Süditalien für Kurzentschlossene – oder: ohne Plan nach Apulien

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Süditalien für Kurzentschlossene – oder: ohne Plan nach Apulien
Süditalien für Kurzentschlossene – oder: ohne Plan nach Apulien
Bis zum Vorabend unserer Abreise Ende Juni 2010 stand unser Urlaubsziel eigentlich fest:
Kroatien, irgendwo wo es schön ist. Zwei Wochen einfach nur Paddeln, Schnorcheln und ohne
konkretes Ziel mit der Vespa durch die Landschaft sausen.
Als auch am Morgen der geplanten Abreise der Wettergott dem italienischen Süden nach wie vor
gnädiger schien als den Kroaten, haben wir bei bereits laufendem Diesel nochmal umdisponiert.
Apulien, genauer Gargano hieß das wetterbedingt neue Ziel. Also schnell nochmal zurück ins Haus
und ein paar Süditalienführer ins Gepäck...et via!
Am Samstag, den 19.06.2010 ging es los.
Die Fahrt über den Brenner lies nichts Gutes erwarten...dicke Wolken über Norditalien. Dafür
wurde uns die sonst so langweilige und eintönige Fahrt durch die italienische Po-Ebene von
extremen Regengüssen etwas versüßt. Stellenweise goss es wie aus Kübeln, trotzdem hielten die
Seitenfenster dicht und mein Bett wurde nicht Opfer der Naturgewalten wie vor zwei Jahren in
Frankreich.
Ein paar km südlich von Ancona steuerten wir den netten Stellplatz in Riccione an. Die Ortschaft
liegt auf einem Hügel ca. 10 km von der A14 entfernt und ist mit seinem netten Altstadtkern,
einigen Restaurants und dem schattigen Stellplatz des örtlichen Campingvereins für einen
Zwischenstop wie geschaffen. Der Stellplatz liegt allerdings hinterhalb des Marktplatzes der Stadt,
daher ist an Samstagen keine Abreise vor 14:00 Uhr möglich, da dann die Ausfahrt von den
Händlern blockiert ist. Strom, Wasser und Entsorgung sind kostenlos. Als Belohnung für die
mageren knapp 900 Tageskilometer gab es (trotz tollem Ausblick vom Restaurant!) ein sehr feines
Abendessen im Restaurant „Torre Antica“.
Die Koordinaten des Stellplatzes und ein paar Bilder vom Ort:
N 43° 24,182'
E 13°33,041'
Der Stadtplatz von Recanati
Abendstimmung in Recanati
Sonntag, 20.06.2010:
Weiter gehts Richtung Gargano. Nach ca. 300km auf der hier nun teilweise landschaftlich schön
geführten A14 ist die Abfahrt zum Gargano erreicht. Das Küstengebirge ist schon seit einigen
Kilometern zu sehen. Unser erstes Ziel ist Vieste, die Ortschaft an der Spitze des Gargano. Die
letzten knapp 100km auf der teilweise sehr gut ausgebauten SS sind auf den ersten Kilometern
landschaftlich nur wenig reizvoll und wir begannen zu grübeln, ob der Gargano nun wirklich ein so
toller Tip sei. Diese Bedenken verstärkten sich nach der Ankunft in Vieste. Die südliche
Strandmeile ist das pure Grauen! Mehrere Kilometer fast gerades Asphaltband, links der Sandstrand
und die Sonnenschirmreihen, dahinter Bars und Ristorantes. Auf der rechten Straßenseite Hotels
und Campingplätze. Erinnerungen an Kinderurlaube in Bibione wurden wach....
Wegen der hier ständig präsenten Carabinieri ergriffen wir nur mit den genehmigten 30 km/h die
Flucht Richtung Süden und fanden nach ein paar Minuten Fahrt das vor, was wir erwartet hatten:
Eine grandiose, stark zerklüftete Felsenküste, in der eine Bucht die Nächste jagt. Dem ADACCampingführer folgend fuhren wir ca. 9 km südlich auf der Küstenstraße SP53 zum Campingplatz
Baia di Campi. Der große Platz liegt in einer der vielen Buchten und bietet von den vorderen
Stellplätzen eine tolle Aussicht auf das Meer und das Küstengebirge. Also ein dickes Lob für den
deutschen Autofahrerverein für die gute Vorauswahl des Platzes. Südlich von Vieste, also im
landschaftlich sehr reizvollen Teil des Küstengebirges, nimmt die Zahl der Campingplätze rasant
ab. Neben dem Baia di Campi haben wir entlang der Küste nur noch zwei weitere Plätze entdeckt.
Unser Platz hatte einen perfekt sortierten kleinen Supermarkt, eine Bar und ein gutes Restaurant,
das wir im Laufe unseres siebentägigen Aufenthalts mehrmals heimsuchten. Erfreulicherweise
hatten wir das Glück, noch einen der letzten Stellplätze in der ersten Reihe am Meer zu ergattern.
Sofort kamen die Kajaks vom Dach und wir stachen zum ersten Mal in die am Sonntag noch ruhige
See.
Die Koordinaten des Platzes und einige Bilder:
N 41°48,959'
E 16°11,645'
Irgendwo im Bild ist ein Pössl versteckt...
Der Ausblick vom Platz
Montag 21.06.2010 - Sonntag 27.6.2010
Sieben Nächte war dieser schöne Campingplatz nun unser Ausgangspunkt für Exkursionen mit den
Kajaks und der Vespa. Zwischen Vieste und Mattinata ist die Küste eine einzige Abfolge von
Höhlen, Grotten und kleinen Buchten– ein Paddlerparadies. Ein paar Eindrücke aus der
Kajakperspektive:
Einige Höhlen haben das Ausmaß einer kleinen Turnhalle...
...bei manch anderer Höhle ist die Decke eingestürzt
...und so manche kleine einsame Bucht lädt zum Schnorcheln ein.
Da wegen des teilweise kräftigen Wellengangs nicht an allen Tagen paddeln angesagt war, haben
wir die Gegend auch mit der Vespa erkundet. Ein paar Kilometer weiter südlich auf der SP53
kommt man zu einem bemerkenswerten Stand an einer Baya, an der auch ein weiterer
Campingplatz in dieser landschaftlich prachtvollen Zone liegt. Dieser Platz liegt allerdings einige
hundert Meter hinter dem Strand in der Bucht. Daher ist hier ein kurzer Fußmarsch zum Strand der
Preis für die außerordentlich schöne Felsküste.
Die Baya Viganotica, auch durch einen ca. 1-stündigen Wanderweg von der SS53 erreichbar.
Neben den Küsten haben wir auch die Orte der Region und weitere Teile des „Parco Nazionale del
Gargano“ erkundet.
Die Altstadt von Vieste,
„malerisch“ auf einem
Felsen ins Meer gebaut,
ist wegen der starken
Erosion des Kalksteins
teilweise vom Einsturz
bedroht.
Vieste ist, gemessen an anderen italienischen
Altstädten nicht unbedingt ein absolutes Highlight,
bietet aber dennoch so manches schattiges Gässchen
zum Erforschen. Der Wandel vom Fischerort zum
Touristenzentrum ist natürlich nicht zu übersehen.
Die Baya delle Zagare, ein weiteres
idyllisches Plätzchen...
...das wir auf dem Weg ins Hinterland des „Parco Nazionale del Gargano“ erkundet haben. Der
Nationalpark ist abseits der Küste im wesentlichen ein Pinienwald mit unterschiedlich heftigen
wilden Müllablagerungen. Die SP52 führt passähnlich durch dieses Gebiet. Vom Fotografieren
hielten uns die schweren Gewitterwolken ab, die drohend am Küstenmassiv anstanden. Also rein
ins Regenzeug und nichts wie zurück zur Küste. Auf dem Rückweg besichtigten wir noch Peschici,
einen der Küstenorte der Region. Zwischen Pesischi und Vieste sind entlang der Küste sehr viele
Campingplätze, wovon einige auch sehr schön gelegen sind. Die Küste ist hier allerdings deutlich
weniger spektakulär als südlich von Vieste.
Diesen anstrengenden Tag beendeten wir mit
frischem Fisch, frühmorgens vom Fischer
gekauft und selbst ausgenommen. Eine echte
Herausforderung für einen Bayern...
Nach den paar gemütlichen Tagen mit Paddeln, Schnorcheln und Vespatouren, begannen wir die
Weiterreise zu planen, denn eine Woche an einem Ort ist schon eine sehr lange Zeit. Aber einmal
mußten wir doch noch mal lospaddeln, diesmal in nördliche Richtung. Ziel war der große
Rundbogen, der in jedem Apulien-Reiseführer zu finden ist.
Sonntag, 27.06.2010.
Es hilft alles nichts, wir müssen weiter. Es gibt einfach zu viel zu sehen in dieser Region, um nur an
einem Ort zu bleiben. Mittlerweile haben wir jede Menge Ideen, allerdings keinen strukturierten
Plan zu unseren weiteren Taten. Das erste Etappenziel heißt Trani, eine Hafenstadt mit der
eindrucksvollen Kathedrale San Nicolo Pellegrino.
Die Fahrt aus dem Gargano in Richtung Manfredonia ging dank der gut ausgebauten Straße
deutlich schneller als erwartet. Das ist auch gut so, denn bei Manfredonia ist man um jeden
Kilometer froh, den man schnell hinter sich bringt. Die Landschaft ist einfach nur öde, die
Highlights sind die Anlagen der reichlich vorhandenen petrochemischen Industrie. Ich kann mich
erinnern, in einem Reiseführer gelesen zu haben daß sich in der Gegend um Zapponeta ein „nichts
wie weg“-Gefühl einstellt. Besser kann man es nicht beschreiben...
Die Kathedrale von Trani hielt, was der Reiseführer versprach.
Eine von mehreren Krypten der
Kathedrale. Im Laufe der
bewegten Geschichte dieses
Bauwerks wurden mehrere
Kirchen übereinander gebaut.
Da der Tag noch jung war, ging es nach der Kathedrale weiter Richtung Castel del Monte – dem
Staufferzeugnis in dieser Region.
Bereits bei der Anfahrt zu diesem
Bauwerk kam mir der Monolith
aus Stanley Kubricks „Space
Odyssey“ in den Sinn...
...und dieser Eindruck sollte sich in der
Nähe des merkwürdigen Oktagons noch
weiter verstärken. In der Hauptsaison
wird dieses Monument angeblich
hauptsächlich von Deutschen
Reisebusgesellschaften heimgesucht.
Nächstes Tagesziel: Der „Pulo di Puglio“ – für die einen ein Loch in der Landschaft, für die
anderen eine geomorphologische Attraktion. Bei den Pulos handelt es sich um eingestürzte Höhlen,
die in der Frühgeschichte bewohnt waren.
Der Pulo di Puglio. Die letzten
Kilometer zu dieser „Attraktion“ führen
über einen staubigen Feldweg, die arme
Vespa am Heck war anschließend trotz
der Schutzdecke schön eingepudert.
Nun war es an der Zeit, einen Übernachtungsplatz anzusteuern. Wir fuhren weiter nach Matera, das
wir am folgenden Tag besichtigen wollten. In verschiedenen Informationsquellen und sogar in
unserem Navi war ein Agriturismus in der Nähe von Matera sowie ein Stellplatz mitten in Matera
aufgeführt. Es gab nur zwei Probleme:
Erstens existiert der Stellplatz nicht mehr, am angeblichen Ort war schweres Baugerät mit der
Umgestaltung des Parkplatzes zu einem Park beschäftigt. Und zweitens waren die Koordinaten des
netten Agriturismus mit bester Küche in unserem Navi falsch programmiert. Dadurch kamen wir in
den Genuß einer mehrmaligen Durchquerung von Matera mit dem Pössl und wir lernten dabei
italienische Camper kennen, die ebenfalls auf der Suche nach dem Agriturismus waren. Auch deren
Navi hatte die falschen Koordinaten gespeichert. Als wir Abends bereits beim Essen saßen, riefen
immer noch WoMo-Fahrer beim Wirt an um sich nach dem Weg zu erkundigen. Vielleicht sollte er
die Daten doch mal korrigieren lassen...
Hier also sehr wertvolles Datengut, die richtigen Koordinaten der Azienda Agriturismo Masseria
del Campaleone Matera (ca. 500m stadtauswärts vom Krankenhaus):
N 40°39,155‘
E 16°36,366‘
Der nette Agriturismus mit guter
Küche in der Nähe von Matera. Ein
guter Ausgangspunkt für die
Erkundung der Sassi. Ver/Entsorgung sowie Duschen und
Toiletten.
Montag, 28.06.2010
Heute steht die Erkundung der „Sassi“ auf dem Programm. Diese Höhlenwohnungen haben eine
ebenso lange wie wechselhafte Geschichte. Besiedelt seit prähistorischer Zeit, in den 50er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts als nationaler Schandfleck zwangsgeräumt, dann Aufstieg zum
UNESCO-Weltkulturerbe und heute wieder erste Wiederbelebungsansätze. Und natürlich ein
Touristenmagnet mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen.
Ein kleiner Teil der Sassi. Man kann
stundenlang durch die engen Gassen
spazieren...
...oder mit der Vespa die nicht
weniger interessante
gegenüberliegende Seite der Schlucht
erkunden. Auch hier gibts einiges zu
entdecken.
Vor allem wegen der guten Küche des Agriturismus verbrachten wir die Nacht auf Dienstag noch
auf diesem Stellplatz, um am folgenden Tag nach Albarabello weiter zu fahren.
Dienstag, 29.06.2010
Auf zu den Trulli! Während der letzen Tage sahen wir diese Steinhäuschen bereits vereinzelt in den
Feldern, bei der Fahrt nach Albarabello nahm die Dichte dieser seltsamen und witzigen Bauwerke
natürlich erwartungsgemäß zu. In Albarabello steuerten wir den Stellplatz ganz in der Nähe des
historischen Zentrums an, auf dem so ziemlich alles ausser Parken verboten war (z.B. Essen vor
dem Kasten, keine Stühle rausstellen,...). Naja, was solls, übernachten wollten wir hier ohnehin
nicht. Sondern nur diese merkwürdigen Gebäude besichtigen.
Eine ruhige Nebengasse im sonst
ziemlich überlaufenen Albarabello.
Gebaut wurden diese Häuser einst
um Steuern zu sparen. Sie galten
nicht als Wohnungen, sondern als
Steinhaufen. In dieser Hinsicht war
man hier wohl immer schon
einfallsreich.
Die „Skyline“ von Albarabello.
Nach zwei Stunden im Touristenrummel stellte sich die Frage: Wohin als nächstes? Bari schied
wegen der dort ziemlich kräftigen Mikrokriminalität aus, also entschieden wir uns für ein
überschaubareres Ziel, nämlich Bitonto. Grund für diese Entscheidung war wieder mal eine
Kathedrale, und auch dieses Mal wurden wir nicht enttäuscht. Eine Führung von einem (wirklich)
freiwilligen Kunstliebhaber half uns, die Bedeutung der Fresken und Kapitelle besser zu verstehen.
Krypta der Kathedrale von Bitonto.
Neben der Krypta können Ausgrabungen
unter der Kathedrale besichtigt werden.
Nach Bitonto, das übrigens für sein wohlschmeckendes Olivenöl berühmt ist, ging es auf der Suche
nach einem Übernachtungsplatz weiter an die Küste nach Polignano a Mare. Dieser Ort ist ist direkt
an die Steilküste gebaut und bietet von den Altstadtgassen tolle Ausblicke auf die Küste.
Die Straßenbeschilderung in Polignano sollte
auch Fahranfänger vor keine unlösbaren
Probleme stellen...
Einen Stellplatz fanden wir in dieser Stadt
leider nicht.
Auf der Suche nach einem Stell- oder Campingplatz für die Nacht sind wir schließlich nach einem
Abstecher nach Ruvo di Puglia am Campingplatz Campofreddo in Giovinazzo gelandet – ein
wahrlich besonderer Platz! Das große Gelände war fast vollständig von italienischen Dauercampern
belegt, deren Wohnwagen dicht an dicht unter grünen Mattendächern aufgestellt waren. Der wenige
verbleibende Platz zwischen den Wohnwägen wurden für Kühlschränke, Fernseher und
Plastikmöbeln genutzt, auf denen sich Großfamilien lautstark dem Abendessen widmeten. Die
Atmosphäre auf diesem Platz hat mich eher an die Altstadt von Neapel erinnert als an einen
Campingplatz. Hier ist das echte Italien zu Hause, der Tourist ist nur eine unbedeutende
Randerscheinung. Wäre nun auch die Küste nur ein wenig einladend gewesen, hätte dieser Platz das
Zeug zum Insider-Tip. Der Platz war allerdings rundum eingezäunt und hatte eher das Flair einer
Haftanstalt, daher blieben wir nur eine Nacht.
Der Strand des Campingplatzes, der nur über den
Hauptzugang erreichbar ist. Sicherheit hat ihren
Preis...
Mittwoch, 30.06.2010
Da sich auch dieser Tag bereits frühmorgens mit strahlendem Sonnenschein und hohen
Temperaturen angemeldet hatte, beschlossen wir, die verbleibenden Urlaubstage an der Küste zu
verbringen. Hier war es landschaftlich nicht so überzeugend, zurück an den Gargano wollten wir
auch nicht. Bei nur vier verbleibenden Urlaubstagen beschlossen wir, Richtung Conero
aufzubrechen. Der Conero ist ein kleines Küstengebirge bei Ancona und unserer Meinung nach
einer der sehr wenigen reizvollen Badestrände an der mittleren italienischen Adria.
Dort angekommen stellten wir fest, daß in dem ohnehin sehr kleinen erschlossenen Gebiet nur noch
ein Campingplatz geöffnet ist, nämlich der kommunale Platz „Camping al Torre“. Wir hatten das
große Glück, den letzten (!) Stellplatz zu bekommen. Auch hier kamen sofort wieder die Kajaks
vom Dach und es ging ab in die Fluten.
Interessante geologische
Erscheinung am Conero...
...und auch hier ein tolles
Paddelrevier mit einsamen
Badestränden.
Ausser Paddeln und ein paar kleinen Vespatrips in die Umgebung haben wir nichts großartiges
mehr unternommen, sondern die verbleibenden Tage an diesem Platz schlicht und einfach genossen.
Am Samstagmorgen ging es dann auf die Autobahn und ein paar hundert Kilometer später waren
wir wieder mal zurück in der Heimat.
P.S: Und hier noch das Wichtigste: Unser Kasten, der für zwei Wochen unser „Unterwegs-daheim“
war.