Artikel Rollentausch

Transcrição

Artikel Rollentausch
Das Projekt „Rollentausch“ in der psychiatrischen Tagesstätte Neuhausen aus Sicht der
teilnehmenden Besucher
Das Motto der Jahrestagung 2008 der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie in Leipzig lautete „Alltag und Eigensinn – Fremdbestimmt? Selbstbestimmt?“ Im Rahmen der dortigen „TuWas-Aktion“ entstand zum Thema „Mehr Nutzerbeteiligung wagen“ die Idee zum
Projekt „Rollentausch“: MitarbeiterInnen und NutzerInnen sozialer Einrichtungen tauschen
für einen bestimmten Zeitraum die Rollen.
Vom 27.10. bis einschließlich 29.10.2009 wurde die Projektidee in der psychiatrischen Tagesstätte Neuhausen, die dem Verbund der Sozialpsychiatrischen Dienste NeuhausenNymphenburg der Inneren Mission München e.V. angehört, umgesetzt: das komplette „echte
Team“ der MitarbeiterInnen wurde zu BesucherInnen der Tagesstätte, insgesamt zehn BesucherInnen der Tagesstätte beteiligten sich am Projekt und bildeten das sogenannte „Interimsteam“. (Diakoniereport berichtete)
Grob umrissen war das Ziel des Projektes, sogenannte Empowerment- und Partizipationsprozesse bei den BesucherInnen der Tagesstätte zu fördern. Das Vorhandensein und die Nutzung
von Veränderungspotenzialen sollten sichtbar und erfahrbar werden – für beide Seiten: das
„echte Team“ und das „Interimsteam“.
Mit diesen Zielen wird Bezug genommen auf den lange bekannten Empowerment-Gedanken1
sowie auf die vergleichsweise neue Idee der Einbeziehung Psychiatrie-Erfahrener, die unter
dem Namen „Experienced-Involvement“, kurz „EX-IN“2 publiziert wird. EX-IN fokussiert
Folgendes: „Psychiatrie, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert, muss sich auf
eine Begegnung mit den Lebens- und Erfahrungswelten der Psychiatrie-Erfahrenen einlassen.
[…] Um Unterstützungsangebote zu entwickeln, die Wiedererstarken und Empowerment zum
Ziel haben, ist es erforderlich, die Erklärungs- und Bewältigungsmodelle der Betroffenen zu
nutzen.“3 „Menschen, die Erfahrungen mit dem psychiatrischen Hilfesystem haben, können
benennen, welche Angebote hilfreich waren, welche wohl gemeinten Interventionen an den
Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigehen und welche Form der Unterstützung fehlt.“4
Das Projekt „Rollentausch“ wurde auf verschiedenste Weise ausgewertet. Unter anderem
wurden drei der teilnehmenden Tagesstättenbesucher nach Ende des Projektes interviewt.
Die Befragten beschrieben, dass sie von Anfang an neugierig auf den „Rollentausch“ waren.
So Herr A: „Das fand ich von Anfang an eine sehr interessante Sache. Ich weiß ja von der
Crew von der Tagesstätte, dass die versuchen, sich alles Mögliche einfallen zu lassen und
dass sie sich sehr kreativ anstellen dabei. Wenn die mit irgendeiner Idee kommen, ist allein
1
Vgl. z.B. www.empowerment.de (06.03.10) und KNUF, A. (2005): Empowerment-Förderung: Zentrales Anliegen psychiatrischer Arbeit. In: Kerbe 2-2005. Verlag der evangelischen Gesellschaft Stuttgart GmbH. Stuttgart. Seite 4-7 und KNUF, A. (2006): Empowerment in der psychiatrischen Arbeit. Psychiatrie-Verlag. Bonn
und STARK W. (1996): Empowerment – Neue Handlungskompetenzen in der psychosozialen Praxis. Lambertus-Verlag. Freiburg im Breisgau und HERRIGER, N. (2006): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Kohlhammer-Verlag. Stuttgart
2
S. z.B. www.ex-in.de (06.03.10) und UTSCHAKOWSKI, J., SIELAFF, G., BOCK, T. (2009) Vom Erfahrenen
zum Experten – Wie Peers die Psychiatrie verändern. Psychiatrie-Verlag. Bonn
3
UTSCHAKOWSKI, J. (2009a): Psychiatrie-Erfahrung als Kompetenz: Das Projekt EX-IN. In: Kerbe 1-2009.
Verlag der evangelischen Gesellschaft Stuttgart GmbH. Stuttgart. Seite 19-21
4
UTSCHAKOWSKI, J. (2009b): Den reichen Schatz an Erfahrungswissen nutzen. In: Soziale Psychiatrie 01/09.
Psychiatrienetz. Bonn. Seite 6-8
2
die Tatsache, dass sie so eine Idee gebracht haben, für mich die halbe Garantie, dass es kein
Unsinn sein kann.“
Herr B. schließt sich dem an: „Ich hatte mir einen Einblick erhofft, wie die Tagesstätte sozusagen von der anderen Seite her aussieht. Ich fand das schon interessant.“
Bestimmte Erwartungen an das Projekt wurden geäußert. Herr B. zum Beispiel wollte sehen,
„was da noch dranhängt, außer dem, was man eben normalerweise so als Tagesstättenbesucher sieht“.
Herr A. sagt: „Alle haben das ernst genommen. Ich fand mich gefordert, auch Verantwortung
zu üben. Ich hab mich innerlich wirklich voll drauf eingestellt: Rollentausch ist Rollentausch,
jetzt bist Du ganz auf der anderen Seite und hast Sachen durchzukämpfen. Und ich hab mich
mit dem Gedanken beschäftigt: inwiefern kann der Rollentausch vollzogen werden eigentlich
mit allem drum und dran? Inwiefern bleibt das eine künstliche Sache und inwiefern kann man
sich wirklich in die Rolle versetzen.“
Herr A. befasste sich vorab gedanklich mit der Einschätzung eigener Grenzen, aber auch seinen Kompetenzen: „Ich habe daran gedacht, ob es mich nicht überfordert, ob ich auch in der
Lage sein werde, in der Früh aufzustehen, da morgendliche Antriebsschwäche mein großes
Problem ist, ich habe da an meine eigenen Grenzen gedacht, ob es eben funktionieren wird.
Als ich dann angetanzt bin, ich muss sagen, da hat schon ein bisschen der Ernst des Lebens
eingesetzt. Nicht, dass da Sachen auf mich zugeflogen sind, Aufgaben, die schnell irgendwie
erledigt werden müssen, sondern das Gefühl der Verantwortung hat sich ganz eindeutig eingestellt. Es war für mich eine Herausforderung, dass ich an die Menschen herantrete, weil ich
mich in der letzten Zeit sozial ziemlich zurückgezogen habe. Das hat mit meinem psychischen
Zustand zu tun und mir ist geraten worden, soziale Belange also Soziales zu üben, um mich
selber ein bisschen in Bewegung zu bringen. Mich ein bisschen mehr sozial zu gestalten halt.“
Gefragt nach gewonnen Erkenntnissen über die eigene Person, der subjektiven Beurteilung
und dem Nutzen des Projektes und daraus folgenden Veränderungen, kamen vielfältige Antworten.
Herr A.: „Also ich finde, dass es eine wunderbare Erfahrung war, die ist mitzunehmen, weil
sie sehr sozial fördernd ist. Fordernd und fördernd, finde ich gleichermaßen. In meiner Wenigkeit als Grundsicherungsempfänger, der momentan als nicht erwerbsfähig eingestuft ist,
der aber insgesamt große Hoffnung hegt, dass es ihm noch gelingt, in den Arbeitsprozess zurückzukehren, sage ich, darf ich auch keine Übungsgelegenheit auslassen für soziale Belange.
Das verstehe ich als eine sehr gute Übung fürs Arbeitsumfeld, also das ist ein direktes Training. Das hat mich schon gefreut, dass es mir gelungen ist, das durchzuziehen. Da hab ich
mir richtig was drauf eingebildet, dass ich was dazu gelernt habe. Ich werde versuchen, das
festzuhalten und auszubauen. Ich glaube, dass ich insgesamt davon profitiert habe für mein
Selbstbewusstsein. Die Sache hat mir Mut gemacht, dass ich das doch irgendwie noch schaffe.
Wenn ich jetzt noch keine nennenswerte Sicherheit gewonnen habe, dann sehe ich immer noch
sehr gute Chancen, dass es noch nachwirkt, dass ich das ausbauen kann, dass ich daraus was
machen kann.“
Herr B.: „Ich hab das Gefühl, dass das Einiges gebracht hat für den Umgang mit anderen
Leuten. Die Vertrautheit untereinander ist größer als vor dem Projekt. Wir haben uns auch
fast alle geduzt. Das war davor nicht so. Wir machen ja jetzt auch in der Freizeit mal mehr
zusammen. also wir machen jetzt auch mal ganz spontan, wenn die Tagesstätte geschlossen
hat, was zusammen. Das war vorher nicht so.
Ich hab erstaunt entdeckt, wie viel ich mir da zutrauen kann. Ich hab ja nicht gewusst, wie es
laufen würde. Aber ich hab mich ja getraut, das zu machen. Und ich bin froh, dass ich mich
darauf eingelassen habe. Wenn ich das nicht gewagt hätte, dann wüsste ich gar nicht, was ich
3
da kann und wie gut ich das kann. Also ein Stück weit habe ich die Sache besser gemacht als
ich gedacht hätte.“
Herr C. berichtet nachdenklich: „Ich habe solidarische Gefühle gegenüber einigen aus dem
Rollentausch entwickelt. Für einige haben sich ja da neue Welten eröffnet. Gerade der Herr
K., der sehr intensiv reflektieren kann und mir Dinge nahebringen kann, die mir völlig fremd
waren. Da konnte auch ich nachträglich noch eine ganze Menge Erkenntnisse gewinnen über
mich selber in diesen Gesprächen. Da dachte ich, ich muss mich auch ein bisschen selber
zurücklehnen und nicht alle Lücken füllen, die andere eben offenlassen, weil es eben so ist,
weil es aufgrund ihrer anderen Erfahrungen oder ihrer nicht so professionellen Berufserfahrungen sich eben so ergibt. Manche Dinge haben mich überrascht. manchmal haben so kleine
Alltäglichkeiten bei einigen zu Problemen geführt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.
Man sieht einerseits, so ein Tag mit unvorhergesehenen Ereignissen eben durchzustehen, das
kann verdammt anstrengend sein und da einigermaßen heil entspannt wieder herauszukommen, das ist längst nicht jedem gelungen.
Ich hab nur entdeckt, dass ich eben so manche Stärke, die ich hab, jahrelang eigentlich vernachlässigt hab oder nicht weiterentwickelt hab und das ist natürlich auch eine traurige Bilanz so im Rückblick.“
Angesprochen darauf, ob eine Wiederholung des Projektes vorstellbar ist, herrschte Einigkeit.
Herr A.: „Also ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal war. Also es ist super angekommen bei
allen und einige haben schon gesagt, dass sie das nächste Mal gerne mitmachen werden. Ich
wäre auch gerne wieder dabei. Das würde ich wirklich als Training verstehen, nicht nur eben
als Belastungserprobung für Berufliches, sondern, dass ich einfach schau, dass ich meine
Linie unter weniger Energieverbrauch bewerkstelligen kann. Also zu schaffen, dass es mich
nicht so viel Energie kostet, etwas zu tun, das Berufliche mit dem Privaten unter einen Hut zu
bringen, das wäre für mich die größte Herausforderung, weil ich mich so am besten fürs Leben gewappnet fühlen würde.“
Herr B. bringt noch einen anderen Vorschlag ein: „Und so etwas länger als drei Tage zu machen, wäre auch eine gute Idee. Also aus meiner Sicht ging es überraschend gut.“
Gefragt nach ihrem Resümee bezüglich des Projektes „Rollentausch“ antworteten die Interviewpartner Folgendes:
Herr A.: „Es war mir ein Anliegen, mir ein Beispiel an der ganzen Crew, also dem Ursprungsteam, zu nehmen. Begegnung mit den Menschen auf Augenhöhe nach dem Motto ‚Behinderung ist keine Krankheit’. Und allen als vollwertige Menschen zu begegnen. Das wollte
ich. Ich finde, die Mitarbeiter machen das ganz glänzend, also das ist eine ganz tolle Sache,
weil sich das alles so leicht anfühlt also würde es keine Kraft kosten. Während des Rollentauschs habe ich aber gesehen, dass es eigentlich gar nicht so einfach ist, diese Arbeit, das ist
mir so richtig bewusst geworden während des Rollentauschs und es wirkt immer noch nach in
vielen kleinen Momenten bin ich jetzt viel aufmerksamer. Ich weiß es viel mehr, viel besser zu
schätzen, die Leistung. Auf der anderen Seite bin ich auch gewissermaßen kleinmütig geworden, weil ich eben gemerkt habe, dass es ein ganzer Batzen Leistung ist vom Ursprungsteam,
was die hier tun, um den Laden zu schmeißen. Und da fühle ich mich ja so klein daneben.“
Herr B.: „Also ich will mal sagen, ich hab da schon einigen Respekt da vor der Arbeit, die
sonst die Leute vom Ursprungsteam da machen. Das war für uns alles nicht immer so einfach,
weil wir haben da ja nicht diese jahrelange Ausbildung dafür also wir haben schon festgestellt, dass das nicht immer ganz einfach ist.“
Herr C.: „Das Projekt wirkt noch weiter und so ein gewisses Verantwortungsgefühl nachdem
wir alle ja Verantwortung getragen haben. Also, ich hab sehr schnell gesagt, ich bin stolz auf
4
das Team, auf mich, ich komme da mit einem Erfolgsgefühl raus und mit einem Gefühl der
Kraft und das war für mich ein wichtiges Ergebnis.“
Herr C. benennt noch einen ganz anderen Aspekt, den er beobachtet hatte: „Also vor allem die
Leute, die durch ihre juvenilen Erkrankungen gar nicht erst in den Beruf eingestiegen sind,
das ist ein verdammt schwieriges Problem, das hatte ich früher gar nicht gesehen. Konnte ich
mir gar nicht vorstellen. Während die Leute, die eben im Beruf gestanden haben oder stehen,
die tun sich natürlich mit vielem leichter. Auch die ganzen Frauen stehen ja alle im Beruf. Die
‚Problemkinder’ sind also tatsächlich diese Jungen - inzwischen sind sie ja auch zwischen 30
und 40. „
Herr C. fasst einige Ideen zusammen, die während des „Rollentauschs“ entstanden sind:
„Zum einen, ein neues Arbeitsprinzip in der Tagesstätte einzuführen, das Patenschaftsprinzip,
d.h. ein erfahrener Besucher kümmert sich nebenamtlich neben den Hauptamtlichen eben
auch um unseren Neuling, führt ihn ein bisschen ein, entlastet damit das Ursprungsteam und
stellt eben einfach Brücken her zu den Besuchern für den Neuen.
Jemand hatte noch eine Idee, nämlich das Martinsprinzip einzuführen, eben Mantelteilung,
also dass er sagt, ich ziehe mich ein bisschen zurück, ich halbiere sozusagen meine Zeit in der
Tagesstätte, damit ein anderer, der es nötiger hat, noch Platz findet. Das war auch ein sehr
guter Gedanke, der manche noch sehr bewegt hat.
Die Einführung von kleinen Reflexionsgruppen war noch so eine Idee: also zwei oder drei
Leute beispielsweise aus der Kunst- oder Malgruppe oder anderen Angeboten, die sich dann
mal mit jemandem aus dem ständigen Team zusammensetzt, zum Beispiel alle zwei Monate,
und dann mal schaut, wie ist denn die Gruppe gelaufen, wie ist es dem Einzelnen gegangen,
wie ist es mir gegangen oder auch mal ein Statement einfordert vielleicht von den Hauptamtlichen, wie ist es ihnen gegangen, wo kommen wir her, wo stehen wir, wo gehen wir hin, oder
auch Konflikte mal andiskutieren oder vielleicht auch Lösungsvorschläge gemeinsam entwickeln.“
Auch für sich selber formuliert Herr C. eine Perspektive und einen Wunsch: „Ich will da aus
der Tagesstätte langsam rauswachsen, aber nicht so, dass ich die Tür zumache und sage: das
Kapitel ist abgeschlossen. Ich habe die Hoffnung, dass ich irgendwie in irgendeiner Form, die
noch gefunden werden muss, weiter zusammenarbeiten kann. Also einerseits habe ich da persönliche Kontakte geknüpft, die auch unabhängig von der Tagesstätte zum Teil weiterlaufen
können. Das ist natürlich ein wichtiger Treffpunkt. Ich würde mir auch persönlich wünschen,
dass wir in einer weiteren Stufe mal einen Nachbarschaftstreffpunkt machen im Sinne der
Prophylaxe depressiver Erkrankungen oder unentdeckten psychiatrischen Geschichten bei
Menschen, die sich zuhause verstecken, denen irgendwie begegnen zu können mit einer weiteren Öffnung der Tagesstätte.“
Alle drei Interviewpartner wurden nach Tipps für das „echte Team“ der Tagesstättenmitarbeitenden gefragt.
Herr B.: „Also was mich ein bisschen irritiert hat, also ich fand es gibt ein bisschen viel Sonderregelungen für Besucher. Also einer darf später zum Essen kommen, er darf dann gleich
essen, muss erst anschließend bezahlen. Ein anderer, der bezahlt Anfang der Woche sein Geld
ein, das wird dann für ihn verwaltet für das Essen für die ganze Woche. Es waren noch so ein
paar Sonderregelungen. Das waren ein bisschen viele Sonderregelungen. An all diese Sonderregelungen noch zu denken, das war anstrengend. Manches hatte ich ja schon mitbekommen, aber dass es so viel ist, wusste ich nicht. Das würde ich anders machen.“
Herr C. übt auch Kritik: „Ich denke, dass Entspannungsübungen dem Team auch gut tun würden, wenn die das mal so systematisch betreiben würden, sich selber ein bisschen zu entlasten. Nicht als Projekt in der Tagesstätte, sondern das müssten die untereinander regeln. Ich
sehe das Team immer mal wieder angespannt, mitunter ist einerseits der Ton manchmal etwas
5
ruppig, da hab ich anfangs Anstoß genommen. Dann hab ich mir aber gedacht, hoppla, es
gibt ja noch einen anderen Aspekt: Besucher immer in Watte zu packen, ist auch weltfremd.
Ein Mitarbeiter der Tagesstätte kann mal so richtig platzen und das ist sehr authentisch und
richtig. Man kann sich auch von Kranken sozusagen nicht alles bieten lassen, sondern muss
einfach mal Grenzen ziehen, wo es einem selber dann irgendwann auch mal reicht. Und ich
hab auch mal einer Besucherin, zu der ich eigentlich ein gutes Verhältnis habe, gesagt, so,
jetzt reicht´s aber, jetzt lass mich in Ruhe. Das ist sicher auch für die Professionellen wichtig,
sich da mal abzugrenzen. Manchmal geschieht das etwas rumpelig oder ungerecht. Dann gibt
es bei anderen Mitarbeitern, die ich auch sehr, sehr schätze, da stell ich manchmal fest, hoppla, die schalten so einen Empathie-Ton an, so mütterlich oder so. Das hat auch mancher Therapeut drauf. Das empfinde ich als nervig. Oder dass ohne Ansehen der Person und der Situation bestimmtes Verhalten von Vornherein gelenkt wird, um gar keine Reibung aufkommen
zu lassen. Ich kann das auch verstehen - inzwischen immer mehr verstehen. Da wird einem
manchmal das Händchen geführt. Es gibt Leute, bei denen man sich das sparen sollte.“
Herrn A. bleibt das Schlusswort überlassen: „Ich würde Ihnen den Tipp geben: bleiben Sie so
wie sie sind, machen Sie weiter so wie bisher.“
München, 06.03.10
Janna Rieber-Kohlert
Sozialpsychiatrische Dienste
Neuhausen-Nymphenburg

Documentos relacionados