Novum S.10 - Taiji Bailong Ball
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Novum S.10 - Taiji Bailong Ball
DIE NOVUM Jeden Mittwoch für Mittweida 4. Ausgabe 21. März 2012 Verlockende Angebote Virale Verblendung Verändert Im Wirrwar der Energieversorger sind auch die günstigen Tarife der Ökostromanbieter mehr Schein als Sein. – Seite 2 Wie der Internetfilm „KONY 2012“ einem Land helfen soll, das keine Hilfe mehr benötigt. – Seite 9 Auf „Kurz vor Zwölf“ finden Sie alle orange hervorgehobenen Wörter in dieser Ausgabe „Kinderleicht erklärt“. – Seite 11 Sturm im Land der Solaranlagen Mingxi Li Was wird aus der Energiewende, wenn die Subventionen sinken? B laue Dächer, strahlende Gesichter der Hausbesitzer und ein erfreulicher Nebenverdienst – besonders im ländlichen Raum zieren Photovoltaikanlagen viele Dächer. Doch zukünftig wird es wohl weniger Solaranlagennutzer geben. Zumindest wenn es nach CDU/CSU und FDP geht. Denn die Koalition will die Förderung zum 1. April drastisch senken. Von Kürzungen zwischen 20 und 30 Prozent der Einspeisevergütungen ist die Rede, abgestuft nach Größe der Anlagen. Betroffen von den Einsparungen sind ausschließlich Anlagen, die ab dem 1. April angeschlossen werden. Bestehende Projekte sind ausgenommen. Besonders heftig ist die Debatte über Projekte, die bereits geplant und mit den bisherigen Subventionen kalkuliert, aber noch nicht angeschlossen sind. Sollten sie mit den reduzierten Zuschüssen auskommen müssen, könnten sie unrentabel sein. Über die zeitliche Begrenzung der Übergangsfrist streiten Regierung und Solarindustrie. „Es kann nicht sein, dass der Staat bei einem Planungszeitraum für Projekte von einem Jahr so kurzfristig eingreift“, sagt Frank Korda, Proku- rist eines Claußnitzer Solardienstleisters. Die geplanten Kürzungen der Einspeisevergütungen sind nicht die ersten in diesem Jahr, bereits zum Jahresbeginn reduzierte der Staat die falsche Richtung. „Wenn die Kürzungen so kommen, dann entsteht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, die Branche bricht ein“, schätzt der Prokurist. Darunter zu leiden hat der „Wenn die Kürzungen so kommen, dann entsteht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, die Branche bricht ein.“ Zuschüsse um 15 Prozent. Weil die Kapazität der Photovoltaikanlagen stark gewachsen ist, reichten diese Kürzungen der Regierung nicht aus, um den Zuwachs zu bremsen. Ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde ins Parlament eingebracht. Hart treffen die Pläne vor allem leistungsstarke Anlagen auf großen Freiflächen. Nach einer Schonfrist bis Ende Juni soll für Solarkraftanlagen mit einer Leistung über zehn Megawatt keine weitere Subventionierung erfolgen. Für Großinvestoren, die für diese Projekte benötigt werden, könnte die Geldanlage dann unattraktiv werden. „In Photovoltaikanlagen sind oft Pensions- und Versicherungsfonds positioniert“, weiß Frank Korda. In den diskutierten Subventionseinsparungen sieht er einen Schritt in die Standort Deutschland. „Die Firmen gehen weg, bauen Projekte in Belgien, Litauen und Kroatien“, berichtet Hendrik Jahn, Installateur von Photovoltaikanlagen aus Mittweida. Auch die Module kommen nicht mehr von deutschen Herstellern. „Wir verbauen viele Module aus Shanghai. Deren Anschaffungspreis ist 50 Prozent niedriger“, so Jahn. Damit sind sie schneller abbezahlt als deutsche Konkurrenzprodukte, erwirtschaften bereits nach wenigen Jahren Gewinn. Die Solarindustrie wird lange mit den Einschnitten zu kämpfen haben. Trotz Kritik aus den eigenen Reihen, halten CDU/CSU und FDP an dem Vorhaben fest. Die Regierung spricht vom Massenmarkt, der nicht dauerhaft subventioniert werden kann. „Man kann auch sagen, dass die Photovoltaik erwachsen gewor- den ist“, erklärt Katherina Reiche, parlamentarische Staatssekretärin des Umweltministers. Die Leistung der Solaranlagen habe sich seit 2009 verdreifacht, hohe Förderungen seien deshalb unnötig. Viele Oppositionspolitiker sehen in der Entwicklung eine Sabotage der Energiewende. „Nicht wenige bei Schwarz-Gelb wollen das Scheitern der Energiewende, damit Atomkraftwerke nach 2022 weiterlaufen können“, sagte der SPD-Abgeordnete Ulrich Kleber im Bundestag. Dass Photovoltaik die atomare Stromerzeugung in absehbarer Zeit ablösen kann, wird mit der Solarbremse der Regierung unwahrscheinlicher. Denn auch die jährlichen Ausbauziele sollen deutlich herabgesetzt werden. Am langfristigen Ziel hält die Regierung aber fest. Bis zum Jahr 2020 sollen die regenerativen Energiequellen 35 Prozent des deutschen Strombedarfs abdecken. Als weitere regenerative Energien bleiben den Investoren Biogas- und Windkraftanlagen. Beides ist von der geplanten Gesetzesänderung nicht betroffen. Stefan Kirsten 2 Politik und Wirtschaft Die Novum 21. März 2012 Territorialkampf der Geschlechter SPD will mit gesetzlicher Quote Frauen bei der Karriere unterstützen amilienleben und Karriere – die moderne Frau muss heutzutage alles meistern können. Viele schaffen es jedoch gar nicht erst auf die unteren Sprossen der Karriereleiter, geschweige denn ganz nach oben, auch wenn sie qualifizierter sind als männliche Kollegen. Denn die freiwillige Frauenquote der DAX-Unternehmen fand nicht den gewünschten Anklang: Mickrige 3,7 Prozent ihrer Top-Manager sind Frauen. Die SPD fordert deshalb nun eine gesetzliche Frauenquote. Die Sozialdemokraten wollen „eine Mindestquote von 40 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen ab 2015. Die Quote wird stufenweise umgesetzt“. Die erste soll ab 1. Januar 2013 mit 30 Prozent Mindestquote eingeführt werden. Es sollen ausschließlich die Plätze besetzt werden, die durch Ausscheiden anderer frei werden. Ohne geeignete Kandidatin bleibt die Stelle unbesetzt. Dies soll den Druck auf die Firmenführung erhöhen. Carlotta Köster-Brons, Geschäftsführerin des Verbundes deutscher Unternehmerinnen (VdU), befürwortet dies: „Die Quote sorgt dafür, dass das hervorragende Qualifikationspotenzial der Irina Weiner F Im Wettlauf um Führungspositionen müssen Frauen einige Hürden überwinden. Frauen in Deutschland endlich auf allen Führungsebenen genutzt wird“. Die Unternehmerinnen hatten bereits 2008 als erster deutscher Wirtschaftsverband die Einführung einer Quote für Aufsichtsgremien gefordert. „Natürlich wäre es schöner, die Selbstverpflichtung der Wirtschaft hätte ihr Ziel erreicht. Doch leider ist hier keine deutlich positive Entwicklung zu beobachten. Daher sehen wir in der Einführung einer gesetzlichen Quote ein notwendiges Mittel.“ Die Amerikaner Kenneth Athern und Amy Dittmar warnen jedoch in ihrer Studie „The Changing oft the Boards“ vor einer voreiligen Einführung. „In Norwegen hatte das Gesetz große negative Effekte auf den wirtschaftlichen Erfolg der Firmen, die ihre Verwaltungsräte massiv neu organisieren mussten“, konstatieren die beiden Forscher aus Michigan. Der Börsenwert der Firmen sei fünf Jahre nach der Einführung der Quote im Schnitt 17 Prozent niedriger gewesen als vorher. Angedrohte Sanktionen ließen die Firmen überschnell handeln und führten zu Fehlbesetzungen. Die Aufmerksamkeit, die Frauen ihrer Familie widmen müssten, gebe ihnen nicht die Möglichkeit, auf gleichem Wissensstand wie ihre männlichen Mitbewerber zu bleiben. Carlotta Köster-Brons kontert: „Die fehlende Kinderbetreuung als Grund für die vermeintlich zu geringe Zahl von Kandidatinnen für Spitzenfunktionen anzugeben, greift als Argument zu kurz“. Zwar müsse sich die Politik auch weiter für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, doch habe der VdU „eine Datenbank eingerichtet, in der aktuell fast 500 Profile hochqualifizierter Frauen hinterlegt sind, die bereit sind, ein Mandat in einem Aufsichtsgremium zu übernehmen.“ Das zeige doch, dass es genug Frauen gebe, die kein Betreuungsproblem haben und trotzdem nicht in Führungspositionen übernommen werden. Köster-Brons plädiert für weitere Maßnahmen: „Parallel zum Ausbau der Betreuungsinfrastruktur brauchen wir in Deutschland auch ein Umdenken bei der Präsenzkultur in den großen Unternehmen. Gute Leistungen zeigen sich nicht in der Anwesenheit“. Linda Nowak Tarifdschungel in der Strombranche Unzählige Anbieter und undurchsichtige Preise erschweren die Auswahl m Münchner Speckgürtel zahle ich weniger für den Strom als hier in Mittweida“, wundert sich Anneliese Würfel, Studentin an der Hochschule. Wie bei Anneliese sorgt die jährliche Stromabrechnung bei vielen Bürgern immer wieder für Stirnrunzeln. „Die ständigen Erhöhungen und die undurchsichtige Preisgestaltung der Anbieter frustrieren“, sagt sie. Vor allem irritieren die unterschiedlichen Preise innerhalb der Bundesrepublik. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch eines Zweipersonenhaushaltes zahlt Anneliese Würfel in Sachsen somit 70 Euro mehr im Jahr, als daheim in Langengeisling. Der Grund für diese regionalen Unterschiede, „ergibt sich unter anderem aus den unterschiedlichen Netzentgelten und den Konzessionsabgaben der Anbieter an die Kommunen“, weiß Dirk Hempel, Pressesprecher der Löwenzahn Energie GmbH. „Zum Teil unterscheiden sich die Preise sogar bis zu sechs Cent pro Kilowattstunde“. Die Höhe der Konzessionsabgaben richtet sich nach „Infrastruktur und Bevölkerungsdichte“ der Gemeinden, erklärt Florian Krüger von Verifox, einem unabhängigen Verbraucherportal für Energie. Die Netzentgelte dagegen legen die Stromanbieter selbst fest. „Beeinflussende Faktoren sind hier unter anderem Kosten für die Errichtung, Instandhaltung und den Betrieb der Netze sowie Kosten für Vergütung dezentraler Einspeiseanlagen“, erklärt Stefan Buscher, Pressesprecher von enviaM. Die Qual der Wahl Mit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 sollte der Bürger nicht mehr abhängig von den regionalen Energieversorgern sein und seinen Anbieter frei wählen können. Doch mit der Wahl kommt die Qual und der Kunde ist gezwungen, seinen Tarif im Auge zu behalten und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln. Als Kunde ist es jedoch gar nicht so einfach einen Überblick zu behalten. „Allein´ im Versorgungsgebiet Mittweida gibt es 121 Anbieter mit insgesamt 179 verschiedenen Tarifen“, weiß Florian Krüger von Verifox. Derzeit bieten auf dem Markt auch Ökostromanbieter eine Alternative. Neben dem „guten Gefühl“, bei der Stromnutzung die Umwelt zu schonen, ist es vor allem die Ersparnis, die zum Biostrom lockt. Bei einem Zweipersonenhaushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 2.800 Kilowattstunden zahlt der Kunde in Mittweida beim Ökostromanbieter 14,05 Cent pro Kilowattstunde. Beim örtlichen Grundversorger dagegen 26,06 Cent pro Kilowattstunde. Selbst unter Einbeziehung der unterschiedlichen Grundgebühr der beiden Anbieter ergibt sich eine Differenz von über 350 Euro im Jahr zugunsten des Ökostroms. Grunde teuer produzierte Ökostrom subventioniert wird. Durch die ausgewiesene „EEG - Umlage“ zahlt jeder Stromkunde, egal bei welchem Anbieter. Ein Finanzierungssystem, dass nur so lange funktioniert, wie genügend Kunden noch konventionellen Strom beziehen. Antje Gothe Foto: pixelio.de, Grafik: Natalie Kunze I Teuer produziert Doch auch bei diesem noch günstigeren Preis liegt die Tücke im Detail. Denn die Erzeugung von Energie aus Wind, Wasser und Sonne ist eigentlich teurer als der Strom aus Atomkraft und Kohle. Ein Blick auf die Stromrechnung zeigt, dass der im Egal ob der Strom aus regenerativen Energien oder konventionellen Methoden wie Atom- und Foto: Kohlekraft gewonnen wird, der pixelio.de Grafi k: unentwegt Natalie Kunze Stromzähler läuft und die Kunden zahlen für beides. 21. März 2012 Hintergrund Die Novum 3 Hilfe aus dem Helikopter Marco Gündel, Knacker-Einfach Rettungsflieger riskieren alles im Einsatz für Menschen in Not I m trüben Morgengrauen beginnt der Tag für das Team der Landesflugrettung Südtirol. Wenn sich die meisten Menschen noch einmal in den Kissen wälzen, parkt Dr. Ernst Fop sein Motorrad neben dem Hangar des Zentralkrankenhauses der Provinz Bozen. Als Anästhesist und ärztlicher Leiter des hier stationierten Rettungshubschraubers „Pelikan 1“, hat der 42Jährige die Verantwortung für die gesamte Crew. Als sich das Tor zur Halle öffnet, erscheint der weiße Helikopter. Die Nummer der Flugrettung sticht sofort ins Auge - 118. Bordtechniker Massimo DiMarchi ist gerade dabei, die Maschine startklar zu machen. Er prüft - ausgestattet mit Taschenlampe und Schraubenschlüssel - die Feinmechanik, sowie Rotor und Turbinen. Ohne diese täglichen Kontrollen geht „Pelikan 1“ nicht in die Lüfte. Mehr als 1.000 Einsätze hat der Helikopter pro Jahr zu bewältigen, verstreut über ein Gebiet von 7.400 Quadratkilometern. Retter aus Leidenschaft In der Zwischenzeit hat Flugretter Erich Näckler den Rucksack für die Erstversorgung fertig packt. Medikamente und Narkotika müssen nach jedem Einsatz kontrolliert und neu aufgefüllt werden. „Caffè pronto“, ruft Pilot Max Pamelin aus der Küche der Einsatzbasis. Während der Helikopter startklar nebenan auf dem Landeplatz steht, setzt sich das Team zum Frühstück zusammen. „Also ohne uns würde hier gar nichts laufen“, meint Dr. Fop. „Aber so ist das nun mal – einer muss der Beste sein. In dem Fall bin es natürlich ich – und mein Team!“ Alle vier Männer lachen. An Selbstbewusstsein fehlt es hier niemandem. Eine Charaktereigenschaft, essentiell wichtig für den Einsatz in der Luft. Die Flugrettung ist ein echter Knochenjob. Das weiß auch Näckler: „Ich bin seit 18 Jahren beim Pelikan 1 und habe auch schon einen Absturz mit unserer alten Maschine hinter mir.“ Verbrennungsnarben an seinen Armen zeugen davon. Für Erich Näckler stand jedoch nie zur Debatte mit der Flugrettung aufzuhören: „Das ist einfach mein Ding – meine Leidenschaft.“ Es wird allmählich hell. Das Team vertreibt sich die Zeit mit Fernsehen. An manchen Tagen kommt kein einziger Einsatz, an anderen sind es bis zu zehn. Eine große körperliche und psychische Belastung für die Besatzung. Auch für Dr. Fop war das anfangs schwer: „Nach meinem Studium habe ich in der Palliativmedizin gearbeitet. Hier galt es nur Schmerzen zu lindern. Ich empfand es deprimierend gegen die Krankheiten nichts ausrichten zu können.“ Der Neustart als Notarzt war eine Wende um 180 Grad. Ein durch Mark und Bein gehender Piepton schallt durch die Basis. Binnen weniger Minuten müssen Maschi- ne und Besatzung in der Luft sein. Dr. Fop streift sich eine knallgelbe Weste mit der Aufschrift „Doctor“ über und eilt zum Helikopter. Die Turbinen fahren hoch, während er die Lagemeldung über den knarzenden Bordfunk erhält: „Feuer in einem Heustadl. Der Bauer hat sich Verbrennungen zugezogen.“ Schicksalsschläge Mit ohrenbetäubendem Lärm hebt der Helikopter ab. Schnelle Hilfe mit über 200 Kilometer pro Stunde. „Ich versuche mir schon auf dem Hinflug Gedanken über die Maßnahmen vor Ort zu machen“, erklärt Dr. Fop. Obwohl alle routinierte Retter sind, steht ihnen die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Beißender Rauch steigt dem Team in die Nase. Pilot Max Pamelin nähert sich vorsichtig dem Brandherd: „So eine Situation ist nicht ungefährlich, da der Hubschrauber sensibel auf die unterschiedlichen Luftströmungen reagiert.“ Der Helikopter setzt nur kurz mit einer Kufe auf, um Arzt und Flugretter zügig raus zulassen. Dr. Fop und Erich Näckler bahnen sich den Weg vorbei am brennenden Heustadl. „Hier ist die Hölle los, jetzt muss ich so schnell wie möglich zum Patienten“, ruft der Notarzt. Um ihn herum versuchen viele Feuerwehrmänner den Brand einzudämmen. Jetzt heißt es trotz Chaos einen klaren Kopf zu bewahren. Nach einem kurzen Blick steht fest: Der Mann hatte Glück im Unglück. Kühlende feuchte Tücher und eine Narkose gegen die Schmerzen reichen vorerst für die Versorgung und verhindern ein Nachbrennen der Wunden. „Es ist hart mit anzusehen, wenn so ein Feuer die Existenz bedroht“, meint Flugretter Näckler. Das sind Schicksalsschläge, die man nicht so schnell vergisst. Er schleppt zusammen mit fünf weiteren Sanitätern die Trage zum Hubschrauber. Der Weg in die Notaufnahme ist für die Flugrettung trauriger Alltag. „Ich versuche keine Einsätze mit nach Hause zu nehmen“, sagt Dr. Fop nachdenklich. „Aber das klappt nicht immer.“ Schwerverletzte Kinder und die Bergung Toter machen den Job so hart. Für ihn ist die Arbeit in der Notaufnahme beendet. Jetzt sind die Dermatologen des Krankenhauses gefragt. Zurück in der Basis holen die Vier ihr Mittagessen nach. Das gemeinsame Kochen ist Tradition. Es gibt Pasta mit Thunfisch auf Zitronensoße. Gespräche zu Tisch helfen allen, dass Geschehene zu verarbeiten. Jetzt heißt es warten. Im Aufenthaltsraum flimmert wieder der Fernseher. Marco Gündel „Notruf - Rettung aus der Luft“ Ein authentischer und persönlicher Einblick in den Arbeitsalltag der Flugrettung Südtirol. Jeden Mittwoch 22:10 Uhr auf RTL 2 4 Hochschule und Wissenschaft Die Novum 21. März 2012 Spielplatz Hörsaal Das neue Semester der Mittweidaer KinderUni beginnt mit Seifenblasen und neugierigen Nachwuchs-Wissenschaftlern ch habe ein Loch in der Hand!“ Der neunjährige Jonas lacht lauthals auf. Kein Fall für den Notarzt, denn hier sind Nachwuchsforscher am Werk: Am vergangenen Samstag begann das neue Semester an der Mittweidaer KinderUni. Etwa 180 Kinder füllen den Hörsaal im Gerhard-Neumann-Bau der Hochschule Mittweida beinahe bis auf den letzten Platz. Unter dem Titel „Licht – Ich sehe was, was du nicht siehst“ erklärt Physikprofessor Bernhard Steiger seinen acht- bis zwölfjährigen Studenten die Grundlagen der Optik mit einfachen Mitteln. Jedes Kind erhält ein weißes Blatt Papier. „Rollt das Blatt so zusammen, dass man durchschauen kann“, fordert Prof. Steiger die Kleinen auf. Durch das Papierrohr sollen sie nun ein Bild an der Wand betrachten, das sie mit der anderen Hand gleichzeitig verdecken. „Jetzt könnt ihr durch eure Hand durchgucken“, stellt der Dozent fest. Eine einfache optische Täuschung, die den Kindern hörbar viel Spaß bereitet. „Eure Augen haben alles richtig gesehen, aber ihr habt ein Problem: das Gehirn“, schmunzelt Prof. Steiger. „Das macht viel mehr, als es eigentlich soll und erzeugt die Illusion eines Loches.“ Seit ihrem Start vor zwei Jahren soll durch Mandy Münzner I Gespannt verfolgen die Nachwuchsstudenten die zahlreichen Experimente. die KinderUni frühzeitig das Interesse an der Wissenschaft, aber auch am Studium geweckt werden. Prof. Steiger gelingt das offenbar, denn die Kinder folgen seinen Experimenten mit großen Augen. Ob er nun das Farbspektrum des Lichts mit Hilfe von Seifenblasen zeigt oder eine mit gelbem Stift auf gelbem Papier gezeichnete Sonne durch UV-Strahlung sichtbar macht: Zum Thema Optik gibt es viel zu sehen. Auf dem Pult stehen die unterschiedlichsten Hilfsmittel und Versuchsanordnungen dicht gedrängt beieinander – vom Laser- pointer bis zur Infrarot-Kamera ist alles dabei. Mit Hilfe dieser Utensilien erklärt Bernhard Steiger die wichtigsten Grundlagen rund um das Thema Licht anschaulich und kindgerecht. An vier Samstagen pro Jahr können Kinder aus Mittweida und Umgebung für jeweils eine Stunde den Spielplatz gegen den Hörsaal tauschen. Wer alle vier Veranstaltungen besucht, erhält ein Zertifikat. Einmalige Vorlesungen wie bei der KinderUni bedeuten allerdings viel Arbeit bei der Vorbereitung. „Schließlich hat man keine Gelegenheit zum Proben“, erklärt Prof. Stei- ger gegenüber Novum. Dadurch sei auch die Aufregung größer. Doch der Aufwand lohnt sich: „Ich mache auch andere Projekte mit Kindern, zum Beispiel mit den Mittweidaer Schulen oder dem Haus der kleinen Forscher. Das macht mir sehr viel Spaß, dafür lebe ich.“ Von der Begeisterung ihres Dozenten lassen sich die Nachwuchsstudenten schnell anstecken. Sie beobachten jede seiner Bewegungen ganz genau. Die Totalreflexion erklärt Prof. Steiger, indem er eine verrußte Kelle in ein Wasserbecken taucht. Unter Wasser glänzt deren Oberfläche plötzlich wieder silbrig. Der kleine Jonas verfolgt das Experiment aufmerksam. Als Prof. Steiger die Kelle wieder aus dem Becken heraus zieht, zeigt sich, dass sie nach wie vor mit einer schwarzen Schicht bedeckt ist. Das Wasser hat den Ruß nicht etwa abgespült, sondern das Licht so reflektiert, dass die Kelle scheinbar glänzt. Jonas rutscht auf die äußerste Kante seines Stuhls und flüstert andächtig: „Cool!“ Annegret Hintze Die nächste KinderUni findet am 5. Mai 2012 zum Thema „Wie funktioniert ein Computer?“ statt. Kostenlose Anmeldung und weitere Informationen: www.hs-mittweida.de/kinderuni Wachstumshormone für die Wissenschaft Ein Kommentar zu wissenschaftlichen Studien von Annegret Hintze inder von Hartz IV-Empfängern sollten statt einem Bildungsgutschein, lieber eine Dosis Wachstumshormone erhalten. Diesen Eindruck vermittelt zumindest eine Studie der Universität Tübingen und des Landesgesundheitsamts Brandenburg, die den Zusammenhang zwischen der Körpergröße von Kindern und der sozialen Stellung ihrer Eltern im Zeitraum von 1994 bis 2006 untersucht haben. Ergebnis: Kinder arbeitsloser Eltern sind durchschnittlich einen bis 1,5 Zentimeter kleiner als Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil einen Job hat. Der Größenunterschied erklärt sich für die Forscher nun aber nicht nur daraus, dass sich arbeitslose Eltern weniger gesunde Nahrungsmittel leisten können. Sie schlussfolgern, dass „die psychologischen Effekte der Arbeitslosigkeit“ die Größe der Kinder negativ beeinflussen. Das spielt in jedes schlechte Klischee: Der Hartz IV-Empfänger sitzt depressiv zu Hause und lässt sich und seine Familie verwahrlosen. Schuldgefühle gibt es bei Arbeitslosigkeit eben gratis dazu. Die Ergeb- nisse der Studie sind vereinfacht und abstrakt, schließlich wurden wichtige Daten wie die Körpergröße der Eltern oder die Art der Arbeit ignoriert. Aushilfsjobs, Führungspositionen oder vom Staat unterstützte Beschäftigungsverhältnisse, wie ABM, haben in der Studie alle denselben Stellenwert. Aber bedeutet jeder Job gleich Glück? In Zeiten, in denen schätzungsweise vier Millionen Deutsche an Depressionen leiden, darunter viele Angestellte und Selbstständige, ist das zu bezweifeln. Nicht genug der Merkwürdigkeiten: Wirtschaftshistoriker der Universität Tübingen schrieben zur Veröffentlichung der Studie, dass die Größenunterschiede „insbesondere in Ostdeutschland“ auftreten. Dabei analysierten die Wissenschaftler ausschließlich Daten aus Brandenburg. Dieser suggerierte Ost-WestUnterschied war überhaupt nie Gegenstand der Forschungen. Apropos Klischees: Die meisten Arbeitslosen sind ja bekanntlich alkoholabhängig. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie sich Alkoholismus am besten überwinden lässt? Mit LSD. In den 1960er und 1970er Jahren, der Hochzeit der Wahrnehmungs-manipulierenden Droge, wurden mehrere Studien durchgeführt, die besagen, dass eine einmalige Dosis LSD beim trocken werden hilft. Mit dem Verbot der Droge verschwanden auch die Studien im Archiv. Nun wurden sie von norwegischen Forschern, die eine Neuauflage vorschlagen, wieder ausgegraben. Auch das Land der unbegrenzten Studien-Möglichkeiten hat schon viele Kuriositäten hervorgebracht. Forscher aus Maryland wollen entdeckt haben, dass Krebs mit den Absonderungen von Tierdrüsen und Kaffee-Einläufen behandelt werden kann. Faktoren wie zu wenige Probanden und kreative Interpretation von Forschungsergebnissen, aber auch Auftraggeber aus der Wirtschaft, die ein bestimmtes Ergebnis erreichen wollen, verursachen eine Menge pseudo-wissenschaftlichen Abfall. Und das ganz ohne Wachstumshormone. Kinder aus Hartz IV-Familien sind angeblich kleiner. Jahreseinkommen der Eltern in Euro 1 Mio. Natalie Kunze , Julia Kreisig K 14.400 100 140 Körpergröße der Kinder in cm (im Alter von 10 Jahren) 21. März 2012 Anzeige Die Novum 5 6 Lokales Die Novum 21. März 2012 Renner geht, Broschüre kommt H err Renner? Der ist aber schon eine ganze Weile nicht mehr da!“, belehrt uns eine fremde Stimme am Telefon. Die Stimme gehört Barbara Zimmermann, die uns verrät, dass Markus Renner nicht mehr im Amt ist. Die Pressearbeit der Stadt Mittweida erledige seit Ende Februar sie. Nichts gegen Frau Zimmermann, aber kann Markus Renner ganz einfach so verschwinden – ohne offizielles Adieu, ohne sichtbares Schulterklopfen für einen Mann, der es wie kein anderer verstand, Mittweida ins richtige Licht zu rücken? Nur eine kleine Meldung im Amtsblatt verät, wohin es den 31-jährigen Renner nun getrieben hat. Zwischen Porzellan und Elbe, 60 Kilometer weit weg, wacht er nun über Meißens öffentliche Ordnung. Ersatz in Mittweida ist noch nicht gefunden, beliebt scheint die Stelle aber zu sein: „Aus Gründen des Datenschutzes können wir aber keine genaue Bewerberzahl nennen, es reicht aber aus“, so Ralf Schreiber, der erste Beigeordneter. Erstaunlich, wenn die Stelle nur im Internet und Amtsblatt ausgeschrieben war. Fast schon ironisch, dass es zur Ausschreibung des Pressesprechers keine Pressemitteilung gab. Ein fließender Übergang sieht anders aus. Wann die Stadt mit einem neuen Sprecher rechnen darf, steht übrigens noch in den Sternen. Markus Renner wünscht seinem Nachfolger aber auf jeden Fall eines: „Viel Durchhaltevermögen, denn Pressesprecher in Mittweida ist eine ganz harte Schule.“ Das liegt laut Renner vor allem an dem Referat für zentrale Dienste, welches er auch in Personalunion stemmte. Von ewig nachfragenden Hochschulmedien und diversen Tageszeitungen Foto: Kamila Fajzulin / Grafik: Julia Kreisig Die Broschüre muss als zeitweiliger Pressesprecher-Ersatz dienen. ganz zu schweigen. Es gibt also eine genze Menge zu tun. Sollte die Arbeit den beiden Vertretern Zimmermann und Schreiber dabei über den Kopf wachsen, können sie sich auf ihren neuesten kompetenten Partner verlassen – eine Broschüre im Handtaschenformat, die über Sehenswertes und Neues in Mittweida berichtet. Angepriesen auf der Internetseite und erhältlich an der Mittweida-Information. Lisa Viecenz Nicht nur das „Heimchen am Herd“ Fotos: Maria Krause / Redaktion: Britta Bauer Braucht es eine gesetzlich geregelte Frauenquote in Führungspositionen? Die Novum hat sich umgehört, was Männer und Frauen in Mittweida zur akuellen Debatte meinen Heike Effi (79), Rentnerin Die Frauenquote müsste schon gefördert werden, da Frauen meistens im Schatten der Männer stehen. Ich bin allerdings skeptisch, ob sich dieses Vorhaben in Mittweida umsetzen lässt. An sich finde ich die Diskussion über eine festgelegte Anzahl von Frauen in Unternehmen längst überfällig. Viele Frauen wollen mehr Verantwortung haben und nicht nur das „Heimchen am Herd“ sein. Moritz Christmann (22), Student Ich finde eine gesetzliche Frauenquote schlecht, weil ich denke, dass eine Position von dem Geeignetsten besetzt werden soll, egal ob Mann oder Frau. Aber das soll nicht heißen, dass ich Frauen in Führungspositionen nicht gut finde. Frauen fordern Emanzipation, was aber auch mit Konkurrenzkämpfen einher geht. Letzteres sollte man nicht außer Acht lassen. Manuela Richter (47), Sekretärin Frauen waren schon immer überlegen, bloß das weiß die Mehrheit der Gesellschaft noch nicht. Wenn Männer versagen, sind es doch die Frauen, die ständig vorgeschickt werden und die Karre aus dem Dreck ziehen müssen. Auch in der Politik ist das meiner Meinung nach so. Das beste Beispiel ist doch Frau Merkel, die als Frau in einer Führungsposition ihren Mann steht. Benny Ziebe (32), Unternehmer Für Führungspositionen eignen sich Frauen immer. Es ist bewiesen, dass Frauen die besten Führungsqualitäten haben. Wenn es jedoch ein „Muss“ ist, ist es aufgezwungen, wie die Quote von Menschen mit Behinderung in Unternehmen. Man müsste einen anderen Lösungsweg finden. An Erstes sind die Qualifikationen zu sehen, alles andere ist zweitrangig. Lokales 21. März 2012 Die Novum 7 Mittweida Gestern und Heute „Was alles unser Marktplatz gesehen hat“ Wochenmärkte, Straßenfeste oder Gerichtsverhandlungen – kein anderer Platz in Mittweida hat mehr erlebt, als der Markt. Geschichte und Geschichten über den Punkt, der das Dorf Mittweida zu einer Stadt werden ließ. Frauen- und Rauchschleier „Hof, Scheune und Viehstall mussten den Werkstätten, Läden und Gasthöfen weichen. Mit der Entwicklung des Handwerks kam der Markt. Dieser war der Schöpfer der Stadt“, hält Dr. Sauer fest. Auch der heutige Stadtchronist Horst Kühnert schätzt die Bedeutung dieses Platzes hoch ein: „Der Markt war neben der Kirche die Keimzelle der Stadt. Als Standort des Rathauses und zeitweise des Bezirksgerichtes bekam er noch mehr Gewicht.“ Der Marktplatz zu Mittweida war Kreuzung wichtiger Handelsrouten. Er war Station auf der Strecke von Chemnitz nach Leisnig sowie von Rochlitz nach Freiberg. Um 1300 siedelten sich um diesen zentralen Ort herum Händler und Handwerker an, bauten Häuser zum Wohnen und Arbeiten. Aneinandergereiht ließen die Gebäude Gassen zu Straßen werden. In den folgenden Jahrhunderten florierten Leinenmarkt und Tuchmacherei. Während manch ein in Mittweida gefertigter Schleier ein schönes Frauengesicht verdeckte, wurde das Panorama der Stadt vielmals von Rauchschleiern getrübt. Die enge Bebauung Mittweidas führte nicht nur einmal zum Verhängnis. Wo die Menschen dicht an dicht wohnen, breiten sich Seuchen und Brände schnell aus. Die Pest forderte im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Opfer. Mit 836 Toten erlag 1626 die Hälfte der Mittweidaer Bevölkerung der Pest, aufgrund der Ansteckungsgefahr fielen Jahr- und Wochenmärkte aus. Das öffentliche Leben kam fast zum Erliegen. Stadtbrände waren nicht gerade selten, sie ziehen sich wie ein feuerroter Leinenfaden durch die Stadtgeschichte. Beim Feuer von 1551 verbrannten innerhalb von zwei Stunden 316 Bürgerhäuser, 36 Speicher, 83 Scheunen einschließlich aller Vorräte, Kirche, Torhäuser und Rathaus. Es sollte noch schlimmer Der Mittweidaer Markt im Jahre 1913. kommen: 1624, 1672 und 1693 waren weitere Schicksalsjahre, in denen Großfeuer Mittweida einem Scheiterhaufen gleichen ließen. Wie eine Flamme das Blei, formten auch die jüngsten Brandkatastrophen in den Jahren 1868, 1914 und 1963 den Markt. Jeder damit verbundene Wiederaufbau beeinflusste das Bild des Platzes. Steinziegel als Dachbedeckung lösten Stroh und Holzschindeln ab. Aus einstöckigen wurden mehrstöckige Häuser. Aus Bauten der Renaissance wurden Gebäude des Barocks, die sich wiederum zu Werken der KlassizismusArchitektur wandelten. Auch, wenn viele Mittweidaer kamen und gingen, viele Häuser gebaut, abgerissen worden oder abgebrannt sind – die Funktion des Marktplatzes blieb bis heute erhalten. Feuertod und Feierlaune Nicht nur das Ausräuchern eines Bienenschwarms oder Funkenflug waren Auslöser der Mittweidaer Großfeuer. Auch die Brandstiftung reihte sich ein, mit ihr auch ein abzustrafender Täter. Im Jahre 1700 wurde auf dem Markt Gericht über einen Brandstifter gehalten. Die Gerichtspersonen fackelten nicht lange und verurteilten ihn zum Feuertod. Üblich war es auch, Gauner und Halunken auf dem Marktplatz an den Pranger zu stellen. Am Rathaus befanden sich dafür eiserne Ringe, die den Angeklagten um den Hals gelegt wurden. Ein Zettel auf der Brust verriet deren Vergehen. Etwa 150 Jahre später fand nach Abriss des alten Rathauses, das heutige seinen Platz auf dem Markt. Es wurde als Gerichtsgebäude erbaut und bis 1952 als solches genutzt. Die Einwohner wussten schon frühzeitig die Mitte der Stadt für verschiedenste Zwecke zu nutzen. In den Jahren 1506 und 1520 machten Jägersmänner Jagd auf Rehe, Hirsche und Hasen – mitten auf dem Marktplatz. Könige, Prinzen und Fürsten waren Gäste, die mit Aufmärschen auf dem festlich geschmückten Platz geehrt wurden. Auch die Kultur kam nicht zu kurz: 1519 bis 1522 erlebten die Mittweidaer Passionsspiele auf einer Schaubühne. Das Honorar für die Akteure war Bier. Ob heilige Messe, Faschingstreiben oder Heimatfest – der Markt war der Ort für gesellschaftliche Zusammenkünfte. Mit dem jährlichen Altstadtfest bewahren sich die Mittweidaer diese Tradition bis heute. Durchmarsch und Fortschritt In Kriegszeiten erlebten die Mittweidaer viele Truppendurchzüge. Mal lagerten 200 Soldaten auf dem Markt, mal hielten 1500 Soldaten in der Stadt Quartier, mit ihnen ihre Pferde, Pulverwagen und Kanonen. Lazarette wurden auf dem Markt eingerichtet. Verwundete mit Schubkarren transportiert. Krankheiten und Verwesungsgeruch breiteten sich aus. Auch in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg tummelten sich Soldaten auf den Straßen. Dazu mischte sich die Technikerschaft. Studenten, die sich zum Couleur-Bummel versammelten, von Haus zu Haus zogen und darauf hoff ten, auf ein Bier eingeladen zu werden. Nach Kriegsende war von der guten Laune der Studenten nichts mehr zu spüren. Auf dem Markt demonstrierten sie gegen den Versailler Vertrag. Aus dieser Zeit stammt der Marktbrunnen mit dem heutigen goldenen Friedensengel. Genannt wird er auch „Marmeladentante“, da eines Morgens ein Marmeladeneimer am Arm der Figur baumelte. Durchaus denkbar, dass es sich dabei um eine studentische Schelmentat handelte. In den Folgejahren zog der Fortschritt auf dem Marktplatz ein: Eine Verkehrsinsel! „Die Insel war zum Parken wie geschaffen“, berichtete Dr. Sauer im Jahr 1930, immerhin zählte der Chronist des Abends noch 15 auf dem Markt parkende Autos nebst zwei Autobussen. Reichte die Insel auf dem Platz für die Jahr- und Wochenmärkte nicht aus, dienten auch Schützenund Tzschirnerplatz zu diesem Zweck. Umgeben von Rathaus, Markt-Passage und Friedensengel verkündeten amerikanische Truppen im Mai 1945 den Mittweidaern das Ende des Zweiten Weltkrieges. Zur Wendezeit war der Markt der Platz für den Montagstreff punkt und Friedensgebete. An diesem geschichtsträchtigen Ort finden heute nach wie vor Märkte, Events und Kundgebungen statt. „Die bedeutendsten Häuser der Stadt fand und findet der Bürger auf dem Markt“, sagt Horst Kühnert und zählt Rathaus, Banken und Postamt auf. Diese Häuser rahmen heute noch das Bild des wilden Markttreibens, das man dank einer Webcam auf www. mittweida.de im 15-Sekunden-Takt aktualisiert beobachten kann. Neigt sich nachmittags der Handel auf dem Wochenmarkt dem Ende zu und sind die Einkaufszettel abgearbeitet, verschwinden die Mittweidaer mit vollen Taschen auf „Mittweidas Ku´damm“ – der Rochlitzer Straße. Doch das ist eine andere Geschichte. Philipp Rappsilber Erfahren Sie Geschichte und Geschichten über die Rochlitzer Straße – übernächste Woche in Ihrer Novum. Maria Krause enn die Studenten morgens noch leicht verschlafen auf der Rochlitzer Straße Richtung Hochschule laufen, strömen ihnen zumeist zahlreiche Mittweidaer entgegen, die zu dieser Stunde nur eines im Kopf haben: Den Einkaufszettel für den Wochenmarkt. Hackepeter für's Abendbrot, Saft und Honig von Sachsens Sonnenfluren, Besen und Bürsten für den Frühjahrsputz. Seit 1592 wird hier Handel getrieben, selbst Kaufleute aus Chemnitz und Leipzig sollen hinter den Marktsständen gestanden haben, schreibt Stadtchronist Dr. Arthur Sauer in seinem Aufsatz „Was alles unser Marktplatz gesehen hat“ von 1930. „Mittweida - Ein Blick zurück“ W Fast unverändert geblieben – der heutige Marktplatz. 8 Die Novum Feuilleton 21. März 2012 Mehr Talk, weniger Show Neue Talkshowformate auf den Nischensendern ZDFkultur und ZDFneo er sonntagabends zu Günther Jauchs Talkshow im Ersten schaltet, ist selbst schuld. Denn parallel sendet ZDFkultur „Roche & Böhmermann“! Auch eine Talkshow – aber so anders. Schon das Studio hat kaum Gemeinsamkeiten mit der pompösen Glaskuppel, unter der Jauchs Sendung aufgenommen wird. Bei „Roche & Böhmermann“ ist es beengt, Einrichtung und Farbigkeit sind komplett im Stil der 60er Jahre gehalten, blass aber schick. Während die Gäste hier Schulter an Schulter am runden Tisch sitzen, nimmt Jauchs Runde in breiten Sesseln Platz. Der ungleich unpersönlicheren Atmosphäre entsprechend wird das Thema der Sendung angegangen, die versierten Gäste sollen eine möglichst lebhafte Debatte bieten. Oft wird daraus nur ein anstrengend eingefahrenes Streitgespräch. Mit einem gänzlich anderen Konzept arbeitet „Roche & Böhmermann“. Hier werden entspannt Leben, Berufe und Besonderheiten der Gäste angegangen als seien es kleine Schätze, die Entdeckung wert. Derart entlastet kommen Charlotte Roche und Jan Böhmermann dem feinfühligen Moderieren nach, anstatt ständig in Streitgespräche eingreifen zu müssen. So bemühte sich Roche während einer Sendung emsig um die Integration des schweigsamen FoodwatchGründers Thilo Bode ins Gespräch – und schmeichelte ihm mit einer Steve Feige W Quotenwanderung: die neuen Talkshows könnten den alteingesessenen den Rang ablaufen. versteckten Liebeserklärung an die Vorsätze seiner Verbraucherschutzorganisation. Böhmermann stichelte dagegen an, forderte Bode wiederholt auf, sich doch endlich in das Gespräch einzubringen. Der Charme der Sendung offenbart sich in Kleinigkeiten. Regieanweisungen gibt es per Zettel in die Hand, die Gäste betätigen einen Live-Zensur-Knopf, der Informationen überpiepst, die für diesen Abend in der Tischrunde bleiben sollen. Die bissigen Einspieler zur Vorstellung der Gäste trägt ein aus den 60ern importierter Nachrichtensprecher trocken vor. Die abwesende Collien Ulmen- Fernandes, die kurz vor Sendung abgesagt hatte, wurde mittels Aufzählung ihrer abgeschlossenen Werbeverträge vorgestellt – nicht etwa damit, dass sie eine bekannte Fernsehmoderatorin ist. Ebenso einfallsreich präsentiert sich das zeitgleich zu „Markus Lanz“ laufende „Stuckrad Late Night“. Den spielerischen Politiker-Talk im kleinen Studio moderiert Journalist Benjamin von Stuckrad-Barre. Seine zappelige Art stützt die Sendung in ihrem episodenhaften Verlauf, hektisches Getränkeeinschenken, nervöses Ziehen an der Zigarette. Schweift hier der Gast zu sehr vom Thema ab, unterbricht ihn Stuckrad-Barre mit kleinen Spielchen oder rapidem Themenwechsel – Politiker, die gerne mit immergleichen Phrasen für sich werben, haben hier wenig Chancen. Unterstützung findet Stuckrad-Barre in Hajo Schumacher und Nikolaus Blome, die von einer Loge aus die Sendung mit parteiischen Zwischenrufen bereichern. So vermeldete Schumacher auf die Ausführungen des ehemaligen Grünen Rezzo Schlauch, eine Koalition von Schwarz-Grün habe doch noch nie funktioniert. Keine trockenen Konversationen über angestaubte Themen, kein forciertes Streitgespräch, so zeigt sich die neue tiefenunterhaltsame Talkshow. Auffällig auch ihre Neigung, die Machart stärker offenzulegen. Bei „Stuckrad Late Night“ kommt zwischendurch der Aufnahmeleiter ins Bild und ermahnt den Moderator bei Zeitverzug. Roche und Böhmermann praktizieren nach Verabschiedung und Abspann noch eine intime Nachbesprechung, bei der sie belustigt die Fehler der jeweiligen Sendung diskutieren. Das entspricht ganz einem der aktuellsten Trends, der sowohl Politik als auch Medien betrifft: maximale Transparenz für den Betrachter. Christian Kandels Stuckrad Late Night - donnerstags, 23:30 Uhr, ZDFneo Roche & Böhmermann - sonntags, 22:00 Uhr, ZDFkultur Verspielt vorbei an der Vernunft Zwischen Verdruckstheit und Gefühlsexplosion – MIA. sprechen durch die Blume und trotzdem „Tacheles“ F H. Flug arbexplosionen à la Jackson Pol- mit hinab in diese Halbwelt und tob lock und die Energie einer sicht- mich aus in dunkelbunter Energie.“ lich gut erholten Band – Tatendrang, Damit aber gelingt dem Berliner getränkt in purer Lebenslust kriecht Quartett um die schillernde Sängein die Glieder, wenn Mieze Katz von rin Mieze die Reise durch die Vieleinem waghalsigen Experiment singt: falt der Gefühle: Man tanzt, schreit dem Fliegen ohne „Fallschirm“. Der und schluchzt mit Mieze beim Titel gleichnamige Song preist ein Leben „Brüchiges Eis“ ganz melodramatisch voller Leidenschaft und reuelos gebrochener Tabus. Doch obwohl MIA.s Elektropop hier demonstrativ lebensfroh daherkommt, schlägt ihr neues Album „Tacheles“ eher betrübte, raue Töne an. Aus den ehemaligen LaunePoppern wurden Lust-Melancholiker, die zwar gerne Tacheles reden würden, sich aber doch wieder im Sinnieren verfangen: „Ich lös mich Weiße Katz und schwarze Kater, bewaffnet und bereit, ihr auf und ab von Reality. Steig Revier zurück zu erobern. um die Wette. „Der Einzige“ kratzt mit sphärischem Klang an fremden Galaxien, beschreibt jedoch ganz banal das männliche Balzverhalten. Mit „Sturm“ geben sie sich zukunftsorientiert: „Und nur nach vorn, nie zurück“, so laufen sie gegen den Wind, flüchten vor den Schrecken der Vergangenheit. Musikalisch greifen sie allerdings auf bewährte Mittel der Neuen Deutschen Welle zurück, geradlinige Rhythmen und Keyboardsounds mit Hang zum Gequietsche. Wäre MIA.s Musik ein Mädchen, trüge es goldene Leggings, Schulterpolster und synthetisch riechende Blumen im Haar. Seit Schulzeiten spielen MIA. zusammen. Damals waren sie lauter, protestierten: „Ich hab es satt. Hetze nachts durch meine Stadt. Ich bin ein Blitz, schlag alles kurz und klein.“ Ihr Elektropunk war dennoch zu soft für rüde Perfektionspunker. Heute sind sie mit dem Protestieren fertig, beschäftigen sich nur noch mit persönlichen Problemen, wälzen die Befindlichkeiten über ihre Türschwelle. Wenn der Gefühlsballast nur nicht so verschlüsselt und mit den rosa Schleifchen Miezes Mädchenhaftigkeit umwickelt wäre! Die verleitet schon mal dazu, MIA. als „dümmste und nervigste Band Berlins“ zu bezeichnen, wie die gealterte Deutschpop-Eminenz Christiane Rösinger einst verlauten ließ. Mieze Katz‘ Buntheit mag manch verhärmtem Gemüt nicht zugänglich sein, denn sie rüttelt am vergrabenen Spieltrieb in jedem Menschen, weckt den Impuls, sich dem tosenden Auf und Ab der Gefühle zu ergeben. Sarah Kricke MIA. – „Tacheles“. VÖ: 9.3.2012 Feuilleton 21. März 2012 Die Novum 9 Digitale Mitleidsepidemie Die Kampagne „KONY 2012“ zeigt, wie schnell Menschen online in Aktionismus verfallen ganda: Ein fanatisch-christlicher Warlord und eine Rebellenarmee. Getötete Männer, vergewaltigte und verstümmelte Mädchen und Frauen, skrupellose Rekrutierung von Kindersoldaten - so liest sich die ungeschriebene Biografie von Joseph Kony. Einem Afrikaner, der seit 2005 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in tausenden Fällen gesucht wird - bisher ist er unauffindbar, möglicherweise sogar längst tot. Lange ging alles ohne öffentliche Aufmerksamkeit vonstatten. Doch nun nahm Anfang März „KONY 2012“, ein Film ganz im Stile eines Propagandavideos, die sozialen Netzwerke und Videoplattformen in Beschlag. Eine geschlagene halbe Stunde lang sind Zuschauer, die beim Thema „Afrika“ sonst nach 30 Sekunden umschalten würden, ergriffen von der ebenso simplen wie leidvollen Geschichte eines Kindersoldaten, der seinen Bruder durch Kony verlor. Die Welt soll über das ihr vorher völlig unbekannte „Schwein“, Joseph Kony aufgeklärt werden. „Invisible Children“, die hinter dem Film stehende amerikanische Wohltätigkeitsorganisation, träumt von einer amerikanischen Intervention, die das „Problem Katharina Espig U Millionen Menschen haben sich schon an- und „Invisible Children“ Geld zugesteckt. Kony“ beseitigen soll und sammelt dafür Spenden. Unweigerlich fragt man sich, ob dieselben Zuschauer, die 2003 noch gegen den Irakkrieg protestiert haben, heute Geld für einen amerikanischen Einmarsch locker machen. Prominente wie Rihanna und George Clooney kommen im Video ebenfalls zu Wort. Frei nach dem Motto: Wenn George sagt, dass der Verbrecher Kony so berühmt werden muss wie der Filmstar Clooney, ist das wohl richtig. Für alle Fans bietet „Invisible Children“ sogenannte „Action-Kits“ an: Für nur 30 Dollar bekommt jeder bereitgestellt, was er benötigt, um ein Teil von „KONY 2012“ zu werden: T-Shirts, Armbänder, Sticker, Poster und Buttons. Bequem für frontferne Hobbyaktivisten. Doch die Einstellung des durchschnittlichen Facebook- oder Youtube-Nutzers tendiert wohl eher dahin, Videos zu teilen und sich kurz zu empören. Genug, sich als essentieller Teil der Aktion zu fühlen. Und bei 82 Millionen Aufrufen, die das Kony-Video erreicht hat, scheint der virale Buschfunk tatsächlich zu funktionieren. Doch geholfen ist der Welt damit lange nicht. „Wir brauchen kein zurechtgeschliffenes Video auf Youtube, um darauf aufmerksam zu werden“, sagte der ugandische Ministerpräsident Amama Mbabazi über „Kony 2012“, vermutlich als Anspielung darauf, dass der Film wenig fundierte Fakten enthält, sich dafür überwiegend auf veraltetes Material über Kindersoldaten stützt. Kony sei seit Jahren nicht mehr im Lande und in einem Konflikt befinde sich Uganda auch nicht, so Mbabazi. Auch in zahlreichen Medien und Foren hagelt es weltweit scharfe Kritik. Die Unterstützer von „KONY 2012“ würden alles aufsaugen und nichts in Frage stellen. Auch die Macher des Films sind derzeit wohl überfordert. Das wäre zumindest eine Erklärung für den psychischen Zusammenbruch des Regisseurs Jason Russell. Der wurde am Donnerstag festgenommen, nachdem er am hellichten Tage nackt brüllend und um sich schlagend durch die Straßen San Diegos rannte. Mittlerweile befindet er sich in psychiatrischer Behandlung. Josefine Danneberg Pixel oder Papier? Ob die Zukunft des Lesens tatsächlich digital ist, zeigte sich auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse W dp a Ma rc Tirl issenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar ist der festen Überzeugung, dass in sieben Jahren 80 Prozent aller Bücher elektronisch gelesen werden. Laut einer Emnid-Umfrage glaubt die Mehrheit der Deutschen ebenfalls, dass E-Books dann zum Alltag gehören. Dass die Zeit der Digitalisierung angebrochen und das Mediennutzungsverhalten im Wandel ist, hat nun auch die Leipziger Buchmesse thematisiert. In der vergangenen Woche galt die Aufmerksamkeit erstmals nicht nur den gedruckten Büchern, sondern auch den digi- talen Werken. Unter dem Motto „Leipzig.liest.digital“ hatten die Veranstalter in diesem Jahr einen eigenen Ausstellungsbereich für digitale Medien eingerichtet. Und bewiesen damit das richtige Gespür: der E-BookMarkt wächst. Elektronische Bücher haben einen Marktanteil von einem Prozent am deutschen Buchmarkt erreicht. Das klingt zwar bescheiden, aber der Umsatz stieg allein im letzten Jahr um 77 Prozent, berichtet die Gesellschaft für Konsumforschung. Einhergehend damit ist ein Umsatzrückgang um drei Prozent im klassischen Buchhandel. Die meisten Autoren und Verleger ziehen allerdings immer noch das gedruckte Buch der digitalen Version vor, ergab eine Befragung Praktisch: Die Westen- auf der Leipziger Buchmesse. Digitaschentale Publikationen Bibliothek werden bislang meist als Ergänzung zum PrintProdukt verstanden, nicht als Ersatz. Dass sich aber an einem E-Book bis zu 70 Prozent des Verkaufspreises im Gegensatz zu meist nur fünf bis zehn Prozent beim gedruckten Buch verdienen lassen, garantiert auch autorenseitiges Interesse. Ganz auf eine digitale Version ihrer Werke zu verzichten kommt also nicht in Frage. In der Messehalle 5 waren die Angebote zum Thema digitale Medien dementsprechend umfangreich. Neben E-Publishing-Spezialisten waren auch junge Unternehmen mit neuen Ansätzen anwesend. So die OnlineBibliothek „Skoobe“, die E-Books wie althergebrachte Bibliotheken für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag verleiht. Dieses Konzept ist insofern interessant, da E-Books bisher für den Leser unverständlicherweise zum selben Preis wie gedruckte Bücher verkauft werden. Eine Gefahr für den traditionellen Buchhandel bestehe auch trotz dieser Flatrates noch nicht, wie sich aus den Erklärungen der Werbechefin Elke Wehinger vom Dumont Buchverlag schließen lässt. Gegenüber Novum äußerte sie, dass sie lediglich den Taschenbuchhandel seiner „schnelllebigen Lesemomente“ wegen bedroht sehe. Mit modernen TabletPCs, auf denen die E-Books am häu- figsten gelesen werden, gewinnt die Buchbranche insbesondere jüngere Leser dazu. Laut einer Umfrage des „PricewaterhouseCoopers“ verbringt jeder fünfte Befragte zwischen 16 und 29 Jahren nach dem Kauf eines Tablets mehr Zeit mit Büchern als zuvor. Der praktische Aspekt ist dabei nicht unerheblich: „Mit dem E-Book habe ich viele Bücher in meiner Tasche. Unterwegs ist es viel platzsparender als ein normales Buch“, so ein begeisterter Besucher der Messe. Die Leseratten auf der Leipziger Buchmesse waren sich jedoch einig, dass der E-Book-Hype wieder verfliegen werde. „Ich mag den typischen Geruch eines alten Buches und möchte es nach dem Lesen zu all den anderen Büchern ins Regal stellen.“ Das sensorische Lesegefühl fehle ihm beim E-Book, er wolle die Seiten beim umblättern knistern hören, Eselsohren knicken, Zitate markieren. Für ihn wird sich das Medium Buch, das 500 Jahre lang den Ton angab, nicht so schnell in Pixel auflösen – wie einige E-Book Anhänger zu wissen meinen. Lara Köster 10 Sport Die Novum 21. März 2012 Tanz mit rohem Ei Taiji Tennis, der neue Trend aus Fernost förmigen, fließenden Bewegungen um den eigenen Körper geschwungen, sodass der Ball auf dem Schläger „klebt“. Der Sport kann sowohl alleine, als auch zu zweit gespielt werden. Das Soloplay fördert die eigene Körperbeherrschung, Geschicklichkeit und Konzentration. Beim Spiel miteinander werfen sich die Sportler den Ball mit dem Schläger zu. Im Wettkampf wird der Ball wie beim Badminton über ein Netz geworfen. Ein Schmetterschlag ist nicht möglich, Peter Öttler ngela Merkel hat sich schon daran versucht und auch Stefan Raab hat es in seiner Show „TV Total“ gespielt. Es sieht aus, als ob man ein rohes Ei in einer Pfanne balanciert und gleichzeitig versucht, ein Orchester zu dirigieren. Die Rede ist von Taiji Bailong Ball (TBB), der neuen Trendsportart aus China, die auf der Bewegungsphilosophie des Taiji beruht. Dabei wird ein etwa Tennisball großer mit Sand gefüllter Ball auf einem Schläger balanciert und in kreis- Taiji Bailong-Trainer Peter Öttler erklärt, wie mit dem Ball gespielt wird. Parkbänke statt Krankenschwestern Ein Kommentar von Florian Wunderlich Europa blickt derzeit eher mit bangem Blick auf die kommende Europameisterschaft in Polen und der Ukraine im Sommer. Korruption beim Stadionbau und in der Infrastruktur sind leider schon trauriger Alltag bei der Vorbereitung der Fußball- Europameisterschaft. Zumindest stehen nun alle Stadien. Während in den letzten Wochen Bilder von gequälten Tieren auftauchten, kämpft die Ukraine bereits mit einem weiteren Problem. Leiden muss nun das Volk. Staatliche Gelder, die eigentlich für die Unterstützung sozial Schwacher und Hilfsprojekte bestimmt waren, fließen in den Topf für die Europameisterschaft. Die geplanten öffentlichen Mittel von 3,2 Milliarden Euro sind schon längst überschritten. Die Krankenschwestern warten, wie viele andere auch, vergeblich auf ihren Lohn, weil die Regierung das Geld in die Vorbereitungen steckt. Einem sozialen Projekt in der Stadt Charkow werden derzeit staatliche Gelder sogar komplett verwehrt. Der Arbeiter Samariter Bund (ASB) in Berlin unterstützt in der zweitgrößten Ukrainischen Stadt ein Projekt für Überlebende aus dem Konzentrationslager Auschwitz, für das derzeit aber gar kein Geld fließt. Die Regierung errichtet lieber neue Autobahnen und Parkbänke vor Metrostationen, die nach der EM wohl niemand mehr braucht, wenn bereits Geld für ein Auto fehlt. Spätestens jetzt muss sich UEFAPräsident Michel Platini eingestehen, dass das Projekt Polen und Ukraine schwerer ist als gedacht. Nun ist die moralische Verantwortung gefragt, um die Menschen in der Ukraine, deren Durchschnittseinkommen gerade mal bei 228 Euro liegt, nicht noch ärmer zu machen. Es sollte eigentlich der Fussball sein, der im Vordergrund steht. Doch bei dieser Europameisterschaft muss über die Flutlichtmasten hinaus geschaut werden. denn dadurch würde die dünne Bespannung des Schlägers zerreißen. Peter Öttler aus Langenweißbach in Sachsen ist der derzeit einzige TBB Trainer in den neuen Bundesländern. „Taiji Bailong Ball kommt ohne die persönliche, explosive Kraft aus. Körperliche Leistungsunterschiede sind nicht so vordergründig bestimmend. Aggressivität kann sich nicht aufbauen. TBB ist ein „freundliches“ Spiel. Im Miteinander ist das offensichtlich und im Spiel gegeneinander hintergründig spürbar,“ erklärt er die Besonderheiten des Sportes. Entwickelt wurde Taijiball 1992 in China von dem Sportprofessor Bai Rong. Im Jahr 2005 brachte der Chinese Xiaofei Sui den Sport nach Europa und gründete die Taiji Bailong Ball Association -TBBA. Seitdem werden unter anderem in Hamburg weitere Trainer und Übungsleiter ausgebildet und Seminare abgehalten, um den Sport publik zu machen. Dennoch gibt es europaweit nicht mal ein Dutzend Ausbilder, die diesen Sport unterrichten können. Ziel der TBBA ist es, den Taijiball so bekannt zu machen, dass er als olympische Disziplin anerkannt wird. Seit 2006 finden alle zwei Jahre Europameisterschaften statt, die nächste im Oktober 2012 in Hamburg. „Bei den Turnieren herrscht weniger der im Westen übliche Wettkampfcharakter, sondern es geht mehr um die Spielfreude und den Austausch von Erfahrungen“, so Peter Öttler. Schnupperkurse können derzeit in Zwickau und Dresden besucht werden. Taiji Bailong Ball ist für jede Altersklasse geeignet, wobei das Verständnis erfahrungsgemäß mit zehn Jahren beginnt. Es unterstützt den Muskelaufbau, gleichzeitig ist es gelenkeschonend. Die Geschwindigkeit und Intensität der Bewegungen kann nach Belieben reguliert werden. Auspowern oder Entspannen, jeder entscheidet selbst wie er es mag. Eine wichtige Voraussetzung sei jedoch die Fähigkeit, sich zu entspannen und den Kopf frei zu machen, da höchste Konzentration gefordert ist. Gerade beim Erlernen des Sports. All diese Eigenschaften machen TBB zu einem anspruchsvollen Spiel. „Diese Sportart muss vermittelt werden, man kann sie nicht aus Büchern lernen“, meint Öttler. Mareike Niet „Blaue Pillen in Silberfolie“ DDR-Dopinggeschädigter fordert Streichung seines Rekords H eidi empfängt freudestrahlend ihre Goldmedaille. 21,10 Meter hat sie die Kugel gestoßen. 1986 macht sie das zur Europameisterin. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre Anabolika, Oral-Turinabol und männliche Hormone verabreicht bekommt, weiß sie nicht. Ein Beschluss des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ruft 1974 das „Staatsplanthema 14.25“ ins Leben, ein System des staatlich organisierten und geförderten Dopings. Rund 400 Ärzte, Trainer und Sportfunktionäre sind fortan involviert. Im Jahr 2000 stehen sich Hauptverantwortliche und Opfer im DDR-Doping-Prozess gegenüber. Trotz eindeutiger Beweislage ein zähes Unterfangen mit milden Strafresultaten. Einer der bis zu 10.000 geschädigten Sportler ist Heidi, die nach einer geschlechtsanpassenden Operation heute Andreas Krieger heißt. „Das erste Mal gab mir mein Trainer in Silberfolie gewickelte blaue Pillen, ich solle sie nehmen, das wäre in Ordnung“, erinnert sich Andreas Krieger heute. „Ich war nicht stutzig. Ich wurde doch nie positiv auf Doping getestet und ich vertraute meinem Trainer vollstens.“ 1991 gibt Kriegers Mutter ihm ein Buch über Doping in der DDR, auch sein früherer Name Heidi Krieger ist hier aufgelistet. Selbst zu diesem Zeitpunkt habe ich das noch als DDR-Hetzterei abgetan, ich war völlig ahnungslos.“ Erst Jahre später deckte ein Arzt den Betrug an ihm auf, seine Vermännlichung wird zum Großteil auf die Hormonverabreichung zurückgeführt. Ende letzten Jahres erfährt Krieger, dass der Leichtathletikweltverband IAAF ihn als Heidi Krieger noch immer in der U20 Rekordliste führt. Obwohl die DDR-Doping-Prozesse eine deutliche Sprache sprechen, folgten auf Kriegers dringliche Forderungen, den Sieg angesichts der Umstände zu entfernen, keine Taten. „Als ich erfuhr, was mit mir geschehen war, wurde der Sieg für mich wertlos. Er sollte nirgendwo stehen.“ Susanne Bartels Natalie Kunze A Bunte Medikamente für den Erfolg 12. Nov 2007 Kurz vor Zwölf 21. März 2012 Mensaplan 1 Gewinnspiel Donnerstag, 22.03.2012 Thüringer Bratwurst, Sauerkraut, Kartoffelpüree | Tortelloni mit Ricotta-Spinatfüllung, Tomaten- Käsesoße | Suppe, Schweinemedaillons, Pfefferrahmsoße, Gemüse, Tellerrösti Freitag, 23.03.2012 mensaVital Bunte Eblypfanne mit Rinderhackfleisch | Bratheringsfilet, Kartoffelpüree, Zwiebelringe, Blattsalat, Nachtisch | 1/2 Grillhähnchen, Pommes frites, Salat Montag, 26.03.2012 mensaVital Schweinestreifen Masala auf Vollkornspagetti | Gebackene Tintenfischringe, Pommes frites, Aioli Dip, Salatmix,1 Apfel | Schweinesteak mit Letscho, Bratkartoffeln, kleiner Salat, Schokopudding/ Vanillesoße Dienstag, 27.03.2012 Kohlroulade, Magerspecksauce, Schmorkraut, Kräuterkartoffeln | Tomatenkremsuppe, 4 Quarkkeulchen mit und ohne Rosinen, Apfelmus | Rüblisuppe, Sahnegulasch Schweizer Art, Broccoli, Butterspätzle, Dessert Mittwoch, 28.03.2012 Möhreneintopf mit Rindfleisch, 1 Scheibe Bäckerbrot | mensaVital Auberginenschnitzel mit Haferflocken paniert, gebraten, bunter Gemüsebulgur | Hähnchenkeule 250g, Rotkohlgemüse , Kartoffelklöße, Dessert 8 7 5 6 3 5 7 9 3 6 5 3 1 4 2 Lösung: Tweet der Woche „Ich finde ja, die Meldung „Tour-de-FranceSieger war gedopt!“ liest sich inzwischen etwa wie „Wimbledon-Sieger spielte mit Schläger!“ @Scherzinfarkt 4 4 3 1 2 4 3 6 4 5 6 4 4 7 9 1 2 Kinoprogramm 4 Alvin und die Chipmunks 3 – Chipbruch Donnerstag bis Mittwoch 16.45 5 Gefährten Donnerstag bis Mittwoch 19.45 1 Descandants Donnerstag bis Mittwoch 20.00 Freitag und Samstag auch 22.15 7 Fünf Freunde Donnerstag bis Mittwoch 17.15 Samstag und Sonntag auch 15.00 4 1 8 Filmbühne Mittweida, Theaterstraße 1 Telefon: 0 37 27 / 31 42 7 Anzeige 9 8 Heute suchen wi 3 4 DICH ! T au dich, komm zum Casting und zeig was du d auf hast ! Casting 21. März I 16.30 Uhr Haus 6 B o i d u E im St HEUT Eine Anmeldung ist vorher nicht nötig. Hinkommen, mitmachen, Spaß haben. 5 4 2 Viral Wenn einer erkältet in die Schule kommt und sich beim Niesen die Hand nicht vor den Mund hält, sind bald alle krank. So ähnlich ist das auch im Internet. Einer findet ein ganz tolles Video und weil Begeisterung ansteckt, muss er das Video auch all seinen Freunden zeigen. Und die zeigen das Video weiter. So können sich im Internet Videos sehr schnell verbreiten – wie eine Grippe eben. Nur dass hier einer die Krankheit gezielt im Labor züchtet und in Umlauf bringt, um hinterher die Medizin zu verkaufen. Und andere als kostenlose, persönliche Vermittler der Werbebotschaft nutzt. Boxenstopp 7 4 8 2 6 2 8 3 6 3 Wir verlosen zweimal eine Kinokarte für die Filmbühne Mittweida. Schicken Sie die Lösung des Sudoku bis zum 26. März 2012 an: [email protected]. Der Ruf der Wale Samstag und Sonntag 14.45 Konzessionsabgaben Bevor der Strom in den Haushalten in die Steckdose kommt, muss er vom Energieerzeuger über Netze transportiert werden. Diese Netze befinden sich zum Teil auf öffentlichem Boden. Damit die Netze auf den Flächen auch ordnungsgemäß gewartet und betrieben werden können, müssen die Netzbetreiber eine Gebühr an die Gemeinden zahlen. 7 + - * Hinweis Ihren Gruß schicken Sie bitte an: gruesse@ die-novum.de. Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass Grüße keine fremdenfeindlichen, rassistischen, persönlichkeitsverletzenden oder in anderer Art gegen bestehendes Recht verstoßende Inhalte aufweisen dürfen. Bei Verletzung dieser Richtlinien behalten wir uns rechtliche Schritte vor. 7 3 8 Ich grüße das Marketing-Team! 2 4 Die Tribute von Panem Donnerstag bis Mittwoch 17.00 + 19.45 Freitag und Samstag auch 22.30 Samstag und Sonntag auch 14.15 Ich heiße den Berliner Kameraden HP janz herzlich willkommen! Lass uns MW abreißen, alter Suffkopp! 8 3 Viele Grüße an das MF2012-Team. André Ich grüße meine Greaser-WG und freue mich auf viele weitere musikalisch bestens unterlegte Abende am Küchentisch mit Milchreis, Shisha und Sendungsvorbereitung! Ich liebe euch :) 8 7 7 Folgende Filme werden in der Filmbühne Mittweida, in der Woche vom 22. März bis 28. März gezeigt: Grüße an den Osterhasen. Jonas 2Kinderleicht erklärt 2 9 Bitterschokolade, Banane und Keks – die schönste Kombination seit es das Vertrauensdreieck gibt. <3 Ich grüße das fleißige Umzugsteam =) S.K. 11 2 1 4 Stufe: Die Novum Versailler Vertrag Das ist ein Friedensvertrag zwischen den Allierten und dem Deutschen Reich nach dem Ersten Weltkrieg. Er trat 1920 in Kraft und wies dem Deutschen Reich die Alleinschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu. Der Vertrag sah für das Deutsche Reich großflächige Gebietsababtrennungen beziehungsweise zeitweilige Gebietsbesetzungen vor. 4 2 4 Grüße Viel Spaß heute beim Casting. Teil A 2 Impressum Die Novum ist eine Ausbildungszeitung der Fakultät Medien / Die Novum Print der Hochschule Mittweida, unterstützt von: AMAK AG und Medieninstitut Mittweida e.V. Verleger gemäß SächsPresseG vom 3. April 1992: Mittweida Research Division GmbH/ AMAK AG, Technikumplatz 3, 09648 Mittweida, www.amak-online.de Geschäftsführerin: Silke Knauer Vorstand: Prof. Dr. Otto Altendorfer Anschrift: Hochschule Mittweida, Redaktion Die Novum-Print, Leisniger Straße 9, 09648 Mittweida E-Mail: [email protected], www.die-novum.de Herausgeber: Fakultät Medien V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Ludwig Hilmer Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Andreas Wrobel-Leipold Chefredaktion: Anne Schulze, Katja Wendrock CvD: Madeleine Bergmann Politik: Katja Wendrock Hintergrund: Beatrice Hönig Lokales: Lisa Viecenz, Jan Schulze Hochschule/Wissenschaft: Annegret Hintze, Anne Koths Feuilleton: Katrin Bertsch, Vinzenz Horwath Sport: Franz Müller Magazin: Nicole Grimm Marketing: Stephanie Köhler Anzeigen: Marcel Gräfe Grafik: Natalie Kunze Layout: Victoria Scholz Foto: Peter Schilling, Maria Krause Online: André Baumjohann Technik & Druck: Christian Greim, Sindy Herrmann, Stefan Heidisch Vertrieb: Anne Koths 2 5 9 3 1 3 4 3 5 6 12 Magazin Die Novum 21. März 2012 Abgelaufen ist nicht gleich schlecht Die Debatte um das Mindesthaltbarkeitsdatum er Joghurt sieht aus wie Joghurt, riecht wie Joghurt, schmeckt wie Joghurt. Aber das Mindesthaltbarkeitsdatum ist gestern abgelaufen. Also ab in den Müll? Vergiftungsgefahr? Viele Deutsche denken offenbar so, damit ließen sich die 11 Millionen Tonnen Lebensmittel teilweise erklären, die jährlich in Deutschland in den Abfall wandern. Das entspricht 275.000 LKW, die aufgereiht von Berlin bis Bagdad reichen würden. Das erschreckende Ergebnis einer Studie der Universität Stuttgart zeigt, dass 61 Prozent der Abfälle allein in Privathaushalten entstehen. Dabei wären über die Hälfte dieser Lebensmittelabfälle oder sogar völlig vermeidbar. Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner startete deshalb am Montag eine bundesweite Aufklärungskampagne zum richtigen Umgang mit dem MHD. Dafür werden über vier Millionen Flyer und Informationskarten in 21.000 Supermärkten verteilt. Doch was bedeutet eigentlich „mindestens haltbar bis…“? Laut Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln, ist das Mindesthaltbarkeitsdatum das Kamila Fajzulin D Die Milch vom letzten Jahr hat den Geschmackstest bestanden. Datum, bis zu dem ein Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften behält. Nach Ablauf dieses Datums kann es sein, dass ein Produkt nicht mehr seine typische Farbe behält oder sich der Geschmack leicht verändert. Keinesfalls ist das Lebensmittel aber gleich ungenießbar. Ernährungswissenschaftlerin Carmen Rohde rät, sich die Lebensmittel vor dem Verzehr noch einmal anzuschauen: „Oft sieht man ja, ob sie verdorben sind, zum Beispiel durch Schimmel.“ Vorbildlich findet sie den englischen Be- griff für Mindesthaltbarkeitsdatum: „best before“, zu deutsch „Am besten vor dem“: „Dieser verdeutlicht viel besser, dass das Lebensmittel auch danach noch verzehrt werden kann“. Der Pressesprecher des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Holger Eichele, spricht sich gegen eine Umbenennung aus. Denn auch eine neue Bezeichnung müsse dem Endverbraucher erst erklärt werden. Außerdem verweist er auf eine Forsa-Umfrage, die zeigt, dass 81 Prozent der rund 2.000 Befragten sich schon mit der Thematik beschäftigt hätten. Weiterhin gaben 19 Prozent an, ihre Einstellung gegenüber abgelaufenen Lebensmitteln bereits geändert zu haben. Den Anstoß für die Debatte lieferte der Dokumentarfilm „Taste the waste“, welcher im September letzten Jahres in die Kinos kam. Regisseur und Autor Valentin Thurn schockierte die Kinobesucher mit den Ausmaßen der Überflussgesellschaft: „Das in Europa weggeworfene Essen würde zweimal reichen, um alle Hungerleidenden unserer Erde zu ernähren.“ Isabell Kaden Motorsport sucht heiße Kurven TMM castet Models für den neuen Aktkalender „Boxenstopp“ chnelle Motoren, qualmende Reifen und nun auch Erotik. Bisher gab das Technikum Mittweida Motorsport bei der „Formula Student“ auf der Rennstrecke Gas. Jetzt wagen sich die Studenten zusätzlich mit dem Aktkalender „Boxenstopp“ an eine neue Herausforderung. Damit folgen sie der Tradition des Hochschul-Akt- kalenders, jedoch mit neuen Maßstäben: „Bei uns steht mehr die Geschwindigkeit und der Rausch des Motorsports im Vordergrund“, erklärt Projektleiterin Anna Kirchner. Sie sucht mit ihrem Team Nachwuchsmodels – neben attraktiven Frauen erstmals auch Männer. Bei einem Laufsteg-Casting dürfen sich Interessierte heute ab 16:30 Uhr im Studio B der Hochschule beweisen. Alle Teilnehmer sollen sich jeweils in Alltagskleidung, in schicker Abendgarderobe und in einem enganliegenden Outfit vor der studentischen Jury präsentieren. Ein professioneller Fotograf, Projektleiterin Anna Kirchner und Bild der Woche dpa Wolfgang Thieme S Eine der kürzesten Karrieren erlebte das Keinohr-Kaninchen aus Limbach-Oberfrohna. Es war eine Sensation, dass Ende Februar ein Kaninchen ohne Ohren auf die Welt kam. Schnell war klar, dass es zur Attraktion des Tierparks werden sollte. Die Patenschaft von Till Schweiger, Hauptdarsteller und Regisseur der Komödie „Keinohrhasen“, war ebenso fest eingeplant, wie auch die zahlreichen Besucher. Als Mitte März die Existenz des Kleinen bekannt gegeben wurde, stürmte schnell das erste Fernsehteam heran. Leider kam es bei den Dreharbeiten zu einem tragischen Unglück. Der Kameramann trat beim Rückwärtsgehen versehentlich auf das im Heu versteckte Zwergkaninchen, welches daraufhin starb. Christoph Gilbert Model Lara Köster suchen acht Frauen und vier Männer mit Talent und Ausstrahlung. „Nicht Perfektion ist gefragt, sondern Einzigartigkeit und Charakter“, verrät Anna Kirchner. Jury-Mitglied Lara wurde selbst bei einem Laufsteg-Casting entdeckt: „Es kostet viel Mut, aber das Selbstvertrauen gewinnt dabei enorm!“ Für die zwölf Models geht es dann mit einem professionellen Laufstegtraining weiter, das als Vorbereitung für die nächste Etappe dient: dem „Catwalk for Boxenstopp“. Dieser findet im Rahmen der Mittweidaer Shoppingtage am 5. und 6. Mai statt. Branchenkenner beurteilen, wer das Erlernte umsetzen kann und küren die Finalisten. Bis zu fünf Models werden ausgewählt und stellen sich einem OnlineVoting auf Facebook. Der Gewinner darf mit einem bekannten deutschen Topmodel vor der Kamera stehen und erscheint im Kalender „Boxenstopp“. Mit den Einnahmen des Kalenders will das Technikum Mittweida Motorsport seinen Rennwagen für die nächste Saison der „Formula Student“, dem internationalen Motorsport-Wettbewerb für Studenten, finanzieren. Christoph Gilbert