Sondernutzung öffentlicher Straßen

Transcrição

Sondernutzung öffentlicher Straßen
DOI 10.1515/jura-2013-0115
Juristische Ausbildung 2013(9): 911–924
Repetitorium ÖR
Prof. Dr. Friedrich Schoch
Sondernutzung öffentlicher Straßen
Friedrich Schoch: Der Autor ist Direktor des Instituts für Öffentliches
Recht – Abt. 4 (Verwaltungsrecht) an der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Freiburg und Mitherausgeber der Zeitschrift.
Das Recht der öffentlichen Sachen ist Teil des Allgemeinen
Verwaltungsrechts. Ein zentrales Thema ist die Benutzung
öffentlicher Straßen. Herausragende Bedeutung hat – in
Abgrenzung zum Gemeingebrauch – die Sondernutzung. An
dieser Rechtsfigur lassen sich vor allem Probleme zum behördlichen Handeln durch Verwaltungsakt, zum Ermessen
und zur Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht aufzeigen. Ausgehend von der Rechtsprechung
werden nachfolgend ausbildungs- und prüfungsrelevante
Rechtsfragen behandelt.
I. Die »Sondernutzung« als
verwaltungsrechtliches Institut
Fall 1: K betreibt in der Stadt S »BierBikes«; dies sind vierrädrige
Fahrzeuge, die für bis zu 16 Personen Platz bieten, wobei sechs
quer zur Fahrtrichtung sitzende Personen Pedale tretend das
»BierBike« antreiben, während ein Mitarbeiter des K das Gefährt
lenkt und bremst. Das »BierBike« ist mit einem Bierfass, einer
Zapfanlage und einer Musikanlage ausgestattet. Die Fahrtgeschwindigkeit beträgt 6 km/h. Bedienstete der Stadt bereiten
eine Untersagungsverfügung vor und fragen K nach der Sondernutzungserlaubnis für die »rollende Partytheke«; K entgegnet, er
brauche keine Erlaubnis, weil er mit seinem »Fahrrad« Stadtrundfahrten veranstalte, also ganz normal am Straßenverkehr
teilnehme1.
Fall 2: Geschäftsführer A einer Getränkehandelsgesellschaft hat
sein Kfz so umbauen lassen, dass dieses hinten einen geschlossenen Aufbau hat, der über die Fahrgastzelle und die Ladefläche
gezogen ist. An der Front, am Heck und an den Seiten des Kfz
sind Aufschriften für Werbezwecke angebracht. A hat das Kfz
mehrfach für etliche Wochen schräg zur Fahrbahn auf dem Parkstreifen der X-Straße in der Stadt S abgestellt, so dass die Werbung von Verkehrsteilnehmern gut wahrgenommen werden
konnte. In der zuständigen Behörde von S wird überlegt, A nach
1 Fall nach BVerwG DVBl 2012, 1434 (m. Anm.  Lund) = NVwZ 2012,
1623 = BayVBl 2013, 217 = NWVBl 2013, 20 →  Schoch JK 6/13, StrWG
NW § 22/4.
der einschlägigen Gebührensatzung zu Sondernutzungsgebühren heranzuziehen2.
Fall 3: Bankkauffrau B fertigt in ihrer Freizeit in der Fußgängerzone der Stadt S Scherenschnitte (Silhouetten) an und verkauft
diese an Passanten; für diese Tätigkeit stellt B eine Staffelei und
einen Klappstuhl auf. Bedienstete von S kündigen gegenüber B
den Erlass eines Bußgeldbescheides an, falls B sich weiterhin
weigere, eine Sondernutzungserlaubnis einzuholen. B meint, da
sie (Straßen-)Kunst ausübe, benötige sie kraft Verfassungsrechts
keine Erlaubnis3.
1. Abgrenzung zwischen Sondernutzung
und Gemeingebrauch
Die Benutzung der öffentlichen Straßen (Wege, Plätze)
erfolgt durch »Gemeingebrauch«4 oder im Wege der »Sondernutzung«. Nach positivem Recht ist Sondernutzung
die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch
hinaus, und sie bedarf der Erlaubnis5. Gemeingebrauch
ist die – erlaubnisfreie – Benutzung der Straßen im Rahmen der Widmung und der (Straßen-)Verkehrsvorschriften; kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn eine Straße
nicht vorwiegend zum Zwecke des Verkehrs benutzt wird6.
Diese Begriffsbestimmung gilt auch für dasjenige Landesrecht, das zur Definition des Gemeingebrauchs nicht ausdrücklich auf den Verkehrszweck verweist; denn nach der
2 Fall nach OVG NW NJW 2005, 3162 = DÖV 2006, 125 = NWVBl 2006,
58 →  Schoch JK 3/06, StrWG NRW § 14/2.
3 Fall nach BVerwGE 84, 71 = NJW 1990 (m. Anm.  Würkner) = JZ
1990, 336 (m. Anm.  Hufen) = DVBl 1990, 163 = DÖV 1990, 252; dazu
Bespr. Goerlich JURA 1990, 415; ferner Heinz NVwZ 1991, 139.
4 Dazu Mager/Sokol JURA 2012, 913 ff.
5 § 16 I 1 StrG BW; Art. 18 I 1 BayStrWG; § 11 I BerlStrG; § 18 I 1 u. 2
BbgStrG; § 18 I 1 BremLStrG; § 19 I 1 u. 2 HbgWG; § 16 I 1 HessStrG; § 22
I 1 StrWG MV; § 18 I 1 NdsStrG; § 18 I StrWG NW; § 41 I 1 LStrG RP; § 18
I 1 StrG SL; § 18 I 1 u. 2 SächsStrG; § 18 I StrG LSA; § 21 I 1 StrWG SH;
§ 18 I 1 u. 2 ThürStrG. – Für die Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen, Bundesstraßen; § 1 I 1 u. II FStrG – Sartorius I 932) § 8 I 1 u. 2
FStrG.
6 § 13 I StrG BW; Art. 14 I BayStrWG; § 10 II 1 u. 3 BerlStrG; § 14 I 1
BbgStrG; § 15 I BremLStrG; § 16 I HbgWG; § 14 S. 1 HessStrG; § 21 I
StrWG MV; § 14 I NdsStrG; § 14 I 1 u. III 1 StrWG NW; § 34 I 1 u. III LStrG
RP; § 14 I StrG SL; § 14 I 1 SächsStrG; § 14 I 1 StrG LSA; § 20 I StrWG
SH; § 14 I ThürStrG; § 7 I 1 u. 3 FStrG.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
912
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
Grundregel des (Landes-)Straßenrechts dienen öffentliche
Straßen (Wege, Plätze) dem öffentlichen Verkehr, so dass
der Verkehrsbezug des Gemeingebrauchs durch die Widmung der Straße hergestellt wird7.
Nach der Gesetzeslage ist eine »Sondernutzung« demnach immer dann gegeben, wenn die Benutzung einer
Straße nicht als »Gemeingebrauch« zu qualifizieren ist.
Essentiell für den Gemeingebrauch ist der Verkehrsbezug.
Der Begriff Verkehr umfasst zunächst die verkehrstechnische Funktion der Straße und bezieht sich daher auf die
Benutzung der Straße zur Fortbewegung (Ortsveränderung) unter Einschluss des »ruhenden Verkehrs«; eine
verkehrsbezogene Nutzung öffentlicher Flächen – jedenfalls im innerörtlichen Bereich und hier insbesondere in
Fußgängerzonen sowie in verkehrsberuhigten Bereichen –
wird seit geraumer Zeit zudem im »kommunikativen Verkehr« gesehen8. Dies ist eine Nutzung, »die den öffentlichen Straßenraum auch als Stätte der kommunikativen
Begegnung, der Pflege menschlicher Kontakte und des
Informations- und Meinungsaustauschs begreift«9.
Die Abgrenzung des (erlaubnisfreien) Gemeingebrauchs von der (erlaubnispflichtigen) Sondernutzung erfolgt nach dem Zweck der Straßenbenutzung, bei mehreren Zwecken nach dem überwiegenden Zweck. Danach
soll es auf das objektive Verkehrsverhalten und nicht auf
die (innere) Motivation der Straßenbenutzung ankommen10. Allerdings könne ein äußerlich am Verkehr teilnehmendes Fortbewegungsmittel aus der Sicht eines objektiven Beobachters durchaus eine verkehrsfremde Funktion
erfüllen11. Eine etwas andere Akzentuierung betont die
»Maßgeblichkeit des äußeren Erscheinungsbildes« aus
Gründen der Rechtssicherheit; es müssten »klare, ermittelbare und überprüfbare Anknüpfungspunkte für die wege-
7 VGH BW NVwZ 1998, 91; NVwZ-RR 2002, 740 (742); NVwZ-RR 2003,
238 (240) = VBlBW 2002, 297 (299) →  Schoch JK 11/02, StrG BW § 16/2.
8 VGH BW NVwZ-RR 2002, 740 (742); NdsOVG NVwZ-RR 1996, 247
(248); vgl. ferner m. w. N. v. Danwitz in: Schoch (Hrsg.), Besonderes
Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 7. Kap. Rdn. 65; ausf. Sauthoff Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, Rdn. 301 ff.
9 So BVerwGE 84, 71 (73).
10 VGH BW NVwZ-RR 2002, 740 (743); NVwZ-RR 2003, 238 (241) =
VBlBW 2002, 297 (301) →  Schoch JK 11/02, StrG BW § 16/2; OVG BlnBbg BeckRS 2012, 48179 →  Schoch JK 12/12, BlnStrG § 10/1; NdsOVG
NVwZ-RR 1996, 247 (248); OVG NW NJW 2005, 3162 = DÖV 2006, 125
(126) = NWVBl 2006, 58 (59) →  Schoch JK 3/06, StrWG NRW § 14/2;
OLG Düsseldorf NVwZ 1991, 206 (207) = JZ 1991, 49 = GewArch 1991,
158 (159).
11 OVG Bln-Bbg, Fn. 10; OVG NW GewArch 2012, 93 = NWVBl 2012,
195 (196) →  Schoch JK 5/12, StrWG NW § 22/2; OVG NW NVwZ-RR
2012, 422 (423).
 
 
 
 
 
rechtliche Zuordnung einer Tätigkeit bzw. eines Verhaltens vorgegeben werden«12.
Im Ergebnis sollen der erlaubnispflichtigen Sondernutzung diejenigen Fallgestaltungen zugeordnet werden,
die den widmungsgemäßen Verkehr beeinträchtigen. Die
Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs als rechtliche
Grenzziehung ist im Gesetzesrecht vorgezeichnet13: Die
den Gemeingebrauch übersteigende Benutzung von Straßen richtet sich nach Bürgerlichem Recht, wenn die Benutzung den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt14. Daraus
ergibt sich im Gegenschluss, dass für eine öffentlich-rechtlich zu beurteilende Sondernutzung der Gemeingebrauch
tangiert sein muss. Eine tatsächliche Gefährdung der Ausübung des Gemeingebrauchs Dritter ist allerdings nicht
gefordert; entscheidend ist, ob die Gemeingebrauchsnutzung abstrakt beeinträchtigt wird15.
2. Typologie straßenrechtlicher
Sondernutzungen
Die Erscheinungsformen der »Sondernutzung« sind zahlreich und kaum zu erfassen16. Hilfreich für die Gewinnung
von Orientierungswissen sind die Bündelung vergleichbarer Phänomene und die Bildung von Fallgruppen. Der
folgende Überblick orientiert sich an besonders häufig vorkommenden Sondernutzungen und an strittigen Zuordnungen seitens der Rechtsprechung. Die Typologie weist
auch Überschneidungen aus.
a) Fahrten mit besonderer Zwecksetzung
Öffentliche Straßen sind nach ihrer Zweckbestimmung
dem Verkehr gewidmet. Die Widmung bezieht sich sowohl
auf den Fußgängerverkehr als auch auf den Fahrzeugverkehr. Wer mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teil-
12 OVG Hamburg DVBl 2012, 504 (506); ähnlich bereits OVG Hamburg NJW 1996, 2051 (2052).
13 § 21 I StrG BW; Art. 22 I BayStrWG; § 23 I BbgStrG; § 19 BremLStrG;
§ 20 I HessStrG; § 30 I Nr. 1 StrWG MV; § 23 I NdsStrG; § 23 I StrWG
NW; § 45 I LStrG RP; § 22 S. 1 StrG SL; § 23 I SächsStrG; § 23 I StrG LSA;
§ 28 I 1 Nr. 1 StrWG SH; § 23 I ThürStrG; § 8 X FStrG.
14 Beispiele sind unterirdische Ver- und Entsorgungsrohre sowie
Kabelleitungen, ferner Hinweisschilder (Verkehrszeichen); vgl. Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 28 Rdn. 3 und
Rdn. 12 ff.
15 v. Danwitz in: BesVwR (Fn. 8) Rdn. 62; Sauthoff Öff. Straßen
(Fn. 8) Rdn. 358.
16 Ein »ABC der Sondernutzungen« präsentiert Stuchlik GewArch
2004, 143 (148 ff.).
 
 
 
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
nimmt, bewegt sich folglich im Rahmen der Widmung und
übt Gemeingebrauch aus. Auf die Motive der Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsraum kommt es, wie erwähnt, nicht an. Folgerichtig hat das BVerwG (unter Hinweis auf § 7 I FStrG) erklärt, aus welchen Motiven heraus
eine Ortsveränderung zum Personen- oder Gütertransport
erfolge, sei gleichgültig; auch derjenige, »der spazierenfährt oder abends planlos einen Wagen durch die Straßen
steuert, strebt diese Ortsveränderung zum Zwecke des Personentransports an«17.
Dennoch ist entschieden worden, das Anbieten von
Kutschfahrten auf einem Parkstreifen einer öffentlichen
Straße stelle eine straßenrechtliche Sondernutzung dar,
weil ein über die bloße Verkehrsteilnahme (Teilnahme am
ruhenden Verkehr) hinausgehender Zweck (Anbieten einer
Leistung in Form von Kutschfahrten) verfolgt werde; es sei
unerheblich, dass die angebotene Leistung ihrerseits in
der Teilnahme an Verkehrsvorgängen bestehe18. Hier wird
der gewerbliche Zweck in den Vordergrund gerückt, der
als verkehrsfremder Zweck den Gemeingebrauch ausschließt19. Auf dieser Linie liegt auch eine Judikatur, die
reine Werbefahrten mit einem Kleinlastfahrzeug (Werbetafeln auf der Ladefläche) als Sondernutzung qualifiziert,
weil ausschließlich verkehrsfremde Zwecke verfolgt würden20.
In der Entscheidung zu Fall 1 hat das BVerwG die umstrittene
Entscheidung der Vorinstanz21 bestätigt und den Betrieb des
»BierBike« als erlaubnispflichtige Sondernutzung eingestuft. Eine Gesamtschau der äußerlich erkennbaren Merkmale aus der
Perspektive eines objektiven Betrachters ergebe, dass das »BierBike« vorwiegend nicht zur Teilnahme am Verkehr, sondern zu
anderen Zwecken benutzt werde (»rollende Theke«, verkehrsfremde Sache).
913
b) Werbung im öffentlichen Verkehrsraum
Die Straßenwerbung für wirtschaftliche Zwecke ist weit
verbreitet und tritt in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen auf22. Ein prominentes Beispiel stellen Plakatträger im öffentlichen Verkehrsraum dar; dazu ist
nicht zweifelhaft, dass es sich um Sondernutzung handelt,
da verkehrsfremde Zwecke verfolgt werden23. Beim Abstellen eines Kfz zu Werbezwecken (z. B. mittels Reklametafel) wird differenziert: Ist das auf einer öffentlichen Verkehrsfläche geparkte Kfz zugelassen und betriebsbereit,
wird grundsätzlich eine Benutzung der Straße im Rahmen
des Gemeingebrauchs angenommen24. Etwas anderes soll
gelten, wenn ein Fahrzeug allein oder überwiegend zu
einem anderen Zweck als der späteren Wiederinbetriebnahme geparkt werde; trotz einer scheinbar äußerlichen
Teilnahme am Straßenverkehr werde der Verkehrsraum zu
verkehrsfremden Zwecken (Werbung) in Anspruch genommen, so dass eine Sondernutzung vorliege25. Zu dem bereits erwähnten Problem der Werbefahrten gilt, dass die
regulär am Straßenverkehr teilnehmenden Firmenfahrzeuge mit Werbeaufschriften Gemeingebrauch ausüben, weil
die Werbung nur einen Nebenzweck darstellt; dient die
Teilnahme am Straßenverkehr jedoch allein bzw. überwiegend der Werbung (»rollende Straßenwerbung«), wird eine Sondernutzung angenommen26.
 
In der Entscheidung zu Fall 2 hat das OVG festgestellt, dass das
Kfz des A zu Werbezwecken geparkt worden sei. Die spezielle
Konstruktion und die auffälligen Werbeaufschriften erweckten
den Eindruck einer »fahrenden Litfaßsäule«; die schräge Aufstellung des Kfz spreche ebenfalls für einen Werbezweck. Die
Sondernutzung ergebe sich daher anhand objektiver Gegebenheiten und nicht etwa auf Grund der inneren Motivation des
Sondernutzers.
Die Rechtsprechung wäre überzeugend(er), wenn sie sagen könnte, worin die abstrakte Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs liegt.
Für politische Werbung gilt bei der Abgrenzung zwischen
Gemeingebrauch und Sondernutzung nichts anderes als
17 BVerwG MDR 1971, 608 (609).
18 NdsOVG NVwZ-RR 1998, 205 (206) = NdsVBl 1997, 280 (281); abl.
dazu OVG Hamburg NVwZ-RR 2010, 34 (36), das in seiner Entscheidung das Abstellen von Mietfahrrädern auf öffentlichen Wegeflächen
(zulässiges Parken i. S. d. StVO) als Gemeingebrauch qualifiziert.
19 Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 296.
20 OVG Bln-Bbg BeckRS 2012, 48179 →  Schoch JK 12/12, BlnStrG
§ 10/1.
21 OVG NW GewArch 2012, 93 = NWVBl 2012, 195 →  Schoch JK 5/12,
StrWG NW § 22/2; krit. Kümper/Milstein GewArch 2012, 180 ff. – Zu der
Thematik ferner Lund DVBl 2011, 339 ff.; ferner Fallbearbeitungen
Kobitzsch VBlBW 2012, 198 f. und 235 ff., sowie Schulz/Tallich NWVBl
2012, 199 ff.
22 Überblick dazu bei Stahlhut in: Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 104 ff.
23 BVerwG NVwZ 1996, 1210; OLG Hamm NVwZ 1991, 205.
24 OVG NW NVwZ 2002, 218 = NWVBl 2001, 358 →  Schoch JK 6/02,
StrWG NW § 14/1. – Gegenspiel: OVG NW NVwZ-RR 2004, 885 = DÖV
2004, 800 = GewArch 2004, 350: Abstellen eines nicht zum Verkehr
zugelassenen Kfz auf einer öffentlichen Verkehrsfläche als Sondernutzung.
25 OVG NW NJW 2005, 3162 = DÖV 2006, 125 (126) = NWVBl 2006, 58
(59) →  Schoch JK 3/06, StrWG NRW § 14/2; OLG Düsseldorf NVwZ
1991, 206 (207) = JZ 1991, 49 = GewArch 1991, 158 (159); Smith NVwZ
2012, 1001 (1002).
26 Stahlhut in: Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 110 f.
 
 
 
 
 
 
 
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
 
914
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
bei der Wirtschaftswerbung27. Erfolgt die politische Werbung durch Plakatständer auf öffentlichen Verkehrsflächen, liegt ohnehin eine Sondernutzung vor28.
c) Aufstellen von Hilfsvorrichtungen und Behältnissen
Generell kann gesagt werden, dass das Aufstellen von
Hilfsvorrichtungen (z. B. Tische, Stühle, Bänke, Sonnenschirme, Zelte)29 und Behältnissen (z. B. Alttextilcontainer, sonstige Wertstoffcontainer)30 im öffentlichen Verkehrsraum eine Sondernutzung der Straße ist. Jedes
Verbringen von Gegenständen auf die öffentliche Straße
überschreitet den Gemeingebrauch und stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Das gilt insbesondere für
Verkaufsstände31 und Informationsstände32. Politische
Parteien genießen insoweit kein Privileg33. Auch die Kunst
kann für sich bei der Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung keine Sonderbehandlung
beanspruchen; frühzeitig ist geklärt worden, dass die – in
Ausübung der Kunstfreiheit (Art. 5 III 1 GG) erfolgende –
Aufstellung von Kunstgegenständen im Fußgängerbereich
einer Stadt straßenrechtlich als Sondernutzung zu qualifizieren ist34.
In der Entscheidung zu Fall 3 hat das BVerwG erkannt, dass die
Betätigung der B, auch wenn sie als Straßenkunst durch Art. 5 III
1 GG geschützt sein mag, als Sondernutzung zu qualifizieren ist35.
Das Verhalten der B kann auch nicht als »kommunikativer Verkehr« anerkannt werden. Wer den öffentlichen Verkehrsraum
mit Hilfsvorrichtungen und sonstigen Utensilien in Anspruch
nimmt, bewegt sich nicht mehr im Rahmen des Gemeingebrauchs36. – Keine Aussage ist damit zu der Frage getroffen, ob
der Künstler einen Anspruch auf die Sondernutzungserlaubnis
hat.
 
 
27 Vgl. demgegenüber zur Einwirkung des Art. 21 I GG auf das Ermessen bei der Sondernutzungserlaubnis unten Text zu Fn. 114 ff.
28 NdsOVG NVwZ-RR 1993, 393; bestätigt durch BVerwG NVwZ-RR
1995, 129.
29 VGH BW NVwZ-RR 1997, 677 (Imbissstand); VGH BW NVwZ-RR
1997, 679 = VBlBW 1997, 107 (Tische, Stühle, Sonnenschirme); VGH
BW NVwZ-RR 2000, 837 = VBlBW 2000, 282 →  Schoch JK 01, StrG BW
§ 16/1 und NVwZ-RR 2010, 164 = VBlBW 2010, 113 (Ständer für Ansichtskarten); BayVGH NVwZ-RR 2003, 244 (Aufstellung von Zelten);
BayVGH BayVBl 2012, 147 (Sitzbänke); HessVGH NVwZ 1994, 189
(Klapptisch); NdsOVG NVwZ-RR 1996, 244 (Tisch).
30 BayVGH NVwZ-RR 2000, 390 (Wertstoffcontainer für Verpackungsmaterial); OVG Bremen NVwZ-RR 1997, 385 (Altkleidersammelbehälter); NdsOVG NVwZ-RR 1998, 728 (Wertstoffsammelbehälter
für Altglas, Altpapier, Metalle, Alttextilien); NdsOVG DVBl 2013, 454
(Container für Altkleider); OVG NW NVwZ-RR 1997, 384 = NWVBl
1997, 269 und NVwZ-RR 2000, 429 = NWVBl 2000, 216 →  Ehlers JK 11/
00, StrWG NRW § 22/1 (Behälter für Alttextilien); VG Braunschweig
KommJur 2009, 299 (Altkleider- und Schuhcontainer).
31 Überblick dazu bei Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 296, sowie
Stahlhut in Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 97.
32 Instruktiv OVG NW NWVBl 2007, 64 →  Schoch JK 7/07, StrWG
NRW § 18/1.
33 BVerwG DÖV 1981, 226; VGH BW VBlBW 1987, 310; OVG SL LKRZ
2009, 313; OVG SH NVwZ 1992, 70.
34 BVerwG DÖV 1981, 342. – Zur Veranstaltung von Straßenmusik
als Sondernutzung BVerwG NJW 1987, 1836.
 
d) Ansprechen von Passanten mit besonderer
Zielsetzung
Das in werbender Absicht (für eine Weltanschauung, für
eine politische Haltung, für ein Produkt etc.) erfolgende
Ansprechen und ggf. Anhalten von Passanten auf öffentlichen Straßen (insbesondere in Fußgängerzonen) wirft
oftmals schwierige Abgrenzungsfragen auf. Das unaufdringliche und unentgeltliche Verteilen von Handzetteln
(Faltblätter, Broschüren, Werbezettel etc.) und Zeitschriften – ohne Hilfsmittel – wird weithin als gemeingebräuchlicher kommunikativer Verkehr anerkannt37. Dagegen sei das Verteilen politischer Schriften durch die
Fahrbahn betretende Fußgänger an Kraftfahrer, die vor
einer »Rot« zeigenden Lichtzeichenanlage halten, Sondernutzung; diese Zuordnung geböten die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs38.
Im Falle einer gezielten Ansprache zwecks Werbung (auch unter Einsatz von Handzetteln, Broschüren
etc.) soll der Gemeingebrauch überschritten sein; die Straße werde nicht mehr vorwiegend zum Verkehr genutzt,
auch nicht zum kommunikativen Verkehr, da diese Form
des Gemeingebrauchs das gezielte Ansprechen von bestimmten Passanten in werbender Absicht im öffentlichen
Verkehrsraum nicht mehr erfasse39. Auch das Verteilen
von Gratis-(Tages-)Zeitungen im Straßenraum sei als ge-
35 Anders noch VGH BW NJW 1989, 1299 = DÖV 1989, 128 (m. Anm. 
Goerlich) = VBlBW 1989, 58: Art. 5 III 1 GG gebiete eine verfassungskonforme Auslegung der Begriffe »Verkehr« und »Gemeingebrauch«.
36 VGH BW GewArch 1992, 452 (mit der – im Fall verneinten – Einschränkung, die Verkehrsanschauung könne zur Qualifizierung von
Straßenkunst als Gemeingebrauch führen).
37 BayVGH NVwZ-RR 1997, 258 = BayVBl 1996, 665; NVwZ-RR 2010,
830 (831) = BayVBl 2011, 176 →  Schoch JK 5/11, BayStrWG Art. 18/5;
NdsOVG NVwZ-RR 1996, 247 (248); OLG Stuttgart NJW 1976, 201 (203);
Stahlhut in: Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 113 und Rn. 115.2. – Ausdrücklich: § 18 II 1 BremLStrG.
38 BayObLG DÖV 2002, 829.
39 BVerwGE 35, 326 (329); OVG Hamburg DÖV 1992, 37; NdsOVG
NVwZ-RR 1996, 247 (248); NVwZ-RR 2004, 884 →  Ehlers JK 7/05, GG
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
werbliche Betätigung Sondernutzung, falls durch die Vergütungen von Anzeigekunden Gewinn erzielt werden solle40. Das BVerfG41 hat indes – allerdings in einer singulär
gebliebenen Entscheidung – erkannt, das Verteilen von
Flugblättern, Broschüren etc. in Fußgängerzonen, verkehrsberuhigten Zonen und auf innerörtlichen Gehwegen
sei als Gemeingebrauch zu qualifizieren, weil der Schutz
der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht generell
einen Erlaubnisvorbehalt42 rechtfertige; diese Begründung
ist zwar unzutreffend43, hören lässt sich jedoch die zusätzliche Erwägung, dass bei einer kaum merklichen Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs44 im Einzelfall eine Sondernutzung zu verneinen sein kann45.
Zielt das Ansprechen von Passanten nach den erkennbaren Umständen auf ein Verkaufsgeschäft, liegt
stets eine Sondernutzung vor46. Das gilt für Druckerzeugnisse jeglicher Art47. Das BVerfG hat die Qualifizierung des
Straßenverkaufs von Sonntagszeitungen durch ambulante
Straßenverkäufer als Sondernutzung akzeptiert48. Erfolgt
der Zeitungsverkauf mit Hilfe eines Zeitungsentnahmegerätes, liegt schon auf Grund der Aufstellung des Zeitungsautomaten im öffentlichen Verkehrsraum Sondernutzung vor49. Auch das Ansprechen und Fotografieren
von Besuchern eines öffentlichen Platzes durch einen Animateur in der Absicht, die Fotos an die Besucher zu verkaufen, ist als Sondernutzung eingestuft worden50. Dasselbe gilt für den gewerblichen Verkauf von Nikolausmützen
aus einem Bauchladen in einem Fußgängerbereich einer
Innenstadt51.
915
3. Folgen der Qualifizierung einer
Straßennutzung als Sondernutzung
Die Qualifizierung der Benutzung einer Straße als »Sondernutzung« ist folgenreich. Diese Kategorisierung löst zunächst eine Erlaubnispflicht aus; auf die Erteilung der
Sondernutzungserlaubnis besteht gesetzlich kein Anspruch, die zuständige Behörde entscheidet vielmehr nach
pflichtgemäßem Ermessen (s. u. II. 2.). Ferner kann die
Sondernutzung – im Unterschied zum grundsätzlich kostenfreien Gemeingebrauch52 – eine Gebühr nach sich ziehen (dazu IV.). Die unerlaubte Sondernutzung kann zu
verschiedenen Konsequenzen führen; einerseits wird der
Verwaltung die Befugnis eingeräumt, die illegale Sondernutzung hoheitlich und notfalls zwangsweise zu beenden, andererseits ist eine Ordnungswidrigkeit festzustellen, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (V.).
 
a) Erlaubnisvorbehalt
Im Zentrum der rechtlichen Probleme steht der straßengesetzliche Erlaubnisvorbehalt53. Soweit die Benutzung der
Straße Ausdruck einer grundrechtlich (an sich) geschützten Freiheitsbetätigung ist54, erschwert das Erfordernis,
zuvor eine behördliche Erlaubnis einzuholen, die Grundrechtsausübung; rechtsdogmatisch liegt in dieser Beeinträchtigung ein Grundrechtseingriff55. Dieser Eingriff ist
allerdings verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil er das
Übermaßverbot wahrt und das behördliche Kontrollverfahren (s. u. II. 1.) auch dem Schutz der Grundrechte
Dritter dient: Die Notwendigkeit, eine Erlaubnis für die
 
Art. 4 I/32; BayObLG NVwZ 1998, 104; abl. zu dieser Rspr. Stahlhut in:
Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 113.
40 BayVGH NVwZ-RR 2000, 726 = BayVBl 2000, 408 →  Schoch JK 9/
00, BayStrWG Art. 18/2.
41 BVerfG-K NVwZ 1992, 53 = BayVBl 1992, 83; dazu Bespr. Enders
VerwArch 83 (1992), 527 ff., sowie Lorenz JuS 1993, 375 ff.
42 Dazu Einzelheiten unten II. 1.
43 Vgl. die Entscheidung des BVerfG zu Fall 4.
44 Zum Erfordernis einer abstrakten Beeinträchtigung der Ausübung
des Gemeingebrauchs vgl. Nachw. o. Fn. 15.
45 Dies deckt sich mit der in Fn. 37 nachgewiesenen Auffassung.
46 Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 297; Stahlhut in: Kodal (Fn. 14)
Kap. 25 Rdn. 99, 100.
47 VGH BW NVwZ 1998, 91; NVwZ-RR 2002, 740 (743); NVwZ-RR
2003, 238 (240 f.) = VBlBW 2002, 297 (300 f.) →  Schoch JK 11/02, StrG
BW § 16/2.
48 BVerfG-K NVwZ 2007, 1306 = AfP 2007, 437 →  Schoch JK 3/08, GG
Art. 5 I 2/32. – Näher dazu unten Fall 4.
49 BayVGH NVwZ-RR 2002, 782; OVG LSA LKV 2002, 335.
50 OVG LSA LKV 2001, 45 (46).
51 VG Karlsruhe GewArch 2005, 39 (40).
 
 
 
 
52 Vgl. dazu Mager/Sokol JURA 2012, 913 (918), mit Hinweisen zu
Ausnahmen (Maut, Autobahnbenutzungsgebühr, Parkgebühr).
53 Vgl. dazu Nachw. oben Fn. 5.
54 Zu Art. 4 I, II GG (Aktivitäten von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften) BVerwG NJW 1997, 408; VGH BW NVwZ-RR
2002, 740 (744); BayVGH NVwZ-RR 2003, 244 (245); VG Berlin NJW
1989, 2559. – Zu Art.  5 I 1 GG BVerwGE 56, 63 (66 f.): Aufstellen von
Informationsständen; VGH BW NVwZ-RR 2003, 238 (243) = VBlBW
2002, 297 (303) →  Schoch JK 11/02; StrG BW § 16/2: Verteilung von
Handzetteln und Broschüren; OVG Hamburg DÖV 1992, 37: Verteilung
von Prospekten. – Zu Art. 5 III 1 GG BVerwG DÖV 1981, 342: Aufstellung von Kunstgegenständen in der Fußgängerzone; VGH BW NJW
1987, 1839 (1842) = VBlBW 1987, 137 (141): Straßenmusik; ferner die
Entscheidung zu Fall 3. – Zu Art.  9 I GG BayVGH NVwZ-RR 2010, 830
= BayVBl 2011, 176 →  Schoch JK 5/11, BayStrWG Art. 18/5: Spendensammlung und Mitgliederwerbung durch gemeinnützigen Verein in
Fußgängerzone. – Zu Art. 12 I GG VG Karlsruhe GewArch 2005, 39
(41): Straßenhandel mit einem Bauchladen in Fußgängerzone.
55 BVerfG-K NVwZ 2007, 1306 = AfP 2007, 437 (439) →  Schoch JK 3/
08, GG Art. 5 I 2/32.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
916
Sondernutzung einzuholen, stellt eine verhältnismäßige
Belastung des Grundrechtsträgers dar, weil die Freiheitsbeeinträchtigung gering ist; zudem ist die Erlaubnispflicht
nur eine formale Schranke, die über die Zulässigkeit der
beabsichtigten Sondernutzung nichts aussagt56. Auf der
anderen Seite ist der störungsfreie Gemeingebrauch (unter
Einschluss des Anliegergebrauchs) der Verkehrsteilnehmer durch Art. 2 I, 3 I, 14 I GG gewährleistet57. Diese Grundrechte Dritter vermögen auch vorbehaltlos normierten
Grundrechten des Sondernutzers (z. B. Art. 4 I u. II, 5 III 1
GG) Schranken zu ziehen. Das BVerfG hat bestätigt, dass
der Erlaubnisvorbehalt im Straßenrecht legitimen Zwecken (Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Ausgleich konfligierender Nutzerinteressen) dient,
zur Zielerreichung geeignet und erforderlich ist und wegen
des verhältnismäßig geringen Aufwands für einen entsprechenden Antrag auf Erlaubniserteilung keine unangemessene Belastung darstellt58.
 
b) Vorrang spezieller Erlaubnistatbestände
Eine straßenrechtliche Sondernutzung kann zugleich straßenverkehrsrechtlich erheblich sein und einer besonderen
Zulassung bedürfen. Für derartige Fallgestaltungen ist eine Konzentrationswirkung vorgesehen: Falls nach Straßenverkehrsrecht eine Erlaubnis für eine übermäßige
Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, bedarf es keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis59. So benötigen »stationäre« Veranstaltungen (d. h. Verbringen von Gegenständen – Tische,
Bänke etc. – auf die Straße), bei denen Straßen mehr als
verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, eine straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis nach § 29 II StVO60. Ausnahmegenehmigungen gemäß § 46 StVO kommen z. B. in
Betracht für ein nach § 29 I StVO verbotenes Rennen (§ 46
II StVO)61, für i. S. d. § 32 I StVO unzulässige Informations 
 
 
 
56 BVerwGE 84, 71 (76, 78) = NJW 1990, 2011 (2012).
57 BVerwG NJW 1997, 408; VG Berlin NJW 1989, 2559; Sauthoff Öff.
Straßen (Fn. 8) Rdn. 324; Stahlhut in: Kodal (Fn. 14) Kap. 25 Rdn. 6.
58 BVerfG-K NVwZ 2007, 1306 (1307) = AfP 2007, 437 (439 f.) → 
Schoch JK 3/08, GG Art. 5 I 2/32.
59 § 16 VI StrG BW; Art. 21 BayStrWG; § 19 BbgStrG; § 18 III
BremLStrG; § 16 VII HessStrG; § 22 VII StrWG MV; § 19 NdsStrG; § 21
StrWG NW; § 41 VII LStrG RP; § 18 VII StrG SL; § 19 SächsStrG; § 19
StrG LSA; § 21 VI StrWG SH; § 19 ThürStrG; § 8 VI FStrG.
60 BVerwGE 82, 34 = NJW 1989, 2411 = DVBl 1989, 995 = DÖV 1989,
1038.
61 BVerwGE 104, 154 = NVwZ 1998, 1300; NdsOVG DVBl 1996, 1441;
OVG NW NVwZ-RR 1997, 4.
 
stände (§ 46 I 1 Nr. 8 StVO)62 und für ein nach § 33 I 1 Nr.  2
StVO verbotenes Warenangebot auf der Straße (§ 46 I 1
Nr. 9 StVO)63. In derartigen Fällen bedarf es keiner –
zusätzlichen – straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis.
Die Verfahrenskonzentration begründet – nach
außen – die alleinige Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde64. Die straßengesetzlichen Vorschriften65
schreiben jedoch vor, dass die an sich für die Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde vor der straßenverkehrsrechtlichen Entscheidung zu hören ist; zudem
müssen von der Straßen(bau)behörde geforderte Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren dem Antragsteller in der Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung
nach der StVO auferlegt werden.
Der Vorrang einer Zulassung nach der StVO gegenüber
der Sondernutzungserlaubnis greift nicht erst dann ein,
wenn jene Zulassung erteilt worden ist; es genügt, dass
eine Erlaubnis oder eine Ausnahmegenehmigung der Straßenverkehrsbehörde objektiv »erforderlich« ist66. In diesem Punkt ist der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen67 eindeutig und eröffnet keinen Auslegungsspielraum.
c) Privilegierung von Versammlungen
Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sind
anmeldepflichtig (§ 14 VersG), aber nicht erlaubnispflichtig (vgl. Art. 8 I GG). Folglich bedarf die Durchführung
einer Versammlung im öffentlichen Verkehrsraum weder
einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis noch
einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis68. Die rechtliche Steuerung des Versammlungsgeschehens obliegt der
zuständigen Versammlungsbehörde; insbesondere § 29 II
StVO ist wegen des Vorrangs der §§ 14, 15 VersG nicht
anwendbar69. In der Sache überwacht die Versammlungsbehörde die Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen
Vorschriften und damit die Sicherheit und Leichtigkeit des
62 VGH BW VBlBW 2005, 391.
63 BVerwGE 94, 234 = NJW 1994, 1082 = DVBl 1994, 347; HessVGH
NVwZ-RR 1992, 3 = DÖV 1992, 38; VG Karlsruhe GewArch 2005, 39
(41).
64 HessVGH NVwZ-RR 1992, 2; Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 393.
65 Vgl. zum folgenden Text Satz 2 u. Satz 3 der in Fn. 59 nachgewiesenen Vorschriften.
66 BVerwGE 94, 234 (236) = NJW 1994, 1082 = DVBl 1994, 347;
Sauthoff in: Müller/Schulz, FStrG, 2008, § 8 Rdn. 68.
67 Vgl. Satz 1 der in Fn. 59 nachgewiesenen Vorschriften.
68 Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 391; Stahlhut in: Kodal (Fn. 14)
Kap. 27 Rdn. 53.
69 BVerwGE 82, 34 (39 f.) = NJW 1989, 2411.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
Verkehrs auf der Grundlage des Gesetzesmerkmals »öffentliche Sicherheit« (§ 15 I u. III VersG).
Besondere Rechtsprobleme stellen sich in Bezug auf
Bundesautobahnen. Diese sind gesetzlich nur dem
Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen gewidmet (§ 1 III 1
FStrG). Danach darf auf einer Bundesautobahn kein Fußgängerverkehr und kein Verkehr mit nicht motorisierten
Fahrzeugen stattfinden70. Dennoch hat der HessVGH eine
Fahrraddemonstration auf der A 44 für zulässig erklärt;
straßenrechtlich könne das Befahren der Autobahn mit
Fahrrädern als Sondernutzung zugelassen (§ 8 I 1 u. 2
FStrG), und straßenverkehrsrechtlich dürfe das Befahrensverbot (§ 18 I StVO) bzw. das Betretensverbot (§ 18 IX StVO)
gemäß § 29 II 1 StVO erlaubt werden71. Überzeugend ist das
kaum. § 29 II 1 StVO erfasst nur Veranstaltungen, die die
Straße innerhalb des Widmungszwecks mehr als verkehrsüblich in Anspruch nehmen; der Dispens von dem Befahrens- bzw. Betretensverbot (§ 18 I u. IX StVO) bedarf einer
Ausnahmegenehmigung nach § 46 I 1 Nr.  2 StVO. Vor
diesem Hintergrund kann die auf Grund der Verfahrenskonzentration mit den straßenverkehrsrechtlichen Fragen
befasste Versammlungsbehörde eine geplante Fahrraddemonstration auf der Autobahn ermessensfehlerfrei gemäß § 15 I VersG untersagen, wenn die straßenverkehrsrechtlichen Wertungen (§§ 18 I u. IX, 46 I 1 Nr. 2 StVO)
hinreichend in Rechnung gestellt werden72.
917
ter Hinweis auf die vom Stadtrat beschlossenen »Richtlinien für
gewerbliche Sondernutzungen im Fußgängerbereich Altstadt«
abgelehnt. Danach soll das Erscheinungsbild der Straßen und
Plätze im »Fußgängerbereich Altstadt« in erster Linie durch den
Fußgängerverkehr und im Übrigen durch Kommunikation und
städtebauliche Tradition (Bewahrung des historischen Altstadtbildes) bei gleichzeitiger Vermeidung eines »touristischen Anstrichs« (»Drosselgasse«) bestimmt sein. T fragt, ob derartige
Erwägungen ihren geschäftlichen Interessen entgegengehalten
werden können74.
 
II. Entscheidung über die
Sondernutzungserlaubnis
Fall 4: L ist Teil des Vertriebswerks des AS-Verlages für Sonntagszeitungen und liefert derartige Zeitungen an ambulante Straßenverkäufer, die die Zeitungen aus mitgeführten Tragetaschen
an Passanten verkaufen. Die zuständige Behörde teilt L mit, dass
der Straßenverkauf als Sondernutzung erlaubnispflichtig sei. L
meint, das Grundrecht der Pressefreiheit stehe einer gesetzlichen
Erlaubnispflicht, falls diese eine behördliche Ermessensentscheidung vorsehe, entgegen und bittet um eine Auskunft zur
Rechtslage73.
Fall 5: T betreibt in der Fußgängerzone der historischen Altstadt
der Stadt S einen Taschenbuchladen. T möchte außerhalb ihres
Ladens rechts und links neben der Ladentür unmittelbar vor der
Hauswand des Gebäudes einen Ständer für Ansichtskarten aufstellen. Die von T beantragte Sondernutzungserlaubnis wird un-
70 Sauthoff in: Müller/Schulz (Fn. 66) § 1 Rdn. 18.
71 HessVGH NJW 2009, 312 (313) = DVBl 2008, 1322 (1323).
72 Schoch JK 3/09, GG Art. 8/26.
73 Fall nach BVerfG-K NVwZ 2007, 1306 = AfP 2007, 437 →  Schoch
JK 3/08, GG Art. 5 I 2/32.
Fall 6: Der Tierschutzverein V e. V. beantragt bei der Stadt S für
das übernächste Wochenende eine Sondernutzungserlaubnis
für einen Informationsstand in der Fußgängerzone in der Innenstadt zur Information der Bevölkerung über in Not geratene Tiere
und zwecks Mitgliederwerbung. S erteilt die Erlaubnis mit der
Einschränkung, dass Fördermitgliedschaften nicht abgeschlossen werden dürfen; es sei gängige Verwaltungspraxis, dass für
geschäftsanbahnende Tätigkeiten keine Erlaubnis erteilt werde,
weil die Bevölkerung vor voreiligen Vertragsabschlüssen auf
Grund der Überrumplungssituation geschützt werden müsse. V
fragt nach der Rechtmäßigkeit dieser Einschränkung der Erlaubnis75.
Zuständig für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist – je nach landes-/bundesrechtlicher Regelung – die
Straßenbaubehörde (für Ortsdurchfahrten die Gemeinde,
falls diese nicht ohnehin Straßenbaubehörde ist)76 bzw.
der Träger der Straßenbaulast (für Ortsdurchfahrten die
Gemeinde, falls diese nicht ohnehin Träger der Straßenbaulast ist)77. Mitunter sehen die Gesetze auch noch die
Zustimmung anderer Behörden vor.
1. Funktion und Bedeutung des
Erlaubnisvorbehalts
Rechtsdogmatisch sind die gesetzlichen Erlaubnistatbestände als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet78. Die Statuierung der (formalen)
Erlaubnispflicht besagt nicht etwa, dass die erlaubnis-
74 Fall nach VGH BW NVwZ-RR 2000, 837 = VBlBW 2000, 282 → 
Schoch JK 01, StrG BW § 16/1.
75 Fall nach BayVGH NVwZ-RR 2010, 830 = BayVBl 2011, 176 → 
Schoch JK 5/11, BayStrWG Art. 18/5.
76 § 16 II StrG BW; Art. 18 I BayStrWG; § 11 I BerlStrG; § 18 I 1 u. 2
BbgStrG; § 16 I 1 u. § 17 I HessStrG; § 18 I 2 u. 3 StrWG NW; § 41 I LStrG
RP; § 18 I 1 StrG SL; § 18 I 1 u. 2 SächsStrG; § 18 I 1 u. 2 StrG LSA; § 18 I 2
u. 3 ThürStrG; § 8 I 2 u. 3 FStrG.
77 § 22 I 1 StrWG MV; § 18 I 2 NdsStrG; § 21 I 1 u. 2 StrWG SH. – In
Bremen entscheidet die Ortspolizeibehörde, § 18 IV 1 LStrG; in Hamburg ist die Wegeaufsichtsbehörde zuständig, § 19 I 2 WG.
78 OVG NW NWVBl 2007, 64 (65) →  Schoch JK 7/07, StrWG NRW
§ 18/1; ThürOVG ThürVBl 2001, 109 (110) →  Schoch JK 10/01,
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
918
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
pflichtige Tätigkeit an sich (materiell) verboten ist; mit der
Rechtsausübung darf allerdings erst begonnen werden,
wenn die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Benutzung
des öffentlichen Straßenraums in einem Verwaltungsverfahren geprüft und festgestellt worden ist79. Im Regelfall
stellt die Sondernutzungserlaubnis einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt (VA) dar; er wird nur auf Antrag des Sondernutzers erteilt80. Der Erlaubnis wird nicht
die Qualität eines VA mit Drittwirkung attestiert, weil die
Bestimmungen zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich keinen Drittschutz vermittelten81. Die
Erlaubnis für eine Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraums kann auch durch einen verwaltungsrechtlichen Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) eingeräumt werden82; diese Form des Verwaltungshandelns wird insbesondere bei
der Erlaubnis zur werbemäßigen Nutzung öffentlicher
Straßen, Wege und Plätze für Werbeanlagen gewählt
(»Werbenutzungsvertrag«)83.
In der Sache dient das Verwaltungsverfahren zunächst
der behördlichen Überprüfung möglicher Auswirkungen
einer Sondernutzung auf die Straße und den Verkehr. Zu
verhindern sind etwaige Beschädigungen und Verschmutzungen der Fahrbahn; abzuwehren sind sodann Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, dem die Straße schließlich gewidmet ist84.
Unabhängig davon kommt es nicht selten zu einem Zusammentreffen unterschiedlicher und manchmal sogar gegenläufiger Nutzungsinteressen verschiedener Straßenbenutzer; insoweit ist ein Interessenausgleich zu schaffen,
der der Sondernutzungserlaubnis eine Ausgleichs- und
Verteilungsfunktion zuweist85. Die Gefahr der Kollision
der Grundrechtsausübung verschiedener Straßenbenutzer
rechtfertigt und verlangt eine behördliche Kontrolle in
 
ThürStrG § 18 I/1; Stuchlik GewArch 2004, 143 (146); v. Danwitz in:
BesVwR (Fn. 8) 7. Kap. Rdn. 63.
79 OVG SH NVwZ 1992, 70.
80 VGH BW NVwZ-RR 1990, 225.
81 BayVGH NVwZ-RR 2004, 886 (887) = BayVBl 2004, 533 →  Schoch
JK 1/05, BayStrWG Art. 18/3. – Zu möglichen Ausnahmen BayVGH
BayVBl 2008, 276 Tz. 15 →  Schoch JK 9/08, BayStrWG Art. 18/4:
Erlaubnis zur Aufstellung eines Baugerüsts beeinträchtigt Nutzungsrecht eines Anliegers (benachbartes Café); ähnlich BayVGH GewArch
2010, 420 Tz. 37.
82 v. Danwitz in: BesVwR (Fn. 8), 7. Kap. Rdn. 63, 64; Sauthoff Öff.
Straßen (Fn. 8) Rdn. 358.
83 Aus der Praxis z. B. VGH BW NVwZ 1993, 903; NdsOVG NdsVBl
1994, 38.
84 So bereits BVerwGE 35, 326 (330 f.).
85 BVerwG DÖV 1981, 226; BVerwGE 84, 71 (75 f.) = NJW 1990, 2011
(2012); VGH BW NJW 1987, 1836 (1837); NdsOVG NVwZ-RR 1996, 244
(245); OVG NW NVwZ 1988, 269 (270); VG Karlsruhe GewArch 2005, 39
(41).
 
 
 
Form des Erlaubnisverfahrens86. Anschaulich ist davon
gesprochen worden, das der Sondernutzungserlaubnis
vorgeschaltete Verwaltungsverfahren diene der Präventivsteuerung87.
2. Ermessensentscheidung der Behörde
a) Verfassungsmäßigkeit der Ermessensnormen
Auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis besteht
kein Anspruch88. Die einschlägigen Gesetzesbestimmungen normieren keine gebundene Verwaltungsentscheidung. Folglich entscheidet die zuständige Behörde nach
pflichtgemäßem Ermessen über den Antrag89. Tatbestandlich sind keine (materiellen) Voraussetzungen für
die Erteilung oder Versagung der Erlaubnis statuiert. Einzige Voraussetzung ist, dass kein Gemeingebrauch vorliegt; für dessen Ausübung wird eine behördliche Zulassung nicht benötigt (I. 1.). Kann die zuständige Behörde
indes allein nach Ermessen entscheiden, stellen sich aus
dem Blickwinkel des Grundrechtsschutzes und des Bestimmtheitsgebots Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der
einschlägigen Gesetzesbestimmungen.
In der Fall 4 zu Grunde liegenden Entscheidung hat das BVerfG
die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelung(en) bestätigt. Der Begriff »pflichtgemäßes Ermessen« erlaube eine Auslegung in dem Sinne, dass der Anspruch auf die Erlaubniserteilung bestehe, wenn die Versagung nicht zur Erreichung der
Gesetzesziele (Schutz der Straße, Wahrung der Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs, Ausgleich unterschiedlicher Nutzerinteressen) erforderlich und unter Berücksichtigung des Grundrechtsschutzes angemessen sei. Das behördliche Ermessen beschränke sich auf Fälle, in denen entweder die Sondernutzung
nicht den grundrechtsrelevanten Bereich betreffe oder in denen
trotz Grundrechtsbeeinträchtigung ein Versagungsgrund bestehe; dann könne die Behörde die Erteilung der Erlaubnis ablehnen.
86 BVerwG DÖV 1981, 342; VGH BW NJW 1987, 1839 (1842) = VBlBW
1987, 137 (141).
87 OVG SH NVwZ 1992, 70.
88 BVerwGE 35, 326 (330); OVG Bremen NVwZ-RR 1997, 385 (386). –
Ausdrücklich: § 19 I 3 HbgWG.
89 Ausdrücklich angeordnet durch § 16 II 1 StrG BW; § 18 II 3
BbgStrG; § 18 IV 1 BremLStrG; »kann«-Regelung in § 19 I 4 HbgWG;
»soll«-Regelungen indes gem. § 11 II 1 u. 2 BerlStrG.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
b) Zweck des Ermessens: Berücksichtigung
straßenrechtlicher Belange
Für die Beurteilung der rechtsfehlerfreien Betätigung des
behördlichen Ermessens gilt § 40 (L)VwVfG90. Bei der Entscheidung über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis sind zunächst die inneren Ermessensgrenzen91 einzuhalten92. Sie ergeben sich aus dem Zweck der
Ermächtigung. Unter Rückgriff auf die Funktion des Erlaubnisvorbehalts (s. o. II. 1.) besteht Einigkeit darüber,
dass sich die Ermessensbetätigung an straßenrechtlichen
Belangen orientieren muss93. Das sind nur solche Gesichtspunkte, die einen sachlichen Bezug zur Straße aufweisen:
Schutz des Straßenkörpers und Gewährleistung eines störungsfreien Gemeingebrauchs (d. h. straßenrechtliche Belange im engeren Sinne) sowie mit dem Widmungszweck
der Straße noch in einem engen Zusammenhang stehende
Belange94. Darüber hinausgehende Ermessenserwägungen (z. B. ordnungsrechtlicher Natur) sind von dem Zweck
der Ermächtigung nicht mehr gedeckt95. Etwas anderes gilt
nur, wenn das positive Recht dies ausdrücklich zulässt96.
In der Praxis kommt bei den straßenrechtlichen Belangen im weiteren Sinne vor allem städtebaulichen Erwägungen (z. B. bauplanerische und baupflegerische Belange, baugestalterische Aspekte zum Schutz bestimmter
 
 
 
 
90 VGH BW NVwZ-RR 1997, 679 (680) = VBlBW 1997, 107 (108);
NVwZ-RR 2001, 159 (160); NdsOVG UPR 1992, 455; NVwZ-RR 1996, 244
(245); OVG NW NWVBl 2007, 64 (65) →  Schoch JK 7/07, StrWG NRW
§ 18/1.
91 Zur Unterscheidung zwischen »inneren« und »äußeren« Ermessensgrenzen Schoch JURA 2004, 462 (466 f.).
92 Die äußeren Ermessensgrenzen sind vor allem für die Ermessensreduzierung von Bedeutung; vgl. dazu II. 2. c).
93 VGH BW NVwZ-RR 1997, 677 (678); NVwZ-RR 2006, 835; NVwZ-RR
2010, 164 = VBlBW 2010, 113 (114); HessVGH NVwZ 1994, 189 (190);
NdsOVG NVwZ-RR 1993, 393; OVG NW NWVBl 2012, 435.
94 VGH BW NVwZ-RR 1997, 679 (680) = VBlBW 1997, 107 (108);
BayVGH BayVBl 2012, 147 Tz. 19; NdsOVG NVwZ-RR 1996, 244 (245);
OVG NW NWVBl 2007, 64 (65) →  Schoch JK 7/07, StrWG NRW § 18/1;
OVG SH NVwZ 1992, 70 (71).
95 BayVGH BayVBl 2012, 147 Tz. 19: immissionsschutzrechtliche
oder sicherheitsrechtliche Belange; HessVGH NVwZ 1994, 189 (190):
allgemein-ordnungsbehördliche Gesichtspunkte. – OVG NW NWVBl
2012, 435 (436) betont, ggf. müsse die Straßenbehörde die zuständige
Ordnungs- bzw. Polizeibehörde informieren und diese um entsprechende Maßnahmen bitten.
96 § 11 II BerlStrG, dazu OVG Berlin GewArch 1988, 130: »pflichtgemäßes Ermessen« umfasst jeden sachlichen Grund; ferner z. B.
OVG Bln-Bbg NVwZ-RR 2012, 217 (218) →  Schoch JK 9/12, BerlStrG
§ 11/1: Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis auch aus straßenfernen öffentlichen Interessen wie z. B. »Klimaschutz« zulässig (am
Beispiel von Heizpilzen im Vorgarten einer Gaststätte). – Zur Rechtslage in Bremen § 18 IV 5 LStrG, zu Hamburg vgl. § 19 I 4 Nr. 3 WG.
919
Straßen oder Plätze, Abwehr einer wochenlangen Verschandelung und Verschmutzung des Stadtbildes etwa
durch wildes Plakatieren) eine große Bedeutung im Rahmen des behördlichen Ermessens zu97. Die Rechtsprechung akzeptiert städtebauliche Ermessenserwägungen
zum Schutz eines bestimmten Straßen- und Ortsbildes,
sofern diese wirklich einen Bezug zur Straße haben98. Verlangt wird allerdings ein städtebauliches Konzept, damit
entsprechende Erwägungen im Rahmen des behördlichen
Ermessens willkürfrei umgesetzt werden können99. Ein
derartiges Konzept beruht häufig auf verwaltungsinternen
Richtlinien. Sofern, wie dies in der Regel der Fall ist, die
Zuständigkeit für die Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis bei einer Kommune (Stadt, Gemeinde)
liegt, müssen die Richtlinien von der kommunalen Vertretungskörperschaft (Gemeinderat) beschlossen worden
sein; andernfalls ist die auf derartige Richtlinien gestützte
Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis ermessensfehlerhaft100.
In der Entscheidung zu Fall 5 hat der VGH BW anerkannt, dass
die Ablehnung der von T beantragten Sondernutzungserlaubnis
auf städtebauliche Erwägungen gestützt werden durfte (Schutz
des Ortsbildes). Ein konkretes Gestaltungskonzept der Stadt
S lag vor; dieses zielte darauf, dem Fußgängerbereich eine bestimmte Ausstrahlungswirkung (ein spezifisches »Flair«) zu verleihen. Das Konzept war in Gestalt von Richtlinien vom Gemeinderat (Stadtrat) beschlossen worden; der VGH betont, dass
verwaltungsinterne Richtlinien für die Steuerung des Ermessens
genügten und eine Satzung nicht erforderlich sei.
c) Ermessensreduzierung
 
 
 
Nach der zweiten Ermessensdirektive des § 40 (L)VwVfG
muss die behördliche Entscheidung zur Sondernutzungserlaubnis die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
einhalten. Diese äußeren Ermessensgrenzen werden insbesondere durch die Grundrechte (i. V. m. dem Übermaßverbot) repräsentiert101. Angezeigt ist eine sorgfältige Prü 
 
97 Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 366.
98 VGH BW NVwZ-RR 2000, 837 (839) = VBlBW 2000, 282 (283) → 
Schoch JK 01, StrG BW § 16/1; NVwZ-RR 2001, 159 (160); BayVGH
BayVBl 2012, 147 Tz. 22; VG Braunschweig KommJur 2009, 299 (301 f.);
VG Karlsruhe GewArch 2005, 39 (41 f.).
99 VGH BW NVwZ-RR 2000, 837 (839) = VBlBW 2000, 282 (283);
BayVGH BayVBl 2012, 147 Tz. 25; VG Braunschweig KommJur 2009,
299 (302).
100 VGH BW VBlBW 1987, 344 (346); NVwZ-RR 1997, 677 (678);
NdsOVG DVBl 2013, 454 (455).
101 Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 373 ff.; Stahlhut in: Kodal
(Fn. 14) Kap. 27 Rdn. 51 ff.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
 
 
 
920
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
fung des Einzelfalles. Die Figur des »intendierten Ermessens«102 findet keine Anwendung; die Behörde muss im
konkreten Fall »die für und gegen eine Sondernutzungserlaubnis sprechenden Gesichtspunkte prüfen, gewichten
und abwägen«103. Überwiegen die rechtlich geschützten
Interessen des Antragstellers derart, dass nur die Erteilung
der Erlaubnis rechtmäßig ist, liegt ein Fall der »Ermessensreduzierung auf Null« vor, und es besteht ein Anspruch
auf die beantragte Sondernutzungserlaubnis104.
Als wichtigste Ermessensdirektive fungieren die Freiheitsgrundrechte. Ist der beabsichtigte Straßengebrauch
als Grundrechtsausübung zu werten, muss die zuständige
Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die Erlaubnis der Sondernutzung die Bedeutung des einschlägigen
Grundrechts berücksichtigen105. Nach den Vorgaben des
BVerfG106 ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn die beabsichtigte Straßenbenutzung weder Rechte der Verkehrsteilnehmer (Art. 2 I, 3 I GG) noch das Recht der Anlieger auf
Anliegergebrauch (Art. 14 I GG i. V. m. der Anliegerschutzvorschrift des Straßengesetzes) beeinträchtigt107. Besteht
hingegen eine Kollisionslage, muss die Behörde einen
Ausgleich zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz
(z. B. durch die Verhängung von Auflagen) anstreben108.
Gelingt dies nicht, kann die Behörde den Antrag ablehnen;
sie kann insbesondere der Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs Vorrang einräumen gegenüber der Grundrechtsausübung109. Das gilt insbesondere, wenn die Versagung
der Sondernutzungserlaubnis nur zu einer geringen Einbuße an grundrechtlicher Freiheitsbetätigung beim Antragsteller führt.
Die Ermessensausübung kann auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) gesteuert werden.
Danach ist eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte rechtswidrig.
 
 
 
102 Dazu Schoch JURA 2010, 358 ff.
103 So BayVGH NVwZ-RR 2010, 830 (832) →  Schoch JK 5/11,
BayStrWG Art. 18/5.
104 Überholt ist die Auffassung, eine Ermessensreduzierung auf Null
komme nur ausnahmsweise in Betracht, so noch OVG NW NVwZ
1988, 269 (270).
105 BVerwGE 56, 63 (68); NdsOVG NVwZ-RR 1993, 393 (394); NVwZRR 1996, 244 (245).
106 BVerfG-K NVwZ 2007, 1306 (1307) = AfP 2007, 437 (439) → 
Schoch JK 3/08, GG Art. 5 I 2/32.
107 BayVGH NVwZ-RR 2000, 726 = BayVBl 2000, 408 = AfP 2000,
210 →  Schoch JK 9/00, BayStrWG Art. 18/2 (am Beispiel des Art. 5 I 2
GG); ferner BayVGH NVwZ-RR 2002, 782.
108 BVerwGE 84, 71 (78) = NJW 1990, 2011 (2012).
109 VGH BW NVwZ-RR 1994, 370 = DÖV 1994, 568 = VBlBW 1994,
199; NdsOVG NVwZ-RR 1996, 244 (247), bestätigt durch BVerwG NJW
1997, 408; OVG LSA LKV 2002, 335 (336).
Das gilt z. B. bei der Zulassung von Plakatwerbung im innerörtlichen Bereich; die zuständige Behörde kann den
Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nicht
einfach mit Hinweis darauf ablehnen, mit einem Dritten sei
ein Werbenutzungsvertrag geschlossen worden110. Richtlinien für die Verteilung von Standplätzen auf einem nicht
nach § 69 GewO festgesetzten Markt dürfen für die Sondernutzungserlaubnis keine marktähnlichen Kriterien (»bekannt und bewährt«) vorgeben; eine gleiche Zulassungschance ist nur bei einem neutralen Verfahren gegeben111.
Dagegen liegt kein Verstoß gegen Art. 3 I GG, wenn Richtlinien nur den Bereich der historischen Altstadt schützen
(Fall 5) und »Vergleichsfälle« für die Erlaubnis zur Sondernutzung in anderen Stadtteilen angesiedelt sind112. Als
sachlich gerechtfertigt wurde die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung von Alttextilcontainern im öffentlichen Verkehrsraum mit Hinweis darauf erachtet, die Gemeinde wolle die Entsorgung »aus einer
Hand« sicherstellen, nachdem eine Drittfirma (abfallrechtlich) mit der Wertstoffsammlung beauftragt worden war113.
Befinden sich politische Parteien im Wahlkampf und
beantragen sie die Erlaubnis zur Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraums für eine angemessene Wahlsichtwerbung, ist das behördliche Ermessen durch die Einwirkung des Art. 21 I GG in der Regel auf Null reduziert114.
Der Umfang der politischen Werbung bestimmt sich nach
dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit (§ 5 I
ParteiG); kleinen Parteien ist zur Wahrung der Chancengleichheit eine überproportional zugemessene Zahl von
Stellflächen für die Aufstellung von Werbetafeln zuzuerkennen115. Die Ermessensreduzierung bezieht sich nur auf
die »angemessene« Wahlsichtwerbung; insoweit sind die
Umstände des Einzelfalles zu analysieren. Das Aufstellen
großflächiger (»überdimensionierter«) Wahlwerbetafeln
darf abgelehnt werden116. Wird die Wahlsichtwerbung außerhalb der Wahlkampfschlussphase (sechs Wochen vor
der Wahl) angestrebt, gelten die üblichen Ermessensdirek 
 
110 NdsOVG NVwZ-RR 1993, 393 (395).
111 VGH BW NVwZ-RR 2001, 159 (160 f.); dazu Bespr. Meßmer
JuS 2002, 755; ferner Fallbearbeitung Mückl JURA 2002, 627.
112 VGH BW NVwZ 2000, 837 (840) = VBlBW 2000, 282 (285) → 
Schoch JK 01, StrG BW § 16/1; Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 382.
113 VG Braunschweig KommJur 2009, 299 (304).
114 VGH BW VBlBW 1987, 310 (311); OVG SH NVwZ 1992, 70; VG
Gießen NVwZ-RR 2001, 417 (418); VG München BayVBl 2007, 732
(734); Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 375; Stahlhut in: Kodal
(Fn. 14) Kap. 27 Rdn. 58.
115 VG Gießen NVwZ-RR 2001, 417 (418); VG München BayVBl 2007,
417 (418).
116 OVG SL LKRZ 2009, 313 (314): Verkehrssicherheit, Wahrung des
Stadtbildes.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
tiven; die Ablehnung des Antrags auf Sondernutzung kann
ermessensfehlerfrei sein117.
3. Erteilung der Sondernutzungserlaubnis
Wird die Erlaubnis antragsgemäß erteilt, ist die Sondernutzung der Straße behördlich gestattet. Die Sondernutzungserlaubnis darf allerdings nur auf Zeit oder auf Widerruf
ergehen118. Dadurch wird das öffentliche Interesse daran
gewahrt, dass der Gemeingebrauch und die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs nicht durch den dauerhaften
Bestand straßenfremder Nutzungen beeinträchtigt werden119. Die Sondernutzung kann auch mit einer Bedingung
erlassen oder mit einer Auflage verbunden werden120. Sofern das Landesstraßenrecht diese Nebenbestimmungen
nicht ausdrücklich nennt, ergibt sich ihre Zulässigkeit unter Rückgriff auf § 36 II Nr. 2 bzw. Nr. 4 LVwVfG121.
Ebenso wie die Sondernutzungserlaubnis selbst müssen Bedingung und Auflage einen sachlichen Bezug zur
Straße haben122. Andere Erwägungen sind ermessensfehlerhaft. Das gilt etwa für die Verfolgung allgemeiner ordnungsrechtlicher Zwecke123 oder für den Einsatz einer Nebenbestimmung zum Zwecke der Abfallvermeidung124.
Auch der Widerruf einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis auf Grund des Widerrufsvorbehalts gemäß
§ 49 II 1 Nr. 1 (L)VwVfG muss straßenrechtlichen Maßstäben genügen; allgemeine ordnungsrechtliche Gesichtspunkte (z. B. Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen) rechtfertigen den Widerruf nicht125.
 
117 OVG SH NVwZ-RR 1999, 218 (219); Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8)
Rdn. 376.
118 § 16 I 2 StrG BW; Art. 18 II 1 BayStrWG; § 11 IV 1 BerlStrG; § 18 II 1
BbgStrG; § 18 IV 2 BremLStrG; § 19 II HbgWG; § 16 II 1 HessStrG; § 22 I
2 StrWG MV; § 18 II 1 NdsStrG; § 18 II 1 StrWG NW; § 41 II 1 LStrG RP;
§ 18 II 1 StrG SL; § 18 II 1 SächsStrG; § 18 II 1 StrG LSA; § 21 I 3 StrWG
SH; § 18 II 1 ThürStrG; § 8 II 1 FStrG.
119 BayVGH GewArch 2010, 420 Tz. 40.
120 § 11 IV 2 BerlStrG; § 18 II 2 BbgStrG; § 18 IV 2 BremLStrG; § 16 II 2
HessStrG; § 22 I 3 StrWG MV; § 18 II 2 NdsStrG; § 18 II 2 StrWG NW; § 41
II 2 LStrG RP; § 18 II 2 StrG SL; § 18 II 2 SächsStrG; § 18 II 2 StrG LSA;
§ 21 I 4 StrWG SH; § 18 II 2 ThürStrG; § 8 II 2 FStrG.
121 BayVGH NVwZ-RR 2010, 830 (831) = BayVBl 2011, 176 →  Schoch
JK 5/11, BayStrWG Art. 18/5; BayVGH BayVBl 2011, 147 Tz. 19 (m.
Bespr. Scheidler GewArch 2012, 285).
122 BayVGH, Fn. 121; Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 390.
123 OVG NW NWVBl 2007, 64 (65) →  Schoch JK 7/07, StrWG NRW
§ 18/1.
124 VGH BW NVwZ-RR 1997, 679 (681) = VBlBW 1997, 107 (109);
ebenso BVerwGE 104, 331 gegen BayVGH NVwZ 1994, 187 = BayVBl
1994, 20.
125 OVG NW NWVBl 2012, 435.
921
In Fall 6 ist die Einschränkung der Sondernutzungserlaubnis als
Auflage (§ 36 II Nr. 4 LVwVfG) zu qualifizieren. Sie weist jedoch
keinen Bezug zur Straße auf. Die Auflage ist vielmehr auf Verbraucherschutzerwägungen gestützt. Sie ist daher ermessensfehlerhaft und stellt mithin eine rechtswidrige Einschränkung
der Sondernutzung dar.
III. Sondernutzungssatzungen
Fall 7: Die Stadt S erlässt eine Sondernutzungssatzung, nach der
Sondernutzungen auf allen Marktplätzen und Kirchenvorplätzen
sowie in der X-Straße untersagt sind. Ausgenommen davon sind
Sondernutzungen bei genehmigten Jahrmärkten, Straßenfesten
und Informationsveranstaltungen politischer Parteien. Ist die
Satzung rechtswirksam126?
Nach dem Straßenrecht der Flächenländer und des Bundes
können die Gemeinden (z. T. auch die Landkreise) durch
Satzung bestimmte Sondernutzungen (in den Ortsdurchfahrten etc.) von der Erlaubnis befreien und die Ausübung
regeln127. Nach der ersten Variante erfolgt eine Freistellung von der Erlaubnis; die Kommune kann anhand der
jeweiligen örtlichen Situation überprüfen, ob und innerhalb welcher Grenzen in bestimmten Bereichen (z. B. Fußgängerzonen) bestimmte Benutzungen des öffentlichen
Verkehrsraums generell als gemeinverträglich angesehen
werden können128.
Neben der Erlaubnisfreistellung kann mittels Satzung
die Ausübung von Sondernutzungen geregelt werden.
Keine Befugnis besteht, die – gesetzlich vorgegebene (s. o.
I. 1.) – Grenze zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung zu verändern129. Folglich ist eine Umdefinition des
Gemeingebrauchs in eine Sondernutzung ausgeschlossen130. Deshalb kann z. B. der rechtlich zulässige Alkoholgenuss auf öffentlichen Straßen131 satzungsrechtlich nicht
 
 
 
 
126 Fall nach ThürOVG ThürVBl 2001, 109 →  Schoch JK 10/01,
ThürStrG § 18 I/1.
127 § 16 VII StrG BW; Art. 22 a S. 1 BayStrWG; § 18 I 4 BbgStrG; § 24 I
1 StrWG MV; § 18 I 4 NdsStrG; § 19 StrWG NW; § 42 II LStrG RP; § 19 III
1 StrG SL; § 18 I 4 SächsStrG; § 50 I Nr. 1 StrG LSA; § 23 I StrWG SH;
§ 18 I 4 ThürStrG; § 8 I 4 FStrG. – Bremen: § 18 IX LStrG (Ortsgesetz);
Hamburg: § 19 VII WG (Verordnung).
128 BVerwGE 84, 71 (77) = NJW 1990, 2011 (2012).
129 BayVGH NVwZ-RR 2004, 879 (880) = BayVBl 2004, 336 (337).
130 BayVGH BayVBl 2009, 661 (662); OLG Hamm NVwZ 2010, 1319
(1320) →  Schoch JK 4/11, GO NW § 8/3; OLG Saarbrücken NJW 1998,
251.
131 Zur Zulässigkeit des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum
Schoch JURA 2012, 858 (859 ff.).
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
 
922
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
als erlaubnispflichtige Sondernutzung qualifiziert werden132.
In Fall 7 hat die Stadt S ihre Satzungsbefugnis überschritten. Die
Ermächtigungsgrundlage erlaubt Regelungen nur zur »Befreiung« von der Erlaubnispflicht und zur »Ausübung« der Sondernutzung. S hat jedoch ein generelles Verbot von Sondernutzungen in Teilen des Stadtgebiets ausgesprochen und damit
Bestimmungen zum »Ob« der Straßenbenutzung getroffen, die
dem Gesetzgeber vorbehalten sind. Die Sondernutzungssatzung
ist unwirksam und damit nichtig.
IV. Sondernutzungsgebühren
Fall 8: Die Scientology Church Deutschland (C) beantragte eine
Sondernutzungserlaubnis für Veranstaltungen ihrer »ehrenamtlichen Geistlichen« in drei Zelten auf drei zentralen Plätzen der
Stadt S. C erhielt eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung133 die dem Antrag von C inhaltlich Rechnung trägt.
Nach Maßgabe der Sondernutzungssatzung von S i. V. m. dem
Gebührenverzeichnis wurde gleichzeitig eine Sondernutzungsgebühr i. H. v. 18.568,– Euro festgesetzt; für eine »Werbeveranstaltung (Promotion)« ist je angefangene 3 qm täglich eine
Gebühr von 61,- Euro vorgesehen. Muss C zahlen134?
 
 
 
 
Für Sondernutzungen können nach dem Straßenrecht135
Gebühren erhoben werden, wobei Gemeinden (und Landkreise) die Gebührenerhebung durch Satzung regeln, während der Staat/das Land mittels Rechtsverordnung operiert; zur Gebührenbemessung ist in den Vorschriften
bestimmt, dass Art und Ausmaß der Einwirkung auf die
Straße (und den Gemeingebrauch) sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen
sind.
Die gesetzliche Ermächtigung zur Gebührenerhebung
stellt eine eigenständige straßenrechtliche Grundlage dar,
die das KAG verdrängt136. Die Gebühr wird für die Benutzung der Straße erhoben (Sondernutzungsgebühr), nicht
132 OLG Hamm und OLG Saarbrücken wie Fn. 130; ferner z. B. Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 430.
133 § 46 I Nr. 8 StVO i. V. m. der straßenrechtlichen Norm nach
Fn. 59.
134 Fall nach VGH BW VBlBW 2008, 298 →  Schoch JK 1/09, StrG BW
§ 19/1 und BVerwG NVwZ 2009, 185 = VBlBW 2009, 56.
135 § 19 StrG BW; Art. 18 IIa BayStrWG; § 11 IX BerlStrG; § 21
BbgStrG; § 18 X BremLStrG; § 19 III 1 HbgWG i. V. m. GebG; § 18
HessStrG; § 28 I u. IV StrWG MV; § 21 NdsStrG; § 19 a StrWG NW; § 47
LStrG RP; §§ 18 III, 19 III StrG SL; § 21 SächsStrG; § 21 i. V. m. § 50 II
bzw. § 49 I 1 Nr. 6 StrG LSA; § 26 I u. V StrWG SH; § 21 ThürStrG; § 8 III
FStrG.
136 BayVGH NVwZ-RR 2007, 223 (225); a. A. (wenig überzeugend)
SächsOVG NVwZ-RR 2007, 549.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
für die Erteilung der Erlaubnis137. Maßgebend ist die tatsächliche Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums in Gestalt der Sondernutzung. Deshalb wird der
Gebührentatbestand auch dann verwirklicht, wenn die
Sondernutzung ohne die Erlaubnis ausgeübt worden ist138.
Andererseits können Sondernutzungsgebühren anfallen,
wenn die Gestattung der Sondernutzung auf einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis (§ 29 StVO) oder Ausnahmegenehmigung (§ 46 StVO) beruht139; teilweise ist dies
gesetzlich ausdrücklich klargestellt140.
Beim Satzungs- bzw. Verordnungserlass verfügt der
Normgeber über ein gewisses Gestaltungsermessen. Er
entscheidet, ob und für welche Sondernutzungstatbestände Gebühren erhoben werden sollen141; er legt insbesondere den Gebührenmaßstab fest, wobei mit Blick auf
das wirtschaftliche Interesse der Gebührenschuldner eine
Typisierung (Pauschalisierung) zulässig ist142. Das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip ist für den Satzungsbzw. Verordnungsgeber durch die beiden Eckpunkte für
die Gebührenbemessung vorgegeben: Art und Ausmaß
der Einwirkung auf die Straße, wirtschaftliches Interesse
des Gebührenschuldners143. Umstritten ist, ob das öffentliche Interesse an bestimmten Erscheinungsformen der
Sondernutzung (z. B. Wertstoffsammlung mittels Container) bei der Gebührenbemessung Berücksichtigung finden muss144.
 
137 BVerwGE 56, 63 (64, 70, 71); BayVGH NVwZ-RR 2000, 390; NVwZRR 2007, 223 (224); NdsOVG DVBl 2013, 456 (457); OVG NW NVwZ-RR
2004, 885 (886) = DÖV 2004, 800 (801) = GewArch 2004, 350.
138 BayVGH NVwZ-RR 2007, 223 (224); OVG NW NVwZ-RR 2004, 885
= DÖV 2004, 800 (801) = GewArch 2004, 350; Sauthoff Öff. Straßen
(Fn. 8) Rdn. 408.
139 BayVGH NVwZ 1988, 624; NdsOVG DVBl 2013, 456 (458).
140 Vgl. § 16 VI 3 StrG BW; § 16 VII 3 HessStrG; § 22 VII 3 StrWG MV;
§ 41 VII 3 LStrG RP; § 19 S. 3 StrG LSA; § 21 VI 3 StrWG SH; § 8 I 3
FStrG.
141 Typische Beispiele betreffen Anlagen im öffentlichen Verkehrsraum; Beispiele: VGH BW VBlBW 1988, 140: Leuchtwerbeanlage;
BVerwGE 80, 36 = NVwZ 1989, 456 →  Erichsen JK 90, FStrG § 8 III/1:
mobiler Verkaufswagen; BVerwG NVwZ 1989, 557 = DVBl 1999, 415:
Kaugummiautomat; BayVGH NVwZ-RR 1999, 337: Vordach, das in
den Gehsteig hineinragt; OVG Bln-Bbg NVwZ-RR 2011, 587: öffentliche
Telefonstelle.
142 VGH BW VBlBW 2008, 298 (299) →  Schoch JK 1/09, StrG BW
§ 19/1; NdsOVG NVwZ-RR 1998, 728 (729); OVG NW NVwZ-RR 2004,
885 (886) = DÖV 2004, 800 (801) = GewArch 2004, 350.
143 Näher dazu Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 410.
144 Verneinend NdsOVG NVwZ-RR 1998, 728 (734 f.): kein Anhaltspunkt im StrG; bejahend BayVGH NVwZ-RR 2000, 390: Teil des Äquivalenzprinzips; ähnlich Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 410.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
In der Entscheidung zu Fall 8 hat der VGH BW betont, das Maß
der Einwirkung auf die Verkehrsfläche werde ordnungsgemäß
dadurch berücksichtigt, dass die beanspruchte Fläche je Zeiteinheit in Rechnung gestellt werde. Zum wirtschaftlichen Interesse
von C hat der VGH herausgestellt, dass eine »Werbeveranstaltung (Promotion)« betrieben werde und es daher um »Verkaufsförderung« gehe, so dass der Gebührensatz von 61,- Euro gerechtfertigt sei. Das BVerwG hat darauf hingewiesen, dem
Äquivalenzprinzip lasse sich kein bestimmter Gebührenhöchstsatz für Sondernutzungen entnehmen. C muss demnach zahlen.
V. Behördliches Vorgehen gegen
unerlaubte Sondernutzung
Fall 9: C (Scientology Church Deutschland) lässt durch Mitglieder in der Innenstadt von S Passanten ansprechen, in Gespräche
verwickeln, zu Persönlichkeitstests einladen, Handzettel verteilen und Bücher verkaufen. Die zuständige Straßenbehörde untersagt C diese Aktivitäten, weil C keine Erlaubnis habe. Derartige gewerbliche Tätigkeiten im öffentlichen Verkehrsraum
seien nicht hinnehmbar; Fußgänger sollten sich unbehelligt fortbewegen können. C fragt nach der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung145.
923
a) Voraussetzung: unerlaubte Sondernutzung
Tatbestandlich genügt für das behördliche Einschreiten
die formelle Illegalität der Straßenbenutzung, weil das
Gesetz lediglich auf das Fehlen der »erforderlichen Erlaubnis« abstellt; eine Anordnung wird indes als ermessensfehlerhaft erachtet, wenn der Betroffene offensichtlich einen Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis
hat148. Ob eine Sondernutzungserlaubnis »erforderlich«
ist, hängt davon ab, dass im konkreten Fall kein Gemeingebrauch vorliegt. Im Zweifelsfall muss – gleichsam im
Wege einer inzidenten Prüfung – anhand der aufgezeigten
Abgrenzungskriterien (s. o. I. 1 u. 2) geklärt werden, ob eine
Sondernutzung der Straße gegeben ist.
 
In der Entscheidung zu Fall 9 hat der VGH BW die Straßenbenutzung durch C als Sondernutzung qualifiziert. Der öffentliche
Verkehrsraum werde nicht zum Zwecke des Verkehrs (Fortbewegung) benutzt; auch »kommunikativer Verkehr« im Rechtssinne
sei nicht gegeben, weil die Straße zu gewerblichen Zwecken
primär als »Verkaufsraum« genutzt werde. Auch unter Berücksichtigung einschlägiger Grundrechte (Art. 4 I u. II, 5 I 1 GG)
werde der Gemeingebrauch an den Verkehrsflächen überschritten.
1. Beendigung der Sondernutzung
Die Straßengesetze der Länder und des Bundes sehen für
den Fall der unerlaubten Benutzung einer Straße besondere behördliche Eingriffsbefugnisse vor146: Wird eine Straße
ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt (oder kommt der
Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach),
kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung (oder zur Erfüllung
der Auflagen) anordnen; falls solche Anordnungen nicht
oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich
oder nicht erfolgversprechend sind, kann die Behörde den
rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen (lassen). Diese Ermächtigungsgrundlage normiert
eine – das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht verdrängende – spezielle straßenrechtliche Befugnis zum
hoheitlichen Einschreiten gegenüber Personen, die die
Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzen147.
145 Fall nach VGH BW NVwZ-RR 2003, 238 = VBlBW 2002, 297 → 
Schoch JK 11/02, StrG BW § 16/2.
146 § 16 VIII StrG BW; Art. 18 a I BayStrWG; § 14 I BerlStrG; § 20 I
BbgStrG; § 17 a I HessStrG; § 25 I StrWG MV; § 22 NdsStrG; § 22 StrWG
NW; § 41 VIII LStrG RP; § 18 VIII StrG SL; § 20 I SächsStrG; § 20 I 1 u. 3
StrG LSA; § 21 VII StrWG SH; § 20 I ThürStrG; § 8 VIIa FStrG. – Zu
Bremen vgl. § 21 LStrG; zu Hamburg vgl. § 19 VII 2 WG.
147 NdsOVG NVwZ-RR 1996, 247 (248).
 
 
b) Rechtsfolge: Maßnahmen zur Beendigung der
Sondernutzung
Nach der gesetzlichen Rechtsfolge der Befugnisnorm149
kann die zuständige Behörde die Beendigung der illegalen Sondernutzung der Straße anordnen. Gedeckt ist
davon zunächst die behördliche Untersagung derjenigen
Aktivitäten, die die Sondernutzung darstellen150. Das betrifft den Fall der aktuell noch andauernden unerlaubten
Sondernutzung. Die Ermächtigung erstreckt sich aber
auch auf illegale Arten von Sondernutzungen, die bereits
stattgefunden haben, deren Wiederholung jedoch zu erwarten ist151. Auch die Entfernung von Gegenständen (z. B.
unerlaubt aufgestellte Wertstoffsammelbehälter) aus
dem öffentlichen Verkehrsraum kann angeordnet werden, wenn damit die illegale Sondernutzung beendet
 
148 VGH BW VBlBW 2006, 239; OVG NW NVwZ-RR 1997, 384 =
NWVBl 1997, 269; Stuchlik GewArch 2004, 143 (150); v. Danwitz in:
BesVwR (Fn. 8) 7. Kap. Rn. 63; Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 443.
149 Vgl. Nachw. o. Fn. 146: jeweils Satz 1 der entsprechenden Bestimmung.
150 VGH BW NVwZ 1998, 91; NVwZ-RR 2003, 238 (239) = VBlBW
2002, 297 (298) →  Schoch JK 11/02, StrG BW § 16/2; NdsOVG NVwZ-RR
1996, 247, bestätigt durch BVerwG NJW 1997, 406; Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 443.
151 VGH BW NVwZ-RR 2002, 740 (741); VBlBW 2006, 239.
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
924
Repetitorium ÖR – Friedrich Schoch: Sondernutzung öffentlicher Straßen
wird152. Die die behördliche Anordnungsbefugnis ergänzende Ermächtigung zur unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme153 – Beseitigung des rechtswidrigen Zustands auf Kosten des Pflichtigen – hat in der Praxis z. B.
dazu geführt, dass aus dem öffentlichen Verkehrsraum
behördlich entfernte Container für Altkleider sichergestellt werden durften154.
Die Anordnung bzw. Durchführung von Maßnahmen,
die die unerlaubte Sondernutzung beenden, stehen im
Ermessen der zuständigen Behörde. Für die fehlerfreie
Ermessensausübung gelten die Direktiven des § 40 (L)
VwVfG. Das Verwaltungshandeln nach dem »Zweck der
Ermächtigung« (innere Ermessensgrenze) bereitet kaum
rechtliche Probleme. Die »gesetzlichen Grenzen« des Ermessens (äußere Ermessensgrenzen) werden insbesondere
durch die Grundrechte repräsentiert. In Verbindung mit
dem Übermaßverbot muss im konkreten Fall geprüft werden, ob die behördliche Anordnung (z. B. Untersagungsverfügung) zur Verfolgung des legitimen Ziels (Beendigung der unerlaubten Sondernutzung) geeignet,
erforderlich und verhältnismäßig ist; vor allem der letztgenannte Punkt (Angemessenheit, Zumutbarkeit für den
Grundrechtsträger) kann in concreto schwierige Wertungsfragen aufwerfen155.
 
 
In der Entscheidung zu Fall 9 hat der VGH BW bestätigt, dass die
Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung betätigt hat: Beendigung der Straßenbenutzung ohne die
erforderliche Erlaubnis. Zu den äußeren Ermessensgrenzen hat
der VGH etwas knapp Stellung bezogen und eher funktionellrechtlich argumentiert: Wenn der öffentliche Verkehrsraum für
gewerbliche Aktivitäten nicht zur Verfügung gestellt werde, damit sich die Fußgänger unbehelligt bewegen könnten, werde das
private Interesse von C hinter das öffentliche Interesse zurückgestellt, was mit Blick auf den Zweck der Ermächtigung gerichtlich nicht zu beanstanden sei (§ 114 S. 1 VwGO).
2. Ahnung unerlaubter Sondernutzung
durch Bußgeld
Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen der gesetzlichen
Erlaubnispflicht eine öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus ohne Erlaubnis benutzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit156. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit
einer Geldbuße geahndet werden. Ob der Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt ist, muss im Streitfall das zuständige Gericht157 dadurch klären, dass es ermittelt, ob das
von der zuständigen Verwaltungsbehörde158 beanstandete
Verhalten tatsächlich als Sondernutzung (und nicht etwa
als Gemeingebrauch) zu qualifizieren ist159. Auch insoweit
gelten die eingangs dargestellten Abgrenzungskriterien
(s. o. I. 1. u. 2.).
Liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, kann diese mit
einer Geldbuße geahndet werden. Die Ahndung erfolgt
durch Bußgeldbescheid (§ 65 OWiG). Zur Höhe der Geldbuße (vgl. allg. § 17 OWiG) enthält das Straßenrecht spezielle
Regelungen. Auffällig ist, dass der Bußgeldrahmen zwischen den Landesgesetzen erheblich variiert; er reicht von
höchstens 500,- Euro bis zu höchstens 50.000,- Euro160.
Für die Zumessung der Geldbuße im konkreten Fall sind
die gesetzlichen Direktiven (§ 17 III u. IV OWiG) zu beachten.
 
156 § 54 I Nr. 1 StrG BW; Art. 66 Nr. 2 BayStrWG; § 28 I Nr. 2 BerlStrG;
§ 47 I Nr. 2 BbgStrG; § 48 I Nr. 1 BremLStrG; § 72 I Nr. 2 HbgWG; § 51 I
Nr. 3 HessStrG; § 61 I Nr. 1 StrWG MV; § 61 I Nr. 1 NdsStrG; § 59 I Nr. 1
StrWG NW; § 53 I Nr. 5 LStrG RP; § 61 I Nr. 1 StrG SL; § 52 I Nr. 3
SächsStrG; § 48 I Nr. 3 StrG LSA; § 56 I Nr. 1 StrWG SH; § 50 I Nr. 4
ThürStrG; § 23 I Nr. 1 FStrG.
157 AmtsG, § 68 OWiG; auf Grund der Rechtsbeschwerde OLG, vgl.
dazu § 80 a OWiG.
158 §§ 35, 36 I Nr. 1 OWiG i. V. m. dem jeweiligen Landesrecht.
159 Vgl. etwa BayObLG NVwZ 1998, 104: Straßenwerbung von Scientology als Sondernutzung; BayObLG DÖV 2002, 829: Verteilung politischer Schriften an Autofahrer, die vor einer Ampel mit »Rot« halten,
als Sondernutzung; OLG Düsseldorf NVwZ 1991, 206: für Werbezwecke eingesetzter Lkw als Sondernutzung; OLG Hamm NVwZ 1991, 205:
Anbringen von Plakatträgern mit gewerblicher Werbung als Sondernutzung.
160 § 54 II StrG BW; § 28 II BerlStrG; § 47 II BbgStrG; § 72 II HbgWG;
§ 61 II StrWG MV; § 59 II StrWG NW; § 53 II LStrG RP; § 61 II StrG SL;
§ 52 II SächsStrG; § 48 II StrG LSA; § 56 II StrWG SH; § 50 II ThürStrG;
§ 23 II FStrG.
 
 
152 OVG Bremen NVwZ-RR 1997, 385; OVG NW NVwZ-RR 1997, 384 =
NWVBl 1997, 269; zur Entfernung eines mobilen Werbeträgers VGH
BW VBlBW 2006, 239.
153 Näher dazu Sauthoff Öff. Straßen (Fn. 8) Rdn. 444.
154 OVG NW NVwZ-RR 2000, 429 (430) = NWVBl 2000, 216 (218) → 
Ehlers JK 11/00, StrWG NRW § 22/1.
155 NdsOVG NVwZ-RR 1996, 247 (248 f.): keine gravierende Beeinträchtigung der Grundrechte von Scientology (Art. 4 I u. II, 5 I 1 GG)
durch Untersagung der illegalen Sondernutzung.
 
Angemeldet | [email protected]
Heruntergeladen am | 14.09.14 18:49
 

Documentos relacionados