und gross fa - Serviceseiten der Verlagsgruppe Random House

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und gross fa - Serviceseiten der Verlagsgruppe Random House
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Buch
Eigentlich war Kayli Stollak fest davon überzeugt, dass sie und ihr Freund für
immer zusammenbleiben würden. Doch dann ist plötzlich Schluss. Am Boden
zerstört wendet sie sich an ihre Oma. Doch Oma Gail ist keine ganz gewöhnliche Großmutter: nicht auf den Mund gefallen, nie um eine Anekdote verlegen
und immer einen lockeren Spruch im Ärmel. Sie lässt erst gar nicht zu, dass
Kayli ihrer gescheiterten Beziehung nachheult, und schlägt vor, es doch mal
mit »einer dieser Dating-Websites« zu versuchen. Doch diesen Ball spielt Kayli
gleich zurück: Wenn das so eine wunderbare Idee ist, warum macht sich Single Gail dann nicht selbst auf in die Welt der Cyberromanzen? Gesagt, getan!
Herausgekommen ist eine unterhaltsame Odyssee durch die Tücken der modernen Partnersuche: betrunkene Aufrisse, mitternächtliches Facebook-Stalking, stöhnende Telefonate mit betagten Verehrern und plumpe Anmachen.
Während Kayli sich durch einen wahren Date-Marathon kämpft, lüftet Oma die
Geheimnisse ihrer romantischen Vergangenheit. Schnell wird klar: Die ­Suche
nach dem Glück bleibt immer dieselbe – ganz egal, ob man nun fünfundzwanzig oder fünfundsiebzig ist.
Au­to­rin
Kayli Stollak studierte Filmproduktion an der Tisch School of the Arts der New
York University und arbeitet nun als Autorin. Bekannt wurde sie durch den
Blog »Granny is my wingman«, in dem sie von ihren eigenen und den Onlinedating-Abenteuern ihrer Großmutter Gail erzählt. Stollak lebt in New York.
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Kayli Stollak
WIE ICH
MIT MEINER OMA
ONLINEDATING
MACHTE
…
UND DIE
GROSSE LIEBE
FAND
Aus dem Amerikanischen
von Karin Wirth
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Ver­lags­grup­pe Ran­dom House FSC ® N001967
Das für die­ses Buch ver­wen­dete FSC ®-zer­tifi­zier­te Pa­pier Classic 95
­lie­fert Stora Enso, Finnland.
Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe August 2014
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
© 2014 der deutschsprachigen Ausgabe
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
© 2013 Kayli Stollak
Originalverlag: New Harvest/Houghton Mifflin Harcourt
Originaltitel: Granny is my wingman
Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: Finepic®, München
Redaktion: Manuela Knetsch
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
KW · Herstellung: IH
Printed in Germany
ISBN 978-3-442-17435-5
www.goldmann-verlag.de
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Für Oma
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In­halt
Wer zum Teu­fel ist Jen­na Jones?
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Ohr­fei­gen sind Teil des Hei­lungs­pro­zes­ses
16
Schluss mit dem Blöd­sinn
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What’s Love Got to Do with It?
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Eine denk­wür­di­ge Af­fä­re
35
Die Lieb­lings­en­ke­lin
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75-jäh­ri­ge Frau sucht
75-jäh­ri­gen Mann
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Ich küm­me­re mich nicht ums Abend­es­sen,
son­dern um die Re­ser­vie­rung
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Der will nur spie­len
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Der Bund fürs Le­ben
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Top oder Flop
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Nichts als Lü­gen
93
Eine Frau mit Er­fah­rung
106
Gut ge­pols­tert
112
Der Süd­staat­ler und
das Wal­ross
119
Pfen­nig­fuch­ser
135
Club­rat­ten
142
Sie kann’s nicht las­sen
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Da­ting-Blues
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An mir liegt’s nicht
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Ha­kuna Mat­ata
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Er ist be­schäf­tigt?
Na, und ich erst!
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Ho-ho-ho!
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Bett­ge­schich­ten
204
Im­mer­hin Freun­de
221
IRL – Im wah­ren Le­ben
231
Neu­lich im Bio­la­den
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Oma weiß es am bes­ten
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Klar­text
247
Dank
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Register
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Wer zum Teu­fel
ist Jen­na Jones?
M
ei­ne al­ler­bes­te Fein­din aus der sieb­ten Klas­se hat­te am
Wo­chen­en­de ei­nen Mann ge­hei­ra­tet, der Neon-Son­nen­
bril­len trug. Der Jun­ge, an den ich mei­ne Un­schuld ver­lo­ren hat­
te, hat­te Blut ge­spen­det, und drei­en sei­ner Freun­de ge­fiel das.
Der be­scheu­er­te Typ aus mei­nem Erst­se­mes­ter-So­zi­o­lo­gie­kurs
hör­te auf Spo­tify Ri­han­na.
Und ich lag mon­tag­vor­mit­tags im Bett und lun­ger­te wie ein
gru­se­li­ger Stal­ker bei Face­book rum. Dank Mark Zu­cker­berg
ver­brach­te ich vie­le Vor­mit­ta­ge auf die­se Wei­se. Ich klick­te mich
durch zahl­lo­se Bil­der von »Freun­den« und mehr oder we­ni­ger
frem­den Leu­ten und knutsch­te ne­ben­bei mei­ne Bett­de­cke, die
ich zwi­schen mei­ne Bei­ne ge­klemmt hat­te. Die­ses merk­wür­
di­ge Ver­hal­ten war mir im Lauf des letz­ten Jah­res zur zwei­ten
Na­tur ge­wor­den. Wer braucht schon ei­nen Mann, wenn man
ein Fe­der­bett hat? Zu­ge­ge­ben, es er­wi­der­te die Zärt­lich­kei­ten
nicht, aber es hielt mich warm und hat­te bis­lang auch noch
nicht mit mir Schluss ge­macht. Da­rum hat­te ich bei un­se­rer
Be­zie­hung ein ziem­lich gu­tes Ge­fühl.
Es war ein war­mer Som­mer­mor­gen auf der Lo­wer East Side
in Man­hat­tan. Ge­nau ge­nom­men war es 12.30 Uhr, was die
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meis­ten nor­ma­len Men­schen dem Nach­mit­tag zu­ord­nen wür­
den. Ich sah das an­ders. Für eine 24-Jäh­ri­ge, die ihr Stu­di­en­
dar­le­hen als Be­die­nung in ei­nem Nacht­club ab­be­zahl­te, war es
eine enor­me Leis­tung, vor 13 Uhr die Au­gen zu öff­nen.
Ich griff nach mei­nem Kis­sen und drück­te es mir ge­gen die
Brust. Oh, Mann, wie ich die Zeit ver­miss­te, als noch ein Mensch
aus Fleisch und Blut ne­ben mir ge­le­gen hat­te. Ich hat­te mich an
ihn ge­schmiegt. Wir hat­ten es in der Löff­el­chen­stel­lung ge­tan.
Manch­mal war ich so­gar der gro­ße Löf­fel ge­we­sen. Es mit ei­
nem Mann in der Löff­el­chen­stel­lung zu tun, der 30 Zen­ti­me­ter
grö­ßer ist als man selbst – das ist Lie­be. Das war Lie­be ge­we­sen.
In­zwi­schen er­eig­ne­te sich in mei­ner Woh­nung nichts der­
glei­chen mehr. Statt­des­sen lenk­te ich mich da­mit ab, mir das
wohl­ge­ord­ne­te Le­ben an­de­rer Leu­te an­zu­schau­en und mich
über ihre Sta­tus­mel­dun­gen und be­schei­de­nen An­ge­be­rei­en auf
dem Lau­fen­den zu hal­ten, als ob es mein ver­damm­ter Be­ruf sei.
Als ich zwei Jah­re zu­vor mei­nen Ab­schluss an der Film­hoch­
schu­le in New York ge­macht hat­te, hat­te ich noch ge­glaubt,
dass mein Le­ben in ge­ra­den Bah­nen ver­lau­fen wür­de. Vor dem
Ab­schluss hat­te ich mir ei­nen Dau­er­job bei ei­ner Pro­duk­ti­ons­
fir­ma ge­si­chert, die Wer­be­spots dreh­te. Ich hat­te eine zu­ver­
läs­si­ge Kar­ri­e­re in Aus­sicht ge­habt, bis ich ein Jahr spä­ter al­les
auf­ge­ge­ben hat­te, weil ich die Wer­bung plötz­lich nicht mehr
als künst­le­ri­sche Aus­drucks­mög­lich­keit, son­dern viel­mehr als
gro­ßen Mist be­trach­tet hat­te.
Statt mir ei­nen neu­en Job bei ei­ner Film­pro­dukt­i­ons­fir­ma zu
su­chen (nach­dem ich fast 200 000 Dol­lar an Stu­di­en­dar­le­hen
auf­ge­nom­men hat­te, um in die­sem Fach ei­nen Ab­schluss ma­
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chen zu kön­nen), be­schloss ich, zu­sätz­li­che Schich­ten in dem
schi­cken Nacht­club ein­zu­le­gen, in dem ich seit der Col­le­ge­zeit
als Be­die­nung ar­bei­te­te. Ich war kein Fan von rei­chen Arsch­
lö­chern, zi­cki­gen Frau­en oder ho­hen Ab­sät­zen, aber im­mer­
hin konn­te ich mit die­sem Job bei nur drei Näch­ten Ar­beit pro
Wo­che zwei Mo­na­te Ur­laub neh­men und fast 100 000 Dol­lar
im Jahr ver­die­nen.
Mög­li­cher­wei­se hat­te auch die Rück­kehr mei­nes Freun­des
nach Lon­don ein we­nig zu mei­ner be­ruf­l i­chen Ent­schei­dung
bei­ge­tra­gen. Plötz­lich stand ich nicht mehr un­ter dem Druck,
er­wach­sen zu wer­den, in ei­nem Büro zu ar­bei­ten oder mich auf
die Fort­pflan­zung vor­zu­be­rei­ten. Der Club, die An­ti­the­se des
Er­wach­se­nen­le­bens, in dem die »Ar­beit« haupt­säch­lich da­rin
be­steht, mit Freun­den ab­zu­hän­gen und teu­ren Cham­pag­ner zu
trin­ken, schien die bes­te Op­ti­on zu sein.
Aber zu­rück zu je­nem Mon­tag. Ich hat­te ei­nen Ka­ter und
war es mir ge­ra­de­zu schul­dig, im Bett he­rum­zu­lie­gen. Ich war
kurz da­vor, die Ener­gie auf­zu­brin­gen, das see­len­aus­sau­gen­de
so­zi­a­le Netz­werk zu ver­las­sen und mich mit ei­nem Ba­gel zu be­
loh­nen, als ich es sah. Mein Herz­schlag setz­te aus, mein Atem
stock­te, mei­ne Fäus­te ball­ten sich zu­sam­men. »Wer zum Teu­fel
ist Jen­na Jones?!«, brüll­te ich mei­nen Com­pu­ter­bild­schirm an.
Mein Mit­be­woh­ner Hu­ang, den ich über eine Klein­an­zei­ge
im In­ter­net ge­fun­den hat­te, steck­te sei­nen klei­nen Kopf zur Tür
he­rein und flüs­ter­te: »Al­les okay?«, wo­bei er sei­ne Au­gen halb
mit den Hän­den be­deck­te.
»Ähm, ja, klar«, ant­wor­te­te ich halb­her­zig. »Aber weißt du
was – könn­test du Lei­ne zie­hen?«
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Er nick­te und eil­te über den Flur zu sei­nem Zim­mer zu­rück.
Hu­ang und ich stan­den uns nicht sehr nahe, ge­nau ge­nom­men
re­de­ten wir kaum mit­ei­nan­der. Er war ein Jahr zu­vor als Un­ter­
mie­ter ein­ge­zo­gen, als mein Ex Char­lie über den gro­ßen Teich
zu­rück­ge­flo­gen war. Vor Hu­ang hat­ten Char­lie und ich spon­ta­
ne Tanz­par­tys in der Kü­che ver­an­stal­tet, wa­ren im Wohn­zim­
mer Roll­schuh ge­fah­ren und hat­ten es auf je­der ver­füg­ba­ren
Un­ter­la­ge ge­trie­ben.
Jetzt haus­ten nur noch Hu­ang und ich in mei­ner ehe­ma­li­
gen Lie­bes­höh­le. Es soll­te ei­gent­lich ein vo­rü­ber­ge­hen­des Ar­
range­ment sein, aber am Ende war er ge­blie­ben. Wir ent­wi­
ckel­ten kei­ne Bin­dung zu­ei­nan­der, wahr­schein­lich weil er zu
ei­ner Zeit ein­zog, als ich dau­ernd Heul­krämp­fe hat­te, im­mer
wie­der die­sel­ben Songs von Ade­le hör­te und stän­dig Freun­
din­nen vor­bei­ka­men, um sich mei­ne trä­nen­rei­chen Be­kennt­
nis­se an­zu­hö­ren.
Der arme Hu­ang wuss­te nie, ob das Stöh­nen, das aus mei­nem
Schlaf­zim­mer drang, vom Heu­len oder vom Mas­tur­bie­ren kam.
Eine An­mer­kung zu Face­book: Ich weiß, dass es nicht ge­sund
ist, sei­ne Ver­flos­se­nen zu stal­ken. Des­halb habe ich ihn nach
un­se­rer Tren­nung aus mei­ner Freun­de­lis­te ge­löscht, ins­be­son­
de­re um Au­gen­bli­cke wie die­sen zu ver­mei­den. Aber es wur­de
trotz­dem un­ter mei­nen ver­damm­ten »Neu­ig­kei­ten« an­ge­zeigt:
ein Bild von den bei­den, das sei­ne Schwes­ter gepo­stet hat­te.
Ei­gent­lich wa­ren es meh­re­re Bil­der, meh­re­re ver­ab­scheu­ungs­
wür­dig schö­ne Bil­der, bei de­nen ich ver­sucht war, sie bei Face­
book zu mel­den, da­mit sie he­raus­ge­nom­men wür­den.
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Es gab ein Bild von Jen­na Jones, auf dem sie die Le­der­kluft
trug, die sei­ne Mut­ter mir für Mo­tor­rad­tou­ren ver­macht hat­
te. Und sie hielt ei­nen Helm in der Hand – mei­nen Helm? Den
Helm, auf den ich vor un­se­rer ers­ten Spa­ni­en­rei­se in glit­zern­den
gol­de­nen und pink­far­be­nen Buch­sta­ben »Lie­bes­nest – 2 Einw.«
auf­ge­malt hat­te? Mo­tor­rad­a­ben­teu­er wa­ren un­ser Ding ge­we­
sen. Jetzt war es ihr Ding. Jetzt war al­les klar. Ich muss­te nicht
wei­ter he­rum­schnüf­feln (oder ei­nen mei­ner Freun­de, der noch
mit ihm »be­freun­det« war, da­mit be­auf­tra­gen, sei­nen Be­zie­
hungs­sta­tus aus­fin­dig zu ma­chen), um zu wis­sen, was Sa­che
war. Das war et­was Erns­tes. Sein Sta­tus hat­te sich ge­än­dert. Er
be­kann­te sich bei Face­book öf­fent­lich zu sei­ner Be­zie­hung, und
sei­ner Neu­en pass­te mein Le­der­o­ver­all per­fekt.
Ich hat­te ge­wusst, dass die­ser Tag kom­men wür­de. Ich hat­te
so­gar schon ver­mu­tet, dass er eine Be­zie­hung hat­te, aber jetzt
hat­te ich die un­barm­her­zi­gen, ein­deu­ti­gen Be­wei­se vor Au­gen.
Wa­rum hat­te ich nicht da­ran ge­dacht, alle sei­ne Freun­de und
Ver­wand­ten aus mei­ner Freun­de­lis­te zu lö­schen? (Die of­fen­
kun­di­ge Ant­wort: Ich bin eine ma­so­chis­ti­sche Stalk­erin.) Es gab
Bil­der von Jen­na Jones mit sei­ner Mut­ter und sei­nem Va­ter auf
ih­rem Hof, wo wir so oft zu Be­such ge­we­sen wa­ren. Bil­der, auf
de­nen er mit der Schlam­pe lach­te. Zieh mei­ne ver­damm­ten
Kla­mot­ten aus, Jen­na Jones! Mit sa­ta­ni­scher E­xor­zis­ten­stim­
me rief ich: »Wer ist sie? Wer ist sie? Wer ist sie?«
Na gut, ich wuss­te, wer sie war. Sie war die Neue an sei­ner
Sei­te. Sie pass­te ins Sche­ma, sie wür­de ihm all das ge­ben, was
ich ihm nicht ge­ben konn­te.
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Ohr­fei­gen sind Teil
des Hei­lungs­pro­zes­ses
D
u kannst mich schla­gen, wenn du willst«, sag­te Char­lie
bei un­se­rem letz­ten Tref­fen.
Ich wuss­te, dass er es nicht ernst mein­te, aber die­se Ge­le­
gen­heit konn­te ich mir nicht ent­ge­hen las­sen. Es klingt schä­
big, aber ihn zu ohr­fei­gen war ge­nau das, was ich woll­te. Es war
wirk­lich vor­bei. Wir hat­ten uns fast ein Jahr zu­vor ge­trennt, und
da wir in ver­schie­de­nen Län­dern leb­ten, ge­lang es uns da­nach
ziem­lich gut, auf Dis­tanz zu blei­ben. Trotz­dem flog ich nach
der Tren­nung ei­ni­ge Male über den At­lan­tik. Es wur­den se­xu­el­
le Hand­lun­gen vor­ge­nom­men und, schlim­mer noch, Lie­bes­be­
kun­dun­gen aus­ge­tauscht. Wir hiel­ten uns ge­gen­sei­tig hin. Aber
da­mit war jetzt Schluss. Aus und vor­bei. Er fing an, mit an­de­ren
Frau­en aus­zu­ge­hen. Er war ge­ra­de 36 ge­wor­den und zu all den
er­wach­se­nen Din­gen be­reit, die ich nie mit ihm tei­len wür­de.
Mit 24 stand ich auf ei­ner Kopf­stein­pflas­ter­stra­ße in Lon­don,
der Stadt, in der ich ei­gent­lich hät­te le­ben sol­len, dem Mann ge­
gen­über, der ei­gent­lich zu mir hät­te ge­hö­ren sol­len. Die Re­a­li­tät
der Tren­nung traf mich (ganz ohne Iro­nie) wie ein Schlag ins
Ge­sicht. Ich hol­te tief Luft und ver­such­te, den Kno­ten in mei­
nem Ma­gen und die An­span­nung in mei­ner Brust zu lö­sen. Ir­
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gend­wie hat­te ich es im letz­ten Jahr, in den ver­schie­de­nen Sta­
di­en der Trau­er über un­se­re ge­schei­ter­te Lie­be, ge­schafft, die
Vor­stel­lung zu ver­mei­den, dass wir am Ende nicht zu­sam­men­
blei­ben wür­den.
Ich war krank vor Wut und ließ un­ge­niert die Trä­nen über
mein Ge­sicht lau­fen. Ich spür­te Groll in mir auf­stei­gen. Er woll­
te nicht mehr mit mir zu­sam­men sein – das war kein Ver­bre­
chen, aber es fühl­te sich an, als ob er mich um­brach­te. Wenn
eine Tren­nung ein Trau­er­pro­zess ist, dann hat­te ich de­fi­ni­tiv
die Wut­pha­se er­reicht und die er­he­ben­den Pha­sen der Ver­
hand­lung und der De­pres­si­on noch vor mir.
Mit trä­nen­nas­sen Au­gen stan­den wir uns lä­chelnd in der
Shore­ditch High Street ge­gen­über und wuss­ten bei­de, dass das
Ende zwar häss­lich war, aber der An­fang und die Mit­te atem­
be­rau­bend schön ge­we­sen wa­ren. Dann führ­te ich mit mei­ner
rech­ten Hand ei­nen Schlag ge­gen sei­ne lin­ke Wan­ge aus. Wir
stan­den schwei­gend da, ge­schockt von mei­nem Akt phy­si­scher
Ge­walt. Mei­ne Ohr­fei­ge war un­reif. Sie ver­ur­sach­te nur ei­nen
kur­zen, fol­gen­lo­sen Schmerz. Und doch ver­letz­te ich ihn da­
mit – wenn auch nur für ei­nen Au­gen­blick. Wir wisch­ten uns
ge­gen­sei­tig die Trä­nen aus dem Ge­sicht, um­arm­ten uns und
gin­gen ge­trenn­ter Wege. Und das war’s.
Das Ende hat­te eine merk­wür­di­ge Ähn­lich­keit mit dem An­
fang. Un­se­re Ge­schich­te be­gann und en­de­te auf der Stra­ße. Al­
les hol­te uns so ein, wie wir im­mer be­fürch­tet hat­ten. Es hat­te
auf mei­nem Ter­ri­to­ri­um, in mei­nem Land, mei­ner Stadt New
York be­gon­nen. Wir lern­ten uns am La­bor-Day-Wo­chen­en­de
2006 ken­nen, ein paar Tage vor Be­ginn mei­nes zwei­ten Stu­
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dien­jah­res an der New York Un­iver­sity. Er war Eng­län­der und
be­such­te die Stadt an die­sem Wo­chen­en­de, um an der Hoch­
zeit ei­nes Freun­des teil­zu­neh­men. Er war da­mals An­fang 30
und hat­te ge­nug Bart­stop­peln, um bei ei­nem jun­gen Mäd­chen
die Hor­mo­ne in Wal­lung zu brin­gen.
Wäh­rend ich in der Lud­low Street auf der Lo­wer East Side
vor mei­ner Woh­nung auf der Bord­stein­kan­te saß, sah ich, wie
er eine Take-away-Marga­ri­ta aus dem El Somb­re­ro, ei­nem bil­
li­gen Me­xi­ka­ner an der Ecke, trank. Mei­ne Mit­be­woh­ne­rin und
ich hat­ten ge­ra­de für 20 Dol­lar ei­nen schwe­ren Klei­der­schrank
von ei­nem Jun­kie in der Bow­ery ge­kauft und den Fah­rer ei­nes
vor­bei­fah­ren­den Lie­fer­wa­gens dazu über­re­det, ihn vor un­se­
rem Haus ab­zu­la­den. Er pass­te per­fekt in un­se­re voll­ge­stopf­te
Woh­nung, aber ihn in den sieb­ten Stock hoch­tra­gen zu wol­len,
war völ­lig aus­sichts­los.
Ich war 19, voll­bu­sig, frech und selbst­be­wusst. Ich zog mein
Tank­top he­run­ter, um noch ei­ni­ge Zen­ti­me­ter mehr von mei­
nem De­kolle­té zu zei­gen, wäh­rend ich auf ihn und sei­nen
Freund zu­schlen­der­te. »Trinkt ihr gern Bier?«, schnurr­te ich
und ver­such­te, da­bei die se­xu­el­le Er­fah­rung ei­ner min­des­tens
22-Jäh­ri­gen aus­zu­strah­len. Sie schau­ten von ih­ren Marga­ri­tas
auf, schirm­ten ihre Au­gen mit der Hand ge­gen die Son­ne ab
und nick­ten be­geis­tert.
»Cool, kommt rauf, wir ha­ben ei­nen Six­pack Cor­ona«, sag­te
ich lä­chelnd. Klar, »nor­ma­le« Mäd­chen wür­den kei­ne frem­den
Män­ner mit der Aus­sicht auf Al­ko­hol in ihre Woh­nung lo­cken,
aber wir wa­ren wild ent­schlos­sen, je­den spon­ta­nen Au­gen­blick
aus­zu­kos­ten, den die­se Stadt zu bie­ten hat­te. Es war Som­mer,
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und wir wa­ren 19 und leb­ten eine Rund-um-die-Uhr-Par­ty­fan­
ta­sie aus.
Die Män­ner sa­hen über­rascht, aber zu­frie­den aus – wahr­
schein­lich lie­fen in ih­ren 30-jäh­ri­gen Köp­fen Por­no­sze­nen mit
Col­lege-Mäd­chen ab. »Aber könn­tet ihr uns vor­her noch die­sen
Schrank hoch­tra­gen?«, frag­te ich und zeig­te in Rich­tung mei­
ner Mit­be­woh­ne­rin, die ver­füh­re­risch am Schrank lehn­te und
mit ih­ren gol­de­nen Lo­cken spiel­te.
Leicht­sin­ni­ger­wei­se wil­lig­ten sie ein. Ih­nen da­bei zu­zu­
schau­en, wie sie mit dem Klei­der­schrank kämpf­ten und da­bei
im­mer noch ver­such­ten, uns ki­chern­de Mäd­chen zu be­ein­dru­
cken, wäh­rend sie ihn die sie­ben Stock­wer­ke hi­nauf in un­se­re
win­zi­ge Woh­nung schlepp­ten, ge­hört zu den lus­tigs­ten Au­gen­
bli­cken mei­nes Le­bens. Wir öff­ne­ten Bier­fla­schen, wäh­rend die
Jungs sich in un­se­rer Freak-Woh­nung um­sa­hen. Sie war ein Ka­
tast­ro­phen­ge­biet, über­sät mit Glit­zert­ops und Fo­tos, auf de­nen
wir un­ter an­de­rem mit Kek­steig be­kle­ckert zu se­hen wa­ren,
dazu ein Sex­vi­deo von Pa­ris Hil­ton und ein gi­gan­ti­scher Dil­do,
den uns je­mand ge­schenkt hat­te und der wie der Schutz­hei­li­ge
der Lud­low Street auf un­se­rem Fern­se­her stand.
»Und was jetzt?«, frag­te Char­lie.
Un­se­re Bli­cke tra­fen sich, zwi­schen uns gab es so­fort eine
Ver­bin­dung. »Wir tun was Ver­rück­tes«, ant­wor­te­te ich. Und so
fing es an. Wir ver­brach­ten den Rest des Ta­ges und der Nacht
zu­sam­men, wan­der­ten von ei­ner Bar zur nächs­ten, teil­ten un­
se­re Ge­schich­ten, un­se­ren Hu­mor, un­se­re Lei­den­schaft, Drinks
und ori­gi­nel­le Tanz­be­we­gun­gen.
Es funk­te ge­wal­tig zwi­schen uns, aber wir fürch­te­ten bei­de
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das Un­ver­meid­li­che. Ab­ge­se­hen da­von, dass er am nächs­ten
Mor­gen ab­rei­sen wür­de, war er zwölf Jah­re äl­ter als ich (un­ge­
ach­tet des­sen, was mein ge­fälsch­ter Aus­weis sag­te) und leb­te
auf ei­nem an­de­ren Kon­ti­nent.
Als die Son­ne auf­ging, sa­ßen wir in mei­nem Bett, aßen Chee­
rios-Früh­stücks­flo­cken und tran­ken Bier und zähl­ten die Stun­
den bis zu sei­nem Ab­flug nach Lon­don. Wir hiel­ten es für das
Bes­te, es als flüch­ti­ge Lie­be­lei ab­zu­tun. Aber ich war jung, und
er war ein Drauf­gän­ger, und wir konn­ten nicht von­ei­nan­der
las­sen.
Eine Rei­he lus­ti­ger E-Mails zog eine Rei­he wil­der Aben­teu­
er nach sich. Es gab Mo­tor­rad­rei­sen durch Eu­ro­pa, Trek­king in
Gu­a­te­ma­la, Mu­sik­fes­ti­vals in Spa­ni­en. Al­les war so spon­tan,
wild und ro­man­tisch. Aber Be­zie­hun­gen las­sen sich nicht dau­
er­haft über gro­ße Ent­fer­nun­gen hin­weg auf­recht­er­hal­ten.
Aus Lie­be mach­ten wir gro­ße Ges­ten und brach­ten Op­fer,
um un­se­re Be­zie­hung am Le­ben zu hal­ten. Wir jag­ten hin und
her über den At­lan­tik, ver­brach­ten ab­wech­selnd sechs Mo­na­te
im Land des an­de­ren und ver­such­ten, ein Gleich­ge­wicht zu fin­
den und uns auf eine Home­base zu ei­ni­gen. Nach mei­nem Ab­
schluss wa­ren wir glück­li­cher­wei­se bei­de in der Lage, so­wohl
in New York als auch in Lon­don un­se­ren Le­bens­un­ter­halt zu
ver­die­nen. Er war Schrift­stel­ler und konn­te die­sem Be­ruf über­
all nach­ge­hen, und ich ar­bei­te­te für eine Pro­duk­ti­ons­fir­ma, die
Nie­der­las­sun­gen in bei­den Län­dern hat­te. Aber je­der von uns
hat­te eine Bin­dung an sei­ne ei­ge­ne Stadt.
Als er 35 wur­de, nah­men die Prob­le­me, die wir vor­her­ge­se­
hen hat­ten, Ge­stalt an. Sei­ne Vate­ruhr fing an zu ti­cken, und
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er war be­ruf­lich sehr er­folg­reich. Er woll­te sei­nen Be­ruf in Eng­
land aus­ü­ben, nä­her bei Ver­wand­ten und Freun­den sein und
letzt­lich eine Fa­mi­lie grün­den.
Ich hat­te erst ein Jahr zu­vor das Col­lege be­en­det. Ich wuss­te,
dass ich mit ihm zu­sam­men sein woll­te, aber ich wuss­te nicht,
wann ich dazu be­reit sein wür­de, ei­nen Ring am Fin­ger oder ein
Kind im Bauch zu tra­gen. Ich fing ge­ra­de erst an, wie eine Er­
wach­se­ne in New York zu le­ben.
Im Win­ter 2010 flog er nach Lon­don, und es war ge­plant,
dass ich im Früh­jahr nach­kom­men und für im­mer dort blei­ben
wür­de. Ich ver­such­te, die Sa­che vor­an­zu­trei­ben: Ich be­an­trag­
te mein Vi­sum und gab mir alle Mühe, mich mit dem Ge­dan­
ken an­zu­freun­den, Voll­zeit in der eng­li­schen Nie­der­las­sung der
Pro­duk­ti­ons­fir­ma zu ar­bei­ten. Ich fing so­gar an, mir ein­zu­re­
den, dass ich in ein oder zwei Jah­ren Kin­der be­kom­men kön­ne
und dass es mir ge­fal­len wür­de, auf dem Land zu le­ben.
Als die Jah­res­zei­ten wech­sel­ten, hat­te die Ent­fer­nung zwi­
schen uns ihre er­nüch­tern­de Wir­kung ent­fal­tet und uns aus un­
se­ren lie­bes­trun­ke­nen Il­lu­si­o­nen ge­ris­sen. Er be­gann sich von
mir zu­rück­zu­zie­hen und fand stän­dig ei­nen An­lass zum Strei­
ten. Kei­ner von uns be­trog den an­de­ren oder tat ihm je wirk­
lich un­recht, aber wir wur­den er­wach­sen und tra­ten in un­ter­
schied­li­che Le­bens­pha­sen ein, die wir nicht mehr ge­mein­sam
durch­lau­fen konn­ten. Un­ser Ver­falls­da­tum war er­reicht.
Bit­te­re E-Mails, un­be­hag­li­che Un­ter­hal­tun­gen auf Sky­pe und
trä­nen­rei­che Te­le­fo­na­te be­herrsch­ten un­se­re Be­zie­hung. Auch
auf die Ge­fahr hin, kli­schee­haft zu klin­gen: Er war bis zu die­
sem Zeit­punkt die Lie­be mei­nes Le­bens ge­we­sen, und ich hat­
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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Kayli Stollak
Wie ich mit meiner Oma Onlinedating machte. ...
UND DIE GROSSE LIEBE FAND
DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Taschenbuch, Broschur, 256 Seiten, 12,5 x 18,3 cm
ISBN: 978-3-442-17435-5
Goldmann
Erscheinungstermin: Juli 2014
Als ihr Freund mit ihr Schluss macht, wendet sich Kayli Stollak trostsuchend an ihre Oma. Doch
die lässt erst gar nicht zu, dass Kayli ihrer gescheiterten Beziehung nachheult, und schlägt
vor, es doch mal mit „einer dieser Dating-Websites“ zu versuchen. Gesagt, getan: Gemeinsam
wagen sie sich in die Welt der Cyber-Romanzen. In ihrem Buch erzählt Kayli Stollak von diesem
Abenteuer. Herausgekommen ist eine unterhaltsame Odyssee durch die Tücken der modernen
Partnersuche. Schnell wird klar: Die Suche nach dem Glück bleibt immer dieselbe – ganz egal
ob man nun 25 oder 75 ist.

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