Mottenweibchen riechen den besten Eiablageplatz

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Mottenweibchen riechen den besten Eiablageplatz
3. Juni 2013
Nr.5/2013 (110)
Mottenweibchen riechen den besten Eiablageplatz
Die veränderte Zusammensetzung von Blattduftstoffen nach Raupenfraß treibt
eiablegende Weibchen zu noch unbefallenen Pflanzen
Das Gehirn weiblicher Tabakschwärmermotten kann auf kleinste Veränderungen im
Duftprofil gasförmiger Verbindungen reagieren, die von Raupen befallenen Blättern
abgegeben werden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie
in Jena haben jetzt durch Freilandexperimente und neurobiologische Untersuchungen
herausgefunden, dass die Weibchen dadurch ihre Eier bevorzugt auf Blättern abzlegen
können, die weniger stark befallen sind. So sind ihre Eier und die daraus schlüpfenden
Larven vor Raubinsekten, die durch den duftenden Hilferuf der Pflanze angelockt
werden, besser geschützt und müssen zudem nicht mit den bereits am Blatt fressenden
Raupen um Nahrungsressourcen konkurrieren. (eLIFE, 14. Mai 2013, DOI:
10.7554/elife.00421)
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Calcium-Imaging im Gehirn (hier: Antennallobus) einer weiblichen Tabakschwärmermotte (rechts): Erkennbar
sind die unterschiedlichen Hirnbereiche, die aktiviert werden (rote Punkte), wenn die Motten (Z)-3- (linkes
Bild) oder (E)-2-Hexenylacetat ausgesetzt sind. Der Geruch des (Z)-3-Isomers oder ein (Z)-3 / (E)-2Mischungsverhältnis zugunsten des (Z)-3-Isomers − entsprechend dem Bouquet einer noch unbefallenen
Pflanze - führt eiablegende Mottenweibchen zu den noch unbeschädigten Blättern.
Copyright: Anna Späthe, Linda Kübler, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
„Grüner“ Blattduft
Pflanzen haben viele Verteidigungsstrategien gegen Fraßfeinde entwickelt. Außer
mechanischen Barrieren wie Dornen oder Stacheln produzieren sie Substanzen, mit
deren Hilfe sie sich Insekten und andere Pflanzenfresser vom Leib halten. Die
pflanzlichen Stoffe sind giftig oder haben eine abschreckende Wirkung. Manche werden
ständig von der Pflanze gebildet, andere, wie die gasförmigen „grünen“ Blattduftstoffe,
die für den typischen Duft frisch gemähten Rasens verantwortlich sind, werden erst
nach Verwundung oder Insektenbefall von der Pflanze freigesetzt. Sie haben sowohl
eine direkte Schutzfunktion, indem sie Fraßfeinde abschrecken oder in ihrer
Entwicklung hemmen, sie verteidigen die Pflanzen aber auch indirekt, indem sie die
Feinde ihrer Fraßfeinde anlocken.
Lockmittel für die Feinde der Feinde
Tabakschwärmerweibchen der Art Manduca sexta legen ihre Eier auf verschiedenen
Pflanzenarten ab, darunter Tabakpflanzen, aber auch dem Kalifornischen Stechapfel
(Datura wrightii). Aus den Eiern schlüpfen Raupen, die sofort beginnen, die Blätter ihrer
Wirtspflanze zu vertilgen. Um sich zu wehren, gibt die Pflanze grüne Blattduftstoffe ab,
die verschiedene Arten der Gattung Geocoris aus der Familie der Langwanzen anlockt:
Raubinsekten, die die kleinen Raupen fressen und damit der Pflanze nützen.
Einer dieser grünen Blattduftstoffe, die von Tabakpflanzen abgegeben werden, ist (Z)-3Hexenylacetat. Enzyme aus dem Speichel der Schwärmerraupen wandeln einen Teil
dieser Moleküle in (E)-2-Hexenylacetat um, dessen chemische Zusammensetzung zwar
identisch ist, das aber eine andere räumliche Struktur hat. Die aus dieser Umwandlung
resultierende Änderung im Duftprofil ist es, die die Geocoris-Raubwanzen auf den Plan
ruft: Sie erkennen, dass sich auf der Pflanze potenzielle Beute − kleine Raupen −
befindet.
Optimale Bedingungen für den Insektennachwuchs
Jetzt fanden die Max-Planck-Wissenschaftler einen weiteren interessanten Effekt dieser
chemischen „Duftumwandlung“: Weibliche Tabakschwärmermotten sind, wie Geocoris,
ebenfalls in der Lage, die besagte Änderung im grünen Duftprofil des Kalifornischen
Stechapfels zu erkennen, sobald dieser von Raupen befallen wird. Die Mottenweibchen
sind damit gewarnt, dass Raubwanzen von der Pflanze bereits angelockt werden, die
dann ihre frisch abgelegten Eier und ihren Raupennachwuchs attackieren könnten.
Tatsächlich meiden die Mottenweibchen befallene Pflanzen und bevorzugen andere,
noch unbefallene Pflanzen für ihre Eiablage. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass durch
dieses Verhalten ein Konkurrenzkampf der kleinen Raupen mit bereits vorhandenen
Artgenossen um Nahrung minimiert wird.
Interdisziplinäre Forschung: Ökologie und Neurobiologie
Die Forscher sind dem zugrundeliegenden neuronalen Mechanismus auf der Spur, der
es den Motten ermöglicht, kleinste Änderungen im Duftprofil einer befallenen Pflanze zu
erkennen. Neurologische Untersuchungen im Riechzentrum des Mottenhirns zeigten
unterschiedliche Aktivierungsmuster je nach Gabe von (E)- oder (Z)-Düften. Die beiden
Isomere des Hexenylacetats erregten zwei verschiedene Regionen im Riechzentrum
des Insekts, des sogenannten Antennallobus (s. Abbildung). „Dies lässt darauf
schließen, dass die Muttertiere einen jeweils Isomer-spezifischen Rezeptor und Nerv in
ihren Antennen besitzen“, so Bill Hansson, Direktor des Instituts. Derartige
neurobiologische Untersuchungen in Kombination mit ökologischen Freilandstudien
versprechen zukünftig weitere detaillierte Einblicke in das duftgesteuerte Verhalten von
Insekten in freier Natur und Landwirtschaft, so der Wissenschaftler.
Neue Strategien für den Pflanzenschutz?
Ein vergleichbares Verhalten ist auch von Kartoffelkäfern (Leptinotarsa decemlineata)
bekannt. Eine künstliche Anreicherung von (Z)-3- oder (E)-2-Hexenol, (E)-2-Hexanal
oder 1-Hexanol an Kartoffelpflanzen ließ eiablegende Kartoffelkäferweibchen in ihrem
Verhalten orientierungslos erscheinen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sind
pflanzenschützerische Maßnahmen denkbar, die mithilfe gezielter Duftapplikationen
eiablegende Schadinsekten von Feldfrüchten fernhalten und so einen Raupen- und
Käferbefall minimieren könnten. [AO/JWK/McLennan]
Originalveröffentlichung:
Allmann, S., Späthe, A., Bisch-Knaden, S., Kallenbach, M., Reinecke, A., Sachse, S.,
Baldwin, I. T., Hansson, B.S. (2013). Feeding-induced rearrangement of green leaf
volatiles reduces moth oviposition. eLife 2:e00421. DOI: 10.7554/eLife.00421
http://dx.doi.org/10.7554/eLife.00421
Weitere Informationen von
Prof. Dr. Ian T. Baldwin, +49 3641 57-1101, [email protected]
Prof. Dr. Bill S. Hansson, +49 3641 57-1401, [email protected]

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