Originaldokument als PDF-Datei - Hessischer Landtag

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Originaldokument als PDF-Datei - Hessischer Landtag
16. Wahlperiode
HESSISCHER LANDTAG
Kleine Anfrage
der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
vom 15.05.2003
betreffend Vollzugsmängel bei der hessischen und bundeseinheitlichen
Hundegesetzgebung durch hessische Behörden
und
Antwort
des Ministers des Innern und für Sport
Vorbemerkung der Fragestellerin:
Pitbull Terrier gelten in Hessen als gefährliche Hunde, wenngleich für diese Annahme keine wissenschaftliche Grundlage existiert. Die Zucht von American Staffordshire Terriern, Bullterriern, Pitbull Terriern und Staffordshire Bullterriern ist in
Deutschland nach der Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 verboten. Nach
§ 143 Abs. 2 StGB erfüllt das Halten eines gefährlichen Hundes ohne Genehmigung
den Straftatbestand. Nach den diversen hessischen Hundeverordnungen, deren Gültigkeit in den letzten zweieinhalb Jahren ständig wechselte, wird zur Haltung eines
gefährlichen Hundes eine behördliche Erlaubnis benötigt. Eine Voraussetzung für die
Erteilung einer solchen Erlaubnis ist die Zuverlässigkeit des Antragstellers.
Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport:
Ich verweise auf meine Vorbemerkung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abg. Hartmann, Hofmeyer, Rudolph, Schaub, Siebel und Waschke
(SPD) – Drucksache 16/235.
Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im
Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz wie folgt:
Frage 1.
Wie werden in Hessen Verstöße gegen die Tierschutz-Hundeverordnung vom 2.
Mai 2001, insbesondere gegen das Zuchtverbot bestimmter Hunderassen, geahndet?
Wer in Hessen Hunde nach § 11 Tierschutz-Hundeverordnung züchtet, verstößt damit gegen § 11b Abs. 2 Buchstabe a Tierschutzgesetz (TierSchG)
und handelt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 22 TierSchG ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann in diesen Fällen mit einer Geldbuße bis zu 25.000 €
geahndet werden.
Frage 2.
Wie wird in Hessen ein Verstoß gegen § 143 Abs. 2 StGB geahndet?
Das Halten eines gefährlichen Hundes, ohne dafür eine Erlaubnis zu besitzen, erfüllt den Straftatbestand des § 143 Abs. 2 StGB. Ein Verstoß gegen §
143 Abs. 2 StGB wird, wie das Gesetz es vorsieht, mit Freiheitsstrafe bis zu
zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Frage 3.
Dürfen in Hessen gefährliche Hunde ohne behördliche Erlaubnis gehalten werden?
Nein.
Frage 4.
a) Trifft es zu, dass im Landkreis Darmstadt von der Task-Force "gefährliche
Hunde" sichergestellte, illegal gezüchtete Pitbull-Welpen an den Eigentümer
zurückgegeben wurden?
b) Wenn ja, warum ?
Aufgrund der in Frage 5 enthaltenen Konkretisierungen liegt der Verdacht
nahe, dass hier ein anderes durch die AG Task-Force "gefährliche Hunde"
geführtes Ermittlungsverfahren gemeint ist. Tatort war hier allerdings nicht
Eingegangen am 6. Januar 2004 · Ausgegeben am 22. Januar 2004
Druck und Auslieferung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden
Drucksache
16/163
06. 01. 2004
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Hessischer Landtag · 16. Wahlperiode · Drucksache 16/163
der Landkreis Darmstadt, sondern die Stadt Offenbach am Main. Zu diesem
Ermittlungsverfahren ist Folgendes zu berichten:
Am 5. September 2002 wurde die AG Task-Force "gefährliche Hunde"
durch das 1. Polizeirevier um Unterstützung gebeten, da im Stadtgebiet ein
ausgebrochener American Pitbull Terrier unbeaufsichtigt umherlaufe und
Passanten bedrohe. Der Hund wurde durch Beamte der AG Task-Force
"gefährliche Hunde" fixiert und sichergestellt. Hierbei stellte sich heraus,
dass es sich um eine Hündin mit ausgeprägtem Gesäuge handelte. Aufgrund
dessen wurden weitere Ermittlungen in der Nähe des Sicherstellungsortes
durchgeführt. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurden die zwölf Welpen der
Mutterhündin in einer offen stehenden Wohnung aufgefunden und ebenfalls
sichergestellt. Dem zuständigen Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen (Offenbach-Stadt) wurde eine Ordnungswidrigkeitsanzeige wegen der illegalen Zucht gefährlicher Hunde (§ 11 b Abs. 2
Nr. a Tierschutzgesetz i.V.m. § 11 Tierschutz-Hundeverordnung) mit der
Bitte vorgelegt, die Einziehung der Welpen nach § 19 Tierschutzgesetz vorzunehmen. Dies wurde durch die Behörde nicht befürwortet, worauf die
Welpen dem Eigentümer ausgehändigt werden mussten. Das eingeleitete
Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde nach erfolgter Anhörung eingestellt.
Frage 5.
Trifft es zu, dass der Eigentümer der Hunde die insgesamt 12 Welpen für je
1.000 € veräußert hat?
Es gibt keine konkreten Angaben über den Verkaufspreis der Welpen. Ein in
einem anderen Ermittlungsverfahren vernommener Zeuge gab, in seiner
Vernehmung hierzu befragt, an, dass die Welpen "teuer" verkauft werden
sollen. Ein ihm namentlich bekannter Käufer habe allerdings lediglich 200
bis 300 € dafür bezahlt.
Im Rahmen von durch die AG Task-Force "gefährliche Hunde" durchgeführten Kontrollen wurden zwei "abgegebene" Welpen angetroffen. Die
jeweiligen Besitzer der Tiere legten "Übergabeverträge" vor, aus denen
hervorging, dass der Züchter die Welpen unentgeltlich übereignet hatte.
Frage 6.
Entstammen die sichergestellten Welpen einer Aggressionszucht?
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die sichergestellten Welpen
einer Aggressionszucht entstammen. Für die Haltung der beiden Elterntiere
wurden durch die zuständige Ordnungsbehörde Erlaubnisse erteilt, nachdem
neben anderen Voraussetzungen auch die Wesensprüfung erfolgreich abgelegt worden war.
Frage 7.
a)
Wo befinden sich die Elterntiere?
Die Elterntiere befinden sich bei den ursprünglichen Tierhaltern.
b) Wurden sie mittlerweile aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit der Halter
eingezogen?
Nein.
c)
Wenn nein, warum nicht?
Weil keine Ahndung wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz
erfolgte und für die Haltung eine Erlaubnis erteilt wurde.
Frage 8.
Es ist bekannt, dass so genannte Kampfhunde bereits im Welpenalter aggressiv
gemacht werden. Wie wurde sichergestellt, dass diese Welpen nicht vor ihrer Veräußerung abgerichtet wurden?
Es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Tierhalter die Hunde im
Welpenalter mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit
abrichtete.
Frage 9.
Kann in Hessen eine Person, die gegen die Tierschutz-Hundeverordnung, die
Hessische Hundeverordnung und/oder gegen § 143 Abs. 2 StGB verstoßen hat,
eine Erlaubnis zur Halten eines gefährlichen Hundes erhalten?
Die Erteilung der Erlaubnis hängt von der Zuverlässigkeit des Halters ab (§
3 Abs. 1 Nr. 2 HundeVO). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der
Regel nicht, wer wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Tierschutzgesetzes oder der HundeVO verstoßen hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 HundeVO).
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Frage 10.
Wie oft wurden in Hessen sichergestellte Hunde aus "Kostengründen" ihren Eigentümern wieder ausgehändigt?
Außer dem in der Antwort zu Frage 4b erwähnten Sachverhalt ist bisher
kein Fall bekannt geworden.
Frage 11.
Bereits in der Vergangenheit waren weder Ordnungs- noch Veterinärbehörden in
der Lage, die einschlägige Hundegesetzgebung ordentlich zu vollziehen. So waren
z.B. die Zustände in Marburg seit über 20 Jahren bekannt, bevor gehandelt wurde,
und auch der oben geschilderte Fall der Pittbull-Welpen stimmt nicht gerade zuversichtlich. Wie soll künftig ein ordentlicher Vollzug, insbesondere vor dem Hintergrund der vorzeitigen Auflösung der Task-Force "gefährliche Hunde", stattfinden?
Das zuständige Staatliche Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz
und Veterinärwesen (SALTV) des Landkreises Marburg-Biedenkopf teilte
auf Anfrage des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und
Verbraucherschutz mit, dass in Marburg jahrelang eine Kampfhundszene
existiere. Es hätten jährlich Treffen in Marburg stattgefunden. Vom SALTV
Marburg seien den Veranstaltern mit den gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln (Tierseuchenrecht, Tierschutzrecht) Auflagen gemacht worden.
Diese seien immer vollständig erfüllt worden. Konkrete Beweise für Straftaten hätten nie vorgelegen. Nachdem es innerhalb der Kampfhundszene zu
Streitigkeiten gekommen sei, habe ein Mitglied der Gruppe bei der Polizei
ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Erst dann habe das SALTV Marburg eingreifen können und habe dies auch umgehend getan.
Beim Vorliegen von Verstößen gegen das Tierseuchen- und/oder Tierschutzrecht auf der Basis von gerichtsverwertbaren Fakten ist ein ordnungsgemäßer Vollzug durch die Staatlichen Ämter für Lebensmittelüberwachung,
Tierschutz und Veterinärwesen sicherzustellen.
Für die Durchführung der HundeVO ist nicht die AG Task-Force, sondern
die jeweilige örtliche Ordnungsbehörde zuständig. Seit dem 1. April 2003 ist
die fachliche Beratung durch die Hessische Polizeischule – Fachbereich
Diensthundewesen – gewährleistet. Die örtlichen Polizeidienststellen unterstützen die örtlichen Ordnungsbehörden im Rahmen von Amts- und Vollzugshilfe.
Wiesbaden, 9. Dezember 2003
Volker Bouffier
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