Dimensionen der Romantik:“Der Mönch am Meer”

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Dimensionen der Romantik:“Der Mönch am Meer”
Dimensionen der Romantik:“Der Mönch am Meer” (18081810) . Ein Traumbild für den Sprachunterricht.
Monika Bayón-Eder, Goethe-Institut Madrid
“Mit einem letzten, langen Blick nahm er Abschied , breitete seine Flügel aus und
schwang sich in die Lüfte, in den silberblauen Raum, in die Unendlichkeit seines
geliebten Himmels….”1
Sind Sie bereit, sich von ihrem Alltag des 21. Jahrhunderts für einen Zeitraum von ca.
45 Minuten zu erheben, um der Zeit und Stimmung der deutschen Romantik zu
begegnen und Ihre Lerner2 zu dieser Reise einzuladen?
Ihr Flug unterliegt keiner zeitlichen und räumlichen Begrenzung – lediglich Ihrer
Bereitschaft, sich darauf einzulassen…. Als Reisegepäck nehmen Sie bitte intensive kritische oder wohlwollende- Blicke, wache Gefühle und Schreibunterlagen mit.
Stationen dieser Reise sind: Blick – Gefühl – Natur – verbaler Raum.
Im Rahmen des thematischen Schwerpunktes dieser Ausgabe des MAGAZINS stelle
ich eine Unterrichtseinheit vor, in der wir wieder einmal das Lehrbuch zur Seite legen
und uns der angenehmen Tätigkeit des Betrachtens, des Sehens widmen. Kontemplation
impliziert auch Kommunikation – eine Zauberwort für unseren Unterricht.
Ausgewählt habe ich das faszinierende Gemälde “Der Mönch am Meer” des
bekanntesten deutschen Landschaftsmalers der Romantik, Caspar David Friedrich (1774
Greifswald– 1840 Dresden)3. Das Werk vereint in sich wichtige Kriterien der Auswahl
von Bildern für die Arbeit im Sprachunterricht:
1. Die Offenheit des Bildes im multiplen Sinne: Zeitlich, räumlich, sozial,
landeskundlich, sowie die Wirkung des Bildes durch seinen tektonischen Aufbau.
2. Das Element des Rätselhaften, das Unerklärte, das Geheimnisvolle, das zur
Auseinandersetzung auffordert. Unsere Lerner sollen Lust am Schauen,
Erleben/Erfühlen, Erzählen/Schreiben bzw. Fabulieren bekommen.
1
Frei nach dem Roman von Richard Bach, Die Möwe Jonathan, München 2000.
Gemeint sind hier ebenso gleichbererchtigt die LernerInnen!
3
Die beeindruckende Wirkung dieses Bildes sowie die Simulation eines Sprachunterrichts vor dem
Original im Museum erfuhr ich als Teilnehmerin an einem Fortbildungsseminar am GI Berlin unter
Anleitung der Referentinnen Carola Marx und Kolja Kohlhoff.
2
Unterrichtsentwurf: 1 UE
Zielgruppe: Ab 16 jährige Lerner
Nievau: Ab B1.2
Lernziel: Sehen – fühlen - schreiben
Material: 1 OHP Folie /(CD-ROM) und1 Farbfoto (DIN A4) des Gemäldes.
1. Einstimmung (Zeit ca. 5 Min.)
a) EA: Haben Sie die Möglichkeit, dann lassen Sie Ihre Lerner vom Klassenraum
aus kurz den Himmel bzw. den Horizont betrachten. Die Lerner haben die Aufgabe,
danach in einem Wort zu kommentieren, was sie wahrnehmen.
Plenum: Die Lerner kommentieren ihren aktuellen Eindruck darüber. Bitten Sie
einen Lerner, die Ergebnisse schriftlich an der Tafel festzuhalten. Das Tafelbild soll
in zwei horizontale Teile geteilt werden, nach dem Motto “Himmel und Erde”.
b) EA: Die Lerner schließen die Augen und stellen sich vor, dass sie am Strand dem
Meer zugewandt stehen. (Sie können diese Situation verstärken, indem Sie
“Meeresgeräusche” mit dem CD-Player ins Klassenzimmer transportieren.) Nach
dem Öffnen der Augen kommentieren die Lerner ihrem Nachbarn in zwei Wörtern,
welche Begriffe/Bilder/Sensationen sie imaginativ evoziert haben.
Plenum: Ein Lerner hällt die Ergebnisse auf dem unteren Tafebild fest.
2. Präsentation (ca. 8 Min.)
Legen Sie eine OHP-Folie (oder am PC/Beamer) des Kunstbildes “Der Mönch am
Meer” auf.4 Nennen Sie aber den Titel noch nicht.
EA: Die Lernern betrachten das Bild und schreiben fünf Assoziationen dazu auf.
Plenum: Sammeln Sie als Assoziogramm die Begriffe der Teilnehmer an der Tafel
– neben dem bereits bestehenden Anschrieb.
3. Subjektivierung /Objektivierung (ca. 25 Min.)
Plenum: Beantworten sie nun die Fragen Ihrer Lerner, die sie ganz bestimmt
haben werden zum Autor undTitel des Werks und der Person im Bild. Gehen Sie
aber nicht weiter auf das landeskundliche Thema der deutschen Romantik ein.
Bei der dargestellten Person handelt es sich um einen Kapuzinermönch, der mit
dem Rücken zum Betrachter dem Meer zugewandt steht. Im Original sind auch
in der linken Bildhälfte ganz schwach ein paar Möwen zu erkennen.
Stellen Sie nun den Lernern im Sinne der Lernerautonomie
Binnendifferenzierung eine der nachfolgenden Aufgaben zur Auswahl:
4
Gemäldegalerie Berlin.
und
1. EA: Der Lerner nimmt die Identität des Mönchs an und schreibt eine
Postkarte/Brief/Tagebuch an einen Freund, Familie, den “lieben Gott”,
etc.
2. EA: Der Lerner nimmt die Identität einer Möwe an, die schon seit
einiger Zeit über dem Gebiet kreist und sich über die bewegungslos
dastehende Person wundert.
3. PA: Zwei Lerner nehmen die Rolle von Museumsbesuchern ein, die
sich über das Bild unterhalten. Die Lerner schreiben den Dialog auf.
4. Präsentation der Ergebnisse (ca. 7 Min.)
a) Plenum: Den Lernern soll es freigestellt werden, ihre schriftlichen Produktionen der
Gruppe vorzulesen. Erfahrungsgemäß gibt es überraschende und für die Gruppe
interessante Ergebnisse. Die Ergebnisse werden im Prinzip nicht weiter kommentiert,
sondern bleiben als solche im Raum stehen.
b) Hausarbeit und Hausaufgabe für Lehrer und Lerner:
Die schriftlichen Arbeiten werden vom Lehrer eingesammelt und vorkorrigiert bzw.
korrigiert soweit nötig. Nach der Rückgabe an die Lerner sollen diese nun ihre Arbeiten
soweit möglich selbst korrigieren und erneut schreiben. Die Arbeiten können entweder
in einem ansprechenden Ausstellungsformat entsprechend der gewählten Textsorte
zusammen mit einem Bildkabzug an der Wand ausgestellt werden.
5. Rückwendung
Für höhere Stufen und je nach Einbindung in das Thema und Lernziel, bleibt es
freigestellt, eine weitere Einheit über die Zeit der deutschen Romantik in Literatur und
Kunst anzuhängen, bspw. durch authentische Textzitate von Heinrich Kleist.5
Spezifische Kenntnisse zum Bild sind für dessen Einsatz im Sprachunterricht nicht
unbedingt notwendig. Dennoch nehme ich an, dass es den einen oder anderen Leser
interessieren wird, sich nachfolgend kurz über den Hintergrund bzw. den Aufbau des
Kunstwerks zu informieren
Die Zeit der Romantik brachte für die Landschaftsmalerei einen Aufbruch, da sie bisher
als untergeordnete Kunstgattung galt. Friedrich selbst hat in seinem Bild mit den
überlieferten Vorstellungen der Landschaftsmalerei gebrochen. Es ist sein radikalstes
Bild, das er gemalt hat. Betrachten wir das Bild, so erkennen wird, dass die klassische
Perspektive aufgehoben wurde. Wir stehen vor einer beeindruckenden “Himmelswand”.
Dieser neue Raum wirkt auf uns unermesslich und fremd. Was die zeitliche Dimension
betrifft, so bleibt im Bild offen, ob das Mondlicht hinter den Wolken den Morgen
ankündigt, der Mönch am Meer also den heraufkommenden neuen Tag erwartet.
5
Seine Besprechung in den “Berliner Abendblättern” vom 13. Oktober 1810. Dazu: Wieland Schmied,
Caspar David Friedrich, Köln 1975.
In der Struktur des Bildes bildet die winzige Figur im Bild die einzige Andeutung einer
Vertikalen, die eben dadurch das Gefühl des Ausgeliefertseins an der Raum, das Gefühl
der Verlorenheit vor der Übermacht einer niemals erfassbaren Natur erzeugt.
Die dargestellte Figur lässt dem Betrachter keine andere Wahl als sich mit seiner
Situation zu identifizieren. “Er zieht uns ins Bild, verlangt, dass wir uns vorstellen, was
sich ihm vorstellt. Wir alle sind gemeint.”6 Die Horizontalität im Bild bedeutet
Monotonie. Die Endlosigkeit des Raums, durch den Entzug der Perspektive, wirkt
bedrohlich auf den Betrachter. Der Mensch ist ihr ausgesetzt. Die schmale Basis, auf der
er sich befindet, schrumpft zu einem unbedeutenden Nichts zusammen, wenn man sie
mit der immensen Größe des Raums vergleicht. Die Wahl einer Mönchsfigur vor dieser
Naturlandschaft ist dabei Ausdruck der vielfach ins Religiöse gesteigerten Versenkung
in die Natur.
Die Welt- bzw. Raumerfahrung im Bild spiegelt sich auch in der Literatur der Zeit
wieder, das Gefühl der Romantiker von der Verlorenheit des Menschen vor den
Ausmaßen des Kosmos. Die Naturerfahrung war eines der zentralen Erlebnisse des
städtischen Menschen im 19. Jh.
In Friedrichs Bild wird der in der Romantik entstehende Wunsch nach Stille und
Erlösung durch die Unendlichkeit der Natur stark überhöht. Das winzige, ja
unbedeutende Dasein gegenüber einer solchen Naturmacht wird dem Betrachter durch
das Erlebnis des Kunstwerks erschlossen.
6
Ebda. Ob sich Friedrich hier selbst als Kapuziner- sozusagen als ein geheimes Selbstbildniss -dargestellt
hat, wird in der Kunstliteratur oft diskutiert, ist aber nicht entscheidend für das Verständnis des Bildes.

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