Viskosefasern für die Bierfiltration

Transcrição

Viskosefasern für die Bierfiltration
interview.
Viskosefasern für die Bierfiltration
Interview mit Walter Roggenstein, Kelheim Fibres GmbH und Dr. Jörg Zacharias, Krones AG
Der Spezialfaserhersteller Kelheim Fibres und der Abfüllspezia­
list Krones entwickeln in einem gemeinsamen Forschungs­
projekt ein Filterhilfsmittel für die Bierproduktion aus einer
neuartigen multifunktionellen Viskosefaser. Diese soll in der
Anschwemmfiltration als alternatives Hilfsmittel zur derzeit
üblichen Kieselgur eingesetzt werden. Wir sprachen mit Walter
Roggenstein, Leiter F&E, Kelheim Fibres GmbH, und Dr. Jörg
Zacharias, F&E Verfahrens- und Prozesstechnik, Krones AG,
über das Projekt und die Bedeutung von Netzwerken für
branchen­übergreifende Kooperationen.
Kelheim Fibres hat sich in den letzten Jahren zum Anbieter
für Spezialviskosefasern entwickelt. Wie sieht Ihre Strategie
bei der Erschließung neuer Anwendungsfelder aus und wie
finden Sie Kooperationspartner für neue Einsatzgebiete?
Roggenstein: Wir sind kontinuierlich auf der Suche nach
neuen Anwendungsfeldern für unsere funktionalisierten
Spezialviskosefasern und überzeugt, dass es neben Textilien und Hygienevliesstoffen zahlreiche weitere prädes­
tinierte Anwendungen gibt, von denen heute weder wir
noch unsere zukünftigen Kunden wissen. Unsere Strategie
besteht darin, zusätzlich zu den uns bekannten Bereichen
auch unbekannte Einsatzgebiete zu identifizieren und mit
den Spezialviskosefasern Problemlösungen anzubieten.
Wir versuchen mit zukünftigen Kunden ins Gespräch zu
kommen, wir hören ihnen zu und erarbeiten gemeinsam
spezifische Lösungen für deren Aufgabenstellungen.
Um neue Kooperationspartner zu finden, besuchen wir
Fachveranstaltungen, Konferenzen sowie Messen und
präsentieren dort unsere Toolbox an verschiedenen Spezialviskosefasern – auch auf Veranstaltungen, die außerhalb unseres bisherigen Erfahrungshorizontes liegen.
Der Einsatz von Viskosefasern für die Filtration in der Bierproduktion stellt ein neues Einsatzfeld dar. Wie kam der
Kontakt zwischen Kelheim Fibres und Krones zustande?
Zacharias: Auf einem Kongress von Bayern Innovativ
haben sich Teilnehmer beider Firmen kennengelernt und
sind über den Austausch der Tätigkeitsfelder auf mögliche Anwendungsbereiche gestoßen. Dies war der Keim
des Forschungsprojektes. Vorab haben auf „indirektem”
Weg Kohle-, Glas- und Carbonfasern in Halbzeugen und
Werkstoffen vor allem in Verbindung zum Leichtbau bei
Produktionsanlagen bereits Einzug bei Krones gefunden.
Existieren weitere Ideen für Kooperationen mit der Textilbzw. Faserindustrie?
Zacharias: Faserverbundwerkstoffe zum Beispiel als alternativer Werkstoff zu Edelstahl oder Biopolymere als alternatives Material zu PET und anderen Kunststoffen werden
dazu ständig beobachtet. Innerhalb der Filtrationstechnologie kann bei Erfolg und Eignung der aktuellen Forschung im Viskosefaserbereich mit einer Ausweitung des
Einsatzes auf andere Medien als Bier gerechnet werden.
04
Kurzporträt
Kelheim Fibres GmbH
Kelheim Fibres ist der weltweit führende
Hersteller von Viskose-Spezialfasern mit
Sitz in Kelheim an der Donau, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1935 zurückreichen.
Die Einsatzgebiete der Viskosefasern
reichen von Fashion, Hygiene- und medizinischen Produkten bis zur NonwovensIndustrie.
Krones AG
Der Krones Konzern mit Hauptsitz in
Neutraubling bei Regensburg plant, entwickelt und fertigt Maschinen sowie komplette Anlagen für die Bereiche Prozess-,
Abfüll- und Verpackungstechnik. Informationstechnologie, Fabrikplanung und
die eigene Ventilproduktion ergänzen
das Produktportfolio des Unternehmens.
Die Identifikation geeigneter Kooperationspartner ist kein
leichtes Unterfangen. Wie sehen Sie die Bedeutung von
Netzwerken für branchenübergreifende Projekte?
Roggenstein: Netzwerke vereinfachen und beschleunigen
den Zugang zu Entscheidern in branchenfremden Firmen.
Dadurch ist es einfacher, alternative und quergedachte
Themen zu adressieren und zur Umsetzung zu führen.
Netzwerke ermöglichen, über Neues nachzudenken und
geeignete Kooperationspartner zu finden.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht für eine erfolgreiche
Kooperation wichtig?
Zacharias: Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind
Vertrauen, Ehrlichkeit, gegenseitige Akzeptanz, ausgewogene Interessenslagen und unterschiedliche Geschäftsfelder entscheidend. Beide Partner müssen von der Idee
begeistert und überzeugt sein.
Welchen speziellen Anforderungen müssen Filter in der
Abfüllung gerecht werden und warum suchte man nach
einem alternativen Material?
Zacharias: Bei der Bierklärung muss das filtrierte Bier
klar und glanzfein werden. Diese Klarheit muss über die
Haltbarkeit des Bieres stabil sein. Ein Filter muss für den
Prozess eine lange Standzeit bei großer Flexibilität auf
unterschiedliche Rohstoffqualitäten aufweisen. Alternative Materialien werden gesucht, da Kieselgur zunehmend
größer werdende Entsorgungskosten verursacht. Zudem
ist sie auf Grund einer häufig vorkommenden intensiven
Staubentwicklung, die sich als gesundheitsschädlich für
das Brauereipersonal erwiesen hat, in die Kritik geraten.
Welche besonderen Eigenschaften weisen Viskose-Spezialfasern auf und welche Vorteile haben sie gegenüber
Kieselgur?
Roggenstein: Viskosefasern sind biologisch abbaubar,
hydrohphil und besitzen ein perfektes Feuchtigkeitsmanagement. Zudem können sie physikalisch und chemisch
leicht entsprechend den verschiedenen Anforderungen
modifiziert bzw. funktionalisiert werden. Wie Kieselgur
basieren Viskosefasern auf einem natürlichen Rohstoff.
Cellulose ist jedoch nachwachsend, in weit größeren
Mengen und weltweit verfügbar. Durch den Herstellungsprozess werden die natürlichen Schwankungen des Zellstoffs eliminiert, so dass – im Gegensatz zu Kieselgur
– über das gesamte Jahr hinweg eine konstante Qualität
erhalten bleibt. Nach dem Einsatz in der Filtration können
die Fasern als Tierfutter, in der Landwirtschaft oder als
Rohstoff zur energetischen Verwertung genutzt werden.
Die Funktionalisierung für diese spezielle Anwendung
erfolgt physikalisch über die Querschnittsform, die Faserlänge, die Oberflächenstruktur, durch die Einlagerung
bzw. Beschichtung mit funktionalisierenden Additiven
oder durch die Derivatisierung mit funktionellen chemischen Gruppen. Aus dieser Toolbox wählen wir geeignete Fasern aus und untersuchen deren physikalischen,
chemikalischen und hydrodynamischen Eigenschaften in
Bezug auf die Anforderungen in der Bierfiltration.
Wann ist mit einem Einsatz in der Praxis zu rechnen?
Zacharias: In einer beteiligten Brauerei laufen bereits
Pilotversuche. Das Forschungsprojekt ist noch bis Mitte
2016 terminiert. Wir arbeiten derzeit noch an einigen
wichtigen Herausforderungen, die wir in diesem Zeitraum
lösen wollen. Somit ist der erste großtechnische Einsatz
mit Ablauf des Projektes geplant. Auf Grund der hervorragenden Zusammenarbeit werden sicherlich auch in
Zukunft gemeinsame Entwicklungen gezielt angegangen.
Kontakt
Walter Roggenstein, Kelheim Fibres GmbH
[email protected]
Dr. Jörg Zacharias, Krones AG
[email protected]
05

Documentos relacionados