Lese probe - ARENA Verlag

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Lese probe - ARENA Verlag
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Jana Frey wurde 1969 in Düsseldorf geboren. Nach
ihrer Schulzeit in Wiesbaden studierte sie in Frankfurt,
San Francisco und Auckland/Neuseeland Literatur, Kunst und Geschichte. 1994 erschien ihr erster
Jugendroman. Inzwischen hat sie zahlreiche von der
Presse hoch gelobte Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben.
Zadoc liebt alles an Ivory. Ihr Haar, das sämtliche Farben des Herbstes hat.
Der ständig wechselnde Ausdruck aus ihren winterhimmelblauen Augen.
Und vor allem ihren Geruch nach Wind und Widerstand.
Kenzie liebt alles an Amos. Seine hellgrün schimmernden Augen, sein Lachen und Lächeln, seine Musik, seine Art, sich zu bewegen, seinen Gang.
Und sie liebt es, dass er zu ihr gehört. Zu ihr ganz allein.
Zwei Liebende. Zwei Schicksale. Und eine Geschichte, in der alles, aber
auch alles miteinander verbunden ist.
Jana Frey
Liebeskinder
384 Seiten • 13,5 x 20,5 cm
Gebunden mit Schutzumschlag
€ 16,99 [D] € 17,50 [A]
CHF 24,00
978-3-401-06787-2
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ZADOC,
AUGUST 2013
Die Sonne kam hinter den Wolken hervor, warf Lichtstreifen
durch die Zweige des Mangobaumes, der höher war als alle
Bäume der Nachbarschaft. Schatten tanzten auf dem Boden
und Zadoc starrte auf diesen Kontrast zwischen Dunkel und
Hell. Mit den Fingern, die in den Taschen seiner Jeans steckten,
zeichnete er die sich immerzu bewegenden Lichtstreifen nach.
Zadoc wartete auf Ivory. Im Grunde wartete er immer auf
Ivory. Früher, als sie klein gewesen waren, war sie oft gekommen, inzwischen kam sie seltener.
Was das Lebendige an Ivory Perlman war:
1. Ihr Haar, das sämtliche Farben des Herbstes hatte.
Als Kind war Zadoc oft mit den Händen durch dieses rotbraune
Gewirr gefahren, andächtig und fast glücklich; heute berührten sie
sich kaum noch. Zadoc hatte Angst, dass es Ivory bestimmt nicht
mehr recht war, wenn der Irre, der Spinner, der Alleingänger, der
Stille, der Versager, der Einsame, der Gefährliche sie anfasste.
2. Der ständig wechselnde Ausdruck in ihren winterhimmelblauen Augen.
»Wie machst du das? Was ist mit deinen Augen?«
»Was soll mit ihnen sein, Zadoc? Ich mache nichts mit ihnen.«
3. Ihr Geruch nach Wind und Widerstand.
»Wind? Okay. Vielleicht verstehe ich das noch. Aber Widerstand?
Zadoc, also ehrlich! Erstens: Wie soll Widerstand denn riechen?
Und zweitens: Welcher Widerstand? Was meinst du damit?«
Zadoc wusste, was er meinte. Und Ivory wusste es im Grunde
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auch. Sie widerstand seit vielen Jahren dem Gesetz von Springfield, Zadoc wie einen Aussätzigen, wie einen Verrückten zu
behandeln.
Sie kam. Sie kam tatsächlich. Zadocs Herz tat etwas, was sich
wie Stolpern anfühlte, tief in seiner Brust, als Ivory am Ende
ihres Gartens auftauchte.
»Hi, Zadoc.«
»Hi, Ivory.«
Sie sahen sich an und Ivory überwand den Zaun, der die Grenze zwischen den weitläufigen Grundstücken des Ally Pallys und
des Hauses bildete, das Zadoc und seine Mom besaßen. Dabei
lächelte sie dieses Lächeln, das sie nur ihm schenkte. Jedenfalls
soweit er das beurteilen konnte. Und er konnte eine Menge beurteilen, denn sooft es ging, behielt er Ivory im Auge, auch wenn
das zusehends komplizierter wurde.
»Wie geht es dir, Zadoc? Was machst du so, jetzt wo die ganze
Lernerei für deinen Abschluss ein Ende hat?«
Was sollte er antworten? Er wollte so gerne normal und banal sein, wie Joel oder Ramón zum Beispiel, den beiden Kerlen,
mit denen Ivory letztes und vorletztes Wochenende ausgegangen war. Einmal, in Joels Fall, zusammen mit ein paar anderen
aus Springfield – den Namenlosen. Letzten Samstag dann war
sie ganz alleine mit Ramón unterwegs gewesen. Zadoc wusste
nicht, was schlimmer war, und er hätte sich übergeben können
vor Wut und Verzweiflung.
Was machst du so, wollte Ivory also wissen.
»Nichts Besonderes«, beantwortete Zadoc schließlich ihre
Frage und wollte doch etwas ganz anderes sagen.
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Er dachte mit einem unbehaglichen Gefühl an alles, was Ivory
von ihm wusste. Und was noch schlimmer war, da waren eben
auch die Dinge, die sie nicht wusste. Nicht wissen durfte.
Die Grundschule hatten sie noch zusammen besucht. Und
auch die Junior Highschool. Zuerst war er eine Klasse über ihr
eingeschult gewesen, aber irgendwann hatten sie ihn runtergestuft, hinunter in Ivorys Jahrgangsstufe, um ihm das Lernen –
und das Leben – leichter zu machen. Genützt hatte es nichts.
Wie auch, wenn die Namenlosen immerzu und überall Hatz auf
ihn machten?
Irgendwann hatte der Spießrutenlauf dann ein lehrerkonferenzbeschlossenes Ende gehabt und seine Mom hatte ihn zu
Hause weiter unterrichtet. Bis zu seinem Highschoolabschluss
im letzten Monat hatte er es so gebracht. Es war ein verdammt
einsamer Highschoolabschuss gewesen. Vier Lehrkörper der
John-Tyler-Highschool, von der er hatte fliehen müssen, hatten
ihm die Prüfung an einem stillen Samstag inmitten des stillen
Schulgebäudes abgenommen. Mit nachsichtigen Gesichtern.
In einfachen Fächern. Es war schnell gegangen. Unheimlich
schnell. Er hatte jetzt ein Diplom, aber es war eines der unteren
Kategorie. Viel würde er damit nicht anfangen können.
»Bist du nicht froh, dass du es geschafft hast?«, erkundigte sich
Ivory weiter. »Dass es jetzt vorbei ist?«
Zadoc schwieg. Froh?
Nein, er war nicht froh. Denn sein Leben hatte sich dadurch
nicht geändert. Wie auch?
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Ihm kam ein Gespräch zwischen Ivory und ihrer Freundin
Marcy in den Sinn, das er vor ein paar Tagen belauscht hatte,
verborgen zwischen den großen Rhododendronbüschen.
»Nun sag doch mal, Ivy«, hatte Marcy gedrängt. »Verschwindet dieser Typ jetzt endlich aus Springfield?«
Die beiden Mädchen hatten im Garten der Perlmans gesessen
und ihre Gesichter in die Sonne gehalten.
»Denn das wäre wirklich besser für dich«, hatte Marcy dazugesetzt. »Ich meine, früher war schon schlimm genug, dass du
dich ständig mit ihm getroffen hast, aber jetzt? Ivy! Du spielst
doch in einer ganz anderen Liga als dieser Irre! Du könntest, so
wie du aussiehst, jeden haben! Joel Parker, Ted Clark, Ramón.
Alle. Aber dir muss doch klar sein, dass es der volle Abturner ist,
wenn alle wissen, wie gerne du mit dem Bekloppten zusammen
bist! Tagelang verlässt er das Haus nicht! Ehrlich, gegen den war
Forrest Gump noch ein nettes, helles Kerlchen.«
»Marcy, hör auf! Hör sofort auf!« Ivorys Stimme hatte scharf
geklungen. »So wie du über ihn redest, klingt es, als wäre er ein
Monster.«
»Woher weißt du, dass er keins ist, Ivy?«
Auf einmal war es ganz still. Eine ganze Weile lang.
»Ehrlich, Ivory, wir sind nur besorgt deinetwegen«, hatte Marcy
insistiert.
»Das. Ist. Alles. Unsinn«, hatte Ivory mit fester Stimme gesagt.
»Er ist so wie er ist. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.«
Zadoc wusste nicht, wie oft sie ihn auf diese Art verteidigt hatte. Jahrelang hatte sie die Namenlosen, die ihn quälten, verach6
tet und ihnen die Stirn geboten. Statt mit ihnen auf Spielplätze
und ins Schwimmbad zu gehen, hatte sie, wann immer es ihr
möglich gewesen war, seine Gesellschaft vorgezogen.
Aber, das fragte er sich schon so lange Zeit, würde sie auch so
über ihn denken, wenn sie sein Geheimnis wüsste, das er nun
schon so lange Zeit hütete? Erfuhr, was er wirklich getan hatte?
»Zadoc, was ist denn?«, fragte Ivory jetzt leise. »Woran denkst
du?«
Er sah sie an. »Erinnerst du dich noch, was deine Schwester
mal über Menschen gesagt hat, die an Halloween geboren sind?«
»Keine Ahnung. Nein. – Was hat sie gesagt? Bestimmt etwas
Idiotisches. Hailey sagt meistens Idiotisches«, antwortete Ivory
achselzuckend.
»Sie hat gesagt, Menschen, die an Halloween geboren werden,
seien Wechselbälger.«
»Ach ja!« Ivory lachte kurz auf. »Typisch für Hailey.«
Zadoc schüttelte den Kopf. »Es ist etwas dran, glaube ich. Wenigstens – in Bezug auf mich.«
»Unsinn, Zadoc.«
»Doch.«
»Wie kommst du denn darauf?«
Fragte sie das wirklich? Fragte ihn, den Idioten, der Visionen
hatte? Halluzinationen? Der einschlief, wenn helllichter Tag
war, und der dafür nachts wach lag, wenn alle schliefen, und
sein Herz im ganzen Körper schlagen spürte?
»Ich ... ich muss endlich mit jemandem darüber reden – Ivory.
Über ... über mich.«
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Sie sah ihn an, die braun-in-braunen Haare mit den rot-inroten Strähnen darin, und schwieg. Was lag da in ihrem Blick?
Sorge? Mitleid?
Aber wie lange noch, bis sich dieser Blick in Unwillen verwandeln würde? Etwas veränderte sich gerade, auch wenn es
nicht sein Leben war. Ivory ging ihren Weg, ging andere Wege.
Und Joel und Ramón waren beunruhigender Teil dieser Veränderung, die Zadoc spürte, als würde Springfield unter seinen
Füßen ununterbrochen von schweren Erdbeben erschüttert. Er
musste, er musste einfach mit Ivory sprechen, vielleicht gab es
nicht mehr viele Gelegenheiten.
»Ivory? Könnest du mir zuhören? Bitte?«, begann er leise.
Ivory nickte und lächelte ihn mit diesem besonderen Ausdruck von Zuversicht an, den nur sie hatte. Schon als kleines
Kind hatte sie ihn so angesehen, sogar das allererste Mal, als sie
sich begegnet waren.
»Es gibt da etwas über mich, das du ...«
»Zadoc?«
Er fuhr herum. Verdammt, nie hörte er sie kommen. Auch
Ivory hatte sie augenscheinlich nicht bemerkt, denn sie fuhr
ebenfalls zusammen und richtete sich auf.
»Hallo, Mrs Wanstall«, sagte sie dabei leise und höflich, wie
sie es immer war, und hob die Hand gegen die blendende Nachmittagssonne.
»Hallo, Ivory», antwortete seine Mutter mit dieser Stimme, die
sie speziell für die Familie Perlman reserviert hatte. Sie mochte
Ivory nicht, hatte sie aus unerfindlichen Gründen nie gemocht.
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Jetzt wandte sie sich an Zadoc.
»Wie geht es deiner Migräne? Du solltest bei dieser Hitze nicht
im Freien sitzen, Schatz.«
»Mir geht es gut, Mom«, sagte Zadoc ärgerlich und nahm erst
jetzt wahr, wie intensiv die Luft in diesem Teil des Gartens nach
Sommer roch. Nach reifen Mangos, nach trockenem Gras, nach
warmer Erde und nach dem etwas schlammigen Wasser des
kleinen Bachlaufs. Vorher waren alle seine Sinne komplett mit
Ivory beschäftigt gewesen. Dem Sonnenglanz in ihren Herbstfarbenhaaren. Dem Anblick ihrer kleinen Ohren mit den angewachsenen Ohrläppchen.
»An dieser Art Ohrläppchen erkennt man egoistische Menschen,
Zadoc«, sagte seine Mutter manchmal.
Warum nur war seine Mutter ausgerechnet in diesem Moment
aufgetaucht? Er war so kurz davor gewesen, sich Ivory anzuvertrauen. Endlich alles zu sagen. Seine Mom musste eine Art inneren Radar haben. Sie warnte ihn immer wieder, keiner Menschenseele anzuvertrauen, was er getan hatte.
»Sie würden es nicht – verstehen, Zadoc«, hatte sie so oft gesagt. »Glaub mir, Menschen sind grausam. Voller Vorurteile.
Und voller Misstrauen. Sie würden sich vor dir fürchten und
dich isolieren.«
Aber taten sie das nicht sowieso?
»Es könnten schreckliche Konsequenzen eintreten, die dir im
Moment vielleicht gar nicht so klar sind.«
Ivory schaute ihn unschlüssig an, dann sah sie zu Mrs Wanstall
hoch. »Eigentlich waren wir mitten in einem Gespräch«, begann
sie zögernd.
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Zadoc warf ihr einen Blick zu, einen hastigen Blick. »Ein andermal«, murmelte er und stand auf.
Ivory nickte. An ihren Bewegungen sah er, dass sie nicht einverstanden war, aber sie würde nachgeben. Und er wusste, dass
er wieder einmal die Gelegenheit verpasst hatte.
Einmal mehr.
FREMONT,
KALIFORNIEN,1979
J
» anis, komm!«, rief Kenzie aufgeregt.
»Was ist?«
Janis schaute für einen Moment von den Ausschneidepuppen
hoch, mit denen sie gerade bastelte. Kenzie war am Fenster und
deutete auf den alten Buick, der gerade in die Einfahrt eingebogen war.
»Daddy ist da! – Endlich.«
Kenzie rutschte eilig von der Fensterbank, auf der sie gesessen und gelesen hatte, ergriff die Hand ihrer jüngeren Schwester
und die beiden lächelten sich vielsagend an.
»Das wurde aber auch Zeit«, sagte Janis dann und schob sich
ihre hellen Haare aus der Stirn.
Hap(py) Swindells Kommen und Gehen:
Zum ersten Mal tauchte er 1946 auf, als er als Sohn eines Bier-
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brauers und einer Sekretärin in Cleveland, Ohio, geboren wurde.
1968 zog es ihn als Zweiundzwanzigjährigen nach Kalifornien.
Er glaubte damals fest daran, homosexuell zu sein, und seine Eltern waren in großer Aufruhr deswegen.
Kaum in San Francisco angekommen, lernte er im HaightAshbury-Viertel Insel Hathaway kennen und verliebte sich Hals
über Kopf in sie.
»Mom, Dad, regt euch wieder ab! Ich bin wohl doch nicht homosexuell!«, schrieb er seinen Eltern in einem Telegramm, was Ross
und Rose Swindell zu Hause in Cleveland enorm erleichterte. Sie
regten sich ab. Allerdings hielt die Erleichterung nicht lange an.
Denn Hap teilte seinen Eltern nur kurze Zeit später mit, dass er
zwar Vater würde, sein zukünftiges Kind jedoch bei seinen zwei
Müttern aufwachsen werde. Drei Jahre später schickte er seinen
Eltern einen Brief ähnlichen Inhalts, in dem er die Geburt seiner
zweiten Tochter Janis bekannt gab.
Allerdings vergaß er diese Kinder nach und nach. Zu Beginn
kam er wöchentlich. Hap(py) Swindell war verzaubert von seinen
Babys. Er wickelte, fütterte, sobald sie nicht mehr gestillt wurden,
er strahlte, als sie es schafften, die ersten Schritte auf eigenen Füßen zu gehen. Stundenlang sang er für sie und besuchte Spielplätze
mit ihnen. Aber mit der Zeit verschoben sich seine Schwerpunkte
und als Kenzie vierzehn und Janis elf Jahre alt waren, kam er zum
letzten Mal.
Ab 1990 lebte Hap dann doch mit einem Mann zusammen.
Gemeinsam gründeten sie ein sich schnell etablierendes AirlineCatering und verdienten ein Vermögen damit.
Hap Swindell bekam keine weiteren Kinder.
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Im Jahr 2014 wird er achtundsechzigjährig bei einem Autounfall
in Los Angeles ums Leben kommen.
»Dad! Daddy!«, riefen Kenzie und Janis und eilten die Treppe
hinunter.
»Hi, meine Prinzessinnen«, antwortete Hap, während Janis
ihm in die Arme flog. Kenzie blieb neben den beiden stehen.
»Na, und du?«, fragte Hap, als er Janis endlich abgesetzt hatte.
»Bekomme ich von dir etwa keine Umarmung?«
»Doch«, sagte Kenzie und ließ sich von ihrem Vater in den
Arm nehmen und schloss sogar für einen Moment die Augen.
Er roch gut wie immer. Kenzie liebte den Duft seines Aftershaves und seiner Haut. Sie hatte auch sein kratziges Kinn gerne.
Und sie liebte es, wenn er sie fest in den Arm nahm, so wie in
diesem Moment.
»Daddy, du warst fast ein halbes Jahr nicht hier«, beschwerte
sich Janis, während sie alle zusammen ins bunte Zimmer drängten, das im Grunde ein ganz normales Wohnzimmer war, nur
eben sehr bunt eingerichtet und dekoriert, wofür Insel gesorgt
hatte. Und darum hieß es statt Wohnzimmer bei den Hunts
buntes Zimmer.
Kenzie fühlte sich aufgewühlt und wackelig. Viel länger hätte
ihr Dad sie festhalten sollen zur Entschädigung für all die Monate, in denen er sich nicht hatte blicken lassen. Hatte er Janis
nicht deutlich länger im Arm gehabt?
»Ich weiß, Janis«, sagte Hap reumütig, nahm ihre schmale
Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste sie zweimal. »Aber
ich hatte viel um die Ohren, verstehst du?«
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Er warf sich auf das karminrote, durchgesessene Sofa, kickte
sich die Schuhe von den Füßen und legte die Beine hoch. »Wo
sind Mummy und Mummy überhaupt?«, erkundigte er sich dabei. »Ihr solltet nicht alleine im Haus sein, das habe ich Leetha
doch schon so oft gesagt.«
»Leetha unterrichtet in der Sommerschule«, erklärte Kenzie.
»Und Inni gibt einen Malkurs im Seniorenheim“, fügte Janis
hinzu und kuschelte sich an ihren Dad, während Kenzie Rootbeer für Hap aus der Küche holte, weil sie wusste, wie gerne er
Rootbeer trank.
»Danke, Schatz«, sagte Hap auch prompt und lächelte seiner
ersten Tochter dankbar zu. »Wie geht es denn deinem Auge? Es
ist besser geworden, oder?«
Kenzie nickte.
»Aber sie muss es trotzdem nochmal operieren lassen«, rief
Janis. »Beim letzten Mal war es ganz schrecklich, Daddy! Du
hättest sehen sollen, wie es aussah! Richtig gruselig!«
Janis verzog das Gesicht und hielt sich zuerst das eine und
dann das andere Auge zu. »Zum Glück schiele ich nicht! ›Kein
bisschen‹, sagt der Augenarzt!«
Sie machte ein sehr zufriedenes Gesicht.
Eine unbedeutende Nachbarschaftsanekdote – nur bedeutsam für
Mackenzie Hunt (und vorgekommen im Herbst 1976):
Kenzie war damals gerade sieben Jahre alt, Janis war vier, und
die beiden Kinder spielten in der Hauseinfahrt, als eine alte Nachbarin ihr Auto in der Nachbareinfahrt parkte. Sie stellte den Motor ihres Wagens ab, stieg aus, schloss die Wagentür, verriegelte
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sie sorgfältig, sah zu ihren beiden Nachbarskindern hinüber, beschloss, ihnen für einen Moment beim Spielen zuzuschauen, um
deutlich zu machen, wie gerne sie die beiden Kleinen hatte, auch
wenn sie gelegentlich sehr viel Lärm machten und sehr unorthodox mit zwei »Müttern« zusammenlebten, was nicht jedem in der
Nachbarschaft gefiel.
Und sie waren ja auch wirklich nette, ansprechende Kinder. Vor
allem die kleine Janis mit ihren hellen Löckchen und den großen,
blauen Augen.
»Na, ihr Lieblinge«, sagte die Nachbarin freundlich beim Näherkommen.
Kenzie lächelte schüchtern, aber Janis war nicht schüchtern. Sie
sagte etwas wie »Guten Morgen, guten Mittag, guten Abend« zu
der Nachbarin. Hap sagte das manchmal zu ihnen, wenn er kam.
Die Nachbarin lachte.
»Du bist so eine süße Maus«, erklärte sie freundlich und fuhr
Janis über den Kopf. »Eine wahre Augenweide mit deinen Ringellöckchen und deinen leuchtenden Blauaugen! Wie ein leibhaftiges Engelchen, wirklich!«
Ihr Blick wanderte weiter zu Kenzie, die sich mit ihrem Hüpfseil
abmühte. »Und du, arme Maus? Wie geht es deinen Augen? Und
wie lange musst du dieses Pflaster eigentlich noch tragen, hm? Du
bist so ein Dünnchen, Kenzie. Isst du denn genug? Vitamine sind
sehr wichtig, hörst du? Vor allem für so ein halbes Portiönchen wie
dich.« Kenzie hatte diese Worte nie vergessen.
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914.140
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