Übersetzung Aeneis 6,450-576

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Übersetzung Aeneis 6,450-576
Übersetzung Aeneis 6,450-576
450 Zwischen diesen, gezeichnet von der Wunde, irrte die phönizische Dido
im grossen Wald. Sobald der trojanische Held nahe an dieser
stand und sie zwischen den Schatten
unscharf erkannte, wie einer, der bei Neumond den Mond
durch die Wolken aufgehen sieht oder glaubt, ihn gesehen zu haben,
455 vergoss er Tränen und sprach sie in süsser Liebe an:
„Unglückliche Dido, als wahr war mir also die Botschaft
gekommen, dass du umgekommen seiest und durch das Schwert das Äusserste
erlitten habest.
Ach, ich war dir der Grund des Todes! Bei den Sternen schwöre ich,
bei den Oberirdischen und wenn es in der untersten Welt irgendein Vertrauen gibt:
460 Gegen meinen Willen, Königin bin ich von deinem Strand weggegangen.
Aber mich haben die Befehle der Götter, die (mich) jetzt zwingen, durch diese Schatten
zu gehen, durch die durch Moor rauhen Orte und tiefe Nacht, mit ihren Befehlen
getrieben; aber nicht konnte ich glauben, dass ich dir durch meinen Weggang einen so
grossen Schmerz zufüge.
465 Stoppe den Schritt und entzieh dich nicht meinem Anblick!
Wen fliehst du! Dies ist durch das Schicksal das letzte Mal, dass ich dich anspreche.“
Mit solchen Worten versuchte Aeneas, ihr brennendes Herz und die grimmig blickende
zu besänftigen und ihre Tränen zu erregen.
Jene hatte sich abgewandt und hielt die Augen am Boden befestigt
470 und wird nicht mehr in ihrem Gesicht [griech. Akk.] durch die begonnene Rede bewegt,
wie wenn ein harter Kieselstein oder ein malpesischer Fels dasteht.
Endlich raffte sie sich auf und floh feindselig
in den schattigen Hain, wo der frühere Gatte Sychaeus
ihr in ihren Sorgen begegnet und ihre Liebe erwidert.
475 Und trotzdem blickt ihr Aeneas unter Tränen lange nach, erschüttert vom ungerechten
Schicksal,
und bemitleidet die Scheidende.