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Wochenend
Magazin
66. JAHRGANG, NR. 182
6. August 2011
Eine Ideenschmiede in Sachen Humor
PORTRÄT Der Cartoonist und Illustrator Harm Bengen über Micky Maus, die „neunte Kunst“ und lesbische Vampire
Der Ostfriese gehört zu
den erfolgreichsten Comiczeichnern Deutschlands. Vor einem Jahr ist
der 56-Jährige zurück
nach Norden gezogen.
VON RIEKE PRZEMUHS
NORDEN - Seine kiffenden
Omas sind cool, seine lesbischen Vampire heißblütig:
Die Figuren von Harm Bengen sind vielschichtig, liebevoll ausgearbeitet und oft
voller böser Weisheiten.
Der Zeichner und Cartoonist ist der Beweis, dass man
als freischaffender Künstler
in Ostfriesland durchaus leben kann. Fernab von Galerie-Small-Talk und eingefleischter Comic-Szene. Einzig
die
DSL-Verbindung
könnte seiner Meinung nach
noch schneller sein, um seine Arbeiten noch zügiger an
die Auftraggeber zu schicken.
Vor einem Jahr ist der aus
Arle stammende Bengen, der
auch immer mal wieder für
die OZ das tagespolitische
Geschehen mit seinen Illustrationen kommentiert, nach
vielen Jahren in Neu-Ulm in
seine alte Heimat zurückgekehrt. Heimweh war dabei
aber weniger im Spiel. „Bei
dem Gedanken an die Rückkehr nach Ostfriesland fühlte
ich mich zunächst wie ein alter Elefant, der sich zum Sterben zurückzieht“, scherzt der
56 -Jährige mit den schlohweißen langen Haaren.
Seit drei Jahren liegt sein
Arbeitsschwerpunkt vorwiegend auf dem tagesaktuellen
Geschäft. Bengen ist eine
Ideenschmiede in Sachen
Humor: Täglich beliefert er
knapp 30 Tageszeitungen mit
politischen Karikaturen. Zu
seinen Abnehmern zählen
die Sächsische Zeitung, die
Märkische Allgemeine und
Harm Bengen zeichnet seine Karikaturen im wahrsten SinBILDER: PRZEMUHS (1), BENGEN (3).
ne des Wortes mit links.
hin und wieder auch die Financial Times Deutschland.
Dafür durchforstet er jeden
Morgen den virtuellen Blätterwald: Er sichtet die Nachrichtenlage, damit gegen Mittag das Thema steht. Etwa
drei Stunden braucht er zum
Zeichnen. Die Karikaturen
entstehen teilweise am Rechner, die Cartoons sind handgezeichnet.
Dabei verzichtet er auf die
klassischen
Politikerköpfe
und bleibt seinem „Strich“
und seinen politischen Ansichten treu. „Meine Karikaturen sollen einen Standpunkt vermitteln“, sagt er.
Verfremdung, Parodie und
jede Menge Ironie sind dabei
die Zutaten, derer er sich bedient.
„Die Zeichnungen sollen
ja nicht nur Anstoß zum
Nachdenken geben, sondern
auch witzig sein“, erklärt der
gelernte Farblithograph und
Grafik-Designer. Ideen habe
Bengens Oma-Figuren sind alles, nur nicht konservativ.
lem.“ Micky Maus und Superman-Comicbände habe
er regelrecht verschlungen.
„Für mich war damals klar:
Wenn ich groß bin, werde ich
Zeichner bei Walt Disney.“
Seine Eltern hätten ihn bei
seinem Berufswunsch immer
unterstützt.
Trotz
der
Schwierigkeiten, die der Beruf mit sich bringt: „In
Deutschland sein Brot mit
Comics zu verdienen, ist
noch heute eher schwer“,
sagt Harm Bengen.
Diese Form der Kunst habe hierzulande nach wie vor
einen eher geringen Stellenwert. Schaue man nach
Frankreich
beispielsweise,
das Land von Sempé („Der
kleine Nick“) und Uderzo
(„Asterix“), sehe das ganz anders aus: „Für die Franzosen
sind Cartoons die ‘neunte
Kunst’“, sagt der 56-Jährige
und bezieht sich dabei auf
den französischen Literaturwissenschaftler Francis Lacassin, der den Comicstrip in
einem Essay von 1971 mit
diesem Begriff in den Kanon
der bildenden Künste einordnete.
Trotzdem wagte er 1986
den Sprung in die Selbstständigkeit. Viele Jahre und unzählige Strips später zählt er
zu den erfolgreichsten Zeichnern der deutschen Szene.
Unter Kennern hat der Name
Harm Bengen längst einen
großen
Bekanntheitsgrad. Für
Außenste-
er immer. Oft sogar mehr als
eine. Gerade die Atom-Debatte in vergangener Zeit sei
ein dankbares Thema gewesen. „Absurderweise nehmen
die Zeitungen dann immer
genau das, was man selbst
für nicht so gelungen hält.“
Das seiner Meinung nach
wirklich gute Material werde
oft als „zu bissig“ abgelehnt.
Bengen kennt das. So läuft
das Geschäft nun mal. Verbiegen würde er sich trotzdem nicht. Wenn ihm etwas
nicht passt, dann verweigert
er sich. „Das ist sehr ostfriesisch an Harm: Seine Sturheit“, sagt seine Lebensgefährtin Gabriele Frorath. So warf er
den gut bezahlten
Job in einer Werbeagentur Anfang
der 1980er Jahre
nach einer Woche
bereits hin, weil
ihm die Konsumwelt und ihre
Oberflächlichkeit
zuwider waren.
Lukrative Angebote von Vattenfall und Eon
schlug er ebenfalls aus: „Ich
kann doch nicht
gegen Kernenergie sein und dann
für die Mitarbeiterzeitungen von
Atomkonzernen
zeichnen
oder
mir Ausstellungen von denen
sponsern lassen“,
empört sich Bengen.
Den Wunsch,
Comic-Zeichner
zu werden, habe
er schon immer
gehabt. „Bereits
als kleiner Junge
Vorsicht, bissig! Die lesbische
habe ich unheimVampirin Sandra Bodyshelly
lich gern gezeichliebt es blutrünstig. Männer
net. Indianer und
sind ihre liebsten Opfer.
Cowboys vor al-
hende ist er jedoch immer
noch der große Unbekannte
unter den bedeutenden Cartoonisten hierzulande. Die
Namen von Kollegen wie Uli
Stein, Rolf König, Brösel oder
Walter Moers lösen dagegen
auch bei weniger Szenekun-
Der Künstler als Comicfigur: Ein Selbstporträt.
digen einen „Aha“-Effekt aus.
Erst jüngst würdigte die „Caricatura“, die Galerie für Komische Kunst in Kassel, den
Ostfriesen mit einer großen
Werkschau. Zu sehen gab es
unter anderem Szenen aus
seinem achtbändigen Erotikcomic um den Vampir „Sandra Bodyshelly“. Die Serie erschien von 1990 bis 2004.
Bengens Vampir ist weiblich,
homosexuell und für eine
Untote überraschend lebenslustig, während die männlichen Gegenspieler als bemitleidenswerte Schwächlinge
auftreten. Seine Comicbände
„Alltagsskizzen“ (2005), „Unser Shit-and-Fun-Center“
(2007) und „Willkommen in der Hölle“
(2009) waren auch
vertreten. Immer
wieder
taucht
auch der Bezug zu Ost-
friesland in seinen Comics
auf. Mit „Ulfert“ schuf er einen plattsprechenden Titelhelden, der seit 1986 monatlich im „Bremer“ als Strip
und zweimal jährlich als ganze Seite im „Ostfriesland-Magazin“ erscheint.
Ein weiterer Comic mit
Ostfriesland-Bezug handelt
von Klaus Störtebeker. Der
Comicstrip zeichnet die letzten Jahre des legendären
Freibeuters nach. Dafür recherchierte er intensiv die
historischen Details von der
Schiffstakelage bis zur Kleidung, um den Mythos des
bekannten Piraten wieder
zum Leben zu erwecken.
„Die Recherche hat länger
gedauert, als das Zeichnen
selbst“ gibt der Cartoonist im
Nachhinein zu.
Sein
Störtebeker-Comic
wurde kürzlich neu aufgelegt.
Die erste Version des Comics
entstand 1993. „Das war damals ein völliger Flop.“ Er habe damals viel herumexperimentiert, insbesondere mit
den konventionellen Lesegewohnheiten, erinnert sich
Bengen.
In Zeiten von Mangas sei
das für die Comic-Leser von
heute kein Problem mehr.
Das dachte sich möglicherweise auch der Verlag. Der
Strip erscheint jetzt in handlichem Format und mit dem
Zusatz „graphic novel“ versehen. Der Verlag glaubt an
den Erfolg von Bengens Comicversion. Vielleicht auch,
weil Piraten wieder ein Thema sind? Oder weil „graphic
novels“ als vermeintlich anspruchsvollere Comics im
Trend liegen?
Harm Bengen kann es egal
sein: „Natürlich habe ich
mich darüber gefreut, dass
der Band wieder aufgelegt
wird.“ Gleichzeitig habe er
seinem Verlag gesagt, dass er
keine Verantwortung dafür
übernehme, dass
das
Album
dieses
Mal
besser läuft.
Stoisch harrt
er der Dinge,
die da kommen.
Auch
das ist möglicherweise sehr
ostfriesisch
an Harm
Bengen.

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