Hoffentlich - mit Folgen

Transcrição

Hoffentlich - mit Folgen
Die Norddeutsche, 29. März 2006
Hoffentlich - mit Folgen
„Mutanfall - Ein Angsthase schießt zurück": Kabarettist Helmut Schleich im Kito
Von unserem Mitarbeiter
Albrecht-Joachim Bahr
VEGESACK. Helmut Schleich versteht es,
sich am Sprachmarkt individuell zu positionieren. Im Kito lieferte er den Beweis. Auf
- herkunftsbedingt - oberbayerische Art
füllt er dabei eine Spannbreite, die sich an
Eckpfeilern wie Franz Josef Strauß und
Ottfried „Bulle von Tölz" Fischer orientiert.
Zumal er dem Ersteren den Einstieg in das
Leben eines Kabarettisten verdankt Bei
einem Vorsprechen den Kopf zwischen die
Schultern gezogen, Hals und Backen
gebläht... und schon ist er leibhaftig
auferstanden,
Bayerns
Su-perstar
vergangener Tage. Und er Schleich - ist in der Show.
Damit wir uns nicht missverstehen: Diese
Nähe zum bayerischen Ex-Premier ist lediglich der Mentalität geschuldet. Ansonsten,
politisch, steht er dagegen (er schaut auf einen Zettel), also: „Politisch' Kabarett, das ist
nicht so meins. Obwohl, ich hab schon unterschiedliche Meinungen." Auf jeden Fall verspricht er (wieder den Blick auf den Zettel),
„den Abend auf satirisch geeignete Weise
zu gestalten" und (Zettel): „Applaus abwarten! " Obwohlf er bekennender Profi-Laie ist,
und von nix ne Ahnung hat. - Wie gesagt:
Sprachlich individuell positioniert.
Als Max Max beginnt Schleich seinen
„Mutanfall" und schießt als Angsthase die
folgenden zwei Stunden zurück. Erst noch
rsemantisch begabt wie Caspar Hauser,
dann dynamisch-schmierig als der holländische Entertainer Kaak van Houten, dann als
Ferdinand Flügel, in der dritten, vierten Generation Angstmachermeister. Viertens
taucht ein turbo-cholerischer Thomas-Bernhard-Verschnitt auf und dann entläuft ihm
noch eine Teufelsnatter aus Nord-Borneo „Sieht harmlos aus, aber des macht's mit
Gift immer alles wett."
Wer zählt die Rollen, wer die Charaktere,
die Schleich so schnell wechselt wie Jackett
oder Krawatte? Bald dröhnt es in den Ohren.
Bald flackert's vor den Augen. Und manchmal ist es einfach zu viel des Guten. Die Pointen
haben, so scheint's, nur noch den Zweck,
ihre Vorläufer vergessen zu machen. Von
den Vorvorläufern ganz zu schweigen. Aber
wenn denn mal doch eine hängen bleibt,
dann ist sie wertvoll. Äußerst wertvoll.
Wie zum Beispiel die Sache mit der
Sprachprivatisierung: Deutsche Post-privatisiert. Deutsche Bahn - privatisiert. Warum
dann nicht auch die deutsche Sprache? Und
das bei diesem Sprachstandort Deutschland. „Mit 80 Millionen Native-Speakers."
Wie war's mit einem Wortnutzungsgeld?
Also: Die Allianz kauft „hoffentlich" und
macht es zu einem Privatwort, Hinter jedem
„hoffentlich" folgt in Zukunft also zwingend
ein „Allianz". So wie: „Hoffentlich - Allianz!!! - ist nach der Vorstellung noch etwas
los ...". Obwohl das mit dem Doppelkonsonant, was soll das? Ein kompetentes Einfach-f müsste doch eigentlich reichen.
Und überhaupt: Sprachstandort Deutschland. Die Deutschen sterben aus. Was soll
da noch ein Futur II? Warum sich noch mit einem Plusquamperfekt belasten. Da kann
man rationalisieren. Und beides zu einem
Futurquamperfekt III zusammenziehen.
Und hätte wunderschön gehabt sein werden, wenn es noch Stunden so weiter gegangen wäre.
Wie sagte Humorproduzent Bodo Bolsenkötter: „Die Witzbasis steht wie auf einem
Fels/ Und Helmut Schleich kann sich mit
seiner Art Humor ohne Zweifel am Hohnund Spottmarkt Rotterdam behaupten.
Seine Auslassungen sind nicht zum Schenkelklopfen. Sie gehen tiefer. Der Klamauk
ist vordergründig. Aber die Basis, die hinterlässt Tage noch Spuren. Allein der Abgang:
Schleich als Bulle von Tölz: Den Kopf in den
Nacken, linksmündig die typische Lächellähmung dazu und... Was steht auf dem Zettel? „Applaus abwarten." Und der kommt
dann auch. Ziemlich kräftig sogar.

Documentos relacionados