Väter in Elternzeit
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Väter in Elternzeit
Es ändert sich alles Väter in Elternzeit Wanderausstellung Schirmherr: Stadt Flensburg Wanderausstellung: Es ändert sich alles Väter in Elternzeit Diese Broschüre wurde unterstützt vom Bündnis für Familie in der Region Schleswig-Flensburg Fotos und technische Verarbeitung: Falk Bärwald, Fotograf, Handewitt Yvonne Doß, Mediengestalterin, Handewitt Projektleitung: Harald Schrader (KDA) Kontakt: KDA, Mühlenstr. 19, 24937 Flensburg Email: [email protected] www.kda-nordelbien.de/flensburg.php Grußwort Kurzeinführung in die Ausstellung Die Ausstellung besteht aus zwölf großformatigen Fotos mit Bildtexten, die sich aus Interviews mit den Vätern ergeben haben. Weitere Texttafeln führen in die Thematik ein. Das Projekt wendet sich an Unternehmen und Institutionen, an soziale Verbände und berufsbildende Schulen sowie an alle, die am gesellschaftspolitischen Diskurs über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf teilnehmen. Zwölf Väter aus der Region Flensburg haben an dem Projekt mitgewirkt. Der Titel der Ausstellung „Es ändert sich alles – Väter in Elternzeit“ entspricht ihren Erfahrungen in der Elternzeit. Mit der Geburt eines Kindes ist mit einem Male alles anders als vorher. Diese Veränderung ist mit unbeschreiblichen Glückserfahrungen verbunden, bisweilen aber auch mit der ernüchternden Einsicht in die Grenzen eigener Belastbarkeit. Die Bereitschaft der Väter, durch die Fotos öffentlich zu werden, ist bestimmt von dem Wunsch an zukünftige Väter, die „Chance ihres Lebens“ nicht zu verpassen und Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Denn es lohnt sich, obwohl oder gerade weil sich alles ändert. Das Modell einer aktiv gestalteten Vaterschaft kann jedoch nur gelingen, wenn die Betriebe familien- und väterfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten und die politischen Rahmenbedingungen darauf abgestimmt sind. Mögen es prozentual noch wenige Väter sein, die eine mindestens zweimonatige Elternzeit mit Elterngeld beantragen, so handelt es sich doch um die Protagonisten eines neuen männlichen Lebensstils, der von einer partnerschaftlichen Teilung der Familien- und Hausarbeit bestimmt ist. Im Sinne einer Ethik des Gleichgewichts achten die Väter darauf, die Balance zwischen Beruf und Familie neu auszutarieren. - Die Ausstellung kann ausgeliehen werden. Information und Beratung zur Elternzeit: Landesamt für soziale Dienste Schleswig Holstein Landesfamilienbüro – Außenstelle 24837 Schleswig, Seminarweg 6 Telefon: 0 46 21 - 80 60 Inhaltsverzeichnis Grußwort der Stadt Flensburg Neue Väterlichkeit Regelungen zur Elternzeit Familie Frieß Familie Ide Familie Juhre Familie Maas schöne Bilder - heile Welt Familie Towers Familie Oldenburg Es ändert sich alles - Gedanken & Überlegungen Familie Ivers Familie Lühr Familie Jürgensen Familie Spark Familie Wessolowski Familie Kasdorf Seite 1 Seite 2 Seite 2-3 Seite 4 Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 8-9 Seite 10 Seite 11 Seite 12-14 Seite 15 Seite 16 Seite 17 Seite 18 Seite 19 Seite 20 der Stadt Flensburg Die Zeiten ändern sich… Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Stadtverwaltung Flensburg wieder: nur ein einziger In allen Bereichen unserer Gesellschaft ist das mehr oder weniger stark sichtbar. In diesem Vater nutzt derzeit die Elternzeit! Zusammenhang gastiert Anfang November eine Dabei bietet die Elternzeit für beide Seiten viele Wanderausstellung im Rathaus. Vorteile zur besseren Vereinbarkeit von Familie Die Ausstellung mit dem Titel „Es ändert sich und Beruf. Durch ein modernes Familienveralles – Väter in Elternzeit“ belegt einen Teil der ständnis wird den Müttern die Möglichkeit gesellschaftlichen Veränderung in Wort und Bild. gegeben, früher ins Berufsleben zurückzukehren Sie zeigt sehr anschaulich, dass sich das und dem reinen Hausfrauendasein zu enttraditionelle Rollen- und Verhaltensmuster in den schwinden. Väter können die Elternzeit nutzen, vergangenen Jahren nachhaltig geändert hat: um intensiver am Familienleben teilzunehmen Viele wünschen sich in der heutigen Zeit ein und sich mehr an der Erziehung der Kinder zu Nebeneinander von Familie und Beruf – und kein beteiligen. Die „Familienarbeit“ wird damit insgesamt gerechter verteilt. Nacheinander mehr. Seit 2007 bietet sich auch Vätern die Möglichkeit, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Leider wird diese Möglichkeit, sich mehr der Familie zu widmen und die Kinder in ihren ersten Lebensjahren zu begleiten, noch sehr selten voll ausgenutzt. Nur ca. 1/5 der Elternteile, die die Elternzeit nutzen, sind Väter. Von diesen Vätern pausieren rund 75% für zwei Monate und lediglich rund 11% bleiben ein Jahr lang zu Hause im Kreise ihrer Familie. Geringe 0,02% nehmen die volle Zeit des Elterngeldbezugs von 13-14 Monaten in Anspruch. Diese Zahlen verdeutlichen sehr eindrucksvoll, dass die Möglichkeit des befristeten Berufsausstiegs zugunsten der Familie von Vätern nur geringfügig ausgeschöpft wird. Ihr Dr. Christian Dewanger Stadtpräsident Wir sind der Überzeugung, dass sich die Elternzeit auch für Väter lohnt! Eine vollständige Bekennung zur Vaterrolle ist für die gesamte Familie ein absoluter Gewinn. Aus diesem Grund haben wir im Namen der Stadt Flensburg sehr gern die Schirmherrschaft für die Ausstellung des „Bündnisses für Familie in der Region Flensburg“ in Kooperation mit dem „Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt“ übernommen. Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern bleibende Eindrücke und hoffen, dass viele zukünftige Väter die Chance der Elternzeit erkennen und nutzen werden. Den Organisatoren wünschen wir gutes Gelingen und viel Erfolg! Ihr Klaus Tscheuschner Oberbürgermeister 1 Regelungen zur Elternzeit Neue Väterlichkeit - die neuen Väter(*) Innerhalb der seit den achtziger Jahren zunehmend etablierten Väterforschung wird im Unterschied zu früheren Zeiten vor allem der Nutzen eines engagierten, gefühlvollen, partnerschaftlichen und kompetenten Vaters für die Entwicklung des Kindes sowie für das Wohlergehen aller Familienangehörigen in den Vordergrund gestellt. Der Vater erscheint hier für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung nahezu unverzichtbar. Aufgrund der nunmehr in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit erkannten hohen Bedeutung des Vaters in Verbindung mit dem Phänomen eines zunehmenden Engagements vieler Väter herrscht in der aktuellen deutschen Forschung eine eher optimistische Orientierung vor, was die Zukunft der Väter betrifft. Die Position des Vaters innerhalb der Familie habe sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert „von einer vorwiegend strafenden und machtausübenden Instanz, die sich primär über die Funktionen des Zeugens, Beschützens und Ernährens definieren ließ, hin zu einer auch emotional zugänglicheren Ansprechperson mit modifizierten Erzieheraufgaben und Funktionen als Identifikationsobjekt bzw. auch zunehmend als Freizeitpartner“ (Werneck, 2001). In den letzten Jahren tauchte in der Diskussion verstärkt der Begriff des Neuen Vaters auf. Mit diesem verbindet man eine neue, positive Väterlichkeit, die sich deutlich vom altbekannten traditionellen Vater unterscheidet. Doch was versteht man genau unter einem neuen Vater? Welche Eigenschaften hat er? Manchmal werden damit vor allem diejenigen Väter gemeint, die zum primär betreuenden Vater oder zum allein verantwortlichen Vater werden, also die vergleichsweise kleine Zahl von Vätern im Erziehungsurlaub, von Hausmännern oder Alleinerziehenden. Andere verbinden mit dem Bild des neuen Vaters vor allem eine neue Form der Vater-KindBeziehungen. Der Soziologe Rolf Stein (2000) spricht vom Bewusstsein und von der Praxis der neuen Väterlichkeit. Die heutigen neuen Väter seien oft toleranter, solidarischer, großzügiger, zärtlicher, fürsorglicher und kooperativer gegenüber ihren Kindern. Ihre Vaterschaft erlebten sie im bewussten Gegensatz zu den eigenen Vätern und verständen sich oft eher als Partner und Spielkamerad ihrer Kinder. Sie seien deutlich engagierter innerhalb ihrer Familien und verbrächten den Großteil ihrer Freizeit zuhause bei ihren Kindern. Für Stein stellt sich die Frage, ob wir bereits auf dem Weg in eine „parentale Kultur“ seien. Man könne im Zuge der Modernisierung „deutliche Traditionsbrüche hinsichtlich des Vaterbildes“ feststellen. „Dieser Wandel der Väterlichkeit kann als ein Wandel von der traditionellen autoritären, repressiven und marginalen Rolle des Vaters hin zu einer freundschaftlichen, liebevollen und zentralen Rolle in der Familie umschrieben werden“. Michael Matzner ist Sozialpädagoge und arbeitet im Bereich der Jugendberufshilfe. Er nimmt Lehraufträge an Hochschulen in Heidelberg und Frankfurt a.M. wahr. (*) Aus: Michael Matzner; Vaterbilder und Vaterfunktionen, in: Das Online-Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP), Herausgeber: Prof. Dr.Dr.Dr. Wassilios E. Fthenakis und Dr. Martin R.Textor (2004) Regelungen zur Elternzeit Die Elternzeit gibt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich ihrem Kind zu widmen und gleichzeitig den Kontakt zum Beruf aufrechtzuerhalten. 2 Wer hat Anspruch auf Elternzeit? Einen Anspruch auf Elternzeit haben Mütter und Väter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Elternzeit kann in jedem Arbeitsverhältnis genommen werden, also auch bei befristeten Verträgen, bei Teilzeitarbeitsverträgen und bei geringfügigen Beschäftigungen. Auch Auszubildende, Umschülerinnen und Umschüler, zur beruflichen Fortbildung Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte können Elternzeit verlangen. Der Anspruch auf Eltern besteht unabhängig vom Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt der oder des Anspruchsberechtigten, sofern das bestehende Arbeitsverhältnis deutschem Arbeitsrecht unterliegt. Wie lange kann Elternzeit beansprucht werden? Ein Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes (also bis Ablauf des Tages vor dem dritten Geburtstag). Ein Anteil von bis zu zwölf Monaten der Elternzeit kann auch auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden, wenn die Arbeitgeberseite zustimmt. Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist grundsätzlich unabhängig vom Bezug des Elterngeldes möglich. Das Elterngeld wird jedoch für Lebensmonate des Kindes gezahlt, nicht für Kalendermonate. Die Mutterschutzfrist wird auf die mögliche dreijährige Gesamtdauer der Elternzeit angerechnet. Die Elternzeit des Vaters kann ab Geburt des Kindes bereits während der Mutterschutzfrist für die Mutter beginnen. Können Eltern die Elternzeit untereinander aufteilen? Jeder Elternteil kann Elternzeit beanspruchen – unabhängig davon, in welchem Umfang der Partner die Elternzeit nutzt. Den Eltern steht frei, wer von ihnen Elternzeit nimmt und für welche Zeiträume. Elternzeit kann auch für einzelne Monate oder Wochen genommen werden. Die Elternzeit bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers – gewisse Regeln sind bei der Anmeldung jedoch einzuhalten. Spätestens sieben Wochen vor ihrem Beginn muss die Elternzeit schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber verlangt werden. Eine frühere Anmeldung der Elternzeit gegenüber der Arbeitgeberseite ist nicht ratsam, da der besondere Kündigungsschutz des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes mit Anmeldung der Elternzeit, frühestens jedoch acht Wochen vor deren Beginn, besteht. Wie kann Elternzeit übertragen werden? Mit Zustimmung der Arbeitgeberseite kann ein beliebiger Anteil der dreijährigen Elternzeit von bis zu zwölf Monaten ausgespart und bis zur Vollendung des achten Lebensjahres übertragen werden. Ein neuer Arbeitgeber ist nicht an die Zustimmung des vorherigen Arbeitgebers zur Übertragung der Elternzeit gebunden. Was ist bei der Anmeldung zu beachten? Eltern sollten ihre Elternzeit grundsätzlich nur für zwei Jahre anmelden, um die noch verbleibende Zeit flexibel gestalten zu können (diese also bis zum 3.Geburtstag ihres Kindes beanspruchen oder mit Zustimmung des Arbeitgebers zu übertragen). Wird beabsichtigt, während der Elternzeit oder zu einem späteren Zeitpunkt Teilzeit zu arbeiten, wird dringend empfohlen, dem Unternehmen bereits bei der Anmeldung der Elternzeit einen späteren Teilzeitwunsch zu signalisieren. Besteht ein Anspruch auf Teilzeitarbeit? In Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten besteht ein Anspruch auf Teilzeiterwerbstätigkeit zwischen 15 und 30 Wochenstunden, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Um den Teilzeitanspruch während der Partnermonate des Elterngeldes geltend machen zu können, muss für mindestens zwei Monate Elternzeit beansprucht werden. Ist die Arbeitgeberseite mit der Verringerung der Arbeitszeit nicht einverstanden, kann sie die Zustimmung nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, Arbeitslosengeld während der Elternzeit zu beziehen, wenn der Elternteil den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes für eine versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung zwischen 15 und 30 Wochenstunden zur Verfügung steht. Besteht während der Elternzeit Kündigungsschutz? Während der Elternzeit kann die Arbeitgeberseite grundsätzlich keine Kündigung aussprechen. Der besondere Kündigungsschutz nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz beginnt mit Anmeldung der Elternzeit, frühestens jedoch acht Wochen vor deren Beginn, und endet mit dem Ablauf der Elternzeit. Auszüge aus dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 11018 Berlin, www.bmfsfj.de, März 2010. 3 „Mut und Lebensfreude vermitteln“ „Als Vater läuft man anders durch die Welt“ Oliver Frieß Jahrgang 1970, Beamter, verheiratet Kind: Tochter Aislinn (geboren 2010) Elternzeit: Zwei Monate gesplittet - 2.März bis 1.April 2010 und vom 26.Feb. bis 25.März 2011 Was hat sich verändert durch Aislinns Geburt? Die Spontaneität hat abgenommen. Kam das Ehepaar früher pünktlich um 10.00 Uhr zu einer Einladung, so kommt heute die Familie ab 10.00 Uhr. Aislinn hat immer Vorrang. Als Vater läuft man anders durch die Welt, sagt Oliver Frieß. Es sei ein großartiges Gefühl, ein Kind zu haben. Vater sein bedeutet Verantwortung. Das Elternwerden habe auch er früher verharmlost. „Das wird schon nicht so schwer“. Doch gibt es einfach anstrengende Tage, an denen man mit seinem Latein am Ende ist und einfach nicht weiß: „Was hat sie? Warum schreit sie? Was fehlt ihr?“ Oliver Frieß hat die Elternzeit gewählt, weil er definitiv die ersten Lebenswochen und die Entwicklungssprünge seiner Tochter miterleben wollte. Die gemeinsame Zeit ist das wertvollste Gut. Er fand es toll, alles rund um's Kind zu lernen – wickeln, die Flasche geben und vieles mehr. Fazit: Man wächst mit seinen Aufgaben. Christian Ide Jahrgang 1976, verheiratet, Sozialpädagoge und Diakon, tätig als Stadtteilsozialarbeiter Kind: Sohn Jannis Frederik (geboren 2008) Elternzeit: vier Monate Mit Kind nimmt das Leben für ein Ehepaar eine andere Wendung. Es gilt nun, unterschiedliche Rhythmen zu synchronisieren. Familienintern ist Jannis Frederik „taktangebend“. Ide war diese Zeit im zweiten Lebenshalbjahr von Jannis wie eine Belohnung für die strapaziösen ersten Monate. Mit dem VW-Bus reiste die Familie zwei Monate durch Skandinavien. Es war Jannis Frederik war ein Frühchen, zu leicht und zu ein Urlaub ganz nach den Bedürfnissen des klein. Die vier Wochen auf der Intensivstation Sohnes und eine intensive und unvergessliche erforderten den vollen Einsatz der Eltern rund um Zeit gemeinsam. die Uhr. Für die Eltern ging es in den ersten Am schönsten ist es, zusammen mit dem Kind Monaten darum, durchzuhalten und zu hoffen, die Welt zu entdecken. Mut und Lebensfreude am Ende des Tunnels von Sorge und Pflege das lassen sich am besten im gemeinsamen ErLicht scheinen zu sehen. leben vermitteln, auch im Alltag warten jederDie Elternzeit war so aufgeteilt, dass die Familie zeit Abenteuer. vier Monate gemeinsam verbrachte. Für Christian 4 5 „Ich bin kein Feierabend-Papi mehr“ Jahrgang 1972, verheiratet, Verwaltungsfachangestellter Claus Maas Kind: Tochter Line (geboren 2008) Kind: Tochter Paula (geboren 2008) Elternzeit: 21 Monate (1.12.2008 – 31.8.2010), davon fünf Monate geförderte Elternzeit. Ehefrau: neun Monate Elternzeit Elternzeit: zwei Monate Carsten Juhre Mit insgesamt 14 Monaten Elternzeit haben die Juhres die Höchstfördergrenze erreicht. Von den 21 Vätermonaten hat Carsten Juhre für die verbleibenden sieben Monate kein Elterngeld bekommen. Für diese Zeit hatten die Eheleute Rücklagen gebildet. Durch die Elternzeit holt man als Vater auf. „Ich bin kein Feierabend-Papi mehr“, stellt Carsten Juhre fest. Seine vollerwerbstätige Ehefrau wurde in diesen sieben Monaten ihrerseits zur „Feierabend-Mami“, die, wenn sie abends heim kam, bei Line mehr durchgehen ließ als der Vater. 6 „Vater sein ist wie ein neues Leben“ Vollzeitvater sein ist, so Carsten Juhres Fazit, Traumjob und Stressjob zugleich. Traumhaft waren die vielen schönen Momente im Umgang mit seiner Tochter. Als anstrengend erlebte er die Abwesenheit von Ruhe, denn ein Vollzeitvater ist „permanent aufmerksam“. Die Lösung, die Carsten Juhre für sich fand, war ebenso einfach wie praktikabel. Er übernahm - soweit möglich den Vitalitätsrhythmus seiner Tochter. Hielt sie Mittagsschlaf, legte sich auch der Vater auf's Ohr. Jahrgang 1974, verheiratet, Maschinenbaumechaniker Mit der Geburt Paulas sei er noch ruhiger und häuslicher geworden, sagt Claus Maas. Er hat die Elternzeit geteilt (zweimal einen Monat) und sie gemeinsam mit seiner Frau genommen. Sein Motiv: Mehr Zeit mit Paula verbringen und alle Haus- und Familienarbeit mit seiner Frau teilen, einmal aus dem Job herauskommen. Claus Maas: „Die Zeit mit Paula kann mir niemand nehmen“. keinen Vorwurf wegen eventueller Mehrarbeit während seiner Abwesenheit. Im Rückblick, sagt Claus Maas, würde er es sofort wieder und auch länger machen, wenn es finanziell möglich wäre. Beim Spielen mit Paula hat Claus Maas den engsten Kontakt zu seiner Tochter. Das Schönste für ihn ist das Wochenende, wenn er Paula morgens aus dem Kinderbett ins Elternbett holt. Die Zustimmung in seiner Umgebung war ungeteilt. Auch unter seinen Arbeitskollegen gab es 7 „Schöne Bilder - heile Welt?“ Mit zunehmendem Alter erinnern sich Eltern intensiver der gemeinsamen Zeit mit ihren Kindern. Dabei hilft ihnen in der Regel der kostbare Erinnerungsschatz gut verwahrter Fotoalben, eine sorgfältig geordnete visuelle Chronik der Lebenswelt ihrer aufwachsenden Kinder. Daneben oder besser davor liegt ein anderer Erinnerungsstrang, der sich nicht in Fotos niederschlägt, weil die darin aufgehobenen Szenen niemals fotografiert worden sind. Es sind diese „inneren Bilder“ der Erinnerung. Darin begegnen die Mühseligkeiten des Alltags, erschöpfte, ratlose Eltern und Kinder, die am Abend nicht zur Ruhe kommen wollen oder können, chaotische Kinderzimmer, durchwachte Nächte am Krankenbett und erzieherisches Fehlverhalten. All das gehört zum Leben mit Kindern und wird dennoch nicht dokumentiert. „Schöne Bilder - heile Welt?“ „herumgebracht“ werden. Auch ereignisarme Stunden können mühsam und beschwerlich sein. Beklagt wurde die Abwesenheit von Ruhe. „Keine ruhige Minute ist seitdem mehr für mich drin“. Dieser Refrain eines Reinhard-Mey-Liedes wurde für manchen der beteiligten Väter erlebte und erlittene Wirklichkeit. Einer bekannte freimütig, in der Elternzeit vor allem seinen Defiziten auf die Spur gekommen zu sein. Sein ebenso nüchternes wie selbstkritisches Resümee: „Ich hab's gern gemacht. Aber ein zweites Mal gibt es das nicht für mich. Ich bin ein guter Kinderbetreuer, mehr nicht.“ Andere Väter hingegen würden die Elternzeit ohne zu zögern ein zweites Mal in Anspruch nehmen. Falk Bärwald hat in seinen Foto-Kunstwerken die Realität der jeweiligen Situation verdichtet, indem er mit der Bildkomposition und der Methode der Den Initiatoren der Ausstellung „Es ändert sich Collage die komplexe Dimension der Vater-Kindalles – Väter in Elternzeit“ war bewusst, dass am Beziehung dargestellt hat. Ende des Projektes „schöne Bilder“ zu betrachten Es galt ältere und jüngere Kinder miteinander und sein würden, Bilder, die Väter und ihre Kinder in mit ihren Vätern szenisch so zu verbinden, dass unterschiedlichen, aber durchweg harmonischen ein Beziehungsgeflecht sichtbar wird. Situationen zeigen. Daraus schließen zu wollen, Wirklichkeit verdichten kann im besten Falle es handele sich also wieder einmal um die bedeuten, die alltägliche Welt des Erlebens so zu Präsentation einer „heilen“ Familien-Welt - in potenzieren und zu transzendieren, dass Wahrdiesem Falle einer heilen Väter-Kinder-Welt - ist heit aufscheint und das „Ewige im Jetzt“ (Paul voreilig. Licht- und Schattenseiten der Elternzeit Tillich) markiert. Die Aufnahmen laden zu unterkamen in den Interviews mit den beteiligten schiedlichen Interpretationen ein, regen an zum Vätern ausführlich zur Sprache und deuten sich in Gespräch, provozieren Zustimmung und Kritik. manchen Bildtexten an. Das ist erwünscht. Die Gespräche mit den Vätern kreisten auch um den alltäglichen Stress, um die Daueranspannung Die Initiatoren möchten dazu beitragen, die und den belastenden Zwang zu permanenter Auf- Akzeptanz und die Plausibilität der „Elternzeit für merksamkeit. Manche Tage mussten einfach nur Väter“ zu steigern, die männliche Bereitschaft hin 8 zu einer partnerschaftlichen Teilung von Familienund Hausarbeit zu befördern und damit einen Beitrag zum gesellschaftspolitischen Diskurs über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu leisten. In der Sprache der Jugend lässt sich die Botschaft der Ausstellung viel einfacher aussagen: Ein Mann, der Vater ist, sich auf Familie und Kinder einlässt, dafür Elternzeit nimmt und seinen Beruf eine zeitlang hintanstellt, ist cool. Wer das ablehnt und an der traditionellen Rollenverteilung festhält, warum auch immer, der ist uncool. Die Welt ist nicht schwarz-weiß, aber manchmal müssen Botschaften ganz einfach sein. anderer Vater ohne Elternzeit mit Sicherheit nicht erlebt hat. Und die Bindung zwischen mir und meiner Tochter ist ausgesprochen intensiv! Ich würde mich freuen, wenn sie diese Anmerkung noch mit in den Text mit einfließen lassen könnten.“ Ich möchte anmerken, „das alle Aussagen stimmen, mir aber der Text insgesamt sehr negativ erscheint, denn ganz so schlimm war die Elternzeit nicht! Ich habe so viele schöne Momente mit meiner Tochter erlebt, die ein und belastender Ungewissheit. So wie das Leben mit Kindern, so ist diese Ausstellung: Sie zeigt schöne Fotos einer schönen, aber eben nicht heilen Welt. Harald Schrader Die Fotos von Falk Bärwald erzählen Geschichten von Glück und Vaterfreuden. Dahinter verbergen sich Erfahrungsebenen, die etwas wissen von Sorgen und Ängsten, von Leid und Unruhe. Um ein Kind, das sich jetzt so ausgelassen freuen kann, haben die Eltern nach der Geburt wochenlang gebangt. Ein anderes Elternpaar begleitet die Ungewissheit, ob ihr Kind eine schwere ErAlle Bildtexte wurden den Vätern zur Freigabe krankung wirklich dauerhaft überwunden hat. vorgelegt. Manche wünschten sich kleine So wechselhaft ist das Leben mit Kindern: Korrekturen, anderen war daran gelegen, einen Situationen unfassbaren Glücks, lachender Satz umzuformulieren oder eine neue Formulier- Freude und sprachloser Erfüllung können sich verung zu finden. Ein Vater schrieb: mischen mit Erfahrungen sorgenvollen Bangens 9 „Man muss sich kennenlernen und zusammenruckeln“ „Schon mit einem Säugling kann man kommunizieren“ Nicholas Towers Jahrgang. 1963, verheiratet, Maschinenbautechniker aufgewachsen in England, lebt seit 1979 in Deutschland Kind: Tochter Katie (geb. 2009) Elternzeit: Von Geburt an für zwei Monate gemeinsam mit seiner Ehefrau, die zwölf Monate in Mutterschutz war. Eine Frau kann sich in neun Schwangerschaftsmonaten auf die Mutterrolle vorbereiten. Diese Zeit hat ein Vater nicht, auch wenn er an den Geburtsvorbereitungskursen teilnimmt. Der Mann wird „plötzlich“ Vater, denn er kann sich – biologisch bedingt - nicht in gleicher Weise auf das Leben mit Kind einstellen wie die angehende Mutter. Nicholas Towers hat bei sich eine „steile Lernkurve“ festgestellt. Durch die Elternzeit sei eine intensive Beziehung zu Katie entstanden. Die üblichen mütterlichen Aufgaben sind für ihn heute Normalität. Nicholas Towers: „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Kind soviel Freude bereiten kann. Ich kann Katie stundenlang einfach nur anschauen“. Ein besonders schöner Moment ist für ihn, wenn Katie auf der Kommode steht und der Vater seine Tochter anzieht. Dann ist er „Auge in Auge mit Katie“, 10 beide sind auf Augenhöhe. Erstaunt hat Nicholas Towers gelernt, dass man bereits mit einem Säugling kommunizieren kann. Seiner Beobachtung nach hat Katie offenkundig den typisch englischen Humor geerbt. Dr. Martin Oldenburg Jahrgang 1969, verheiratet, Kinderarzt, Amtsarzt Kinder: Sohn Lars (geb. 1995), Tochter Karen (geb. 1998) und Sohn Jakob (geb. 2008) Elternzeit: Zwei Monate (1.Mai bis 30.Juni 2008) Martin Oldenburg hat Jakob als Säugling von seiner Geburt an betreut. Es war eine spannende Phase des Sich-Kennenlernens: Wie ist das Neugeborene? Was ist das für ein Mensch? Diese Kennenlern-Phase bedeutet ein „SichZusammenruckeln“. möchten. Es gilt, die Scheu zu überwinden, solche Bedürfnisse aus Furcht vor einem Imageverlust unter den Kolleginnen und Kollegen zu verschweigen. Wenn es beispielsweise um ein Geigenvorspiel des Kindes geht, sollte man das offen ansprechen dürfen. Dr. Oldenburg: „Es gibt Er selbst möchte an wichtigen Terminen seiner einem so viel, mit seinen Kindern Zeit zu verKinder teilnehmen können. Darum ermuntert bringen, denn nur in den privaten Beziehungen Dr. Oldenburg auch seine Mitarbeiterinnen und sind wir unersetzlich.“ Mitarbeiter im Gesundheitsamt, ehrlich zu sein und nicht falsche Gründe vorzuschieben, wenn sie etwas mit dem eigenen Kind unternehmen Die Umstellung im Tagesablauf ist sehr klar bestimmbar: Nach 20.00 Uhr ist nicht mehr wie früher Fernsehen angezeigt, sondern beispielsweise das Vorkochen für den nächsten Tag. Wenn er mit Katie und anderen Müttern unterwegs ist, und Katie ein Missgeschick unterläuft, kommt sie zu ihm und nicht zu einer der anderen Mütter. Das neue „Familiengefühl“ drückt sich auch auf dem Türschild aus. Das steht jetzt „Familie Towers“ und nicht mehr „Towers“. 1 11 „Es ändert sich alles“ Gedanken und Überlegungen von Vätern in Elternzeit Die Interviews mit den zwölf am Projekt „Es ändert sich alles - Väter in Elternzeit“ beteiligten Vätern fanden in den Monaten Februar bis April 2010 statt und zwar im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz. Die Ehefrauen und Partnerinnen nahmen an den Gesprächen nicht oder nur passiv teil. Die Väter gehörten zu den Jahrgängen 1961 bis 1977, waren also zum Zeitpunkt der Gespräche zwischen 33 und 49 Jahre alt. Diese Generation von nicht mehr ganz jungen Vätern ist beruflich etabliert und geprägt von einem Denken, das sich von dem älterer Männergenerationen deutlich abhebt. ist die Väterzeit als eine besonders bindungsintensive Zeit erlebt worden, bindungsintensiv im Blick auf Kind und Partnerin. Veränderungen in der Wahrnehmung Die Priorität des Kindes in der Familie illustrierte ein Vater mit dem Telefonierverhalten. Bei jedem Gespräch gehe es jetzt um das Kind. Früher sei das anders gewesen und auch noch in der Schwangerschaft. Jetzt erzähle er den Freunden in Telefongesprächen gern von seiner Tochter. Würde er jedoch in einem Gespräch seine Tochter einmal überhaupt nicht erwähnen, komme mit Sicherheit vom Gesprächspartner die Frage: Wie Alle Väter leben in Partnerschaften, mit oder ohne geht es ihr? Trauschein, in Patchwork-Familien mit Kindern Vaterrolle aus unterschiedlichen Partnerschaften oder in Wichtig ist, dass der Mann seine Vaterrolle beGemeinschaft mit der eigenen Elterngeneration. wusst annimmt. Andernfalls kann es nämlich pasFamilienleben hat einen hohen Stellenwert, wird sieren, so formulierte es ein Vater, dass er unbeseabsichtsvoll nicht der beruflichen Karriere geop- hen in die „Sohnesrolle“ hineinrutscht und zum fert, sondern damit in Einklang gebracht. Der zweiten (oder dritten) Kind seiner Frau wird. Der Paradigmenwechsel vom allein Geld verdienen- Vater muss „Vater“ sein wollen und lernen, die den Vater zum berufstätigen Familienvater ist von damit einhergehende Verantwortung wirklich zu dieser Vätergeneration bereits bewusst vollzogen. übernehmen. Väter erziehen anders, weil sie andeDie veränderte Einstellung ist weniger Folge der re Erfahrungen mitbrächten und andere Schwerseit 2007 gesetzlich geregelten Elternzeit, als viel- punkte setzten. So zeigte sich ein Vater von der mehr die Voraussetzung dafür, von diesem An- eigenen Konsequenz in der Erziehung überrascht. gebot Gebrauch zu machen. Er hätte das von sich selbst nicht vermutet. Änderungen im Lebensrhythmus Bei allen Vätern war die Vaterschaft ausdrücklicher Wunsch und eine wohlüberlegte Entscheidung. Es handelt sich um eine Generation von Vätern, die das Aufwachsen ihrer Kinder wirklich von Geburt an miterleben möchte und sich nicht damit zufrieden gibt, als „FeierabendWochenend-Papi“ in Erscheinung zu treten. Immer wieder wurde betont, wie sehr sich das Leben mit Kind von dem Leben ohne Kind unterscheide. Es verändert sich alles, sobald ein Kind da ist. Es gilt dann, unterschiedliche Rhythmen zu synchronisieren. Die Flexibilität von kinderlosen Paaren ist vorbei. Mit Kind ist ein Tag schwerer planbar. 12 Veränderungen in der Partnerschaft Auch für die Partnerschaft sind damit Belastungen verbunden, weil sich die Prioritäten verändern: Erst das Kind, dann der Partner. Die Bedürfnisse des Kindes haben in der Regel Vorrang. Das kann auch zu mancherlei Reibungsverlusten in der Partnerschaft führen. Andrerseits Gemeinsame Zeit Die Kostbarkeit gemeinsamer Zeit ist in allen Gesprächen betont worden. Gemeinsame Zeit mit den Kindern ist durch nichts ersetzbar. Dabei geht es um Nähe – seelisch wie körperlich -, um intensive Begegnung mit den Kindern. Oft spricht man von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Sinne einer Gleichwertigkeit oder eines immer wieder herzustellenden Gleichgewichtes zwischen beiden Lebensbereichen. Genau genommen stimme das aber nicht, so ein Vater. Arbeit und Familie seien nicht gleichwertig, die Familie sei höherwertig, da wir als Eltern – als Vater und Mutter – einzigartig seien. „Als Mitarbeiter einer Firma bin ich ersetzbar wie in allen beruflichen Bezügen, als Vater nicht.“ Hausmännliche Tätigkeiten und der Stress Die Väter lernen die traditionellen hausfraulichen Tätigkeiten, die höchsten Einsatz verlangen, aus einer neuen, nämlich eigener männlicher Perspektive kennen. Es handelt sich um „Vollzeit- „Es ändert sich alles“ Gedanken und Überlegungen von Vätern in Elternzeit tätigkeit mit wenig Freizeit“. In den Gesprächen wurden immer wieder eine besondere Wertschätzung dieser in der Öffentlichkeit gering geschätzten Tätigkeit deutlich. „Das habe ich unterschätzt“, war häufig zu hören. „Das bisschen Haushalt“ ist äußerst strapaziös, zumal man nicht nach eigenem Belieben Ruhepause einlegen kann, so wie ein Berufstätiger festgelegte Pausenzeiten hat. Die Ruhepausen werden vom Lebensrhythmus des Kindes vorgegeben. So hatte es sich ein Vater eingerichtet, dass er genau dem Tagesrhythmus seines Kindes folgte und sich dann ins Bett legte, wenn das Kind Nachmittagsruhe hielt. Einige Väter haben deutlich ihre Defizite wahrgenommen. Ein Vater kam zu dem Schluss: „Ich bin ein guter Kinderbetreuer, aber kein guter Hausmann“. Sinneswandel Ein Ehepaar hatte sich vorgenommen, das eigene Kind in den ersten drei Jahren nicht von anderen erziehen zu lassen, nicht von den Großeltern, anderen Verwandten oder Kinderfrauen. Der Vater, fast zwei Jahre in Elternzeit, hat allerdings festgestellt, wie sehr sich kleine Kinder in einer Krippe wohlfühlen und wie gut es ihnen tut, Kontakte nach außerhalb zu haben. Seine Frau und er haben die neuen Erfahrungen ernstgenommen und sind von ihrer ursprünglichen Meinung abgerückt. Reaktionen im Umfeld Die Reaktionen im Umfeld der Väter waren überwiegend positiv. Gelegentlich kam es zu Neckereien: „Jetzt bist du im Mutterschutz“ oder „Du trägst jetzt Schürze“. Im allgemeinen hatten ältere Kollegen über 50 Jahre eher Schwierigkeiten mit einer Elternzeit für Väter. Äußerungen wie „Das wäre nichts für mich“ standen andere gegenüber, die Bedauern darüber ausdrückten, dass so etwas früher nicht möglich gewesen sei. Bei jüngeren Kollegen war das Verständnis groß, wohl auch deshalb, weil sie selbst bereits ein gegenüber der Tradition verändertes Familienverständnis haben und leben. Von diesen kam Ermutigung: „Mach das bloß!“ In einem Falle kamen in der Familie Bedenken auf: „Ob er das wohl schafft – allein mit drei Kindern?“ Verhältnis zu den eigenen Eltern Die eigenen Eltern werden wieder wichtiger, da es durch Enkelkinder zu einer Annäherung der Generationen kommt. Der erziehende Elterngeneration wächst ein neues Verständnis für die eigenen, alten Eltern zu. Motiv für Väterzeit Gerade in den ersten Lebensmonaten nah dran sein am Wachstums- und Entwicklungsprozess des Kindes. Dies sei ohne Elternzeit nicht möglich. Ein Vater formulierte es drastisch: „Eine Unterbrechung der Berufstätigkeit gäbe es nur durch Urlaub, Krankheit oder Kur.“ Die Elternzeit habe ihm die Gelegenheit gegeben, einmal länger aus dem Beruf auszusteigen und sich ganz auf die Familie zu konzentrieren. Ein anderer Vater gab zu, dass er nach ungefähr fünf Monaten ein „Kribbeln“ spürte, ein sicheres Indiz dafür, dass er seine berufliche Herausforderung zu vermissen begann. Ein weiterer Vater bekannte, dass er den inneren Abstand zum Betrieb genossen und dennoch in einen lockeren Kontakt zur Firma gepflegt habe. Unruhige Nächte „Zu dritt im Bett, kein Auge zugemacht“: Mit diesem Zitat, das der Abenteuerer und Autor Arved Fuchs auf anstrengende Expeditionsnächte bezieht, beschreibt ein Vater die Situation der Familie nach der Geburt ihres Kindes. Ein anderer berichtet, in den ersten Nächten bei jedem Geräusch wach geworden zu sein. Immer stand die Frage im Raum: Was hat sie? hs. 13 „Es ändert sich alles“ Gedanken und Überlegungen von Vätern in Elternzeit Die finanzielle Seite Was das Elterngeld angeht, so äußerten die Väter Kritik und Anerkennung. Als problematisch wurde angesehen, dass die Bemessungsgrenze für das Elterngeld festgelegt ist auf den Tag genau ein Jahr vor dem Geburtsdatum. Dies bedeutet, dass Beförderungen, die im Laufe des Vorgeburtjahres erfolgen, nicht mehr bei der Festsetzung des Elterngeldes berücksichtigt werden können. Der Verbesserungsvorschlag: Als Bemessungsgrundlage sollte der volle Monat vor der Geburt des Kindes sein. – Wenn eine Familie seinen Lebensunterhalt allein vom Elterngeld bestreiten muss, kann es finanziell sehr eng werden. Kritisiert wurde der Progressionsvorbehalt. Mehrverdienst über die Elterngeldgrenze hinaus muss nachversteuert werden. Es wäre gut, wenn – in gewissen Grenzen – Zuverdienst möglich wäre ohne automatische Kürzung des Elterngeldes. „Frau und Kinder, Haus und Garten – ein Leben, das stimmig ist“ der drei Jahre in Elternzeit 50 Prozent seines Lohnes als Elterngeld bekommen. Dieser Betrag ist gedeckelt. Die gesellschaftspolitische Seite Die befragten Väter würden in ihrer Mehrheit eine zwei- oder auch mehrmonatige Elternzeit wiederholen. Alle begrüßten dieses Projekt der Politik als einen wichtigen Schritt zu mehr Familienfreundlichkeit in Wirtschaft und Verwaltung und zu einem höheren Maß an gesellschaftspolitischer Familiengerechtigkeit. Eine Verlängerung der Väterzeit etwa auf mindestens vier Monate, verbunden mit einer beruflichen Halbtagstätigkeit würde, so ein Vater, „die Idee und den Charme dieses Projektes“ zerstören. Eine Halbtagstätigkeit würde ja bedeuten, dass der Vater gedanklich auch in den Familienzeiten – also etwa an den Nachmittagen – mit seiner Arbeit verbunden bliebe. Zudem würde er verEin anderer Vorschlag: Verlängerung der Eltern- mutlich versuchen, alle wichtigen dienstlichen zeit für Väter von einem auf drei Jahre. Angelegenheiten an den halben Arbeitstagen zu Finanzierungsvorschlag: In den drei Jahren der erledigen. Er hätte es dann mit einer erheblichen Elternzeit für Väter zahlt der Arbeitgeber Arbeitsverdichtung zu tun. 75 Prozent des Gehaltes. In den drei darauffolgenden Jahren erhält der wieder arbeitende Vater Harald Schrader für eine Vollzeittätigkeit nur 75 Prozent des Lohnes. So hat der betroffene Vater also während Wanderausstellung: Es ändert sich alles Väter in Elternzeit Schirmherr: Stadt Flensburg Ein Projekt des Bündnisses für Familie in der Region Flensburg Mit freundlicher Unterstützung von: Bert Ivers Jahrgang 1965, verheiratet, Krankenpfleger in einer Notfallaufnahme, betrieblicher Suchtkrankenhelfer Kinder: Sohn Joel (geb. 2009), Sohn Jonah (geb. 2004), Sohn Joschua (geb. 2000) Elternzeit: 11 Monate, einen gemeinsam mit seiner Frau, zehn Monate allein. Bert Ivers unterscheidet in seinem Leben zwei Hälften. Das „alte“ Leben währte bis Ende Zwanzig und war bestimmt von einer Alkoholerkrankung. Das neue Leben als „Trockener“, als Ehemann und dreifacher Familienvater ist für ihn gleichbedeutend mit Gesundheit, Glück, Sinn und Freude. Bert Ivers hat jetzt alles, was er früher nicht hatte haben wollen: Eine Frau, Kinder, ein Haus mit Garten. All das war früher für ihn Inbegriff von Spießigkeit. Heute ist das Leben für ihn stimmig. die Sorge, ob er seine Tage so würde strukturieren können wie die beruflichen, deren Prägung vorgegeben ist. Darum hat er in der Elternzeit alles genossen, was die Routine unterbrach, wie das Einkaufen-Fahren, das ein wenig „Tapetenwechsel“ mit sich brachte. Zudem lernte er durch den täglichen Hausmann-Stress die traditionellen Hausfrauentätigkeiten neu zu schätzen. Die Elternzeit war gut für mich, sagt Bert Ivers, denn es entstand ein intensiver Kontakt zu den Kindern. Väterzeit war für Bert eine Entlastung vom Beruf. Allerdings beschlich ihn zu Beginn der Elternzeit 14 15 „Ein unbeschreibliches Gefühl, seinen Kindern Wärme zu geben“ Manfred Lühr Jahrgang 1961, Elektroingenieur Marc Jürgensen Kinder: Tochter Lara Marie (geb. 2005), die Zwillinge Marc Andre und Lea Sophie (geb. 2008) Kinder: Sohn Mats Lasse (geb.2004), Tochter Anika Marit (geb.2007) Elternzeit: Zwei Monate (Herbst 2007) Elternzeit: Jahrgang 1972, verheiratet, Maschinenbaumechaniker Zwei Monate im Jahr 2008 Es ist schön, den Tagesablauf nicht mehr wie früher – ohne Kinder – planen zu können. Immer wieder muss man sich auf andere Situationen einstellen. Durch seine Kinder hat Manfred Lühr eine neue Spontaneität gelernt. Er hätte nicht gedacht, dass das Ungeplante und „Unordentliche“ das Leben so dominieren kann, ohne zur Belastung zu werden. suchte einen innigen Rund-um-die-Uhr-Kontakt zu seinen Zwillingen. Sein Kontakt zu den Kindern sollte sich nicht auf die Abendstunden und Wochenenden beschränken. Die Kinder auf dem Arm zu haben, ihnen Wärme geben zu dürfen, ist für ihn ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn die Kinder ihm sofort etwas nachsprechen, erkennt er die Entwicklung seiner Zwillinge und auch die Manfred Lühr hat die Elternzeit in Anspruch ge- Laras. nommen, weil er zwei Lebensmonate mit den Neugeborenen gemeinsam verbringen wollte. Er 16 „Elternmonate – Belohnung nach dem Stress“ Die Kinder haben sein Leben nachhaltig verändert. Früher hat Marc Jürgensen viel Zeit mit seinen Hobbys zugebracht, indem er sich beispielsweise um seinen Oldtimer gekümmert hat. Das tritt heute in den Hintergrund. Mit Unterstützung seiner Mehrgenerationenfamilie hat er ein eigenes Haus gebaut. um die neugeborene Tochter kümmerte. Er hat die Väterzeit wie einen längeren Urlaub erlebt. Marc Jürgensen war richtig aus dem Beruf heraus, auch innerlich, und ganz auf die Familie konzentriert. Andrerseits hatte er auch in der Elternzeit Kontakt zu seiner Firma. Die Elternmonate waren für ihn eine Zeit der Erholung nach der Geburt des zweiten Kindes und dem Hausbau, in gewisser Marc Jürgensen hat Elternzeit genommen, weil es Weise also so etwas wie der Lohn für den Stress möglich war. In dieser Zeit hat er alle häuslichen Tätigkeiten erledigt. Vornehmlich war er für den zuvor. älteren Sohn zuständig, während die Ehefrau sich 17 „Ein Kind verändert das Leben und den Lebenswandel“ „Ich erlebe den Alltag meines Kindes“ Jahrgang 1966, verheiratet, Expandeur (Versand) Udo Wessolowski Jahrgang 1974, verheiratet, Diplom-Verwaltungswirt, Stadtamtmann Kinder: Tochter Sina (geb. 1995), Sohn Tim (geb. 1997), Tochter Lucy (geb. 2008) Kinder: Töchter Lara (geb. 2006) und Jella (geb. 2008) Elternzeit: 17 Monate (1.Januar 2010 bis 19.Mai 2011) Elternzeit: Oliver Spark Das Ehepaar hat sich bewusst für ein drittes Kind entschieden - „im Haus war noch ein Zimmer frei“. Kinder bedeuten Einschränkungen, auch finanziell. Die beiden größeren Kinder waren anfangs geschockt, als sie von der Schwangerschaft erfuhren. „Kann ich noch reiten?“ fragte Tochter Sina ihre Eltern. Mittlerweile sind die beiden Älteren eine tolle Hilfe im Alltag und haben ganz viel Freude und Spaß an ihrer kleinen Schwester. Frage: Wie ist es mit dem dritten Kind? Antwort: „Es ist nicht schöner, es ist anders“. Die Eheleute saugen den Umgang mit ihrer Tochter anders auf als bei ihren beiden Großen. 18 Oliver Spark war 1999/2000 schon einmal in einer einjährigen Elternzeit. Im Vergleich zu damals war es mit Lucy anstrengender. Warum? Zum einen ist Oliver Spark zehn Jahre älter. Zum andere gab es damals in der Nachbarschaft viele gleichaltrige Eltern. Jetzt begegnet er deutlich jüngeren Müttern. Der Kontakt ist nicht mehr so unkompliziert wie zehn Jahre zuvor. Oliver Spark engagiert sich im Kindergarten und in Krabbelgruppen. Er betreut Nachbarskinder, die zum Spielen kommen. Er ist sein eigener Chef, nicht gebunden an vorgegebene Pausen wie im Betrieb. Viel liegt an der Logistik, Planung ist das A und O. Wenn beispielsweise am Montag Termine anstehen, dann kocht Oliver Spark am Sonntag vor. Resüme: Er hat die Freiheiten der Väterzeit genossen. Es ist etwas anderes, ob ein Vater den ganzen Tag mit seinem Kind zusammen ist oder um 17.00 Uhr von der Arbeit nach Hause kommt. „Ich erlebe den Alltag meines Kindes“, sagt Oliver Spark. Seit der Erfahrung der Elternzeit habe er mehr Verständnis für die Probleme von Erziehung und Haushalt. Wenn Frauen klagen: „Ich bin so kaputt von der ganzen Hausarbeit“, dann kann Oliver Spark das besser verstehen als ein Mann, der selbst am Abend müde von der Arbeit nach Hause kommt. 2 Monate im Sommer 2009, gemeinsam mit seiner Ehefrau. Jella war gut ein Jahr alt. 2006 war ein höchst ereignisreiches Jahr für die Der Abschied von der täglichen „Vollzeitpräsenz“ Wessolowskis: Heirat, die Geburt des ersten als Vater nach zwei Elternmonaten war für Udo Kindes, der Hausbau. Wessolowski auch schmerzlich. Seitdem er Udo Wessolowski: „Die Hochzeit findet an einem wieder zur Arbeit geht, hat sich das Verhältnis zu Tag statt, dann ist die Feier vorbei. Der Hausbau Lara und Jella wieder eingependelt auf dem Vorist nach einigen Monaten erledigt. Die Geburt Elternzeit-Niveau. Geblieben ist der Freitageines Kindes hingegen verändert das Leben und nachmittag: Dann geht seine Frau einer Berufstätigkeit nach und der Vater betreut die Töchter damit auch den Lebenswandel“. allein. Die acht Elternwochen waren ein Sommergenuss zu viert. Entstanden ist eine enge Beziehung Das Ehepaar Wessolowski erlebte die acht zwischen Vater und seinen Töchtern. In der Wochen gemeinsamer Elternzeit als eine Zeit Elternzeit wurde der Papa zu einer zentralen intensiver Partnerschaft. Gingen die Eheleute – Bezugsperson. So intensiv wird es wohl nie solange sie kinderlos waren - unterschiedlichen wieder sein. Die Familie hatte schöne Erlebnisse, Freizeitaktivitäten nach, so verbrachten sie jetzt alle Zeit gemeinsam. etwa bei Besuchen im beheizten Freibad. 19 „Ich hab's gemacht, es hat mir gut getan!“ Jan Kasdorf Jahrgang 1977, Personaltrainer Kinder: Sohn Elias (geb. 2002) und Tochter Hannah (geb. Januar 2007) Elternzeit: 7 Monate (1.6.2007 – 31.12.2007), gemeinsam mit seiner Partnerin. Er war der erste Beschäftigte, der in seiner Firma die Elternzeit in Anspruch genommen hat. Zehn Jahre lang und bis zum Beginn der Elternzeit war Jan Kasdorf oft wochenlang auf Montage. In den Monaten seit Hannahs Geburt hat er bei den kurzen „Familienaufenthalten“ festgestellt, wie schnell und sprunghaft sich Hannah entwickelte. Die Elternzeit hat er genossen. Eine Familie zu haben sei noch viel schöner, als er es sich vorgestellt habe, bekennt Jan Kasdorf. Er könne seine Vatergefühle voll ausleben. Seit der Väterzeit arbeitet er nicht mehr auf Montage. Die Elternzeit hat Jan Kasdorf Gelegenheit gegeben, am Leben seiner Tochter in „Echtzeit“ 20 teilzuhaben, wirklich für sie da zu sein und ihre Entwicklung zu begleiten. Auch sein Hobby ist nicht mehr nur „Männersache“. Wenn der Vater am Motorrad werkelt, sind die Kinder mit dabei. Jan Kasdorf räumt ein, dass er nach etwa fünf Monaten ein „Kribbeln“ verspürt habe; er begann, die berufliche Herausforderung zu vermissen. Doch im Rückblick stellt er fest: „Ich würde es wieder genauso machen und Elternzeit nehmen.“