellerin ist um 13.45
Uhr entlassen worden.
Nach eigenen Angaben hat die Antragstellerin die Reise von ihrem Wohnsitz um 8.30
IfS-Informationen 3/2007
Sachverständigenvergütung
Uhr angetreten; die Rückreise ist am
29.08.2006 erfolgt (15.00 Uhr).
Der Kostenbeamte des BayLSG hat mit
Nachricht vom 16.11.2006 insgesamt 50,00
Euro an Entschädigung bewilligt. Laut ShellAtlas-Routenplaner seien maximal 200 PkwKilometer x 0,25 Euro pro Kilometer = 50,00
Euro zu bewilligen. Nach § 6 JVEG i.V.m. § 4
Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
gäbe es Zehrkosten erst bei einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat
mit Schriftsatz vom 13.02.2006 die richterliche Festsetzung der Entschädigung gemäß
§ 4 Abs.1 JVEG beantragt und hervorgehoben, dass die einfache Strecke vom Wohnsitz der Antragstellerin bis zum Krankenhaus
D. in M., M.straße, konkret gemessen 93,08
Kilometer betrage. Die Antragstellerin sei
von der Gutachterstelle mit Begleitperson
geladen worden. Diese habe das Fahrzeug
gesteuert. Da sich die Antragstellerin und
die Begleitperson nicht in M. ausgekannt
hätten, aber auch von der Parkplatzsuche
bis zum Arztzimmer Strecken von erheblichem Umfang und Zeitaufwand zurückzulegen gewesen seien und die Antragstellerin
nicht genau gewusst habe, wo der Arztraum
zu finden sei, habe nicht mit den kürzesten
Zeiten kalkuliert werden können. Geladen
worden sei für 10.00 Uhr. Ein Aufwand für
die Fahrzeit inclusive das Parken und Aufsuchen des Arztbehandlungszimmers von
1,5 Stunden sei angemessen.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat die Angelegenheit mit Nachricht vom 20.12.2006
dem Kostensenat des BayLSG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt
gemäß § 4 Abs.1 JVEG durch gerichtlichen
Beschluss, wenn der Berechtigte oder die
Staatskasse die gerichtliche Festsetzung
beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13.12.2006 die
richterliche Festsetzung der Entschädigung
gemäß § 4 Abs.1 JVEG beantragt.
Der 15. Senat des Bayer. Landessozialgerichts ist entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan A (Rechtsprechung) der Kostensenat des BayLSG und damit zuständig für
die Entschädigung der Antragstellerin
anlässlich der Wahrnehmung des Untersuchungs- und Begutachtungstermines bei Dr.
J. (Krankenhaus D. in M.) am 29.08.2006.
Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Benutzung überlassenen Kraftfahrzeugs sind der Antragstellerin gemäß § 5
Abs.2 Nr.1 JVEG 0,25 Euro pro Kilometer zu
bewilligen. In ständiger Rechtsprechung ist
daran festzuhalten, dass übliche Routenplaner als geeignete Grundlage zur Ermittlung
IfS-Informationen 3/2007
der notwendig gefahrenen Kilometer herangezogen werden können. Die Routenplaner
von Shell, Falk und maps.Google weisen die
Entfernung einfach mit 90 Kilometer bis 91,4
Kilometer aus. Entsprechend den Schriftsatz
des Bevollmächtigten der Antragstellerin
vom 13.12.2006 hat diese konkret einfach
93,08 Kilometer gemessen.
Vorgetragen worden ist darüber hinaus eine
Strecke von insgesamt 220 km beziehungsweise „erheblichem Umfang“ mangels ausreichender Ortskenntnis und Parkplatzsuche. Dies hat der Kostenbeamte des BayLSG
bereits zutreffend berücksichtigt, wenn er
von einer Gesamt-Strecke von maximal 200
Pkw-Kilometer ausgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass ein noch größerer Umweg
als insgesamt rund 14 Kilometer gefahren
worden sein können, sind nicht aktenkundig
und auch nicht glaubhaft. Denn bei der
M.straße handelt es sich um die unmittelbare Verlängerung der V.straße (= Haupteinfallstraße im Westen M. beginnend unmittelbar
am Autobahn-Ende). Mit anderen Worten:
Auch Ortsunkundige gelangen unmittelbar
zum Krankenhaus D. in M., wenn sie die
Autobahn von A. her kommend verlassen
und stets geradeaus fahren, bis sie auf Höhe
des Krankenhauses D. nach links auf den
dortigen Parkplatz einbiegen. Wenn der Kostenbeamte des BayLSG von einer Wegstrecke einfach von 100 Kilometer ausgegangen ist, ist dies eben noch vertretbar
großzügig zu bestätigen.
Ausweislich des Gutachtens vom 26.10.2006
von Dr. J. ist die Antragstellerin von ihrem
Mann begleitet worden. Sie haben die Wohnung um 8.30 Uhr verlassen, um rechtzeitig
zur Untersuchung um 10.00 Uhr anwesend
zu sein. Dies korrespondiert mit den Angaben im Schriftsatz des Bevollmächtigten der
Antragstellerin vom 13.12.2006, wenn dort
ein Zeitaufwand von 1,5 Stunden angegeben
worden ist. Für die Rückreise ist etwas weniger Zeit benötigt worden. Entsprechend der
Bestätigung von Dr. J. vom 29.08.2006 ist
die Antragstellerin am 29.08.2006 um 13.45
Uhr entlassen worden. Nach eigenen Angaben der Antragstellerin im Entschädigungsantrag vom 09.11.2006 ist die Rückreise am
29.08.2006 um 15.00 Uhr erfolgt (= Rückreisezeit von 1 1/4 Stunden). Die Gesamtabwesenheitszeit hat somit 6 1/2 Stunden
betragen.
Hiervon ausgehend steht ein Tagegeld gemäß § 6 Abs.1 JVEG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 5 Satz 2 EStG nicht zu. Denn ein
Tagegeld von 6,00 EUR ist erst bei einer
Abwesenheit von acht bis weniger als vierzehn Stunden gesetzlich vorgesehen.
Hierüber hat das Gericht gemäß § 4 Abs.7
Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden
:
gehabt. Diese Entscheidung ist gemäß § 177
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) endgültig.
Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4
Abs.8 JVEG).
Fundstelle: juris JVEG § 5 Abs. 2 Nr. 1.
Bei Unverwertbarkeit des
Gutachtens entfällt der
Vergütungsanspruch
Die Frage, wann der Vergütungsanspruch
des Sachverständigen entfällt, ist im JVEG
nicht geregelt. Die Rechtsprechung hat dazu
folgende Fallgruppen entwickelt:
: wenn das Gutachten des Sachverständigen unter keinem Gesichtspunkt verwertbar ist;
: wenn der persönlich beauftragte Sachverständige das Gutachten in den
wesentlichen Passagen nicht in selbst
erarbeitet hat;
: wenn der Sachverständige die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat.
Das OLG Schleswig (6.10.2006; AZ: 15 WF
244/06) hatte einen Fall zu entscheiden, in
dem das Gericht ein zweites Gutachten eingeholt hatte und dessen Inhalt seinem Urteil
zu Grunde legte. Die unterlegene Prozesspartei schloss daraus, dass das erste Gutachten nicht verwertbar gewesen sei und
verlangte im kostenrechtlichen Erinnerungsverfahren, dass dem ersten Sachverständigen seine Vergütung wegen Unverwertbarkeit ersatzlos gestrichen werde. Mit anderen
Worten hätte dann der Sachverständige die
bereits ausgezahlte Vergütung wieder zurückzahlen müssen.
Das Gericht verneinte einen solchen Rückerstattungsanspruch gegen den ersten Sachverständigen. Sein Gutachten sei nicht unter
jeder Hinsicht „unbrauchbar“. Der Vergütung eines Sachverständigen bestehe unabhängig davon, ob das Gutachten objektiv
richtig ist und wie die Parteien oder das Gericht das Gutachten bewerten. Der Sachverständige verliere diesen Vergütungsanspruch nur dann, wenn das Gutachten unverwertbar sei und der Sachverständige die Unverwertbarkeit verschuldet habe. Beide Voraussetzungen eines Verlustes des Vergütungsanspruchs seien im vorliegenden Fall
nicht gegeben.
Leitsätze der Entscheidung
1. Ein Vergütungsanspruch des Sachverständigen nach §§ 8 ff. JVEG entfällt nur,
wenn der Sachverständige schuldhaft
29