hEARTbREAk hOTELs

Transcrição

hEARTbREAk hOTELs
Heartbreak Hotels
Was tun Männer am liebsten – außer im Hotel wohnen
(Udo Lindenberg) oder Fernseher vom Hotelbalkon
werfen (Keith Richards)? Genau: Hotels betreiben.
Lesen Sie von sechs Männern, die das richtig gut können.
Und dann noch von vier Nobelherbergen,
in denen es sich leben lässt.
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„Wir suchen nicht
nach Trends”
In einem stockfinsteren Raum, im dünnen Strahl der Mittagssonne,
sitzen Micky Rosen und Alex Urseanu ganz entspannt auf ihren
Hockern. Sie sind in ihrem natürlichen Umfeld:
in einer Hotelbar.
T e xt: Kim b e rly Bradl e y
F o t o s : D a n i e l W o e ll e r
Die Bar ist im Erdgeschoss des „Roomers“, dem neusten Hotel in Rosens
und Urseanus – nun ja – Imperium. Die
beiden Hoteliers, Gastronomen, PartyVeranstalter und langjährigen Geschäfts­
partner haben es wieder einmal getan:
Sie haben einen noch ästhetischen
gesellschaftlichen Maßstab für ihre Heimatstadt Frankfurt gesetzt.
„Alex und ich leben das, was wir verkaufen“, erklärt Rosen. „Wir suchen nicht
nach Trends. Wir haben einfach Glück,
dass den Menschen anscheinend genau das gefällt, was auch uns gefällt.“
Beide, gerade vierzig geworden oder
kurz davor, haben rabenschwarzes Haar
und sind tadellos gekleidet. Seit Langem
schon sind sie Pioniere der Hotelszene
in ihrer Heimatstadt. Zur Mittagszeit
ist das renommierte Hotelrestaurant
vollgepackt mit Geschäftsleuten, die
wichtige Deals abschließen. Abends zeigt
sich dort die Frankfurter Szene. Die
Bar, die teilweise die ganze Nacht lang
geöffnet ist, ist eines der begehrtesten
Nachtlokale der Stadt. „An Wochenenden
brauchen wir sogar einen Türsteher“,
sagt Urseanu.
Zusammen sind die beiden das perfekte Team: Urseanu eher quirlig, Rosen
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ein nüchterner Typ – obwohl beide die
Sau rauslassen, wenn die Party beginnt.
„Ich schaffe gern das richtige Ambiente
und bin der Anstifter“, grinst Rosen
schelmisch.
Mittlerweile können die beiden Gentlemen getrost die Früchte ihrer Arbeit
ernten. Dank des Restaurants und
des Wellnessbereichs ist das Roomers
das Erste ihrer Hotels, das die ganze
Bandbreite eines Fünf-Sterne-Etablissements bietet. „Seit der Eröffnung
machen mir das Leben und die Arbeit
sogar noch viel mehr Spaß“, lacht
Urseanu. Das, was er erreicht hat – und
das glaubt Urseanu fest – hat er nur
erreicht, weil er in seiner Jugend gelernt
hat, sich durch harte Zeiten zu kämpfen. „Es ist leicht, glücklich zu sein,
aber es ist schwer, es sich leicht zu
machen. Den Menschen fällt es wirklich
schwer, einfach zu sein“, sinniert er
und überträgt dabei seine eigenen Erfah­
rungen auf seine Philosophie als Gastgeber in seinem Hotel. „Ich glaube,
dass die Dinge nicht zu kompliziert sein
dürfen. Die Leute wollen sich wohlfühlen.“
Und im Roomers fühlt man sich allemal
wohl. Das Hotel ist Sinnlichkeit pur.
Betritt man den Eingangsbereich, scheint
Spirit in the sky
Heartbreak Hotels
es, als sei man in einem exklusiven Nacht­
club, egal, zu welcher Tageszeit. Das
Restaurant ähnelt einem Kokon; vorzüg­
l­iches Steak und erstklassige Fischgerichte bekommt man hier. Von Leder
und Samt bis hin zu gebürstetem
Metall und glänzendem Ebenholz: die
Beschaffenheit der Materialoberflächen
kann man nicht nur fühlen, sondern
auch sehen. Die rumänische Innenarchitektin Oana Rosen – Mickys Exfrau –
ist verantwortlich für diesen Look,
zusammen mit dem Architekturbüro
Grübel, das sich bereits bei BMW
einen Namen gemacht hat.
Und dann erzählt Urseanu noch seine
Lieblingsgeschichte, eine Story, die die
Prinzipien des Hotel-Duos so wunderbar zusammenfasst: Ein PhilosophieProfessor füllt einen leeren Blumentopf
bis an den Rand mit Steinen und fragt
die Studenten im Saal, ob der Topf
voll ist. Ja, sagen die Studenten. Aber
dann zeigt er ihnen einen Haufen viel
kleinerer Kieselsteine, die er ebenfalls
in den Blumentopf schüttet. Sie fallen
zwischen die Steine. Wieder fragt der
Professor, ob der Topf voll sei. Wieder
bejahen die Studenten die Frage. Dann
schüttet der Philosoph Sand in den
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Asiatische Tempelhölzer treffen auf
Stilelemente eines 20er-Jahre-Cabarets
und das Licht ist gedimmt.
EXTREM GEDIMMT.
Blumentopf, der in alle Lücken rieselt. Die Studenten wissen nicht mehr, was sie sagen sollen.
Schließlich schüttet der Professor noch zwei Bier
dazu. Ist der Topf voll? Jetzt – ja.
„Wenn ich diese Geschichte erzähle, bekomme
ich immer eine Gänsehaut. Aber genau so versuche
ich – versuchen wir – unser Leben zu leben“,
sagt Urseanu. „Es bedeutet, dass man Prioritäten
setzen muss. Man sollte keinen Sand in den Blumentopf schütten, bevor man die großen Steine
hineingibt. Und am Ende sollte man sich ein paar
Bier gönnen. Dafür bleibt immer Zeit.“ Urseanu
bestellt ein Glas Champagner, erhebt sein Glas,
wirft den Kopf zurück und lacht.
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„Wir wollen keine
Fragen beantworten“
Dass die eigenen Hotels vor allem denen gefallen, die persönliche
Erfahrung freundlicher Durchschnittlichkeit vorziehen, behaupten viele.
Zu Recht behaupten es wenige. Unter ihnen:
die vier klugen Köpfe hinter den 25hours Hotels
T e xt: Kim W o o d
F o t o s : St e v e H e r u d
Einst trafen sie sich in Kopenhagen:
Christoph Hoffmann, Kai Hollmann,
Ardi Goldman und Professor Stephan
Gerhard. Beim Abendessen entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft
für etwas, das Hoffmann als ‚die nächste
Stufe der Individualität in der Hotelund Reisebranche‘ bezeichnet: „Stilvolle
Hotels zu erschwinglichen Preisen
waren gerade dabei, sich zu einem solchen Megatrend zu entwickeln, dass
wir das Gefühl hatten, auf dieser Welle
mitreiten zu müssen.“
Also machte sich Kai Hollmann
daran, in Hamburg das erste 25hoursProjekt – das 25hours Hotel No. 1,
die Ausgangs­basis – auf die Beine zu
stellen. Alle vier brachten ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten und
individuellen Stärken in das Vorhaben
ein, und 2005 war ein neues Unternehmen geboren.
Die Kameradschaft der vier Gründer
wird durch eine gemeinsame Leidenschaft genährt: Experimentierfreude
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und Freiheitsliebe, und die radikale
Überzeugung, dass Form eher Emotion
statt Funktion folgt. Für Ardi Goldman –
den kreativen Kopf im Unternehmen –
ist diese Überzeugung ein Leitprinzip:
„Wir wollen keine Fragen beantworten,
sondern neue aufwerfen“, erklärt er.
„Wir wollen den Menschen die Mög­
lichkeit geben, in großen oder auch
kleinen Dimensionen zu denken, solange
sie nur denken. Es kommt immer
darauf an, wie eine Geschichte entsteht
und erzählt wird. Und wir erzählen
gern Geschichten.“
Ein Beispiel fürs Geschichtenerzählen ist das 25hours Hotel
„Tailored by Levi’s“ direkt neben
der Deutschland-Zentrale von Levi
Strauss im Zentrum von Frankfurt/
Main. Darin: die spielerische Umsetzung der Geschichte der amerikanischen Popkultur und die Rolle, die
Levi’s darin einnimmt. Jede Etage ist –
von den dreißiger Jahren bis in die
Achtziger – einem Jahrzehnt amerikanischer Geschichte gewidmet.
Spirit in the sky
Heartbreak Hotels
Und alles inklusive des jeweiligen
Soundtracks und der stilechten Einrichtung in Jeansblau.
Oder das erste größere Projekt der
vier Hoteliers: das Goldman 25hours.
Beim Um- und Ausbau des Henninger
Hofs im Frankfurter Ostend ließen sich
die Designer vom Oriental Bangkok
inspirieren, einem Hotel, das schon
literarische Größen wie Somerset Maugham, Graham Greene und Joseph
Conrad beherbergte. Ardi Goldman
hat dafür einen Grund: „Zwanzig Jahre
lang habe ich darauf gewartet, einmal
das Oriental Bangkok zu sehen, allein
wegen der Legende, die es umgibt.
Als es schließlich so weit war, habe
ich die Augen zugemacht und an die
Geschichte, an die Epochen, die Gäste
und die Bücher gedacht, die darüber
geschrieben wurden. Ich konnte die
Legende förmlich spüren. Mein erstes
Hotel, das Goldman 25hours, sollte
auch ein Hotel mit vielen Geschichten
werden – nur wollte ich keine hundert
Jahre warten!“
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HIDEAWAYS
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1, 2, 3, 4 Eckstein,
alles muss versteckt sein!
Zwischen schroffen
Riesen
Ein Blick auf die Karte oder den Globus
lohnt sich. Denn: Das Amangiri Hotel, im
Canyon Point im südlichen Utah, liegt jetzt
nicht zwingend im Fokus der touristischen
Aufmerksamkeit. Wir empfehlen hier
schließlich kleine, feine Verstecke für
den, der sie sucht. Findet man aber zum
Beispiel eine der 34 luxuriösen Suiten,
werden Standort und allgemeine Lage
zunächst mal nebensächlich. Zumindest
so lange, bis man seinen Blick aus den
überdimen­sionalen Panoramafenstern
schweifen lässt und die Symbiose aus
Naturgewalt und -wunder optisch inhaliert.
www.amanresorts.com
So bat Goldman seine Freunde, ihre
ganz persönlichen Geschichten beizusteuern. Das Ergebnis inspirierte ihn
zu 49 Suiten auf 7 Etagen: „Das Hotel
gleicht einem Adventskalender:
Hinter jeder Tür verbirgt sich eine
andere Geschichte.“
Hoffmann ist ebenfalls ein rastloser
Zeitgenosse. Zu den Projekten, denen
er gerade seine Aufmerksamkeit schenkt,
gehört ein 25hours Hotel, das 2011
seine Pforten in der Hamburger HafenCity
eröffnen soll (einem Seemannsheim
nachempfunden), sowie ein weiteres
Hotel in Wien.
Sie glauben eben fest an ihre Vision, die
vier vom 25hours. Oder, wie Christoph Hoffmann sagt: „Es gibt ein paar
Ideen im Leben, die wirklich solide
sind. Wenn einem so eine Idee kommt,
sollte man sich keine großen Gedanken um die Umsetzung machen. Man
muss es einfach nur tun.“
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Das neue Design Hotels Made by Originals
Buch erzählt die persönlichen Anekdoten der
Männer und Frauen hinter den eindrucksvollsten Hotels der Welt. In ihm finden sich
auch – weitaus detaillierter – die Geschichten der Hoteliers vom „Roomers“ und den
25hours Hotels. Außerdem erhältlich: The
Design Hotels Book Edition 2011, das die 200
Mitgliedshotels in 119 Ländern vorstellt. Zu
haben unter www.designhotels.com.
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Erholung ganzheitlich
Detailverliebter
Eklektizismus
Ganz weit draußen statt mittendrin.
Besser, ganz weit oben. Für alle, die
im Alltag immer ganz hart am Puls der
Zeit liegen, bietet das Almdorf Seinerzeit
auf der Fellacheralm in Patergassen
das Refugium, um sich mal wieder
der eigenen Herzfrequenz zu widmen.
Und das mit atemberaubender Einfach­
heit, verteilt auf 21 Luxus-Hütten in
luftiger Höhe. Zeit ist ja mittlerweile
Luxus. Verbringen Sie Ihre doch im
Alm-Spa, beim Wandern, im Heubad
oder einfach mit Nichtstun. Und für
alle Workaholics sei gesagt: WLAN hat’s
dort oben auch.
www.almdorf.com
New York: Brodelnde Petrischale der
Kulturen und Stile. Im Ace Hotel
können Sie genau diese Vielfalt wieder­
finden. Mehr noch: Das Hotel im
Herzen Manhattans ist selbst eine
Interpretation von interkultureller
Konvergenz, Experimenten und
Lebensart. Ein Kunstwerk obsessiver
Detailverliebtheit. Und Komfort
auf höchstem Niveau sollen die
262 Zimmer auch noch bieten.
www.acehotel.com
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Dorfhotel
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Heartbreak Hotels
Am leichtesten versteckt man sich da,
wo schlicht und ergreifend niemand
ist, der einen sucht. Mitten in den
italienischen Abruzzen wäre so ein „Da“.
Das Sextantio Albergo Diffuso. Diffuso
deshalb, weil hier die Grenze zwischen
Dorf und Hotel fließend bis verschwin­
dend ist. Ein ganzes Dorf ist ein Hotel
und das ganze Hotel ist ein wohl
einzigartiger, rustikaler Schlupfwinkel.
Aber: Nur weil scheinbar niemand
auf Erreichen des zwanzigsten und
ein­undzwanzigsten Jahrhunderts
hingewiesen hat, muss man keineswegs
auf irgendeine Art des Komforts
verzichten: Fußbodenheizung, WLAN
und schicke Philippe Starck Bäder
bilden einen krassen, aber idealen Kontrast
zu Hirtenbetten und Holzschemeln.
Und das gerade mal 140 Kilometer
entfernt von Rom.
www.sextantio.it
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