und gross fa - Serviceseiten der Verlagsgruppe Random House
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Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 1 24.04.2014 07:41:16 Buch Eigentlich war Kayli Stollak fest davon überzeugt, dass sie und ihr Freund für immer zusammenbleiben würden. Doch dann ist plötzlich Schluss. Am Boden zerstört wendet sie sich an ihre Oma. Doch Oma Gail ist keine ganz gewöhnliche Großmutter: nicht auf den Mund gefallen, nie um eine Anekdote verlegen und immer einen lockeren Spruch im Ärmel. Sie lässt erst gar nicht zu, dass Kayli ihrer gescheiterten Beziehung nachheult, und schlägt vor, es doch mal mit »einer dieser Dating-Websites« zu versuchen. Doch diesen Ball spielt Kayli gleich zurück: Wenn das so eine wunderbare Idee ist, warum macht sich Single Gail dann nicht selbst auf in die Welt der Cyberromanzen? Gesagt, getan! Herausgekommen ist eine unterhaltsame Odyssee durch die Tücken der modernen Partnersuche: betrunkene Aufrisse, mitternächtliches Facebook-Stalking, stöhnende Telefonate mit betagten Verehrern und plumpe Anmachen. Während Kayli sich durch einen wahren Date-Marathon kämpft, lüftet Oma die Geheimnisse ihrer romantischen Vergangenheit. Schnell wird klar: Die Suche nach dem Glück bleibt immer dieselbe – ganz egal, ob man nun fünfundzwanzig oder fünfundsiebzig ist. Autorin Kayli Stollak studierte Filmproduktion an der Tisch School of the Arts der New York University und arbeitet nun als Autorin. Bekannt wurde sie durch den Blog »Granny is my wingman«, in dem sie von ihren eigenen und den Onlinedating-Abenteuern ihrer Großmutter Gail erzählt. Stollak lebt in New York. Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 2 24.04.2014 07:41:16 Kayli Stollak WIE ICH MIT MEINER OMA ONLINEDATING MACHTE … UND DIE GROSSE LIEBE FAND Aus dem Amerikanischen von Karin Wirth Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 3 24.04.2014 07:41:16 Verlagsgruppe Random House FSC ® N001967 Das für dieses Buch verwendete FSC ®-zertifizierte Papier Classic 95 liefert Stora Enso, Finnland. Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich 1. Auflage Deutsche Erstausgabe August 2014 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH © 2013 Kayli Stollak Originalverlag: New Harvest/Houghton Mifflin Harcourt Originaltitel: Granny is my wingman Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München Umschlagmotiv: Finepic®, München Redaktion: Manuela Knetsch Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck KW · Herstellung: IH Printed in Germany ISBN 978-3-442-17435-5 www.goldmann-verlag.de Besuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 4 24.04.2014 07:41:17 Für Oma Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 5 24.04.2014 07:41:18 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 6 24.04.2014 07:41:18 Inhalt Wer zum Teufel ist Jenna Jones? 11 Ohrfeigen sind Teil des Heilungsprozesses 16 Schluss mit dem Blödsinn 24 What’s Love Got to Do with It? 28 Eine denkwürdige Affäre 35 Die Lieblingsenkelin 45 75-jährige Frau sucht 75-jährigen Mann 50 Ich kümmere mich nicht ums Abendessen, sondern um die Reservierung 56 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 7 24.04.2014 07:41:18 Der will nur spielen 63 Der Bund fürs Leben 78 Top oder Flop 87 Nichts als Lügen 93 Eine Frau mit Erfahrung 106 Gut gepolstert 112 Der Südstaatler und das Walross 119 Pfennigfuchser 135 Clubratten 142 Sie kann’s nicht lassen 151 Dating-Blues 158 An mir liegt’s nicht 171 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 8 24.04.2014 07:41:18 Hakuna Matata 178 Er ist beschäftigt? Na, und ich erst! 188 Ho-ho-ho! 201 Bettgeschichten 204 Immerhin Freunde 221 IRL – Im wahren Leben 231 Neulich im Bioladen 237 Oma weiß es am besten 241 Klartext 247 Dank 251 Register 253 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 9 24.04.2014 07:41:18 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 10 24.04.2014 07:41:18 Wer zum Teufel ist Jenna Jones? M eine allerbeste Feindin aus der siebten Klasse hatte am Wochenende einen Mann geheiratet, der Neon-Sonnen brillen trug. Der Junge, an den ich meine Unschuld verloren hat te, hatte Blut gespendet, und dreien seiner Freunde gefiel das. Der bescheuerte Typ aus meinem Erstsemester-Soziologiekurs hörte auf Spotify Rihanna. Und ich lag montagvormittags im Bett und lungerte wie ein gruseliger Stalker bei Facebook rum. Dank Mark Zuckerberg verbrachte ich viele Vormittage auf diese Weise. Ich klickte mich durch zahllose Bilder von »Freunden« und mehr oder weniger fremden Leuten und knutschte nebenbei meine Bettdecke, die ich zwischen meine Beine geklemmt hatte. Dieses merkwür dige Verhalten war mir im Lauf des letzten Jahres zur zweiten Natur geworden. Wer braucht schon einen Mann, wenn man ein Federbett hat? Zugegeben, es erwiderte die Zärtlichkeiten nicht, aber es hielt mich warm und hatte bislang auch noch nicht mit mir Schluss gemacht. Darum hatte ich bei unserer Beziehung ein ziemlich gutes Gefühl. Es war ein warmer Sommermorgen auf der Lower East Side in Manhattan. Genau genommen war es 12.30 Uhr, was die 11 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 11 24.04.2014 07:41:18 meisten normalen Menschen dem Nachmittag zuordnen wür den. Ich sah das anders. Für eine 24-Jährige, die ihr Studien darlehen als Bedienung in einem Nachtclub abbezahlte, war es eine enorme Leistung, vor 13 Uhr die Augen zu öffnen. Ich griff nach meinem Kissen und drückte es mir gegen die Brust. Oh, Mann, wie ich die Zeit vermisste, als noch ein Mensch aus Fleisch und Blut neben mir gelegen hatte. Ich hatte mich an ihn geschmiegt. Wir hatten es in der Löffelchenstellung getan. Manchmal war ich sogar der große Löffel gewesen. Es mit ei nem Mann in der Löffelchenstellung zu tun, der 30 Zentimeter größer ist als man selbst – das ist Liebe. Das war Liebe gewesen. Inzwischen ereignete sich in meiner Wohnung nichts der gleichen mehr. Stattdessen lenkte ich mich damit ab, mir das wohlgeordnete Leben anderer Leute anzuschauen und mich über ihre Statusmeldungen und bescheidenen Angebereien auf dem Laufenden zu halten, als ob es mein verdammter Beruf sei. Als ich zwei Jahre zuvor meinen Abschluss an der Filmhoch schule in New York gemacht hatte, hatte ich noch geglaubt, dass mein Leben in geraden Bahnen verlaufen würde. Vor dem Abschluss hatte ich mir einen Dauerjob bei einer Produktions firma gesichert, die Werbespots drehte. Ich hatte eine zuver lässige Karriere in Aussicht gehabt, bis ich ein Jahr später alles aufgegeben hatte, weil ich die Werbung plötzlich nicht mehr als künstlerische Ausdrucksmöglichkeit, sondern vielmehr als großen Mist betrachtet hatte. Statt mir einen neuen Job bei einer Filmproduktionsfirma zu suchen (nachdem ich fast 200 000 Dollar an Studiendarlehen aufgenommen hatte, um in diesem Fach einen Abschluss ma 12 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 12 24.04.2014 07:41:18 chen zu können), beschloss ich, zusätzliche Schichten in dem schicken Nachtclub einzulegen, in dem ich seit der Collegezeit als Bedienung arbeitete. Ich war kein Fan von reichen Arsch löchern, zickigen Frauen oder hohen Absätzen, aber immer hin konnte ich mit diesem Job bei nur drei Nächten Arbeit pro Woche zwei Monate Urlaub nehmen und fast 100 000 Dollar im Jahr verdienen. Möglicherweise hatte auch die Rückkehr meines Freundes nach London ein wenig zu meiner berufl ichen Entscheidung beigetragen. Plötzlich stand ich nicht mehr unter dem Druck, erwachsen zu werden, in einem Büro zu arbeiten oder mich auf die Fortpflanzung vorzubereiten. Der Club, die Antithese des Erwachsenenlebens, in dem die »Arbeit« hauptsächlich darin besteht, mit Freunden abzuhängen und teuren Champagner zu trinken, schien die beste Option zu sein. Aber zurück zu jenem Montag. Ich hatte einen Kater und war es mir geradezu schuldig, im Bett herumzuliegen. Ich war kurz davor, die Energie aufzubringen, das seelenaussaugende soziale Netzwerk zu verlassen und mich mit einem Bagel zu be lohnen, als ich es sah. Mein Herzschlag setzte aus, mein Atem stockte, meine Fäuste ballten sich zusammen. »Wer zum Teufel ist Jenna Jones?!«, brüllte ich meinen Computerbildschirm an. Mein Mitbewohner Huang, den ich über eine Kleinanzeige im Internet gefunden hatte, steckte seinen kleinen Kopf zur Tür herein und flüsterte: »Alles okay?«, wobei er seine Augen halb mit den Händen bedeckte. »Ähm, ja, klar«, antwortete ich halbherzig. »Aber weißt du was – könntest du Leine ziehen?« 13 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 13 24.04.2014 07:41:18 Er nickte und eilte über den Flur zu seinem Zimmer zurück. Huang und ich standen uns nicht sehr nahe, genau genommen redeten wir kaum miteinander. Er war ein Jahr zuvor als Unter mieter eingezogen, als mein Ex Charlie über den großen Teich zurückgeflogen war. Vor Huang hatten Charlie und ich sponta ne Tanzpartys in der Küche veranstaltet, waren im Wohnzim mer Rollschuh gefahren und hatten es auf jeder verfügbaren Unterlage getrieben. Jetzt hausten nur noch Huang und ich in meiner ehemali gen Liebeshöhle. Es sollte eigentlich ein vorübergehendes Ar rangement sein, aber am Ende war er geblieben. Wir entwi ckelten keine Bindung zueinander, wahrscheinlich weil er zu einer Zeit einzog, als ich dauernd Heulkrämpfe hatte, immer wieder dieselben Songs von Adele hörte und ständig Freun dinnen vorbeikamen, um sich meine tränenreichen Bekennt nisse anzuhören. Der arme Huang wusste nie, ob das Stöhnen, das aus meinem Schlafzimmer drang, vom Heulen oder vom Masturbieren kam. Eine Anmerkung zu Facebook: Ich weiß, dass es nicht gesund ist, seine Verflossenen zu stalken. Deshalb habe ich ihn nach unserer Trennung aus meiner Freundeliste gelöscht, insbeson dere um Augenblicke wie diesen zu vermeiden. Aber es wurde trotzdem unter meinen verdammten »Neuigkeiten« angezeigt: ein Bild von den beiden, das seine Schwester gepostet hatte. Eigentlich waren es mehrere Bilder, mehrere verabscheuungs würdig schöne Bilder, bei denen ich versucht war, sie bei Face book zu melden, damit sie herausgenommen würden. 14 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 14 24.04.2014 07:41:18 Es gab ein Bild von Jenna Jones, auf dem sie die Lederkluft trug, die seine Mutter mir für Motorradtouren vermacht hat te. Und sie hielt einen Helm in der Hand – meinen Helm? Den Helm, auf den ich vor unserer ersten Spanienreise in glitzernden goldenen und pinkfarbenen Buchstaben »Liebesnest – 2 Einw.« aufgemalt hatte? Motorradabenteuer waren unser Ding gewe sen. Jetzt war es ihr Ding. Jetzt war alles klar. Ich musste nicht weiter herumschnüffeln (oder einen meiner Freunde, der noch mit ihm »befreundet« war, damit beauftragen, seinen Bezie hungsstatus ausfindig zu machen), um zu wissen, was Sache war. Das war etwas Ernstes. Sein Status hatte sich geändert. Er bekannte sich bei Facebook öffentlich zu seiner Beziehung, und seiner Neuen passte mein Lederoverall perfekt. Ich hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Ich hatte sogar schon vermutet, dass er eine Beziehung hatte, aber jetzt hatte ich die unbarmherzigen, eindeutigen Beweise vor Augen. Warum hatte ich nicht daran gedacht, alle seine Freunde und Verwandten aus meiner Freundeliste zu löschen? (Die offen kundige Antwort: Ich bin eine masochistische Stalkerin.) Es gab Bilder von Jenna Jones mit seiner Mutter und seinem Vater auf ihrem Hof, wo wir so oft zu Besuch gewesen waren. Bilder, auf denen er mit der Schlampe lachte. Zieh meine verdammten Klamotten aus, Jenna Jones! Mit satanischer Exorzistenstim me rief ich: »Wer ist sie? Wer ist sie? Wer ist sie?« Na gut, ich wusste, wer sie war. Sie war die Neue an seiner Seite. Sie passte ins Schema, sie würde ihm all das geben, was ich ihm nicht geben konnte. 15 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 15 24.04.2014 07:41:18 Ohrfeigen sind Teil des Heilungsprozesses D u kannst mich schlagen, wenn du willst«, sagte Charlie bei unserem letzten Treffen. Ich wusste, dass er es nicht ernst meinte, aber diese Gele genheit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Es klingt schä big, aber ihn zu ohrfeigen war genau das, was ich wollte. Es war wirklich vorbei. Wir hatten uns fast ein Jahr zuvor getrennt, und da wir in verschiedenen Ländern lebten, gelang es uns danach ziemlich gut, auf Distanz zu bleiben. Trotzdem flog ich nach der Trennung einige Male über den Atlantik. Es wurden sexuel le Handlungen vorgenommen und, schlimmer noch, Liebesbe kundungen ausgetauscht. Wir hielten uns gegenseitig hin. Aber damit war jetzt Schluss. Aus und vorbei. Er fing an, mit anderen Frauen auszugehen. Er war gerade 36 geworden und zu all den erwachsenen Dingen bereit, die ich nie mit ihm teilen würde. Mit 24 stand ich auf einer Kopfsteinpflasterstraße in London, der Stadt, in der ich eigentlich hätte leben sollen, dem Mann ge genüber, der eigentlich zu mir hätte gehören sollen. Die Realität der Trennung traf mich (ganz ohne Ironie) wie ein Schlag ins Gesicht. Ich holte tief Luft und versuchte, den Knoten in mei nem Magen und die Anspannung in meiner Brust zu lösen. Ir 16 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 16 24.04.2014 07:41:18 gendwie hatte ich es im letzten Jahr, in den verschiedenen Sta dien der Trauer über unsere gescheiterte Liebe, geschafft, die Vorstellung zu vermeiden, dass wir am Ende nicht zusammen bleiben würden. Ich war krank vor Wut und ließ ungeniert die Tränen über mein Gesicht laufen. Ich spürte Groll in mir aufsteigen. Er woll te nicht mehr mit mir zusammen sein – das war kein Verbre chen, aber es fühlte sich an, als ob er mich umbrachte. Wenn eine Trennung ein Trauerprozess ist, dann hatte ich definitiv die Wutphase erreicht und die erhebenden Phasen der Ver handlung und der Depression noch vor mir. Mit tränennassen Augen standen wir uns lächelnd in der Shoreditch High Street gegenüber und wussten beide, dass das Ende zwar hässlich war, aber der Anfang und die Mitte atem beraubend schön gewesen waren. Dann führte ich mit meiner rechten Hand einen Schlag gegen seine linke Wange aus. Wir standen schweigend da, geschockt von meinem Akt physischer Gewalt. Meine Ohrfeige war unreif. Sie verursachte nur einen kurzen, folgenlosen Schmerz. Und doch verletzte ich ihn da mit – wenn auch nur für einen Augenblick. Wir wischten uns gegenseitig die Tränen aus dem Gesicht, umarmten uns und gingen getrennter Wege. Und das war’s. Das Ende hatte eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem An fang. Unsere Geschichte begann und endete auf der Straße. Al les holte uns so ein, wie wir immer befürchtet hatten. Es hatte auf meinem Territorium, in meinem Land, meiner Stadt New York begonnen. Wir lernten uns am Labor-Day-Wochenende 2006 kennen, ein paar Tage vor Beginn meines zweiten Stu 17 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 17 24.04.2014 07:41:18 dienjahres an der New York University. Er war Engländer und besuchte die Stadt an diesem Wochenende, um an der Hoch zeit eines Freundes teilzunehmen. Er war damals Anfang 30 und hatte genug Bartstoppeln, um bei einem jungen Mädchen die Hormone in Wallung zu bringen. Während ich in der Ludlow Street auf der Lower East Side vor meiner Wohnung auf der Bordsteinkante saß, sah ich, wie er eine Take-away-Margarita aus dem El Sombrero, einem bil ligen Mexikaner an der Ecke, trank. Meine Mitbewohnerin und ich hatten gerade für 20 Dollar einen schweren Kleiderschrank von einem Junkie in der Bowery gekauft und den Fahrer eines vorbeifahrenden Lieferwagens dazu überredet, ihn vor unse rem Haus abzuladen. Er passte perfekt in unsere vollgestopfte Wohnung, aber ihn in den siebten Stock hochtragen zu wollen, war völlig aussichtslos. Ich war 19, vollbusig, frech und selbstbewusst. Ich zog mein Tanktop herunter, um noch einige Zentimeter mehr von mei nem Dekolleté zu zeigen, während ich auf ihn und seinen Freund zuschlenderte. »Trinkt ihr gern Bier?«, schnurrte ich und versuchte, dabei die sexuelle Erfahrung einer mindestens 22-Jährigen auszustrahlen. Sie schauten von ihren Margaritas auf, schirmten ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und nickten begeistert. »Cool, kommt rauf, wir haben einen Sixpack Corona«, sagte ich lächelnd. Klar, »normale« Mädchen würden keine fremden Männer mit der Aussicht auf Alkohol in ihre Wohnung locken, aber wir waren wild entschlossen, jeden spontanen Augenblick auszukosten, den diese Stadt zu bieten hatte. Es war Sommer, 18 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 18 24.04.2014 07:41:18 und wir waren 19 und lebten eine Rund-um-die-Uhr-Partyfan tasie aus. Die Männer sahen überrascht, aber zufrieden aus – wahr scheinlich liefen in ihren 30-jährigen Köpfen Pornoszenen mit College-Mädchen ab. »Aber könntet ihr uns vorher noch diesen Schrank hochtragen?«, fragte ich und zeigte in Richtung mei ner Mitbewohnerin, die verführerisch am Schrank lehnte und mit ihren goldenen Locken spielte. Leichtsinnigerweise willigten sie ein. Ihnen dabei zuzu schauen, wie sie mit dem Kleiderschrank kämpften und dabei immer noch versuchten, uns kichernde Mädchen zu beeindru cken, während sie ihn die sieben Stockwerke hinauf in unsere winzige Wohnung schleppten, gehört zu den lustigsten Augen blicken meines Lebens. Wir öffneten Bierflaschen, während die Jungs sich in unserer Freak-Wohnung umsahen. Sie war ein Ka tastrophengebiet, übersät mit Glitzertops und Fotos, auf denen wir unter anderem mit Keksteig bekleckert zu sehen waren, dazu ein Sexvideo von Paris Hilton und ein gigantischer Dildo, den uns jemand geschenkt hatte und der wie der Schutzheilige der Ludlow Street auf unserem Fernseher stand. »Und was jetzt?«, fragte Charlie. Unsere Blicke trafen sich, zwischen uns gab es sofort eine Verbindung. »Wir tun was Verrücktes«, antwortete ich. Und so fing es an. Wir verbrachten den Rest des Tages und der Nacht zusammen, wanderten von einer Bar zur nächsten, teilten un sere Geschichten, unseren Humor, unsere Leidenschaft, Drinks und originelle Tanzbewegungen. Es funkte gewaltig zwischen uns, aber wir fürchteten beide 19 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 19 24.04.2014 07:41:18 das Unvermeidliche. Abgesehen davon, dass er am nächsten Morgen abreisen würde, war er zwölf Jahre älter als ich (unge achtet dessen, was mein gefälschter Ausweis sagte) und lebte auf einem anderen Kontinent. Als die Sonne aufging, saßen wir in meinem Bett, aßen Chee rios-Frühstücksflocken und tranken Bier und zählten die Stun den bis zu seinem Abflug nach London. Wir hielten es für das Beste, es als flüchtige Liebelei abzutun. Aber ich war jung, und er war ein Draufgänger, und wir konnten nicht voneinander lassen. Eine Reihe lustiger E-Mails zog eine Reihe wilder Abenteu er nach sich. Es gab Motorradreisen durch Europa, Trekking in Guatemala, Musikfestivals in Spanien. Alles war so spontan, wild und romantisch. Aber Beziehungen lassen sich nicht dau erhaft über große Entfernungen hinweg aufrechterhalten. Aus Liebe machten wir große Gesten und brachten Opfer, um unsere Beziehung am Leben zu halten. Wir jagten hin und her über den Atlantik, verbrachten abwechselnd sechs Monate im Land des anderen und versuchten, ein Gleichgewicht zu fin den und uns auf eine Homebase zu einigen. Nach meinem Ab schluss waren wir glücklicherweise beide in der Lage, sowohl in New York als auch in London unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Er war Schriftsteller und konnte diesem Beruf über all nachgehen, und ich arbeitete für eine Produktionsfirma, die Niederlassungen in beiden Ländern hatte. Aber jeder von uns hatte eine Bindung an seine eigene Stadt. Als er 35 wurde, nahmen die Probleme, die wir vorhergese hen hatten, Gestalt an. Seine Vateruhr fing an zu ticken, und 20 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 20 24.04.2014 07:41:18 er war beruflich sehr erfolgreich. Er wollte seinen Beruf in Eng land ausüben, näher bei Verwandten und Freunden sein und letztlich eine Familie gründen. Ich hatte erst ein Jahr zuvor das College beendet. Ich wusste, dass ich mit ihm zusammen sein wollte, aber ich wusste nicht, wann ich dazu bereit sein würde, einen Ring am Finger oder ein Kind im Bauch zu tragen. Ich fing gerade erst an, wie eine Er wachsene in New York zu leben. Im Winter 2010 flog er nach London, und es war geplant, dass ich im Frühjahr nachkommen und für immer dort bleiben würde. Ich versuchte, die Sache voranzutreiben: Ich beantrag te mein Visum und gab mir alle Mühe, mich mit dem Gedan ken anzufreunden, Vollzeit in der englischen Niederlassung der Produktionsfirma zu arbeiten. Ich fing sogar an, mir einzure den, dass ich in ein oder zwei Jahren Kinder bekommen könne und dass es mir gefallen würde, auf dem Land zu leben. Als die Jahreszeiten wechselten, hatte die Entfernung zwi schen uns ihre ernüchternde Wirkung entfaltet und uns aus un seren liebestrunkenen Illusionen gerissen. Er begann sich von mir zurückzuziehen und fand ständig einen Anlass zum Strei ten. Keiner von uns betrog den anderen oder tat ihm je wirk lich unrecht, aber wir wurden erwachsen und traten in unter schiedliche Lebensphasen ein, die wir nicht mehr gemeinsam durchlaufen konnten. Unser Verfallsdatum war erreicht. Bittere E-Mails, unbehagliche Unterhaltungen auf Skype und tränenreiche Telefonate beherrschten unsere Beziehung. Auch auf die Gefahr hin, klischeehaft zu klingen: Er war bis zu die sem Zeitpunkt die Liebe meines Lebens gewesen, und ich hat 21 Stollak_Oma-Onlinedating_CC.indd 21 24.04.2014 07:41:18 UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE Kayli Stollak Wie ich mit meiner Oma Onlinedating machte. ... UND DIE GROSSE LIEBE FAND DEUTSCHE ERSTAUSGABE Taschenbuch, Broschur, 256 Seiten, 12,5 x 18,3 cm ISBN: 978-3-442-17435-5 Goldmann Erscheinungstermin: Juli 2014 Als ihr Freund mit ihr Schluss macht, wendet sich Kayli Stollak trostsuchend an ihre Oma. Doch die lässt erst gar nicht zu, dass Kayli ihrer gescheiterten Beziehung nachheult, und schlägt vor, es doch mal mit „einer dieser Dating-Websites“ zu versuchen. Gesagt, getan: Gemeinsam wagen sie sich in die Welt der Cyber-Romanzen. In ihrem Buch erzählt Kayli Stollak von diesem Abenteuer. Herausgekommen ist eine unterhaltsame Odyssee durch die Tücken der modernen Partnersuche. Schnell wird klar: Die Suche nach dem Glück bleibt immer dieselbe – ganz egal ob man nun 25 oder 75 ist.