Wer schuf den Altar in der Hospitalkirche Hof?

Transcrição

Wer schuf den Altar in der Hospitalkirche Hof?
Wer schuf das spätgotischen Alterretabel der
Hospitalkirche in Hof?
Foto: Johannes Taig
Einführung
Von dem einst reichen Kirchenschmuck in der Stadt Hof ist leider nur wenig auf uns
gekommen. Drei bedeutende mittelalterliche Altaraufsätze haben sich zu unser aller
Freude erhalten. Es sind dies
1. der berühmte „Hofer Altar“ von Hans Pleydenwurff, datiert 1465, der jetzt als
eines der Hauptwerke mittelalterlicher Tafelmalerei in der Alten Pinakothek in
München ausgestellt ist,
2. der sogenannte „Hertnid-Altar“ von 1466/67 in der Lorenzkirche, benannt nach
dessen Stifter Hertnid von Stein,
3. und schließlich das oben abgebildete Altarretabel unserer Hospitalkirche von
1511, dessen Künstler bislang nicht bekannt war.
-2Man mutmaßte als Schöpfer einen Maler Hans, der in den zeitgenössischen Hofer.
Matrikeln erwähnt wird. Die beiden Kleeblattwappen in den Predella-Flügeln mit den
Buchstaben M und H regten dazu an.
Auch als das Namenskürzel eines Stifters hat man sie in Erwägung gezogen. 1955
veröffentlichte der Hofer Oberlehrer und Heimatforscher Hans Hofner seine Schrift „Hof
als Kräftezentrum der bildenden Künste von der Spätgotik bis zum Hochbarock“, als 17.
Bericht des Hofer Langnamenvereins. Darin schrieb Hofner das Altarretabel der
Hospitalkirche einer hypothetischen „Hofer Werkstatt IV“ zu. Der damalige
Kulturbeauftragte der Stadt Hof, Dr. Edgar Schindler, lehnte diese Deutung aufgrund der
viel zu geringen Beweislage entschieden ab.
Hofners kleines Büchlein nahm ich als Schüler zur Vorlage für mein Pflichtreferat im
Deutschunterricht. Wobei insbesondere das Hospitalretabel mein Interesse weckte. Vor
diesem Altar wurde eine ganze Reihe meiner Vorfahren, meine Mutter eingeschlossen,
getauft und konfirmiert.
Mich bewegte dabei die Frage, ob von dem Bildschnitzer unseres Retabels nicht auch
noch andere Werke erhalten sind. Auch wenn es sich bei diesem spätgotischen
Altaraufsatz nicht um ein Werk im Range eines Riemenschneiders, Multschers oder
Syrlins handelt, stammt es doch aus der Werkstatt eines gut ausgebildeten Meisters. Aus
dieser Werkstatt mußte es doch noch mehr Arbeiten geben!
Dieser Gedanke hat mich sein über fünfzig Jahren beschäftigt und meine Freizeit
bereichert. Denn auf der Suche nach Ähnlichem spürte ich durch Franken, Württemberg,
Oberösterreich. Dabei entdeckte ich für mich den Reichtum an Kunstwerken in unseren
Kirchen.
Zunächst aber lade ich Sie ein zu einer Zeitreise zurück in das Jahr 1500, also über
eine Zeitspanne eines halben Jahrtausends. Vorher erlauben Sie mir noch ein paar
stilgeschlichtliche Begriffe zu klären.
-3Der stilgeschichtliche Begriff Gotik
Gotik, diesen stilgeschichtlichen Begriff kennen wir alle noch aus dem Geschichtsunterricht. Das ist doch der Stil mit den Spitzbogen, den himmelwärtstrebenden
Kathedralen in Regensburg, Ulm, Köln usw. Eben Mittelalter pur!
Anders aber als bei der karolingischen Kunst, oder der sich auf die Baukunst des
römischen Reiches beziehende Romanik, oder der ebenfalls aus dieser Quelle gespeisten
Renaissance, Abschnitte der Kunstgeschichte, deren Bezeichnung den Inhalt genau
beschreiben, hat die Gotik mit den namengebenden Goten überhaupt nichts zu tun. Deren
Zeit, die Völkerwanderung, war Mitte des 13. Jhdts., als die Gotik in Nordfrankreich ihren
Anfang nahm, längst abgelaufen.
(Immerhin hatten die Goten bei Ihrem Zug durch das damalige Gallien es sich dort gut
gehen lassen, so daß das Sprichwort „er lebt wie Got' in Frankreich“ bis auf unsere Tage
gekommen ist.)
Im 15. Jhdt. taucht der Begriff „Gotik“ erstmals in italienischen kunsthistorischen Schriften
auf. Im 16 Jhdt. verurteilt der Kunsthistoriker Vasari den nach seiner Meinung
barbarischen Stil, die „maniera detesca“ oder „maniera dei Goti“. Moliere polemisiert 1669
gegen den faden Geschmack gotischer Verzierungen, gegen die monströsen
Scheußlichkeiten vergangener Jahrhunderte der Barbarei.
Heute ist die Bezeichnung Gotik in aller Welt ein Stilbegriff ohne nationalistische
Inanspruchnahmen, auch wenn in der Vergangenheit Franzosen und Deutsche um „ihren“
Stil rangen. Zu Beginn des 20. Jhdts. versuchte man die Gotik als germanischen Stil von
der Holzbauweise der Wikinger herzuleiten. Die Pfeilerhallen der Kathetralen als
Nachformung nordischer Wälder!
Entstanden ist der sogenannte Gotische Stil aber eindeutig in Nordfrankreich und in
England. Der Spitzbogen ist ein Import aus dem Orient, der über die maurischen Kailifate
in Spanien und durch die Kreuzzüge nach Europa kam. Für das die Gotik ebenso
charakterisierende Kreuzgewölbe liegen die Ursprünge in Byzanz und Armenien. Es ist
ebenfalls über die arabische Baukunst auf uns gekommen.
(Wenn Sie sich bei Gelegenheit einmal den Turm der Neuen Pfarre in Bamberg genau
anschauen und diesen mit der Giralda, dem Glockenturm der Kathedrale von Sevilla
vergleichen, werden sie feststellen, daß mitten in der Domstadt Bamberg ein maurisches
Minarett steht. Allerdings ohne die Aufschrift seines spanischen Pendants, die da lautet:
„Es gibt nur einen Gott, Allah, und Mohammed ist sein Prophet“. Das steht nicht an jeder
katholischen Kirche.)
Als erstes gotisches Bauwerk, als „opus novum“, gilt die 1144 von Abt Suger geweihte
Abteikirche von St. Denis. Im 12 Jhdt. noch in einer Siedlung vor den Toren der Stadt
Paris, liegt sie heute in dem Pariser Stadtteil gleichen Namens. Der unbekannte Architekt
war der Schöpfer des neuen Baustils. Seine Kirche wurde maßgebend für die meisten
französischen Kathedralen danach.
Mit diesen immer gewaltigeren Kathedralen demonstrierten die aufstrebenden Städte ihre
wirtschaftliche und wachsende politische Bedeutung.
Experimentell tasteten sich die Baumeister an die Grenzen der Statik heran. Das
gesammelte Wissen gab man in den Bauhütten nur an Eingeweihte weiter.
-4Wenngleich der neue Stil sehr bald auf die bürgerliche Architektur und das feudale
Kunstschaffen wirkte, war er doch in erster Linie als Sakralarchitektur und -Stil zu
verstehen.
Mittelalterliche Autoren sehen den Kirchenbau als Haus Gottes, in dem er auch tatsächlich
wohnt. Der Kirchentempel ist Abbild des himmlischen Jerusalems, des Paradieses. In ihm
versammelt sich die Ekklesia, die Versammlung der erwählten Gläubigen. Das war zwar
kein neuer Gedanke, aber die Kunst der Gotik gab diesen Gedanken wesentlich stärker
und überzeugender als vorangegangene Kunststile wider.
Die himmelstürmenden Kathedralen, die geradezu am Himmel andocken, das
überirdische, mystisch gebrochene Licht der riesigen Glasfenstermosaiken, das den Raum
durchdringt wie die Gnade Gottes den Gläubigen, der Figurenschmuck und die Malereien
stellen den Gläubigen ohne zeitliche Distanz direkt in das Heilsgeschehen hinein. Die
Kathedrale ist nicht mehr nur ein Raum zur Verkündung der göttlichen Wahrheit, sie ist
vielmehr Abbild der religiösen Idee und Verkündigung selbst. Gleichzeitig entspricht
hierarchische Ordnung der einzelnen Bauglieder zu einem einheitlichen Ganzen ganz der
Sichtweise der mystischen Strömungen des 12. bis 14. Jhdts. Die Gotik entwickelt sich ja
auch zur selben Zeit und am gleichen Ort wie die Scholastik von Abäliard bis Albertus
Magnus.
Unser Retabel ist ein Produkt der Spätgotik, der Epoche in der nach unserer
Geschichtsschreibung das Mittelalter ausklingt. Man unterscheidet, wie in anderen
Stilarten auch, bei der Gotik eine Früh-, eine Hoch- und eine Spätform. Beobachtbar
wandeln sich die Ausdrucksformen der verschiedenen Stile von einer anfänglich archaisch
strengen Ausprägung hin zu detaillierten sinnlichen Formen in der Spätphase, in der sich
gleichzeitig Veränderungen und Umwälzungen hin zu neuen Zeitaltern ankündigen.
Zeitumstände
Was war das für eine Zeit, in die hinein unser Rentabel geschaffen wurde? Um
1445 erfindet Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, in Mainz den Buchdruck mit
gegossenen Bleilettern und entfacht damit eine Medienrevolution.
1453 erobert Sultan Mehmed II. Konstantinopel und befreit Rom vom Konkurrenten.
1477 beginnt mit der Hochzeit Maximilians v. Habsburg mit Maria von Burgund der
Aufstieg Habsburgs.
1484 Papst Innozenz VIII. leitet mit der Bulle „Summus Desiderantis Affectibus“ eine
massive Welle der Hexenverfolgung ein.
1492 entdeckt Kolumbus Amerika,
wird Iwan III. Großfürst von Moskau und macht Moskau zur Großmacht,
weist Spanien seine Juden aus,
fällt das letzte iberische Kalifat Granada.
1497 malt Leonardo da Vinci sein berühmtes Abendmahl.
-51500 vollendet Albrecht Dürer sein großes Selbstportrait in der Art der bis dahin
Christusdarstellungen vorbehaltenen symmetrischen Frontansicht.
1503 schält Michelangelo in Florenz die monumentale Statue des David aus einem
Marmorblock.
1505 richten Thurn und Taxis erste Postverbindungen ein, von Wien nach den
Niederlanden, Paris und Madrid.
1506 beginnt Bramante mit dem Bau der Peterskirche in Rom. Finanziert durch den
Peterspfennig der deutschen Katholiken.
1510 baut in Nürnberg Peter Henlein die erste Taschenuhr.
1511 Die Bauarbeiten am Stephansdom in Wien werden nach 375 Jahren Bauzeit
eingestellt.
Dollart und Jadebusen an der deutschen Nordseeküste erhalten durch die
Antoniusflut ihre heutige Gestalt.
Unser Retabel wird in der Hofer Hauptkirche St. Michaelis aufgestellt.
Es wird dort nicht lange bleiben. Aus Sachsen dringt bald die Botschaft Martin Luthers von
der notwendigen Erneuerung der Kirche, der Reformation ins Vogtland; Hof wird sich sehr
früh der neuen Lehre öffnen.
Während also in Italien der Kunststil der Renaissance bereits in voller Blüte steht, feiert im
deutschen Sprachraum noch die Spätgotik ihre Höhepunkte. Zwischen dem 12. und dem
16. Jhdt. hat die Gotik die künstlerischen Ausdrucksformen geprägt. Vor allem in Mittelund Süddeutschland, wie auch in Österreich entstehen die großen Schnitzaltäre als
Mittelpunkt der Kirchenaustattungen. In diesen spätgotischen Schreinaltären sind Malerei,
Plastik und Architektur zu einem Gesamtkunstwerk vereinigt. Sie bestehen in der Regel
aus einem Unterbau der Staffel oder Predella, dem eigentlichen Altarschrein mit
Klappläden, den Flügeln und dem bekrönenden Auszug oder Gesprenge.
Je nach räumlichen Gegebenheiten (und natürlich den Geldbeuteln der Auftraggeber)
entstanden so die Höhepunkte mittelalterlicher Sakralplastik vom intimen Andachtsbild für
eine Dorfkirche bis zum monumentalen, den Chorraum füllenden Renommierstück. Eines
der größten deutschen Schnitzretabel der Spätgotik liefert nach 13jähriger Arbeit übrigens
Veit Stoß aus Nürnberg für den Hochaltar der Marienkirche in Krakau, in dessen
Ornamentik der Schnitzer bereits Formen des Barock vorwegnimmt.
Mir ist im Laufe meiner Nachforschungen aufgefallen, daß gerade in den evangelischen
Teilen unseres Vaterlandes viele gotische und zeitbedingt daher vorreformatorische
Bildwerke erhalten sind. Zwar hat es in den Anfangsjahren der Reformation die
Bilderstürmer gegeben – ich nenne nur den Namen Thomas Münzer – aber Martin Luther
hat diesem Treiben persönlich Einhalt geboten. Schließlich war er ja ursprünglich ein guter
Katholik und ist auch zeitlebens katholischer geblieben, als uns Protestanten heute
geläufig ist. Mit der Einführung der Reformation entstand für die jungen evangelischen
Gemeinden ein pekuniäres Problem. Der Ablaß entfiel; mit der Finanzierung von
Bildwerken für die Kirchen lies sich kein Sündenerlaß mehr erkaufen, so daß das
„Sponsoring“ für die Ausschmückung der Kirchen bescheidener ausfiel. Unterstützt durch
die Sparsamkeit unserer Altvorderen blieben daher auch in den reformierten Gegenden
viele im Geiste der alten Kirche geschaffenen Kunstwerke erhalten.
-6Vielleicht hat auch die Erinnerung an die hohen Kosten der Anschaffung die damaligen
Kirchenvorstände dazu bewogen ihre Heiligenfiguren nicht zu Brennholz zu verarbeiten.
In den katholischen Landen besorgte im Zuge der Gegenreformation die Barockisierung
der Kirchen, und vor allem Ende 18. bis Anfang 19. Jhdt. die Aufklärung und die
Säkularisation die Trennung von dem alten gotischen „Plunder“. Ein schmerzlicher Verlust,
der die Verluste des Bombenterrors im zweiten Weltkrieg bei weitem übersteigt.
Deswegen können wir uns heute über den Erhalt unseres Retabels ganz besonders
freuen.
Das Bamberger Domkapitel war übrigens recht froh, daß es 1910 für die Regotisierung
des Heinrichsdomes wenigstens ein spätgotisches Altarretabel aus unserer Gegend
erwerben konnte, nämlich den unserem Hospitalretabel zeitgleichen „GattendorferAltar“.
Heute betrachten wir also gemeinsam den spätgotischen Altaraufsatz, das Retabel wie der
Fachmann sagt, hier in unserer Hospitalkirche. Doch auch hierzu zunächst Erklärendes:
Altar und Retabel
Ursprünglich bestand der Altar nur aus der mensa, dem Tisch. Häufig, in Erinnerung an
das Herkommen von den antiken Brandopferältären, in Form eines Herdes für offenes
Feuer gestaltet.
Die Altarfront schmückte man sehr bald mit dem sogenannten Antependium, einer meist
vergoldeten Schmuckwand. Später wurde es üblich, Behälter mit den Reliquien z.B. des
Kirchenpatrons, auf der mensa aufzustellen. Aus solchen Altaraufsätzen entwickelte sich
im Laufe der Zeit das Retabel, die Rückwand, als aufwendigste Art des Altaraufsatzes..
In Italien und Frankreich waren vor allem bemalte Bildtafeln als Retabel üblich, wobei
gerne das antike Triptychon, das aus drei Teilbildern zusammengefügte Bild gebraucht
wurde.
(Wenn Sie Ihre Wege einmal in die Skatstadt Altenburg führen sollten, der östlichsten Stadt
Thüringens, nördlich von Zwickau gelegen, finden Sie im dortigen Lindenau-Museum die größte
Sammlung frühitalienischer Tafelmalerei nördlich der Alpen.)
Der deutsche Sprachraum ist vor allem die Heimat der Schnitzaltäre. Das Tryptichon wird
in Form des Flügelaltares interpretiert und in den zwei-, drei- und mehrfach ausklapparen
Wandelaltar weiterentwickelt. Das Retabel, der Altaraufsatz, erhält wiederum einen
Unterbau zum Aufsetzen, die Predella. Ein Untersatz, der vom farbig gefaßten Brett, über
ornamentale und gegenständliche Bemalung bis zur plastischen Ergänzung des
eigentlichen Retabels reicht. Hier in unserer Hospitalkirche ergänzt eine Darstellung des
Marientodes das Bildgeschehen in der Etage darüber.
Unser Retabel ist ein Wandelaltar, der bei geschlossenen Altarflügeln die Festtagseiten
verbirgt. Dem Betrachter werden bei geschlossenen Flügeln Tafelbilder angeboten, die in
durchaus agitatorischer Absicht das Leiden und Sterben von Christen zeigen, die von den
bösen Heiden gemartert und getötet werden, wie das z.B. die Legende von der Hl. Ursula,
oder das Martyrium der thebäischen Legion zeigen.
-7-
Malerei und Schnitzwerk können dabei durchaus von einer Hand stammen. Im Mittelalter
war die Aufplitterung in die verschiedenen Zünfte und auch der Zunftzwang noch nicht
soweit gediehen wie in den nachfolgenden Jhdtn. Der große Bildschnitzer Peter Breuer ist
in den Matrikeln der Stadt Zwickau als „Maler“ verzeichnet. Allerdings war es bereits zu
Breuers Zeiten üblich einen Maler für die Tafelbilder hinzuzuziehen, wenn nicht gar ein zur
Werkstatt gehörender Maler nicht nur die Fassmalereien, sondern auch die Tafelbilder
besorgte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Faßmaler, die ja erst die Figuren „zum
Leben erweckten“ i.d.R. besser bezahlt wurden als die Bildhauer! Nur wenige, und dann
hervorragende Bildhauer waren mutig genug, auf eine Bemalung teilweise oder ganz zu
verzichten, weil sie vom Wert und von der Wirkung ihrer Schnitzereien überzeugt waren.
Zu nennen ist hier in erster Linie Riemenschneider. Wobei vom Bildhauer erwartet wurde,
daß er seine Kunst sowohl in Holz als auch in Stein auszuüben im Stande war.
Die meiste Zeit des Jahres war der Altar zugeklappt.
Foto: Johannes Taig
-8-
Nur an den hohen Festtagen und zu besonderen Anlässen wie Patronatsfesten, hoher
geistlicher oder weltlicher Besuch etc. war auch die Festtagsseite des Retabels zu sehen.
Unser 1511 geschaffenes Retabel wurde von „Unser lieben Frauen Fronleichnam
Bruderschaft“ für die erste Kapelle der St. Michaeliskirche gestiftet. Der Hauptaltar, auch
Hochaltar, trug damals als Retabel den bereits erwähnten „Hofer Altar“ in der Alten
Pinakothek. Unser Retabel zierte also einen der Maria geweihten Seitenalter. Allerdings
zeichnet ihn die Aufstellung in der ersten Kapelle als wichtigsten Seitenaltar aus.
Im Zentrum des Schreines steht
Maria mit dem Jesuskind. Sie hält
einen goldenen Apfel in der linken
Hand als Symbol des künftigen
Reiches
ihres
Sohnes.
Das
Jesuskind streckt mit Blick zum
Himmel seine Hände segnend und
ergreifend nach diesem „Erdapfel“
aus. Maria ist barhäuptig, mit
offenen langen Haaren. Das weist
sie der Sitte der Zeit entsprechend
als Jungfau aus. Verheiratete
Frauen
bedeckten
ihr
Haar
mindestens mit einem Kopftuch,
dem sogenannten Wimpel.
Im Rankenvorhang über Maria, fast
versteckt, sind zwei Engel gerade
mit
der
Krönung
Mariens
beschäftigt. Heiligen Jungfrauen
stand eine Krone als Kopfschmuck
zu. Die Krönung Mariens zur
Himmelskönigin,
ein
beliebtes
Thema der Marienikonographie, soll
hier wohl eher nicht dargestellt sein,
da dies in der Regel durch ihren
Sohn, bzw. durch die Heilige
Dreifaltigkeit erfolgte.
-9-
Assistiert wird Maria von zwei heiligen Jungfrauen; Katharina und Barbara;
Vom Betrachter zur Linken ist das die Heilige Katharina von Alexandria. Eine der 14
Nothelfer. Sie trägt eine Blattkrone, die sie als jungfräuliche Märtyrerin ausweist. Dieser
Heiligen ist die Vita der Hypathia, einer jungen Griechin, allerdings einer Heidin, unterlegt.
1969 wurde Katharinens Gedenktag aus dem römischen Heiligenkalender gestrichen.
Wahrscheinlich weil ihre Geschichte doch schon sehr legendär erscheint. Seit 2001
erscheint sie wieder im Generalkalender. Wohl auch deswegen, weil wohl in fast jeder
größeren christlichen Stadt eine Katharinenkirche vorhanden ist. Von ihren Attributen hat
unsere Katharina die Jungfrauenkrone, das Buch und das Schwert. Das zerbrochene Rad
fehlt.
Sie gilt unter anderem als Schutzpatronin der Frauen vom Mädchen bis zur Ehefrau, der
Hochschulen samt Bibliotheken, Theologen, Juristen, Professoren und Studenten etc.,
einer ganzen Reihe von Handwerkern, der Krankenhäuser und aller Berufe, die mit
Rädern zu tun haben.
Die vom Betrachter aus gesehen rechte Assistenzfigur stellt die Heilige Barbara dar.
Wie Katharina ebenfalls eine Jungfrau und Märtyrerin. Wegen ihrer Schönheit sperrte sie
ihr Vater in einen hohen Turm ein. Trotzdem gelang es dem Kirchenvater Origines sie zum
christlichen Glauben zu bekehren. Daraufhin ließ sie ihr heidnischer Vater zum Tode
verurteilen.
- 10 Sie ist ebenfalls in den Kreis der 14 Nothelfer aufgenommen und Schutzpatronin u.a. der
Bergleute, Soldaten Artilleristen, Pioniere, Glockengießer und Glöckner und aller Berufe
die mit Feuer und Sprengstoffen zu tun haben. Ihre Attribute sind der Kelch mit oder ohne
Hostie, der Turm mit drei Fenstern und natürlich die Krone der Märtyrerin.
Der Mode der Zeit entsprechend tragen die drei Heiligen Jungfrauen lange Kleider mit
Gürtel, darüber einen vor der Brust offenen Mantel. Die Kleidung entspricht patrizischer
oder höfischer Mode der Entstehungszeit. Katharina und Barbara tragen unter ihren
Kronen noch einen gewunden Stoffkranz, den sogenannten Schapel.
Der Schreinhintergrund ist mit
einem goldenen Wandvorhang ausgestattet. In den
Malgrund hat man ein Granatapfelmuster eingedrückt und
nach dem Aushärten des
Grundes den Vorhang vergoldet. Das Muster imitiert ein
kostbares Florentiner Brokattuch. Derartige Wand-teppiche
waren im Mittelalter in gehobenen Interieurs üblich. Damit
minderte man die kalte Abstrahlung der Wände in den nur
mangelhaft und intermittierend
geheizten Wohnräumen. Über
dem Wandteppich ist ein gemalter Sternhimmel zu sehen.
Die
Seitenflügel
beschreiben
im
Uhrzeigersinn, links oben beginnend, in
vier Szenen, die Verkündigung und Geburt
Jesu;. Weiter ist dargestellt der Besuch der
Heiligen Drei Könige, die ja nach dem
Neuen Testament Magier waren, und die
hier aufgrund ihrer Kleidung und Hautfarbe
als Vertreter der drei damals bekannten
Kontinente auftreten.
Im letzten Relief sehen wir
die
Beschneidung des Jesusknaben. Letztere
wurde im Mittelalter als erstes Blutopfer
Jesu und als Vorschattung auf seinen
Erlösungstod gedeutet.
- 11 -
Diese Reliefs beinhalten eine Reihe
liebenswerter Details, so in der
Verkündigungsszene, in der Gottvater
persönlich ein Baby sozusagen per
Luftpost der Maria zusendet, oder der
Beobachter
im
Fenster
des
betlehemitischen Stalles, den das
Weihnachtsgeschehen
wohl
nicht
gerade mitreißt. Interessant ist ein
Detail bei der Anbetung der drei Könige:
Dort trägt das Jesuskind doch
tatsächlich ein rotes Korallenkettchen zum Schutz vor Krankheiten
und zur Abwehr des bösen Blicks!
War Maria etwa abergläubisch??
In der Beschneidungszene stehen auf
dem Altar des Tempels die steinernen
Gesetzestafeln vom Berg Sinai. Ein
Blick also
ins Allerheiligste des
Tempels und ein Hinweis, daß Jesus als
Jude geboren wurde.
Die Darstellung des Marientodes im Kreis der Jünger in der Predella oder Staffel des
Retabels ist jedoch kein biblisches Thema, aber gestorben ist Maria ja bestimmt auch.
Was unserem Retabel fehlt ist der
krönende Auszug oder das Gesprenge,
das leider beim Umzug von der
Michaeliskirche hierher verlorengegangen ist. Das Bild rechts zeigt einen
vollständigen Retabelaltar von Peter
Breuer
aus
der
Burgkapelle
Gnandstein bei Altenburg. Einen
ähnlichen Aufsatz müssen wir uns für
unser Retabel vorstellen.
In der Taufecke sind uns ein Kruzifix
und
eine
anbetende
Frauenfigur
erhalten, die aus der Zeit des Retables
stammen. Ergänzt um den fehlenden
Johannes könnten diese Schnitzwerke
durchaus
aus
einem
verloren
gegangenen Auszug stammen. Aber ich
will hier nicht spekulieren.
- 12 -
„M H“, wer verbirgt sich dahinter?
Nun, begleiten Sie mich bitte weiter auf der Suche nach dem Schöpfer unseres Retabels.
Wie eingangs erwähnt, bin ich ihm seit einem halben Jhdt. auf der Spur. Die längste Zeit
war der Erfolg sehr mäßig.
Ich nahm Witterung auf: Zunächst in Richtung Nürnberg und Mainfranken.
Riemenschneider war sehr vielversprechend. Seine Madonnen haben offensichtlich auch
auf die Maria unseres Retabels abgefärbt. Sollten unseren
Bildschnitzer seine
Wanderjahre durch Süddeutschland geführt haben?
Für unsere Betrachtung wichtige Bildschnitzer der Spätgotik:
1400 - 1467 Hans Multscher (Reichenhof bei Leutkirch/Ulm), Begründer der Ulmer Schule
1460 - 1531 Tilman Riemenschneider (Heiligenstadt/Würzburg)
1425 - 1492 Jörg (Georg) Syrlin d.Ä. (Ulm), Chorgestühl
1455 - 1521 Jörg Syrlin d.J.
1440 - 1522 Michael Erhard (Ulm), mit seinem Blaubeurener Altar
Dieser erlauchte Kreis außerordentlicher Skulptureure hat die spätgotische Plastik in
Süddeutschland bestimmend beeinflußt. Unser Retabel ist ganz offensichtlich von der
süddeutschen und insbesondere der Nürnberger Schule beinflußt.
Nach der Grenzöffnung nahm ich eine
neue Spur auf. In Steinsdorf und Straßberg
bei Plauen entdeckte ich in den dortigen
Retabeln stilistische Nähe zu unserem
Hospitalaltar. Das setzte sich fort in
Zwickau, im Erzgebirge und im Altenburger
Land.
Dort haben die Bildwerke auch einen
Namen: Peter Breuer, ein Schüler
Riemenschneiders und neben anderen
Meistern
seiner
Zunft
der
große
Bildschnitzer der Gotik in Westsachsen. Mit
seiner Pieta im Zwickauer Dom, der
Marienkirche, schuf er ein Bildwerk von
europäischem Rang. Zwei Kruzifixe in den
Kirchen von Töpen und Trogen bei Hof
werden ihm zugeschrieben.
1472/73 wurde er als Sohn eines Messerschmiedes geboren. Das Bildhauerhandwerk hat
er vermutlich in Zwickau bei einem einheimischen Meister erlernt. Dem schloß sich die
damals übliche Wanderzeit an für die wir durchaus einen Zeitraum von von mindestens
fünf bis sechs Jahren und länger ansetzen können. Daß er dabei auch nach Franken
kam, belegt ein Eintrag in den Ratsbüchern der Stadt Würzburg. Dort ist er 1492 als
Malergeselle aus Zwickau eingetragen. Und daß er sich in Würzburg beim ersten Meister
seines Faches verdingt hat, dürfen wir unterstellen.
Der Einfluß Riemenschneiders auf sein
Oeuvre ist nicht zu übersehen. Im
thüringischen Bibra wird Riemenschneider eine Verkündigungsszene
zugeschrieben, die das Markenzeichen
Breuers trägt: eine in den Zwickauer
Stadtfarben rot/weiss gekästelte obere
Abschlußkante an dem Wandteppich der
Schreinrückwand. Zufall? Oder hat der
Geselle Breuer an diesem Retabel
mitarbeiten dürfen? Oder ist das
Bandmuster Breuers Souvenir aus
Würzburg? Würzburgs Stadtfarben sind
ja auch Rot und Weiß bzw.Silber. Der
Wandteppich
zeigt
ebenfalls
das
Granatapfelmuster,
ähnlich
dem
Wandteppich unseres Retabels.
Nach seiner Wanderzeit kehrte Breuer
nach Zwickau zurück. Das erste Werk
von seiner Hand ist der Altaraufsatz in
Steinsdorf bei Plauen.
Breuer ist erfolgreich. Der Markt ist hart umkämpft. Mehrere sehr begabte Meister suchen
ebenfalls Aufträge. Breuer gelangt mit Fleiß und Können zu bescheidenem Wohlstand.
Aber die Einführung der Reformation in Zwickau und Umgebung trifft ihn hart. 1421 liefert
er sein letztes Altarwerk ab. Für Schnitzaltäre und Heiligenfiguren besteht kein Bedarf
mehr.
Als letztes Werk ist ein Kruzfix von 1539 belegt, das der Rat der Stadt Zwickau
gnadenhalber bei ihm in Auftrag gab. 1541 stirbt er verarmt. Seinem römischen Glauben
ist er zeitlebens treu geblieben.
Aber Peter Breuer ist der Meister des Hofer Retabels nicht. Zu jugendlich und zu
schlank sind die drei Hauptfiguren. Breuer hat vermutlich seine Frau Modell gesessen. Sie
ist mit Ihrem Meister auch älter geworden und mit ihr ebenso die Madonnen und heiligen
Damen aus Breuers Hand.
Aber die Blattkronen ober Lilienkronen – wie von gleicher Hand, die Details der
Rankenvorhänge etc. Das Zwickauer und das Altenburger Land wimmeln geradezu von
Vergleichbarem. Aber Greifbares bekam ich nicht zu fassen. Lernte und arbeitete etwa
unser Meister bei Peter Breuer?
Da lese ich im Frühjahr 2007, daß in Chemnitz im Schloßbergmuseum das Heilige Grab
nach abgeschlossener Generalsanierung wieder zu besichtigen ist. Es ist in in der Tat ein
großartiges Werk aus gotischer Zeit.
- 14 -
Heiliges Grab,
wieder ein neuer Begriff!
Darunter verstand man im Mittelalter zwei unterschiedliche Traditionen, die sich allerdings
in der Praxis bunt und vielfältig mischten.
Zum einen handelt es sich um i.d. R.
steinerne Erinnerungsbauten in Form
von mehr oder weniger ähnlichen
Nachschöpfungen der Grabkirche zu
Jerusalem. Wie das Görlitzer Heilige Grab in der nebenstehenden
Abbildung. Solche Ersatzbauten
boten für weniger betuchte oder
unabkömmliche Gläubige Ersatz für
eine
Pilgerfahrt ins Heilige Land
einschließlich des damit verbundenen
Ablasses.
Zum anderen gab es Heilige Gräber in
Form von Schreinen oder Sargkophagen
aus Stein oder Holz. Interessanterweise
sind nur drei spätgotische hölzerne Heilige
Gräber als erhalten bekannt. Davon eines
aus
Garamszentbenedek,
jetzt
im
Christlichen Museum Esztergom in Ungarn
und zwei im evangelischen Stammland
Sachsen. In Chemnitz, im Schloßbergmuseum steht das links abgebildete
Heilige Grab. Ein weiteres steht in
Zwickau. Wobei es sich das Zwickauer
noch am ursprünglichen Bestimmungsort,
in der
Marienkirche, dem Zwickauer
Dom , befindet.
Die
hölzernen
Hl. Gräber
waren
beweglich und dienten in der Osterliturgie
der
mittelalterlichen
Kirche
zur
gegenständlichen
Darstellung
der
Grablegung und Auferstehung Christi.
Am Gründonnerstag zog ein geschnitzter
Christus
auf
einem
Esel,
dem
sogenannten „Palmesel“, in die Kirche
ein. Am Karfreitagnachmittag rollte
man ein hölzernes Heiliges Grab in die
Kirche (in Esztergom sind die Räder an
dem Grabschrein noch erhalten) in das
man dann am späten Nachmittag einen
geschnitzten
lebensgroßen,
in
Leintücher gewickelten Leib Christi
legte. Am Morgen des Ostersonntags
entnahm man die Figur dem Grabschrein
und präsentierte den Auferstandenen,
geschmückt
mit
Lendentuch
und
Siegesfahne, der Gemeinde. Die Figur
des Auferstandenen wurde dann am
Himmelfahrtstag in das Kirchengewölbe
hinaufgezogen.
Uns erscheinen heutzutage
Bräuche eher etwas befremdlich.
solche
Innenraum des Heiligen Grabes in Zwickau mit
Darstellung des Leichnams Christi
Es überrascht, daß sich zwei dieser Heiligen Gräber gerade im protestantischen Kernland
Sachsen erhalten haben, lehnten doch die Reformatoren jegliche Vergegenständlichung
der Gottesdiensthandlungen ab, die Sakramente ausgenommen. Gründe hierfür können
der hohe Kunstwert beider Schreine und die sicher hohen Kosten für deren Anschaffung
gewesen sein. Alle anderen hölzernen Kunstwerke dieser Art fielen den Bilderstürmern
aber auch der Geringschätzung späterer Generationen zum Opfer.
In den katholischen Landen wandten sich Klerus und Landesfürsten im Gefolge der
Aufklärung Ende des 18. und Anfang des 19. Jhdts. mit strengen Verboten energisch
gegen solche Formen der Liturgie und Volksfrömmigkeit.
Nur Weihnachtskrippe und Kruzifix existieren noch als ranghohe religiöse Symbole in den
Gotteshäusern. In Südeuropa und in den Alpenländern haben sich noch am ehesten die
alten Bräuche erhalten, wobei dabei sicher auch folkloristische und touristische
Gesichtspunkte eine Rolle spielen, denkt man an z.B. an Passionsspiele etc.
Bei der Besichtigung des Chemnitzer Hl. Grabes fiel mir ein, daß ja auch im Zwickauer
Dom, der Marienkirche, dieser Schatzkammer der Gotik, der Renaissance und des Barock
noch ein Heiliges Grab meiner harrt. Vom Kirchenschiff aus kaum sichtbar, steht es
abgesperrt auf der Empore, so daß ich es trotz wiederholter Besuche im Dom noch nicht
in Augenschein genommen hatte.
- 16 -
Also auf der Rückreise nach Zwickau!
Der Zutritt zur abgesperrten Empore wird
mir freundlichst gestattet und dann stehe
ich vor dem Heiligen Grab. Zunächst der
großartige Eindruck: Eine hölzerne
Miniatur-Kathedrale, ähnlich der Sainte
Chapelle in Paris oder der Kirche in
Kuttenberg, jetzt Kutna Hora in Böhmen.
Links das Zwickauer Heilige Grab in
voller Größe.
Links unten:
das Rankenwerk, die Blüten, die
Drolerien, das ist die gleiche Hand wie
bei unserem Retabel! Und da liegt auch
noch das Reh aus unserer Predella!
- 17 -
Allerdings im Wappen ein M und ein R. Aber das bezeichnet den Stifter Martin Römer.
Die Ähnlichkeit des Schnitzwerks mit dem des Hofer Retabels ist nicht zu übersehen.
Und plötzlich sitzt da
dem Sockelsims und
Wappenschild mit
Kleeblatt und dem
entgegen.
ein kleiner Löwe auf
hält mir lächelnd ein
einem dreipässigem
Monogramm M H
Ja, sagt Dombaumeister Dr. Kühn, der „MH“
ist uns bekannt. Das war der Michael
Heuffner, ein Zeitgenosse Breuers. In der
freien Reichsstadt Eger geboren, der
Nürnberger Schule zugerechnet, wirkte er in
Zwickau.
Das Heilige Grab entstand 1507, für die
Reinsdorfer Kirche schuf er 1510 ein
Altarretabel, dessen Figuren heute im
Städtischen Museum in Zwickau stehen.
Unser Retabel schuf er 1511, also auf der
Höhe seines Schaffens.
- 18 -
In Thurm, im schönen Mülsental östlich
von Zwickau, ist von Heuffner, neben
einem Breuer-Retabel, die Büste eines
Herrgotts als Rest einer Ölberggruppe,
erhalten und sehr gut restauriert. Zwei
weitere Figuren dieser Ölberggruppe sind
im
Schloßbergmuseum
Chemnitz
ausgestellt.
Im städtischen Museum Zwickau befindet
sich eine Gruppe Figuren als Reste aus
dem
Reinsdorfer
Altaraufsatz.
Im
Kunstgewerbemuseum Dresden-Zweigstelle Pillnitz steht eine Mondsichelmadonna von Michael Heuffner.
Ich kann Ihnen kaum beschreiben mit
welchem Glücksgefühl ich die Heimfahrt
nach Hof antrat. Ein Traum meiner
Kindheit hatte sich nach einem halben
Jahrhundert erfüllt.
Foto: Werner Markgraf, Thurm
Unser Altarretabel hat jetzt einen Namen:
Michael Heuffner
* 1483/1484 in Eger, Bildschnitzer, + 1511 in Zwickau
Hat er in der Breuer-Werkstatt gearbeitet? War er, wie Breuer, in Süddeutschland auf
Wanderschaft, hat er Riemenschneider, die Ulmer Schule, den Blaubeurer Altar etc.
kennengelernt? Heuffner soll angeblich 1511 gestorben sein? Unser Retabel sein letztes
Werk?
Das Heilige Grab in Zwickau ist ohne Zweifel das Hauptwerk Heuffners. Unmittelbar im
Range danach folgt aber der Heuffner-Alter der Hospitalkirche in Hof! Der Vorzug unseres
Retabels ist der sehr gute Erhaltungszustand mit weitghend originaler Farbfassung ohne
größere Übermalungen; fast ein halbes Jahrtausend alt. In drei Jahren, 2011, feiern wir
mit unserem Altaraufsatz das 500jährige!
In unserer Hospitalkirche steht der Altar allerdings erst seit 471 Jahren. 1529 wurde Hof ja
lutherisch, ein Marienaltar war daher in der Michaeliskirche nicht mehr en vogue. 28 Jahre
nach seiner Weihe verbrachte man ihn deshalb hierher, anläßlich einer dringend
notwendigen Erneuerung unserer Kirche anno 1557. Unsere Gemeinde hat sich damals
sicher ebenso an diesem Kunstwerk erfreut, wie wir heutzutage auch noch.
- 19 -
Das Retabel erzählt uns aber auch etwas über die Zeit seiner Entstehung am Vorabend
der Reformation in Hof. Über die wirtschaftliche Ausrichtung der vogtländischen Stadt Hof
hin zum thüringischen und zum westsächsischen Wirtschafts- und Kulturraum.
Nicht ohne Grund liegt der Studentenberg im Norden Hofs. Die Hofer studierten früher in
Leipzig, in Wittenberg und in Jena. Hof's Wirtschaft profitierte von der Nähe zum
westsächsischen Wirtschaftsraum, der Boomregion des späten Mittelalters.
Von Franken aus besiedelt, vom fränkischer Handwerkskunst befruchtet, haben uns
unsere sächsischen Nachbarn mit diesem Altaraufsatz etwas ganz besonders wertvolles
zurückgegeben.
Wappenschild am Heiligen Grab in der
Wappenschild in der Predella der Hofer
Zwickauer Marienkirche (Dom)
Hospitalkirche
Rudolf Strößner. Hof, zum Tag des offenen Denkmals, am 14. September 2008.

Documentos relacionados