Allein in der Wildnis
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Allein in der Wildnis
Kolloquium „Literatur und Schule“ Protokoll der Sitzung vom 23.10.2001 Gary Paulsen: Allein in der Wildnis Es wurden ausgiebig Passagen aus dem Buch vorgelesen. Im Blitzlicht gab es neben überwiegend positiven Gesamteinschätzungen wie spannend, sehr spannend auch eine dezidiert kritische Äußerung; das Buch wurde nur anfangs als spannend empfunden, hat dann beim Weiterlesen immer mehr enttäuscht, ja gelangweilt, weil alles bald voraussehbar gewesen sei. Im Gespräch wird die Kritik erweitert und erläutert. Gestört habe der altkluge, lehrhafte Ton, die Glorifizierung der Natur vor der klischeehaften Negativfolie Stadt, Fernsehen usw.; unbefriedigend sei auch die Behandlung des Themas Scheidung, die wiederholte Rede von Brians „Geheimnis“. Gegen diese zuletzt geäußerte Kritik erhob sich Widerspruch. Gerade das Thema Scheidung wurde als „feinfühlig dargestellt“ wahrgenommen. Die übrigen Einwände konnten im Gespräch nicht widerlegt werden. Sie wurden noch erweitert durch den Hinweis auf Widersprüche in der Figurenzeichnung (Warum legt ein technisch versierter Junge in seiner speziellen Situation ein Funkgerät achtlos zur Seit?), auf reflexive Passagen, die den Jungen zu reif erscheinen ließen (Gewehr, Feuerzeug in der Wildnis), ihn zum Sprachrohr des Autors machten und als Figur beschädigten. Erst die Frage nach der Brauchbarkeit des Buches als Schullektüre brachte die Einsicht, dass die positive Textwahrnehmung von TeilnehmerInnen als primäre Leseerfahrung wohl damit zu tun hatte, dass das Buch als typisches Abenteuerbuch für ältere Kinder/junge Jugendliche gelesen und dabei über die Schwächen seiner ästhetischen Gestaltung hinweggesehen wurde. Unter dem Aspekt Abenteuerbuch, auch für Mädchen, in dem allerdings, vom Kurzauftritt der Mutter Brians abgesehen, nur Männer eine Rolle spielen, wurde empfohlen, das Buch in 5./6. Klassen anzubieten, wobei die einen es nur in der Klassen- oder Schülerbücherei bereitstellen wollen, andere es, gerade in literaturfernen Klassen der Hauptschule, anlesen wollen mit dem Angebot der Lehrperson, sich mit denen, die das Buch zu Ende lesen, über deren Leseerfahrung zu unterhalten, - ohne dabei die festgestellten Schwächen des Buches zu thematisieren. Für ein pragmatisches Verhalten sprach auch der Bericht einer Teilnehmerin, deren Sohn das Buch in der Schule vorstellen durfte und der es als zwar brutal, aber gut, ja sehr gut qualifizierte. V.M.