Porsche Scene Live "Ready for your hot lap"

Transcrição

Porsche Scene Live "Ready for your hot lap"
PERFORMANCE PORSCHE
04er 911 (996) Carerra GT3
READY
FOR
YOUR
HOTLAP
Carsten Beine, Jahrgang 1969, wollte
mit Tuning nichts zu tun haben. Sportfahrwerke, Spoiler oder Auspuffanlagen waren ihm suspekt, fast peinlich. Dass sie sinnvoll sein können, erkannte der Immobilien-Fachwirt beim Sportfahrertraining.
Schnell stieg er vom 996 Cabriolet in einen GT3 der zweiten Serie
um. Nach dem Wechsel verbesserten gezielte Eingriffe die Performance. Inzwischen weiß der Düsseldorfer viel über leistungssteigernde Maßnahmen. Sein Erlebnisbericht gibt die Fakten an Sie
weiter. Für den Fall, dass Sportfahrwerke, Spoiler oder Auspuffanlagen auch Ihnen fragwürdig erscheinen sollten.
A
ls ich meinen ersten Porsche
kaufte, ging für mich ein Traum
in Erfüllung. Es war ein 996 Carrera 2 Cabriolet in ”Sealgrau”. Nie hätte ich daran gedacht, mich jemals von
diesem für mich perfekten Wagen zu
trennen oder irgendetwas zu verändern!
Sportfahrwerk, Spoiler und Auspuffanlagen schreckten mich ab. Ich wollte
nicht wie ein Prahlhans auftreten! Das
betreuende Porsche Zentrum lud mich
aber zu einem Sportfahrerlehrgang nach
Spa-Francorchamps ein. Nach längerer
Überlegung und voller Vorurteile nahm
ich die Einladung schließlich an und reiste in die Ardennen. Als ich mit meinem
Cabriolet abends zwischen Ferrari, Lamborghini, GT3 RS und anderen auf dem
Sammelparkplatz stand, fühlte ich mich
in meinen Gedanken bestätigt. ”Was
mache ich bloß hier?”, habe ich mich
gefragt. Dann wurden wir von Norbert
Jülicher und seiner Crew begrüßt und
einander vorgestellt. Nach zwei wunderschönen Tagen und Abenden im Hotel
und an der Rennstrecke hatte es mich voll
erwischt. Neben den vielen netten Menschen packte mich der Rausch des motorsportlichen Fahrens. Durch viele Runden
und die Arbeit der Instruktoren steigerte
sich der Spaßfaktor so sehr, dass ich mich
noch an Ort und Stelle für weitere Sportfahrerlehrgänge anmeldete.
Frontspoiler-Lippe aus Sichtkarbon: in Verbindung mit Kühlluft-Umbau 17 Kilogramm mehr Abtrieb an der Vorderachse
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an natürliche Grenzen. Mein Interesse
an Tuning-Maßnahmen wuchs, und ich
besuchte die Firma Manthey Motors am
Nürburgring. Dort erklärte man mir, dass
ein Cabriolet für den Betrieb auf der Rundstrecke nicht das Wahre sei. Ich war noch
nicht bereit, mich zu trennen. Nach weiteren Veranstaltungen auf dem Hockenheimring, dem Nürburgring, L'Anneau
du Rhin sowie Spa-Francorchamps war
es endgültig passiert. Ich wollte mehr!
Mein Cabriolet hatte ausgedient. Zufällig
begleitete ich im November 2006 einen
Freund beim Kauf eines BMW Z1. Die
Verhandlungen waren in vollem Gange,
als ich nebenbei einen pechschwarzen
996 GT3 mit gelben Sicherheitsgurten
und gelb gekederten Fußmatten entdeckte. ”Gerade hereingekommen und
in Top-Zustand!”, rief der Verkäufer. Das
war nicht geplant! Ein Kölner Arzt war
mit ihm nur spazieren gefahren. Alles sah
aus wie neu. 20 Minuten später war ich
Besitzer eines 2004er 996 GT3 mit 61.862
Kilometern Laufleistung. Da der Kontakt
zu Manthey Motors unverändert bestand,
fuhr ich auch dorthin. Mein neuer Porsche
sollte auf sein neues Aufgabengebiet vorbereitet werden – die Rundstrecke!
Die Straßenzulassung wollte ich unbedingt beibehalten und auf eigener Achse
zu den Veranstaltungen fahren. Das bedeutete: Sämtliche Änderungen mussten
vom TÜV eingetragen werden!
Ich wollte ja an keinen Rennen teilnehmen,
sondern mich drei- bis fünfmal im Jahr bei
Sportfahrerlehrgängen austoben. Diese
Differenzierung war mir wichtig. Das
trug ich bei Manthey Motors genauso
Performance
auf dem Niveau
des 2007er
997 GT3 RS:
Die Typbezeichnung ziert den
Heckdeckel aus
gutem Grund
Es kam, was kommen musste. Entgegen
meiner Überzeugung ging es los mit den
Veränderungen an meinem Cabriolet.
Das Porsche-Sportfahrwerk stieß bald
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vor. Inzwischen hatte ich akzeptiert, dass
gut platzierte Eingriffe die Performance
verbessern können. Frontspoilerlippe
aus Sichtkarbon, Kühlluftumbau und das
Heckflügelblatt des GT RS steigerten den
aerodynamischen Abtrieb. An der Vorderachse lagen 17 Kilogramm zusätzlich
an. Hinten waren es sogar 38 Kilogramm
mehr als in der Serie. Man mag es für
Haarspalterei halten, aber der zusätzliche
Druck bietet bei schneller Fahrt echte
Sicherheitsreserven. Nebenbei erhielt ich
durch den Aerodynamik-Kit einen GT3Look. Später brachte mich das auf eine
Idee. Im Düsseldorfer Porsche Zentrum
Seestern fand ich Verkaufsunterlagen
eines 997 GT3 RS. Neben dem allseits
bekannten Grün und Orange fiel mir die
Variante Schwarz und Orange nachhaltig
auf. Da mein Fahrzeug bereits schwarz
lackiert war, mussten nur die Spiegelgehäuse und Originalräder verändert
werden.
Ich beauftragte das Porsche Zentrum
Seestern mit der Umsetzung. Nachdem
die RS-Schriftzüge aufgeklebt waren,
erhielt ich trotz geringen Aufwands
eine Sportausführung in Schwarz und
Orange. Zurück an den Nürburgring,
respektive zu Manthey Motors! Ein unscheinbares Karosserieteil soll ab 200
km/h zehn PS zusätzlich bringen. Dabei
handelt es sich um einen einteiligen Staudrucksammler auf der hinteren Kante der
Motorhaube. Dadurch entsteht eine geschlossene Airbox, die heranströmenden
Fahrtwind aufnimmt und unter erhöhtem
Druck in den Ansaugbereich des Motors
hineinpresst. Fachleute sprechen vom
Aufladungseffekt. Strenggenommen
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HOT LAP
Abschleppen leicht gemacht: Markante gelbe Pfeile
an Front und Heck zeigen, wo genau eingehakt werden muss
Einer von drei Rädersätzen im Bestand: orange lackierte GT3-Originalfelgen mit Michelin-Sportreifen
”Pilot Sport Cup”
Geringer Aufwand, große Wirkung: Von den Rädern
abgesehen, wechselten lediglich die Spiegelgehäuse
ihre Farbgebung
Einteiliger Staudrucksammler auf dem Motordeckel:
ab 200 km/h zehn PS zusätzlich durch den Aufladungseffekt
müssten für meinen GT3 zwei PS-Angaben gelten – ein statisch gemessener
und ein dynamischer Wert ab 200 km/h.
Die Ausgangsleistung von 381 PS ab
Werk ist auch durch andere Maßnahmen verändert worden. Der Motorkit
”K410” besteht aus speziellen Abgaskrümmern, Motorsport-Katalysatoren,
Rotes Einstellelement unter dem Flügel: ein paar
Grad mehr für das entscheidende Plus an aerodynamischem Anpressdruck
Endschalldämpfer, Endrohren, K+NSportluftfilter, Motronic-Anpassung und
einem Prüfstandslauf zur professionellen
Abstimmung. 23 PS und 20 Newtonmeter Drehmoment ließen sich durch den
Motorkit lockermachen. Der Zuwachs
durch den erwähnten Luftsammler ist in
dieser Bilanz nicht enthalten.
Illustres
Vorbild:
Verkaufsunterlagen eines
997 GT3 RS
ermutigten
Carsten Beine, das Farbkonzept zu
übertragen
Aus dieser Perspektive einfach zu erkennen: reduzierter Höhenstand durch das Manthey-KW-Gewindefahrwerk
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Veränderte Sichtweisen: Anfangs schienen
Sportfahrwerke, Spoiler oder Auspuffanlagen
suspekt, fast peinlich zu sein
Das Gewindefahrwerk in Verbindung mit
einem Domlagersatz entspricht der angehobenen PS-Zahl. Die Möglichkeiten,
es auf mein spezielles Einsatzgebiet einzustellen, sind vielfältig. Für meinen Geschmack ist es nicht einfach, das optimale Setting zu finden. Man kann viel falsch
machen. Ohne Einstelldaten ausgefahren
zu haben, macht es überhaupt keinen
Sinn, am Fahrwerk herumzuschrauben!
Man sollte niemals übersehen, dass mein
Porsche schon in der Serie 306 km/h
schnell wird. Standfeste Bremsen sind
unerlässlich. Gelochte, innenbelüftete
Scheiben auf geschraubten Aluminium-
Töpfen wirken sich auf Ansprechverhalten und Verzögerung positiv aus.
Clubsport-Bremsbeläge, siedefestere
Bremsflüssigkeit sowie Stahlflex-Leitungen gehören für meine Begriffe dazu.
Was die Felgen betrifft, ging ich einen
Kompromiss ein. Die orangen OriginalRäder nutze ich auf der Straße. Bei den
Sportfahrerlehrgängen greife ich auf
geschmiedete Magnesium-Einteiler zurück. Die vorderen bringen jeweils 7,2
Kilogramm auf die Waage, die hinteren
7,8. Damit sind sie die leichtesten 18Zöller weltweit. Gegenüber den GT3Rädern verringern sich die rotierenden,
ungefederten Massen um 18 Kilogramm.
Ich lasse mir meinen Magnesium-Satz zu
den Veranstaltungen mitbringen. Diesen
Service übernimmt das Porsche Zentrum
Willich. Mein Vorteil: Ein Begleitfahrzeug
voller Equipment brauche ich nicht.
Im Cockpit könnte ich nicht viel verstauen. Der Überrollkäfig beansprucht
Tech-Facts
(Halter- bzw. Herstellerangaben)
2004er 911 (996) Carrera GT3
Erstzulassung: 11.03.2004
Fahrgestellnummer: WP07779924S690847
Laufleistung bei Übernahme: 61.862 km
Anzahl der Vorbesitzer: 1
Karosserie: zweitürige, zweisitzige, selbsttragende, geschlossene Coupé-Karosserie
aus beidseitiig feuerverzinktem Stahlblech
Geschraubter Überrollkäfig, mit schwarzem Leder bezogene Recaro-Sitze: Hinweise auf eine schrittweise Nachrüstung
Aufbau: modellspezifische Spoiler an
Front und Heck sowie seitliche Schweller;
Manthey-Sichtkarbon-Frontspoilerlippe,
Kühlluftumbau des vorderen Stoßfängers;
Heckflügel im GT3- RS-Look auf MantheyEinstellelement ”MM 4 Grad”, einteiliger
Staudrucksammler auf dem Motordeckel;
orange Seitenstreifen analog 997 GT3 RS,
orange Spiegelgehäuse; Abschleppösen
vorn/hinten
Motor: flüssigkeitsgekühlter SechszylinderBoxer Typ M96/79, vier Ventile pro Zylinder
Hubraum: 3.600 ccm
Bohrung: 100 mm
Hub: 76,4 mm
Gemischaufbereitung: Bosch-Motronic ME
7.8; sequenzielle Multi-Point-Saugrohreinspritzung
Nummer sicher: Ein tief geschüsseltes Lenkrad ohne Airbag wäre passender, doch das Dreispeichen-Serienvolant blieb
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Manthey-Motorkit ”K410”: Leistungssteigerung nur durch Eingriffe in die Peripherie des Sechszylinder-Saugmotors
Aufbau: Manthey-Motorkit ”K410 GT304”, bestehend aus Abgaskrümmern,
Motorsport-Katalysatoren, Endschalldämpfer, Auspuff-Endrohren, Auspuffhaltern im
Tausch, Bosch-Motronic-Anpassung, K+NSportluftfilter-Element, Prüfstandslauf zur
exakten Abstimmung, TÜV-Vorführung
seinen Platz. Die Recaro-Sitzschalen
sind starr, sie können nicht umgeklappt
werden. Schroth-Sechspunktgurte,
Airbag-Lenkrad und Handfeuerlöscher
sind Zugeständnisse an meine Sicherheit. Mich hat zwar der Pisten-Bazillus
erwischt. Dennoch will ich alles getan
haben, um Risiken zu vermeiden. Der
Laptimer vorn an der Mittelkonsole ist
kein Widerspruch. ”Hot Lap” steht auf
dem kleinen Kasten. Ich setze ihn ein,
um bei Sportfahrerlehrgängen meine
Fahrweise zu kontrollieren. Dabei fühle
ich mich wohler als auf der linken Spur
irgendeiner Autobahn. Wenn man so
will, habe ich meinen Porsche gezielt
auf schnelle Runden einstellen lassen.
Mögliches Motto: Ready for your hot lap.
Damit kann ich leben.
Text: Carsten Beine, aufgezeichnet von
Carsten Krome
Fotos: Carsten Krome
04er 911 (996) Carerra GT3
Eigenschaften: 23 PS Motorleistung
sowie 20 Newtonmeter maximales Drehmoment zusätzlich (bei Manthey Motors
auf MAHA-Prüfstand ermittelt); 6,7 Kilogramm Gewichtseinsparung durch Abgasanlage
Auslieferung bei Manthey Motors:
31.01.2007
Serviceleistungen Manthey Motors: alle
sechs Zündkerzen und zwei Kerzenstecker
einschließlich Zündspulen erneuert, TÜVHauptuntersuchung, TÜV-Eintragung,
Abgasuntersuchung (G-Kat)
Motorleistung (Serie, Werksangabe): 381
PS bei 7.400/min
Normleistung (nach Modifikation): 414,4
PS
Motorleistung (Prüfstandsmessung):
400,6 PS
Radleistung (Prüfstandsmessung): 315,3
PS
Kraftübertragung: Sechsgang-Schaltgetriebe Typ G96/96, Heckantrieb
Radaufhängungen: Manthey/KW-Gewindefahrwerk, bestehend aus Haupt- und
Helferfedern sowie Gasdruck-Stoßdämpfen (stufenlose Einstellung der Zugstufe,
14-fache Einstellung der Druckstufe),
Gewinde-Federbeine in Edelstahl-Technologie, eloxierte Aluminium-Federteller;
gehärtete, verchromte Kolbenstangen;
Aluminium-Domlagersatz; einschließlich
Radlasten bei Manthey Motors vermessen
und eingestellt
Eigenschaften: Tieferlegung einstellbar
zwischen 10 und 30 Millimetern vorn
sowie zwischen 10 und 40 Millimetern
hinten; 1 Grad mehr Nachlauf, deutlich
verbesserter Geradeauslauf durch Domlagersatz
Bremsanlage: vorn rot lackierte Sechskolben-Aluminium-Monobloc-Sättel, hinten
Vierkolben-Sättel; gelochte, innenbelüftete Stahl-Scheiben auf geschraubten Aluminium-Bremstöpfen (350 mm Durchmesser
vorn/hinten); Clubsport-Reibbeläge Typ
RS19, SRF Racing Brake Fluid; StahlflexFlüssigkeitsleitungen
Eigenschaften: Reduzierung der ungefederten Massen an der Vorderachse
um 3 kg, um 60 Grad Celsius höherer
Siedepunkt gegenüber der Serie, erhöhte
Standfestigkeit
Räder: orange lackierte, modellspezifische
10-Speichen-Leichtmetallfelgen (8,5J x 18
vorn und 11J x 18 hinten)
Reifen: Michelin ”Pilot Sport Cup” (235/40
ZR18 vorn und 295/30 ZR18 hinten)
Interieur: Dreispeichen-Airbag-Lenkrad;
modellspezifische Recaro-Profilschalensitze mit schwarzen Lederbezügen;
Schroth-Sechspunktgurt ”Profi ll-6”; Handfeuerlöscher 2,0 kg Pulver; Überrollkäfig
”MM 996” mit Polsterung (44 bis 50 Millimeter Durchmesser), Original-Teppich zur
Käfigmontage ausgeschnitten, LongacreRacing-Laptimer Typ ”Hot Lap”
Leergewicht: 1.353 kg
Beschleunigung (0–100 km/h): 4,4 sec.
Höchstgeschwindigkeit: 306 km/h
Grundpreis zur Markteinführung (Modelljahr 2003): 120.788 Euro
aktuelle Laufleistung: ca. 65.000 km
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