krankenhaus - ver.di – Bezirk Stuttgart

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krankenhaus - ver.di – Bezirk Stuttgart
krankenhaus
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Betriebsgruppe Klinikum Stuttgart
Nr. 1/12
Feb. 2012
INHALT:
Investitionskostenfinanzierung Grüne/SPD auf Rückzug
S.4/5
Berta: mr muss au annehmen
können!
S.6
ZSG: Soziale Psychiatrie - wie? S.6
kbc weiter Maximalversorger?
aus den Krankenhäusern...
S.7
S.8-9
Arbeitsschutz aus Frauensich S.10
Meldungen ...
S.11
Erinnern statt verdrängen Stolpersteinlegung
S.12
Verbrechen Marktwirtschaft
S.13
Charité Berlin: Streik bei
Servicetochter
Auch Stationen
können streiken S.14/15
S.16
Vertrag mit Stadt
macht Kampf gegen
Sparmaßnahmen
weder überflüssig
noch unmöglich
Tarifrunde:
Die nächsten Milliarden für uns - mehr
Geld verdienen im Krankenhaus!
Viele Beschäftigte im Klinikum klagen:
„Die Arbeit wird immer belastender.
Wenigstens sollte man ordentliche
Löhne bekommen. Die Steuern sprudeln,
die Banken bekommen Hunderte von
Milliarden Euro. Und wir Beschäftigte
im öffentlichen Dienst haben 10 Jahre
hinter uns, während denen unsere Löhne
real, also unter Berücksichtigung der
Inflation, gesunken sind, obwohl unsere Gesellschaft immer reicher wird.
Was wir uns in der Vergangenheit nicht
über die Tarifauseinandersetzungen
geholt haben, ist bei den schon fast
explodierenden privaten Gewinnen und
Privatvermögen der reichsten 10% der
Bevölkerung gelandet.“
Nach dem Grundgesetz haben die
Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften
den gesellschaftlichen Auftrag, die
Festlegung der Einkommen in freien
Verhandlungen mit den Arbeitgebern
und deren Verbänden festzulegen. Für
die kommunalen Beschäftigten und
damit auch für die Beschäftigten des
Klinikums Stuttgart ergibt sich dafür
jetzt die Möglichkeit, das verlorene
Jahrzehnt zu beenden und bei den
Lohnerhöhungen wieder aufzuholen.
Ab 1. März wird zwischen ver.di und
der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände um höhere Löhne
verhandelt. Noch steht ver.di in der
Diskussion um die Forderung. Aber
alle Zeichen sprechen dafür, dass die
kommunalen Beschäftigten eine Wende
in der Lohnpolitik durchsetzen wollen.
Wie kommen wir aber an
mehr Geld ran?
In den Tarifauseinandersetzungen geht
Fortsetzung S. 2
Ca. 20 bis 30 Millionen Euro Defizit
drohen dem Klinikum in den nächsten
Jahren. Damit steht es nicht allein da.
Ca. 20% der Kliniken in Baden-Württemberg haben bereits ein Defizit. Bei ca.
40% droht ein Defizit im nächsten Jahr.
Allein diese Zahlen zeigen, dass die
Ursache dieser Defizite nicht die Unwirtschaftlichkeit in einem einzelnen
Fortsetzung S. 3
Aktion vor dem Landtag: Betriebliche Interessenvertretungen
fordern: „Rettungsschirm für Krankenhausbeschäftigte“ (s. S. 4)
2
Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
es darum, Arbeitgeber dazu zu bringen
einen Tarifvertrag zu unterschreiben,
mit dem sie sich verpflichten mehr
Geld für die einzelnen Beschäftigten
auszugeben. Dabei geraten sie noch
mehr unter den Druck, den die Politik
durch ihre Sparpolitik gegenüber den
Krankenhäusern ausübt.
Wenn wir also mehr Geld haben wollen,
gibt es nur einen Weg: Wir müssen uns
stark machen. Wir müssen den Arbeitgebern, der Öffentlichkeit und der Politik
zeigen, dass sie auf unsere Arbeitskraft
angewiesen sind. Um dies unter Beweis
zu stellen und den notwendigen Druck
auf die Arbeitgeber ausüben zu können,
mit uns höhere Löhne zu vereinbaren,
gibt es den Streik. Streik bedeutet,
die Gewerkschaften rufen uns auf, die
Arbeit nieder zu legen. Unsere persönliche Entscheidung daran teilzunehmen
führt zu mehr Druck auf die Arbeitgeber
und die Politik oder sie nimmt den
Druck wieder raus, falls wir uns dafür
entscheiden nicht daran teilzunehmen.
Da uns während eines Streiks kein Lohn
gezahlt werden muss, können wir in dieser Auseinandersetzung nur stark sein,
wenn wir uns alle in ver.di organisieren.
Wir sichern uns dadurch Streikgeld und
finanzieren uns gegenseitig den Streik
um höhere Löhne.
Um bestehen zu können, gibt es Faktoren die über Erfolg oder Misserfolg
entscheiden.
1) Gemeinsames Handeln
Berufsgruppen, die sich nicht am Streik
beteiligen, fallen den anderen in den
Rücken, weil sie die Wirksamkeit des
Streiks gefährden. Sie schüren bei den
Arbeitgebern die Illusion man könne
z.T. den Normalbetrieb aufrechterhalten,
was auch die Patienten gefährden kann.
Wer im Streik weiterarbeitet, kann nicht
deutlich machen, dass er nicht nur ein
Kostenfaktor in der Controlling-Welt
zwischen Fallzahl, INEK-Werten und CMI
ist, sondern wichtig und mehr wert. Nur
wer durch Arbeitsniederlegung zeigt,
dass man auf ihn im Krankenhausbetrieb
angewiesen ist, kann heutzutage auch
auf eine materielle Wertschätzung durch
Lohnerhöhung hoffen.
Da sich insbesondere der Pflegedienst
mit seinen Lohn- und Arbeitsbedingungen in vielfältiger Weise in einer prekären
Situation befindet, müssen vor allem
sie, wenn es zu einem unbefristeten
Streik kommen sollte, Möglichkeiten
bekommen zu streiken. Die Kolleginnen
und Kollegen in der Funktionspflege,
insbesondere in der Anästhesie und
im OP, konnten dazu in der Vergangenheit Erfahrungen sammeln. Für die
Zukunft müssen auch die Pflegekräfte
auf den Stationen Stärke aufbauen.
Galt es bisher als nicht möglich, unter
die laufende Besetzung zu gehen und
mit zu streiken, hat uns der Streik in
der Charité in Berlin gezeigt, dass mit
entsprechender Vorankündigung ganze
Stationen geschlossen werden können,
damit das Pflegepersonal streiken kann.
Deshalb gilt 2012: Organisiert euch alle
in ver.di damit alle Optionen offen sind,
höhere Löhne durchzusetzen und sich
Streik im Klinikum - bald ist es wieder soweit!
gegen die Angriffe auf die Arbeitsbedingungen auf den Stationen dann auch
in Zukunft effektiv wehren zu können.
2) Aufhebung der Konkurrenz
Die Politik rechnet damit, dass sie
Gesundheitskosten sparen kann, wenn
sie die Krankenhäuser in gegenseitige
Konkurrenz schickt. Eine fehlende
verbindliche gesetzliche Personalbemessung ist die Voraussetzung dafür,
dass vor allem ein Schmutzwettbewerb
um die niedrigsten Personalkosten
ausgetragen wird. Das ist nicht gut für
die Arbeitsbedingungen und auch nicht
gut für die Patientenversorgung, schont
aber die Kassen des Gesundheitsfonds.
Eine Tarifrunde im öffentlichen Dienst,
die einen großen Teil der Krankenhäuser
betrifft, kann diese Konkurrenz zumindest bei der Bezahlung der einzelnen
Beschäftigten aufheben. Damit entsteht ein entsprechender Druck auf die
Politik,den Krankenhäusern nicht weiter
Geld zu entziehen.
Es ist auch unsere gesellschaftliche
Aufgabe, die Öffentlichkeit vor den gefährlichen Auswirkungen der Sparpolitik
im Krankenhaus zu warnen. Deswegen
müssen wir auch klar machen: Nicht der
Streik gefährdet die Patienten, sondern
der Normalbetrieb.
Im Streik müssen sich die Beschäftigten
entscheiden: Unterstützen Sie den Streik
oder fallen sie ihren Kolleginnen und
Kollegen in den Rücken und schwächen
den Druck auf die Arbeitgeber, indem
sie sich nicht am Arbeitskampf beteiligen. Viele glauben, sie könnten die
Auseinandersetzung neutral beobachten
und sich raushalten. Man kann es mit
einem Fußballspiel vergleichen. Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber. Und bei der
Mannschaft der Arbeitnehmer setzen
sich ein paar Spieler auf den Rasen
und beobachten wie sich der Rest der
Mannschaft so anstellt und wundern sich
darüber, dass ihre Mannschaft kein gutes
Ergebnis erzielt. Unsere Entscheidung,
unsere Arbeitskraft dem Betrieb im
Streik vorzuenthalten, ist letztendlich
unser einziges echtes Druckmittel. Und
jede Arbeit, die über eine Notfallregelung hinaus geleistet wird, erleichtert
den Arbeitgebern unsere berechtigten
Forderungen nach besseren Arbeits- und
Lohnbedingungen auszusitzen.
Und schließlich: Mit kräftigen
Lohnerhöhungen bekommen wir auch
die Refinanzierung der Lohnerhöhung
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
auf die politische Tagesordnung. Denn
wenn so viele Krankenhäuser davon
betroffen sind, kann man dieses Problem
auch nicht mehr politisch aussitzen.
Tarifrunde
öffentlicher
Dienst 2012 –
Termine
16. Januar: Mitgliederversammlung
der ver.di-Mitglieder des Klinikums
Stuttgart. Forderung: Erhöhung aller
Entgelte um 150 Euro + 4 %. Erhöhung
der Ausbildungsvergütungen um 75
Euro pro Monat.
1. Februar: Zusammenfassung der
Forderungen in den Betrieben des
ver.di-Bezirks Stuttgart
3. Februar: Zusammenfassung der
Forderungen der ver.di-Bezirke in
Baden-Württemberg
9. Februar: Beschluss der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst
über die Forderung an die Vereinigung
der kommunalen Arbeitgeberverbände
(VKA) auf der Basis der Forderungen
der einzelnen ver.di-Landesbezirke
1. März: Ende der Friedenspflicht.
1. Verhandlungsrunde ver.di mit
dem VKA
12./13. März: 2. Verhandlungsrunde
28./29. März: 3. Verhandlungsrunde
Falls es zu keiner Einigung kommt,
folgt eventuell die Schlichtung mit
anschließenden Neuverhandlungen.
Fortsetzung: Vertrag mit Stadt ...
Haus sein kann. Dazu ist die Zahl der
betroffenen Häuser zu hoch.
Tatsächlich sind die Defizite der
Krankenhäuser die systematische und
gewollte Folge der Krankenhausfinanzierungspolitik von Bund und Ländern.
Durch die Deckelung der Krankenhausausgaben – egal wie die Preissteigerungen und die Lohnerhöhungen
sind – soll ein ökonomischer Druck auf
die Krankenhäuser ausgeübt werden,
der im Wesentlichen dazu führt, dass
Häuser zusammengelegt, geschlossen
oder von Privaten aufgekauft werden.
Nebeneffekt dieser Politik ist, dass
die privaten Krankenhausketten, die
die Vorreiter bei Personalabbau, verstärkter Arbeitshetze, Lohndumping
und Leistungsverschlechterungen für
die Masse der Patienten sind, dadurch
auch noch gehätschelt werden und in
die Lage versetzt werden, kommunale
Kliniken aufzukaufen.
Gerade weil es sich nicht um einzelne Krankenhäuser und ihre Probleme
handelt, sondern weil systematische
Strukturveränderungen beabsichtigt
und eingeleitet sind, besteht die große
Gefahr, dass die Interessen der Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen und
vernünftiger Bezahlung unter die Räder
kommen. Genauso läuft es seit Jahren:
Die Krankenhausbeschäftigten stehen
unter erheblichem Druck. Ihnen wird
ständig damit gedroht, dass sie, wenn
sie nicht bereit sind alles hinzunehmen,
ihren Arbeitsplatz verlieren, sie verkauft
werden und alles noch schlimmer kommen würde.
Dazu trägt auch bei, dass viele Krankenhausbeschäftigten nach wie vor nicht
gerade die Aktivsten, zu Widerstand
Bereitesten und Streikfähigsten sind.
Für die Gewerkschaft ver.di und die
Personalräte stellt sich in einer solchen
Situation des strukturellen Wandels aber
auch der Defensive bzw. Schwäche, die
Frage, wie die Interessen der Beschäftigten am besten geschützt werden
können.
ver.di Stuttgart und der Personalrat
des Klinikums verfolgen deshalb seit
Jahren die Strategie, zum einen den
Widerstand gegen die Sparmaßnahmen
durch die Beschäftigten zu verstärken,
zum anderen aber auch Kompromisse
einzugehen und Rechte von Beschäftigten vertraglich abzusichern. Sowohl
der erste, als auch der jetzige zweite
Vier-Seitenvertrag sind das Ergebnis.
Dabei ist die Basis die Aktivierung der
Beschäftigten und der konkrete Kampf
gegen Verschlechterungen. Ohne dass
die Beschäftigten, der Personalrat und
ver.di im Klinikum sich nicht immer
massiv gegen Verschlechterungen
gewehrt hätten, wäre die Stadt und
das Klinikum nie bereit gewesen eine
solche weitreichende Vereinbarung zu
schließen.
Die Tatsache, dass die Stadt während
der nächsten fünf Jahre mehrere hundert
Millionen Euro ins Klinikum gibt und
die Tatsache, dass betriebsbedingte
Kündigungen, Tarifabsenkung und vor
allem Teilprivatisierungen ausgeschlosFortsetzung S. 4
Falls es immer noch zu keiner Einigung kommt, folgt die Urabstimmung
der verdi-Mitglieder über einen unbefristeten Streik.
Falls in der Urabstimmung mindestens 75% für Streik votieren, folgt
ein unbefristeter Streik bis zu einer
Einigung. Eine Einigung mit Zustimmung der Bundestarifkommission gilt
als angenommen, es sei denn es votieren in einer weiteren Urabstimmung
immer noch mindestens 75 % der
ver.di-Mitglieder für die Fortführung
des Streiks.
Wie in den vergangenen Tarifrunden
ist mit Warnstreiks zwischen den Verhandlungsrunden zu rechnen.
„Die Geschäftsführung meint, die
Personalkosten seien zu hoch und
möchte sie verringern.“
„Sie hat mich beauftragt ein paar
Kürzungen vorzunehmen.“
Herausgeber: ver.di Bezirk Stuttgart, Betriebsgruppe Klinikum
V.i.S.d.P.: Christina Ernst, Willi-Bleicher-Str. 20, 70174 Stgt. Tel: 0711-1664-030
Redaktionsschluss: 23.1.201
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sen sind, belegen, dass diese Strategie
richtig war.
Gleichzeitig sind die Verhandlungsergebnisse auch rein materiell ein Fortschritt, weil sie zumindest einen Teil des
finanziellen Druckes vom Klinikum und
damit von den Beschäftigten nehmen:
Die Summe, die eingespart werden muss,
um keine Defizite zu haben, reduziert
sich deutlich.
Die Tatsache, dass der Personalrat und
ver.di im Gegenzug zu den Zugeständnissen der Stadt zugesagt haben, dass
sie am Abbau des restlichen Defizits
mitarbeiten werden, bedeutet nicht,
dass wir alles schlucken werden, was GF
Schmitz oder die Stadt uns vorsetzen.
Wir werden versuchen, die Auswirkungen der Sparmaßnahmen für die
Beschäftigten so erträglich wie möglich
zu gestalten. Das wird nicht nichts
sein, aber in jeden Fall besser als ohne
den Vertrag und ohne die finanziellen
Zuwendungen der Stadt. Und außerdem
bietet der Vertrag dem Personalrat und
ver.di die Möglichkeit, bei der Auswahl
und Durchführung von Sparmaßnahmen
mitzubestimmen und Einfluss zu nehmen. Vertragspartner müssen aufeinander Rücksicht nehmen, das gilt auch für
die Stadt und das Klinikum.
Im Zentrum der Arbeit von ver.di und
dem Personalrat steht weiterhin die
Vertretung der Interessen der Beschäftigten und, wo nötig, die Organisierung
des Widerstandes. Abstriche bei der
Tarifrunde oder bei sonstigen fundamentalen Interessen kommen nicht in Frage
und werden von uns nicht mitgetragen.
Dann muss die Stadt den Vertrag eben
kündigen.
Weil das Defizit des Klinikums kein
Einzelfall, sondern eine systematische
Folge der Krankenhauspolitik ist, ist
auch klar, dass ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit von ver.di und der
Personalvertretungen sein muss, die
politische Auseinandersetzung mit dieser Krankenhauspolitik voranzutreiben.
Die Krankenhausbeschäftigten müssen
sich gegen die politischen Zumutungen
aus Berlin wehren. Wir brauchen
dringend eine erneute Demonstration
von hunderttausenden von Krankenhausbeschäftigten in Berlin gegen die
Krankenhauspolitik, um allen Krankenhäusern wieder Luft zu verschaffen. Die
Forderung bleibt: Der Deckel muss weg!
Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
Investitionskostenfinanzierung: Grüne und
SPD auf dem Rückzug
Groß waren die Versprechungen und zunächst auch die Erwartungen, nachdem
in den Wahlprogrammen von Grünen und
SPD und danach auch in der Koalitionsvereinbarung zugesichert worden war,
dass der Stau bei den Investitionskosten
der Krankenhäuser sukzessive abgebaut
würde und die bisherige, viel zu niedrige
Investitionskostenfinanzierung von ca.
300 Millionen Euro verdoppelt werden
würde. Es bestand Hoffnung, dass tatsächlich Schluss gemacht würde mit der
Finanzierung der Krankenhausbaustellen
durch Personalstellen.
Nachdem unmittelbar nach Regierungsantritt die neue Landesregierung
beschloss, noch für das Jahr 2011 50
Millionen Euro mehr zur Verfügung zu
stellen als bisher, schien es dann tatsächlich so, als ob sich wirklich etwas
grundsätzlich verändern würde.
Umso größer ist die Ernüchterung, dass
im Haushaltsplan für das Jahr 2012 kein
weiterer Schritt der Erhöhung der Mittel
für Investitionskosten beschlossen werden soll, sondern sogar die im letzten
Jahr zugestanden 50 Millionen auf 42
Millionen Euro reduziert werden sollen.
Noch frecher: die Mittel sollen nicht vom
Land kommen, sondern werden aus der
„kommunalen Investitionspauschale“
abgezweigt, also aus Mitteln, die den
Kommunen sowieso schon zustehen.
Eigentlich hätte die Investitionsko-
stenförderung im Jahr 2012 – zusätzlich
zu den ersten 50 Millionen Euro – um
weitere 50 Millionen Euro erhöht werden
müssen, um das Ziel der Verdoppelung
der Investitionsmittel bis zum Ende der
Legislaturperiode zu erreichen. Wie es
jetzt aussieht, wird dies nicht so sein.
Die Argumente für den Rückfall in
die systematische Unterfinanzierung
sind vielfältig. Im Wesentlichen geht
es jedoch um das Ziel der Schuldenfreiheit. Der Abbau von Schulden wird
über die Erfüllung von seit Jahren und
Jahrzehnten dringend notwendigen
Aufgaben gestellt. Dafür sind Grüne und
SPD nicht gewählt worden.
Die Probleme der Staatsschulden lassen
sich nicht über weitere Sparprogramme
lösen, sondern nur darüber dass die
Reichen und die Kapitalunternehmen
endlich wieder mehr Steuern zahlen.
Das angebliche strukturelle Ausgabendefizit ist eigentlich ein strukturelles
Einnahmendefizit. Wenn weiter gespart
wird, wird der Teufelskreis „weniger
Investitionen, weniger Konsum, weniger Steuereinnahmen, noch mehr
Sparzwang“ noch verstärkt.
Das, was für ganz Europa gilt, gilt
auch für die Investitionspolitik bei den
Krankenhäusern.
Außerdem: nicht nur Geldschulden
sind Schulden - die versäumten Inve-
Auch für die rot-grüne Regierung gilt: Baustellen nicht mit
Personalstellen finanzieren!
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
stitionen, die seit Jahren zurückgestellt
werden, die verrotteten Krankenhäuser,
und die schlechten Arbeitsbedingungen
für die Beschäftigten sind ebenfalls
eine Schuld, die wir und die nächsten
Generationen bezahlen müssen. Aber
auch wie im Großen werden die Banken
bedient und die Sozialleistungen und die
Arbeitsbedingungen kommen erneut und
immer stärker unter Druck.
Bei der Einbringung des Haushaltes
und bei der ersten Lesung haben die
Betrieblichen InteressenVertretungen
(Betriebsräte Personalräte und Mitarbeitervertretungen) der Krankenhäuser
und ver.di vor dem Landtag protestiert
und einen „Rettungsschirm für Krankenhausbeschäftigte und nicht nur für
Banken“ gefordert. Vertreter von SPD
und Grünen aus dem Landtag mussten
Rede und Antwort stehen (siehe Bilder).
Sie taten das nicht sehr souverän. Es
wurde deutlich, dass Sachargumente für
die Kürzung fehlen und dass es nur um
die Sparvorgaben des Finanzministers
und des Ministerpräsidenten geht.
Wir geben unseren Widerstand nicht auf
und werden auch bei der zweiten und
dritten Lesung Aktionen durchführen.
Nach wie vor gilt: „Baustellen nicht mit
Personalstellen finanzieren - Stoppt den
Gesetzesbruch“.
Aktion der Betrieblichen Interessensvertretungen der Krankenhäuser
Nord-Württembergs (BIV NoWü) am 21.12.2011
Aus der Rede von Volker Mörbe (BIV):
„Wie letzte Woche, stehen wir auch
heute zu den Haushaltsberatungen
als Mahnwache an der Bannmeile des
Landtags. Wir haben die Abwahl der
unsäglichen schwarz-gelben Regierung
begrüßt und waren zufrieden damit,
dass der stufenweise Abbau der Nettoneuverschuldung des Landes gegenüber
den Krankenhäusern bis 2016 in Aussicht
gestellt wurde. Deshalb ist unsere Enttäuschung groß. Die Neuverschuldung
gegenüber den Banken wird sofort auf
Null gestellt. Und der stufenweise Abbau
der Krankenhausverbindlichkeiten wird
schon im 2. Haushaltsjahr gestoppt.
Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser wird auf dem Rücken der Beschäftigten und der Patienten ausgetragen.
Dies ist eine verdeckte Form von struktureller Gewalt. Es ist Gewalt gegen die
Beschäftigten, die sich kaputt schuften
für die Krankenversorgung. Es ist Gewalt
gegen die Kinder der Beschäftigten,
die sich auf Versprechen ihrer Eltern
nicht mehr verlassen können, weil die
wieder mal einspringen müssen. Es
ist Gewalt gegen das Berufsethos der
Beschäftigten. Wenn der Unterschied
zwischen notwendigem Handeln und
der Wirklichkeit groß bleibt, führt dies
tendenziell dazu, dass sich Beschäftigte
dieser Situation entziehen oder sich
damit arrangieren, was dann aber zu
Lasten der Patienten geht.
Landesschulden gegenüber den Banken
belasten zukünftige Haushalte. Nicht
bezahlte Verbindlichkeiten gegenüber
den Krankenhäusern belasten und gefährden sofort die Beschäftigten und
Patienten. Durch die Beibehaltung der
niedrigen Förderquote auch durch die
neue Landesregierung werden die tatsächlich ja notwendigen Sanierungen
und Baumaßnahmen zunehmend zum
Fluch für die Beschäftigten. Je größer
die Baumaßnahme umso größer der
Druck auf die Krankenhausträger, die
diese Kosten kaum noch tragen können.
Wir fordern die Landtagsabgeordneten
der Regierungskoalition auf: Sorgen Sie
dafür, dass der Abbau der Nettoneuverschuldung des Landes gegenüber den
Krankenhäusern wieder auf die richtige
Spur gesetzt wird.“
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
dät? Alsole: Annehmen, sag i, immer annehmen. Nonderschlocka.
Ja saga. Maul halta. Etz kapierets
doch endlich!
Also, i frei mi scho richtig uff die
nächschd Tserdifizierung.
Zom Beischpiel als „Krankenhaus
des gesundheitsfördernden Personalmangels“.
Oddr wie wär‘s mit „Klinik der
wertschätzenden Missachtung“?
Oddr am beschta glei als „Haus der
motivierenden Arbeitsbelastung“.
Berta meint:
... mr muss au
annehmen können!
Also, i woiß et, was Ihr eich immer
uffreget. Vo wega - mir schaffet mit
immer weniger Leit, im Geldbeitel
isch Ebbe, mir werdet dauerkrank
ond brennet aus...
Liabe Leit, machets eich doch et so
schwär ond nähmet die Welt oifach
wie se isch. No werds viel leichter.
Oifach elläs mit sich macha lassa
ond et schempfa ond scho goht‘s
oim vo Dag zu Dag besser.
Also, wenn mei Kendr zom Beischpiel Sunndigs morga scho rufet:
„Mama, die Erna isch am Telefo,
du muscht wiedr uff Schtatio komma!“ No gang i innerlich glei in dr
Annehmen-Modus ond erklär meina
Kendr: „Guckt, des isch a feine
Sach, dass‘d Mama etzt koi Zeit meh
für Eich hot ond glei wiedr schaffa
ganga muss. Domit hilft se nämlich,
dass onser Unternehmen Klinikum
die schwarze Null erreicht!“
„Was fiera schwarzes Ding?“
froget se noch ond scho schmeiß
i mr ‚s Jäckla om ond greif mr
mei Däschla ond ko eahne grad no
zurufa: „Hauptsach mir send vom
Bundeswirtschaftsminischdr wiedr
als familienfreundliches Krankenhaus tserdifiziert worda.“
Immer positiv denka! Ond d‘ Kendr
lernet so scho früh, was wirklich
wichtig isch em Läba: Dem Arbeitgäber diena!
Hano - wo wäret denn mei Kendr,
wenn i mein Arbeitsplatz verliera
Ja, je mehr so Tserdifikade mir
kriaget, um so sicherer ben i doch,
dass mei Arbeitsplatz no lang erhalta bleibt!
Ond wenn i dann scheene Dags
mei Ehrenplakette „für jahrelanges
treues und familienfreundliches
Einspringen aus dem Frei“ kriag,
no freiet sich mei Kendr ganz arg.
Weil se wisset, dass d‘ Mama emmer
elles fer se do hot…
… träumt
Eure Berta
ZSG: soziale Psychiatrie – wie?
Mit dem Umzug des Großteils der
Erwachsenen-Psychiatrie stellen sich
Fragen nach der Struktur und Konzeption
der sozialen Psychiatrie neu.
Als der Gemeinderat den Neubau der
Psychiatrie beschloss, ging er von 80
Betten für die soziale Psychiatrie für
Erwachsene im ZSG aus und davon, dass
die Psychiatrie nur für ein paar Jahre
als Zwischenlösung nach Bad Cannstatt
umziehen würde. Damals wurde die
Vorstellung aufrechterhalten, dass am
Ende der baulichen Neustrukturierung
des Klinikums die Psychiatrie an den
Standort „Mitte“ verlagert würde. Inzwischen hat die Landesregierung erklärt,
dass der Umzug der Psychiatrie nach
Cannstatt dauerhaft sein soll. Damit
wird es notwendig, sich erneut mit der
Frage zu beschäftigen, wie die soziale
Psychiatrie im stationären Bereich
sinnvoll gegliedert werden kann.
Bei der damaligen Zwischenlösung
wurde davon ausgegangen, dass am
Standort Bürgerhospital/ Gebäude Türlenstraße mindestens 40, höchstens 80
Betten vollstationär betrieben werden
sollen. Von diesen Betten sollten 40
zur sozialen Psychiatrie gehören. Die
anderen 40 Betten Sozialpsychiatrie
sollten in Cannstatt vorgehalten werden.
Das vom Klinikum-ZSG abzudeckende
Versorgungsgebiet wurde in die Gebiete
„Mitte“ und „Neckar“ aufgeteilt. Diesen
Überlegungen lagen bestimmte Vorgaben zugrunde, wie, dass die Psychiatrie
wohnortnah und in 30 Minuten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar
sein sollte.
Die Struktur, die sich aus dem aktuell
geplanten Umzug in den Neubau nach
Bad Cannstatt ergibt, könnte eine andere
sein, so dass Aspekte wie Wohnortnähe
eine geringere Rolle spielen könnten.
Entscheidend dürfte die Frage sein,
welches Versorgungsniveau (offene
Einrichtungen mit oder ohne beschützende Möglichkeiten, Stationen mit
Schwerpunkt Psychotherapie, Notfallbereitschaft, Kriseninterventionsmöglichkeiten, Kriseninterventionsteams)
jeweils an welchem Standort und in
welcher Größe vorgehalten wird.
So wie es aussieht, soll das Gebäude
Türlenstraße so umgebaut werden,
dass dort zwei Stationen mit insgesamt ca. 40 Betten betrieben werden
können sowie die drei Tageskliniken
(Allgemeine, Sucht und Ältere) und
die entsprechenden Ambulanzen. Ein
entscheidendes Kriterium für die Frage,
welcher Art und auf welchem Niveau die
Versorgung der Patienten auf den beiden
Stationen sein soll, ist die Sicherheit,
die den Patienten dort gegeben werden
kann. Eine ärztliche Präsenz rund um
die Uhr, wie auch eine ausreichende
pflegerische Personalbesetzung (Fixierungsstandard: fünf Pflegepersonen) zu
jeder Zeit sind unerlässlich – auch zum
Schutz der betroffenen Beschäftigten.
Ausgehend von dieser Grundvoraussetzung sollte es möglich sein, am Standort Bürgerhospital ein wohnortnahes
Behandlungszentrum für Langzeitpatienten in Krisensituationen ähnlich
dem Vorbild Atrium-Haus in München
aufzubauen.
Dieses Konzept hätte den Vorteil, dass
Patienten in akuten Behandlungssitu-
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
ationen möglichst nicht zuerst nach
Cannstatt geschickt werden müssten,
nach dortigem Aufenthalt auf einer
geschlossenen/beschützten Station
wieder zurück ins Bürgerhospital gefahren würden, um bei einer eventuellen
weiteren Krise wieder nach Cannstatt
gebracht zu werden. Ziel der Therapie
wäre, die Behandlung im Bürgerhospital/Türlenstraße möglichst von der
Aufnahme bis zur Entlassung und mit
einer engen Verzahnung mit der Gemeindepsychiatrie zu gewährleisten und
nur in Ausnahmen auf geschlossene/
beschützte Stationen in Cannstatt zu
verlegen. Mit der wachsenden Erfahrung aus solch einem Konzept, das in
München seit 1994 praktiziert wird,
könnte dieses längerfristig – ähnlich wie
in München - auch auf weitere Versorgungsgebiete innerhalb des Stuttgarter
Versorgungsraums ausgeweitet werden.
Zur Umsetzung eines solchen oder
eines ähnlichen Konzepts bedarf es
Menschen, die es aufgreifen, entwickeln
und umsetzen. Das könnten Personen
sein, die sich verantwortlich fühlen
für die Versorgung psychisch Kranker
oder die selbst in diesem Bereich tätig
KBC muss als gleichwertiges
Maximalversorger-Haus geführt werden
Im März zieht das ZSG ans Krankenhaus
Bad Cannstatt (KBC). Somit hat Cannstatt mehr Betten und scheint größer zu
sein. Aber wo geht der Weg wirklich hin?
Als die Reduzierung der vier (plus)
Standorte auf zwei Standorte im Klinikum beschlossen wurde, war geplant,
dass zwei annähernd große Krankenhäuser entstehen, die beide Maximalversorger sind. Allerdings gab es immer ein Hin
und Her, welche Kliniken in Cannstatt
angesiedelt werden und welche am
Standort Mitte. So meinten bestimmte
Chefärzte, dass nur am „Campus Mitte“
eine gute Entwicklung möglich wäre.
Aber gerade die Frauenklinik hat gezeigt wie eine Abteilung aufblühen und
sich entwickeln kann und wie gut das
KBC von Patienten angenommen wird.
Allerdings gehört dazu auch die entsprechende Ausstattung mit modernen
Geräten. Es hat viel zu lange gedauert
bis Cannstatt endlich das MRT bekommen hat, noch immer hapert es an der
personellen Ausstattung. Dies ist auch
ein Ausdruck der Wertschätzung von der
Krankenhausleitung für den Standort.
Jetzt ist geplant, schon vor dem Auszug
der Frauenklinik 2013 die Abteilung
Geriatrie vom BH ans KBC zu verlegen.
Es gibt einen hohen Bedarf an geriatrischen Betten, da die Menschen immer
älter und kränker werden. Folge wäre:
in der Inneren würden keine Betten
geschlossen.
Trotzdem gibt es doch auch sehr
nachdenkliche und kritische Stimmen
zu dieser Entwicklung im KBC. Auf der
einen Seite werden gerade wieder Inten-
sivbetten geschlossen, d.h. die Hochleistungsmedizin heruntergefahren. Die
Schließung von Intensivbetten schränkt
aber die Behandlungsmöglichkeiten am
Standort KBC und damit die Versorgungsmöglichkeiten der Bevölkerung ein.
Dies gilt auch für die Versorgung der
Patienten in Geriatrie und Psychiatrie
und hebt nicht den Ruf als Hochleistungskrankenhaus. Und das hebt auch
nicht die Attraktivität für Ärzte, sich
hier ausbilden zu lassen.
Dass das KBC als Maximalversorgungshaus geführt wird, darf deshalb nicht
zur Disposition gestellt werden. Eine
Absenkung des medizinischen Niveaus
würde weitere Einschränkungen in der
Versorgungsqualität nach sich ziehen.
sind. Wenn niemand ein solches Konzept auf den Weg bringt, besteht die
Gefahr, dass einige wichtige Aspekte
sozialer Psychiatrie auf der Strecke
bleiben. Das ist wörtlich zu verstehen:
die Zeit, die Pflegekräfte brauchen,
um Patienten vom einen Standort zum
anderen zu begleiten und wieder zurück
zu fahren, fehlen sie auf ihrer Station.
Das würde weniger Besetzung in den
Schichten bedeuten auch mit der Konsequenz, dass bei Unterschreitung der
Mindestbesetzung keine Ausgänge mit
Patienten möglich sind. Soweit sollte
es nicht kommen.
legen, wie die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten des KBC auf einem
hohen Niveau erhalten und ausgebaut
werden können. Wenn das Waiblinger
Krankenhaus geschlossen wird, gibt es
sicherlich viele Patienten, die gerne
nach Cannstatt kommen, wenn das KBC
medizinisch und therapeutisch gute
Behandlungsmöglichkeiten bietet, die
ihren Bedürfnissen entsprechen.
Wenn hier aber monatelang, ja jahrelang der Mangel verwaltet werden sollte,
könnte sich ein Teufelskreis entwickeln,
dass Stellen – egal ob im ärztlichen oder
im pflegerischen Bereich - nicht oder
nur schwer zu besetzen wären. Und das
würde zu einer dauerhaften Schwächung
des Standortes führen. Noch gibt es die
Chance, Cannstatt als Maximalversorger
im Krankenhausbereich zu stärken! Sie
sollte in jedem Fall genutzt werden.
Die Geschäftsführung sollte sich über-
Jugend- und Auszubildendenvertretung:
Neuwahl steht bevor
Vom 5.3.2012 bis 8.3.2012 finden die Neuwahlen zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) statt. Die Auszählung erfolgt am 9.3. Alle Schüler und
Auszubildenden des Klinikums sind aufgerufen zu wählen. Wahlberechtigt sind
z.B. die Auszubildenden der Kranken- und Kinderkrankenpflegschule, der MTA- und
Diätschule und der Hebammenschule. Je höher die Wahlbeteiligung umso stärker
der Rückhalt der JAV. Eine starke JAV ist gefragt. Probleme in der Ausbildung gibt
es genügend, angesichts der steigenden Arbeitsbelastung ist die Ausbildungsqualität und die Praxisanleitung in der Pflegeausbildung ein Dauerbrenner. Oder
die Mängel in den Personalwohnheimen, in denen viele Azubis wohnen. Themen,
die auch auf der letzten Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden im
November zur Sprache kamen. Wer mithelfen will, die offensive und aktive Arbeit
der bisherigen JAV fortzuführen, sollte selbst kandidieren und sich bei der JAV
und der ver.di-Jugend melden. Gewählt werden können alle jungen Beschäftigten
bis 26 Jahre und alle Wahlberechtigten. Bis zum 6.2.2012 können die Kandidatenlisten eingereicht werden.
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
... aus den Krankenhäusern und Abteilungen ...
Katharinenhospital
Infektwelle beim
Pflegepersonal – the
show must go on
Das neue Jahr fing schon gut an. Es
ist eine Infektwelle durch die Station
A6 gebraust, wie wir sie selten erleben:
fünf Schwestern und Pfleger waren
gleichzeitig außer Gefecht gesetzt.
Wann immer das Telefon klingelte, schoss
die bange Frage durch den Kopf: wer
noch? Ersatz war zunehmend schwerer
zu organisieren. Weit mehr als dreißig
Patienten, die Hälfte von ihnen mit A3/
S2 Pflegeintensität, waren zu behandeln. Die PDL, sichtlich angespannt,
mühte sich um Kolleginnen anderer
Stationen. Dennoch: Einige Schichten
waren gefährlich dünn besetzt: zwei
Examinierte und eine Praktikantin.
Trat ein Ausfallkonzept in Kraft? Fehlanzeige! Aufnahmestopp? No Go! OPs
reduzieren? Aber nein!
Die Stationsleitung musste die Ärzte
bitten, die Anordnungen auf das absolut
Notwendige zu beschränken und die Station mit Notaufnahmen zu verschonen.
Die Herren Doktoren legten ihre Stirn
in Sorgenfalten ob der überaus bedenklichen Besetzung im Pflegedienst.
Da der Pflegenotstand sich weiter verschärfen und eine Situation wie diese
häufiger Eintreten wird, fordern wir ein
verbindliches Ausfallkonzept, wie hier
vorzugehen ist: sei es durch Leasingkräfte, Aufnahmestopp, Bettenschließungen und ähnliche Maßnahmen.
Wenn‘s von oben gewollt ist, können
schließlich auch Stationen geschlossen
werden – wie zum Beispiel im Olgäle
über Weihnachten.
Bürgerhospital
ZSG-Umzug: allgemeine
Verunsicherung
Die Stimmung ist nicht gut in der Psychiatrie derzeit. Offensichtlich gelingt es
den Verantwortlichen (Zentrumsleitung)
nicht, den Mitarbeitern zu vermitteln,
dass der Umzug des Großteils der Psychiatrie vom BH und der Kinder- und
Jugendpsychiatrie vom OH ans KBC
gut durchdacht und vorbereitet ist. So
tauchen viele Fragen auf, die unbeantwortet bleiben, was zu einer um sich
greifenden Verunsicherung führt. Viele
können sich noch nicht vorstellen, dass
der Umzug tatsächlich zum 20. März
stattfinden wird.
Nach den leidvollen Erfahrungen mit
immer wieder auftretenden Mängeln des
Alarmsystems am Standort Bürgerhospital gibt es die Frage nach dem neuen
Alarmsystem im Neubau Cannstatt.
Wie funktioniert es? Was ist, wenn
es auch mit dem neuen Alarmsystem
Probleme gibt? Anlaufschwierigkeiten
sind nie auszuschließen. Wie kriegen
wir in Notfallsituationen Hilfe, wenn
das Alarmsystem nicht funktioniert?
Viele kennen die räumlichen Gegebenheiten in Cannstatt noch nicht. Werden
wir uns in den neuen Stationen zurecht
finden? Die Nachbarstationen werden
zumeist andere sein. Die Anbindung
der Psychiatrie an den somatischen Teil
des Krankenhauses muss neu erfahren
und eingeprägt werden. Wo finde ich
wichtige Verwaltungsabteilungen vor
Ort im KBC? Wird es im KBC eine Kasse
(sehr wichtig für die Patienten!) geben?
Bleibe ich im Team meiner bisherigen
Station? Wird die Geschäftsführung an
der allgemeinen Einführung der pflegerischen Bereichsleitung festhalten?
Wechselt mein Vorgesetzter?
Welche Station zieht an den angekündigten beiden Umzugstagen zu welchem
Zeitpunkt um? In welcher Reihenfolge
ziehen die Stationen um? Sind wir auf
Notfallsituationen während des Umzugs
vorbereitet?
die Frage, ob der angekündigte Umzugstermin gehalten werden kann.
Katharinenhospital
Vorsicht! Vehikel
schwenkt aus! Das PIKS
und die Pflege
Unser Klinikum hat technisch wieder
einmal aufgerüstet: Die sogenannten
PIKS-Geräte (Patienten-Informationsund Kommunikations-System), eine
Kombination von Radio, TV und Telefon
an jedem Bett steigern den Patientenkomfort. Den des Pflegepersonals
jedoch nicht:
Es klingelt. Ich gehe ins Krankenzimmer. Auf den ersten Blick kein Patient zu
sehen, dafür Mattscheibe und Schwenkarm. Ein Blick dahinter offenbart das
kreidebleiche Gesicht eines Patienten,
der schwallartig erbricht…
Patientin Schulze wird ins Zimmer
geschoben. Es kracht. Ups - hat der
Bettgalgen doch glatt das PIKS-Gerät
gerammt.
Visite. Der Arzt will den Kranken abhorchen. Das Ding ist schon wieder im
Weg: wegschieben, damit der Kranke
sich aufsetzen kann. „Doktor, Vorsicht!
Schlagen Sie sich nicht den Kopf an.“
Schwungvoll rolle ich den Infusionsständer ins Zimmer. Man muss heutzutage flott arbeiten … Ein lautes
Scheppern: Metallgestell gegen Bildschirm, dieser ist prophylaktisch mit
einer Plastikscheibe geschützt.
Das sind nur einige von vielen offenen
Fragen, die derzeit wirklich viele Beschäftigte in der Psychiatrie umtreiben.
Sobald ich mich dem Patienten nähere,
schweift der geschulte Blick zunächst
aufs PIKS-Gerät, sondiert die Lage: erst
am PIKS oder doch besser am Patienten
aktiv werden?
Die Fragen sollten zügig beantwortet
werden. Die Beschäftigten sollten auf allen Ebenen in die Umzugsvorbereitungen
einbezogen werden. Der Umzug soll in
weniger als zwei Monaten stattfinden.
Sollte es den Verantwortlichen nicht
gelingen, die Beschäftigten hierbei
„mitzunehmen“, stellt sich tatsächlich
Nächster Knackpunkt sind Wochenenden und Feiertage: recht oft begibt
sich PIKS mit ins Frei. Patienten
reklamieren den Defekt - na bei wem
wohl? Richtig, bei der Schwester - und
erwarten sofortige Abhilfe. Damit sieht
es ab Freitagnachmittag aber verdammt
schlecht aus. Der Monteur hat sich ins
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
... aus den Krankenhäusern und Abteilungen ...
Wochenende verabschiedet – und somit
bleibt die Mattscheibe schwarz und
stumm. Die älteren Semester unserer
Patienten müssen die Bedienung des Geräts oft mehrfach erklärt bekommen und
die Chipkarte funktioniert längst nicht
immer. Außerdem - auch diese Aufgabe
ist offenbar uns Pflegenden zugedacht:
dem enttäuschten Patient zu vermitteln,
dass von seinen zehn investierten Euro
nur drei zum Telefonieren bleiben!
Und – selbstverständlich – werden wir
gebeten, die Karte für weniger mobile
Menschen zu erwerben oder mal schnell
das Guthaben aufzustocken - unten
am Automaten im Katharinenhof. So
werden die strapazierten Pflegenden zu
Servicepersonal fürs PIKS – hörte ich da
jemand von Entlastung der Pflege reden?
KH Bad Cannstatt
Krankenpflegeschüler
immer noch als
Lückenbüßer eingesetzt
Schon vor Monaten wurde problematisiert, dass auf der Station F6a Kinderkrankenpflegeschülerinnen bewusst
eingeteilt werden, um Nachtdienst zu
machen. Dafür wird dann eine Nachtwache auf der Nachbarstation F6b weniger
eingeteilt. Die F6b hat eigentlich vier
Nachtwachen im Einsatz, da sonst nachts
die Säuglinge auf den beiden Stationen
nicht betreut werden können. Durch
die vielen Zwillinge, Drillinge und auch
sehr kleinen Kinder gibt es rund um die
Uhr viel zu tun mit Müttern und ihren
Kindern. Die vierte Nachtwache betreut
so die Kinder auf der F6a mit.
Da mehrere Stellen auf der F6b nicht
besetzt sind, wird immer noch gezielt
versucht, die Schülerinnen als Lückenbüßer einzusetzen.
Für die Schülerinnen auf der F6a bedeutet die Reduzierung, dass sie überhaupt
nicht angeleitet werden können, sie
dürfen aber nicht selbständig arbeiten.
Darum ist es für die Schülerin und für
die Examinierte unverantwortlich, wenn
so geplant wird. Die Schwestern der
F6a haben zu Recht die Verantwortung
für Schüler und Patienten abgelehnt.
Die Zentrumsleitung muss zügig die
Stellen besetzen, damit der Nachtdienst
mit ausreichend Examinierten besetzt
werden kann.
Katharinenhospital
SOS-Kommunikation
Bei der Personalversammlung im KH war
gut zu beobachten, wie in Managementtechniken ausgebildete Menschen - wie
zum Beispiel Geschäftsführer - Schmitz
reagieren, wenn sie mit realen Problemen der alltäglichen Krankenhausarbeit
konfrontiert werden. Auf die detaillierte
Schilderung einzelner Probleme, v.a.
der Pflegekräfte wie Unterbesetzung
auf Großstationen, häufige Überlastungssituationen, steigende Personalfluktuation wegen unattraktiver und
gesundheitsbelastender Arbeitsbedingungen, meinte er sinngemäß, dass die
Geschäftsführung ja auch keine Stellen
abbauen wolle, sondern - wenn es geht
- lieber die Fälle erhöhen möchte ...
Krankenschwestern der Station I3 erinnerten daran, dass es bereits im letzten
Jahr Versprechungen der Geschäftsführung gegeben hätte, die Situation würde
sich bessern und dass man sich natürlich
beschweren und Überlastungsanzeigen
schreiben dürfe - das habe keine Konsequenzen. Dem stellten die Kolleginnen
gegenüber, dass Einzelne, die öfters
Überlastungsanzeigen geschrieben
hatten, vorgeladen wurden und ihnen
vorgeschlagen wurde, doch mal darüber
nachzudenken, ob sie nicht überlastet
seien und wechseln wollten. Offensichtlich ist es so, dass die Versprechen
der Geschäftsführung nicht besonders
viel wert sind, wenn sich unmittelbare
Vorgesetzte nicht daran halten.
Den Vogel schoss Pflegedirektorin
Klein ab, als sie in ihrer Antwort diese
Vorwürfe, die ja gar nicht gegen sie persönlich gerichtet waren, zurück wies und
versicherte, dass sie niemanden wegen
Überlastungsanzeigen vorgeladen hätte
und dies auch nicht vorhabe, ohne aber
zu vergessen zu erwähnen, dass es auf
der betreffenden Station noch Probleme
gäbe, die auch im Organisatorischen
lägen.
Auf diese Glanzleistung in Mitarbeiter
missachtender Kommunikation stellte
der JAV-Vorsitzende zunächst einmal
die durchsichtige Taktik dar, etwas
ganz anderes zu dementieren als den
eigentlichen Vorwurf. Schließlich hätten
die Kolleginnen berichtet, dass sie von
der PDL vorgeladen wurden, während
Frau Klein erklärte, sie habe niemanden
vorgeladen. Mit der Anmerkung, dass
dies ein billiger Griff in die rhetorische
Trickkiste sei, überreichte er ihr für
ihre Bemühungen bei den sogenannten S.O.S.-Begehungen (Sicherheit,
Ordnung, Sauberkeit) eine Warnweste
(natürlich von ver.di), damit sie in Zukunft auch sicher bei den regelmäßigen
Stationsbegehungen gesehen wird. Außerdem bekam sie weiße Handschuhe,
um die Sauberkeit auch genau überprüfen zu können und zum Abschluss
für die Ordnung noch eine Schieblehre,
die praktischerweise mit zweierlei Maß
messen könne und somit nicht nur bei
den Begehungen, sondern auch in der
Personalabteilung zu benutzen sei. Die
sei ein echter Mehrwert in jedem Management - aber leider wollte Frau Klein
diese Geschenke dann doch nicht haben.
Das könnte daran gelegen haben, dass
ihr Humor hierfür nicht ausreichte oder
auch daran, dass die Managementriege
in der ersten Reihe mehr Interesse an
ihren iPhones hatte als an den Redebeiträgen und somit signalisierten, wie viel
ihnen an ernsthafter Kommunikation
gelegen ist.
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Arbeitsschutz aus Frauensicht
Auf einem Seminar des DGB Ba-Wü zum Thema Arbeits-und Gesundheitsschutz im
Betrieb aus Sicht der Frauen wurde deutlich, dass Arbeitsschutz in Deutschland sich
bisher geschlechterneutral versteht und die Unterschiede geschlechtsspezifischer
Belastungsfolgen ignoriert. So ist z.B. landläufige Meinung, dass Frauenarbeitsplätze
nicht gefährlich und Frauenberufe leichte Berufe seien. Des Weiteren wird auch der
Arbeitsschutz von Vorurteilen geprägt, wie: Männer sind stark, Frauen sind sensibel
oder Frauen werden psychisch krank, Männer nicht.
Weitgehend unbekannt ist, dass Frauen bei einem Herzinfarkt eine höhere Sterblichkeit haben als Männer, da die Symptome anders sind als bei Männern und oft
auch erst später erkannt werden. Auch in der Forschung gibt es eine einseitige
männliche Sicht, so werden z.B. Medikamente hauptsächlich an Männern getestet,
obwohl bekannt ist, dass Frauen anders auf Medikamente reagieren als Männer.
Frauenerwerbstätigkeit nimmt zu, in Baden Württemberg sind 69% aller Frauen
erwerbstätig. Arbeitsbedingte Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Frauen
müssen stärker in der Forschung und Prävention berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Anerkennung der Tatsache, dass erwerbstätige Frauen weiterhin die
Doppelbelastung von Familie und Beruf tragen (85% aller erwerbstätigen Frauen in
Ba-Wü arbeiten in Teilzeit) und in schlechteren Verhältnissen arbeiten: zwei Drittel
aller Minijobber sind Frauen und für 69% der Frauen in diesen prekären Arbeitsverhältnissen ist dies die einzige Erwerbstätigkeit. Dies verdeutlicht, wie wichtig
es ist, die Belange von Arbeitnehmerinnen im Gesundheitsschutz angemessen zu
berücksichtigen.
Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
Internationaler
Frauentag 2012
Als Frau im Beruf
gesund bleiben – als
Mann auch!
Wie jedes Jahr wird für die Teilnahme
an der Veranstaltung zum Internationalen Frauentag im Stuttgarter
Rathaus für städtische Beschäftigte
Dienstbefreiung unter Fortzahlung
der Bezüge gewährt. Das Thema der
Veranstaltung, die am Freitag, 9. März
von 9 – 13 Uhr im Großen Sitzungssaal
stattfindet, lautet: „Als Frau im Beruf
gesund bleiben – als Mann auch!
Anforderungen an den betrieblichen
Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Wer
teilnehmen möchte, sollte dies bereits
jetzt im Dienstplan vormerken.
Pflegepersonal als
Inkassobetrieb
Unsere Profession wird immer vielfältiger, nahezu monatlich wird der Pflege
eine neue Tätigkeit zugewiesen. Würde
ich alle Berufe aufzählen, die wir momentan ausüben, würden diese schnell
eine ganze Seite füllen. Vermehrt haben
wir darüber zu wachen, dass unser Klinikum von den Krankenkassen sein Geld
erhält, wir also in Inkasso-Funktion.
Mit einem Laternenumzug am 21. November machten Beschäftigte der Stadt und
des Klinikums auf ihre Forderungen nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen
aufmerksam. Angesichts der zunehmenden Belastungen am Arbeitsplatz und
der unattraktiven Bezahlung für die Mehrheit der städtischen Beschäftigten
übergaben sie vor dem Rathaus OB Schuster weitere Unterschriften für
Forderungen wie Entfristung aller Arbeitsverhältnisse, mehr Personal zum Ausgleich
für Personalausfälle, bessere Dienstbefreiungsregelungen zur Betreuung oder
Pflege von Angehörigen und Kindern, kürzere Wochenarbeitszeiten für ältere
Arbeitnehmer mit Vergütungsausgleich. Insgesamt wurden im Klinikum und bei
der Stadt über 3.600 Unterschriften gesammelt. Zumindest ein Teilerfolg konnte
damit erreicht werden. Bei den Haushaltsberatungen beschloss der Gemeinderat
Verbesserungen wie sofortiger Personalersatz bei Beschäftigungsverbot wegen
Schwangerschaft, Betriebsausflugstag, mehr Plätze in den Betriebskitas. Dass
diese allerdings nicht für die Klinikumsbeschäftigten gelten sollen, ist nicht
einzusehen. Dies lässt sich auch nicht mit Verweis auf den Vier-Seitenvertrag und
die damit verbundenen Zuschüsse der Stadt an das Klinikum begründen. Da diese
nicht ausreichen, um eine steigende Belastung für die Klinikumsbeschäftigten zu
verhindern, bedarf es weiterhin gerade hier dringender Entlastungsmaßnahmen.
Mindestens täglich erinnern uns Mails
der Verwaltung und Pflegedienstleitung
an diese, unsere Pflicht: „Von Herrn
Duck, Dagobert, Fall-Nummer XXXXX,
fehlt uns noch der Behandlungsvertrag
…“ Dummerweise ist Herr Duck schwer
dement, erhält keinen Besuch und hat
einen Betreuer. Dieser wurde nur einmal
gesichtet. WIR aber haben dafür zu sorgen, dass das Dokument unterschrieben
und von UNS gegengezeichnet wird!
Manch ein Patient will auch detailliert
darüber aufgeklärt werden, was er da unterschreiben soll. Von dieser neuartigen
Notariatsfunktion fühlen wir uns dann
doch überfordert. Nett wird es auch,
wenn Patienten der deutschen Sprache
kaum mächtig sind und in einfachen
Worten wissen möchten, was auf dem
Papier steht. Pflege als Dolmetscher.
Neben all unseren Aufgaben sollen
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
wir nun auch noch diese vermaledeiten
Behandlungsverträge im Hinterkopf
behalten! Es kann nicht unser Job sein,
als Erfüllungsgehilfen der Verwaltung
zu dienen.
Höhere Löhne durch
Tarifkämpfe?
Das kann ich doch besser allein ohne Gewerkschaft. Das denken sich
anscheinend immer noch viele, die sich
bisher nicht gewerkschaftlich organisiert haben. Im Krankenhaus arbeiten
vor allem Frauen. Und da heißt es
Achtung. Spiegel online stellte am 8.
Dezember 2011 fest: Im Gehaltspoker
gibt es einen Bonus für Kerle. Männer
treten dreister auf, wenn sie mit dem
Chef feilschen. Frauen hingegen wird
Vorwitz im Gehaltspoker meist übelgenommen. Hinzu käme ihr Hang zur
„Selbstverzwergung“.
Männer sehen die Verhandlungen eher
als Poker und Bluff. Frauen wollen dagegen den Bogen nicht überspannen.
Konsequenz: Männer verdienen mehr
trotz vergleichbarer Qualifikation. Viel
liege an der schlechteren Selbstvermarktung, glauben Experten. Die zum
Teil sozial erlernte Selbstdiskriminierung müsse abgelegt werden und durch
eine härtere Verhandlungsstrategie
ersetzt werden, raten viele Forscher.
Inzwischen werden spezielle Trainings
angeboten, um das „Feilschvermögen“
von Studienabsolventinnen zu fördern.
In Rollenspielen üben die Frauen den
Ernstfall. Untersuchungen hätten
ergeben, dass Menschen auf Dominanzverhalten der beiden Geschlechter
höchst unterschiedlich reagieren.
Ein entschlossenes Auftreten hilft
Männern, kann aber bei Frauen die
Chancen mindern. Würden Männer
widersprechen, gelte das als Zeichen
von Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit. Bei Frauen würde
dies als höchst unbescheiden – sprich
unfeminin gedeutet.
Nach diesem Ausflug in die Welt des
individuellen Feilschens um mehr
Lohn, erinnern wir an unsere Tarifverhandlungen und dass kurz nach dem
Verhandlungsauftakt am 1. März der
Internationale Frauentag (8. März)
liegt.
Knast für Einsatz
einer Pflegekraft für
demente Patienten
Am 29.12.2011 berichtete die taz:
Angelika-Maria Konletzko war als Pflegekraft in einer Seniorenwohngemeinschaft eingesetzt. Dabei ging man von
einer Arbeitsleistung von 3 Stunden
und einem Bereitschaftsdienst von 8
Stunden pro Nacht aus. Aber Kollegin
Konletzko ist überzeugt: die Bewohnerinnen waren schwerst pflegebedürftig.
Sie haben eine Überwachung und Pflege
rund um die Uhr benötigt. Sie habe
laufend Kontrollgänge machen müssen. Hätte sie die Pflegearbeiten nicht
gemacht, hätte sie ihre Arbeit enorm
vernachlässigt und unter Umständen
wegen fahrlässiger Tötung angeklagt
werden können. So musste sie regelmäßig bei den demenzkranken Patienten
die Mundhöhle absaugen, damit diese
nicht in Gefahr geraten im Schlaf zu
ersticken.
Das Pflegedienst-Unternehmen widerspricht dieser Darstellung und verweigerte ihr die Bezahlung aller Nachtarbeitsstunden. Das Arbeitsgericht gab
dem Pflegedienst-Unternehmen recht:
„Es ist nicht Aufgabe des Arbeitnehmers
Pflegestandards selbst festzulegen.“
Nicht berücksichtigt wurden vom Arbeitsgericht Stellungnahmen anderer
Organisationen, die bestätigten, dass
in Demenz-Wohngemeinschaften eine
durchgängige 24-Stunden-Betreuung
notwendig sei.
Und warum Knast? Frau Konletzko ist
als Akt des Widerstands nicht bereit
die Kosten dieses Rechtsstreites über
2.200 Euro zu tragen. Deshalb soll sie
in Erzwingungshaft, die bis zu sechs
Monate andauern kann.
Einen Erfolg hat die Auseinandersetzung. Der verklagte Pflegedienst hat
für seine Demenz-WG nun Nachtwachen
statt Bereitschaftsdienste eingeführt.
Und was lehrt uns die Geschichte? Wenn
Personalressourcen nicht ausreichen,
muss dies dringend in Überlastungsanzeigen dokumentiert werden, um
die Situation zu ändern. Und was in
der Personalnot weggelassen werden
kann, muss uns die Krankenhausleitung
mitteilen. Das darf sie nicht auf die
Beschäftigten abdrücken.
Was so vor 120
Jahren in der
Gewerkschaft
diskutiert wurde
Am 13. Februar 1892, einen Monat
bevor der erste Dachverband deutscher Gewerkschaften (heute DGB)
gegründet wurde, schreibt das „Correspondenzblatt“ über die Verkürzung
der Arbeitszeit:
„Die theure menschliche Arbeit ist
durch die Maschine ersetzt. Ein solcher Ersatz kann nur als ein Segen
für die Menschheit betrachtet werden. Dieser Ersatz der menschlichen
Arbeitskraft wird aber zum Fluch für
die am meisten Betheiligten, für die
Arbeiter selbst, wenn dadurch jenes
Heer der Arbeitslosen geschaffen
wird, welches unbedingt dazu dienen
muß, die allgemeine Lebenshaltung
der Arbeiterklasse zu verschlechtern.
Wenn mit diesem Ersatz der Arbeitsleistung des Menschen durch die
Maschine nicht gleichzeitig eine Entlastung der thätigen Arbeiter eintritt,
so kann man nicht davon sprechen,
daß die Anwendung der Maschine in
der Industrie der Arbeiterklasse zum
Segen gereicht.
Aufgabe dieser ist es nun, ihrerseits
eine Regelung in diesem Verhältnis
herbeizuführen um mit der höheren
industriellen Leistungsfähigkeit eines
Volkes nicht gleichzeitig dessen Ruin,
sondern dessen größeren Wohlstand
herbeizuführen.
Nicht etwa Vergrößerung des Nationalvermögens, das in den Händen
einzelner Kapitalisten sich befindet,
sondern Erhöhung des Einkommens jedes Einzelnen und größere Entlastung
bei der Ausübung der Arbeit, das ist
unter Volkswohlstand zu verstehen.
Die Erfahrung hat wohl gelehrt,
daß das Kapital bei der erfolgten
Verkürzung der Arbeitszeit eine Verbesserung der technischen Einrichtung
eintreten läßt und so wiederum den
Überschuß an Arbeitskräften erzeugt.
Diese Thatsache ist aber unter keinen
Umständen ein Grund, diesen Kampf
um den Normalarbeitstag überhaupt
zu unterlassen.“
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
Dr. med.
oeconomicus?
Stolpersteinlegung am
Dienstleistungszentrum
Amerikanische Studie zeigt: Geld
beeinflusst die Indikationsstellung
Ende November fand am DLZ in der
Sattlerstr. 25 die zweite Stolpersteinlegung statt. Ein kleiner Kreis u.a. von
Verwaltungsbeschäftigten, Personalrat
und ver.di waren Zeugen, wie der Künstler Gunter Demnig die beiden Stolpersteine zum Gedenken an das Ehepaar
Alexander verlegte. Welches Schicksal
erlitten die beiden jüdischen Mitbürger?
Friedrich und Helene (geb. 1869 und
1882) wohnten von 1929 bis 1937 in der
Sattlerstraße. Sie betrieben eine kleine
Firma, die Kraftfutter für Nutztiere herstellte, mit nur mäßigem Erfolg. Das Paar
war wohl kinderlos. Dem technischen
Fortschritt aufgeschlossen, besaßen
sie 1900 unter den ersten Stuttgartern
einen Telefonanschluss. Schon im Winter
1933 begannen die Schikanen gegen die
jüdische Bevölkerung. Die Alexanders
mussten 1937 ihre Firma an das bereits
„arisierte“ Unternehmen Schweigert
Niemand soll denken, dass wirtschaftliche Sachzwänge und die finanzielle
Steuerung des Gesundheitswesens Halt
macht bei ärztlichen Entscheidungen.
Sie schleichen sich offen und verdeckt
ein und gefährden das notwendige
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt
und Patient.
Bereits 1990 hatte eine Studie in
USA gezeigt: Ärzte reagieren in ihren
diagnostischen und therapeutischen
Entscheidungen auf finanzielle Anreize.
Dies wurde jetzt wieder bestätigt. Bei
ca. 2.000 Patienten einer Krankenversicherung, die eine kardiologische
Belastungsuntersuchung erhielten,
zeigte es sich überdeutlich: Nicht allein
medizinische Notwendigkeit, sondern
vielmehr die finanziellen Anreize für den
Arzt bei der Untersuchung führten zu
einer Indikationsstellung (The Journal
oft he American Medical Association
2011; 306:1993-2000).
Diese Zusammenhänge scheinen sich
jetzt sogar bei der Bundesregierung
herumgesprochen zu haben. In einer
Antwort auf eine kleine Anfrage der
Fraktion Bündnis 90/die Grünen wurden Neuregelungen für Medizinische
Versorgungszentren (MVZ) verteidigt:
„Vielmehr soll der Gefahr, dass die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen
durch wirtschaftliche Interessen von
Investoren beeinträchtigt wird, bereits
im Vorfeld durch strukturelle Vorgaben
entgegengewirkt werden, um sicherzustellen, dass die ärztliche Tätigkeit
im MVZ weiterhin allein medizinischen
Gesichtspunkten folgt, um eine primär an
medizinischen Vorgaben orientierte Führung der Zentren zu gewährleisten.“ (BTDrucksache 17/8115 vom 12.12.2011).
Angesichts der Tatsachen, dass in
Deutschland die Privatisierungsrate
der Krankenhäuser inzwischen höher
ist als in den USA und durch weiteren
Geldentzug wieder mehr kommunale
Krankenhäuser in den Verkauf getrieben
werden, fehlt uns allerdings der Glaube
an eine nachhaltige Einsicht der derzeitigen Bundesregierung.
verkaufen. 1938 wurde ihr Vermögen
registriert, die Zahlung von „Sühneleistung“ bestimmt. 1939 hatten alle Juden
sämtliche Wertsachen der Stuttgarter
Pfandleihe abzugeben. Die Alexanders
wurden genötigt umzuziehen. 1942
fand die Zwangsevakuierung in das
als „Jüdisches Altersheim“ getarnte
Massenlager bei Ulm statt. Im selben
Jahr starb Herr Alexander. Drei Wochen
später hatte sich seine Frau im Sammellager am Killesberg zusammen mit ca.
tausend älteren Juden einzufinden. Am
Folgetag erfuhren sie die Deportation
vom Nordbahnhof nach Theresienstadt.
Bereits am Vortag zog die Reichsbank
Frau Alexanders Wertpapierkonto ein. Im
Herbst 1944 trat sie ihre letzte Reise ins
KZ Auschwitz-Birkenau an. Frau Helene
Alexander wurde hier ermordet.
Link: www.stolpersteine.com
Erinnern statt Verdrängen
Krankenmorde und Zwangssterilisationen während der NS-Zeit
in Stuttgarter Krankenhäusern und Anstalten der Region
Im November fand im Rathaus eine
bemerkenswerte Veranstaltung statt.
Private Arbeitskreise, insbesondere die
Stuttgarter Stolperstein Initiative, referierten vor einem emotional berührten
Publikum ihre Forschungsergebnisse
zu Krankenmorden und Zwangssterilisationen in Stuttgart, Grafeneck und
Region. Gerade wir Beschäftigten des
Klinikums Stuttgart sind fassungslos
über die Geschehnisse in unsrer Umgebung. Diesen Artikel zu schreiben war
deshalb nicht einfach. Die historischen
Hintergründe sind komplex und eine
Zusammenfassung birgt immer die Gefahr von Auslassungen, vieles ist nicht
eindeutig belegt, die zeitgenössischen
Dokumente oft vernichtet oder es ist
schwer, sie einzusehen.
Zum historischen Hintergrund: Die
„Vernichtung lebensunwerten Lebens,
auch T4 genannt und euphemistisch als
„Euthanasie“ umschrieben, erfasste all
diejenigen Menschen, die das NS-Regime
als nicht nutzbringend einstufte. Auch
Stuttgarter Bürger fanden, verlegt
13
Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
nach Grafeneck, Hadamar bei Limburg,
Weinsberg und Weissenau den Tod. 1940
wurden allein in Grafeneck 10.000 Menschen ermordet. Zwischen Januar 1940
und August 1941 gab es im ganzen
damaligen deutschen Reichsgebiet
70.000 Mordopfer.
Das „Reichsausschußverfahren“ legte
zwischen 1939 – 45 fest, dass behinderte oder psychiatrisch erkrankte Kinder
den örtlichen Gesundheitsämtern zur
„Klärung wissenschaftlicher Fragen“
zu melden sind. Das streng geheime
Verfahren aus dem Reichsministerium
des Inneren betraf insbesondere Neugeborene und bei ihren Eltern lebende
Kinder bis zum Alter von 16 Jahren. Die
Eltern wurden bedrängt, die Kranken in
sogenannte „Kinderfachabteilungen“
einweisen zu lassen, es würden „unter
fachärztlicher Leitung sämtliche therapeutischen Möglichkeiten, die auf
Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse
vorliegen, angewendet, um dem Kind zu
helfen.“ Diese perfide Argumentation
bedeutete nichts anderes als dass ein
kleiner Kreis von Ärzten nur aufgrund
der Aktenlage ein Kind „behandeln“
ließ. Behandeln hieß immer Tötung!
Dreißig dieser „Kinderfachabteilungen“
sind bekannt, in ihnen kamen 5.000
Kinder zu Tode. Das damalige städtische
Kinderkrankenhaus Stuttgart und die
„Fachabteilungen“ in Eichberg und Ansbach müssen als solche fungiert haben.
Die Opfer bekamen Luminal, ein starkes
Schlafmittel, in erhöhten Dosierungen
verabreicht, so dämmerten sie ihrem
Tod entgegen. Die Eltern wurden mit
gefälschten Angaben der Todesursache
belogen. Meist hieß es auf der Benachrichtigung „Lungenentzündung“.
Im November 2011 legte der Kölner
Künstler Gunter Demnig den ersten
Stolperstein für ein Stuttgarter Kind,
den damals im Alter von fünf Jahren
getöteten Gerhard D. - der Junge wurde
in Eichberg ermordet.
Die Nachforschungen von Dr. KarlHorst Marquart dokumentieren allein
in diesen drei Anstalten Belege für 80
getötete Kinder. In Stuttgart fanden
52, meist als Säuglinge, den Tod. Das
städtische Kinderkrankenhaus Stuttgart
lag damals auf dem Gelände des heutigen
Bürgerhospitals im Bereich Türlen- und
Birkenwaldstraße. Sein Leiter war
Obermedizinalrat Dr. Karl Lempp, der
zeitweise auch dem Gesundheitsamt
stellvertretend vorstand. Zusammen
mit der aufstrebenden Ärztin Dr. Magdalene Schütte fungierte er als Chef des
Kinderkrankenhauses und erklärte sich
laut einem amtlichen Brief aus dieser
Zeit bereit, die „Behandlung“ (s.o.) der
gemeldeten Kinder zu übernehmen, Frau
Schütte orderte ungewöhnlich große
Mengen Luminal.
Im Gesundheitsamt beantragte Lempp
Zwangssterilisierungen gemäß des
Gesetzes „zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses“. Die Eingriffe wurden
an Männern und Frauen, nicht selten
unter Anwendung von Gewalt, in der
Städtischen Frauenklinik Bismarckstr.
3 und in der chirurgischen Abteilung
des Städtischen Krankenhauses Bad
Cannstatt durchgeführt.
Seit 1933 NSDAP-Mitglied, leitete
Lempp mit kurzer Unterbrechung bis
1950 beide Einrichtungen. Zunächst von
den Amerikanern angeklagt und entlassen, schaffte er es schließlich, vom
deutschen Entnazifizierungsverfahren
als Mitläufer eingestuft zu werden. 1954
erwarb er professorale Ehren. 1960 starb
Lempp, im Amtsblatt gewürdigt. Seine
NS-Aktivitäten erwähnte man nicht.
liche Schicksale machen uns heute
erschüttert und fassungslos. Was wir
tun können, ist, an diese Toten zu erinnern, ihr Schicksal zu erforschen und an
den Tatorten der Morde Mahnmale und
Stätten der Information einzurichten.
Städte wie Berlin oder Köln zeigen, dass
sie ihre Vergangenheit nicht vergessen
machen wollen. In Stuttgart hingegen
tut sich die Stadtverwaltung noch
schwer; das Hotel Silber diene hier als
Beispiel: wie viel, vor allem privaten
Engagements hat es bedurft, bis endlich
eine würdige Gedenkstätte in Planung
ging! Auch diejenigen Stuttgarter
Gesundheitseinrichtungen, die eine
schwarze Vergangenheit haben, sollten
diese aufarbeiten und zum Beispiel im
Bürgerhospital im Gebäude Türlenstraße
einen Raum des Gedenkens einrichten.
So können Stuttgarter Bürger erfahren,
was an Orten, die sie tagtäglich betreten,
vor siebzig Jahren geschah.
Weitere Informationen: www.stolpersteine-stuttgart.de und: „Verlegt.
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der
Region Stuttgart“, Hrsg. Martin, Elke;
Verlag Peter Grohmann, 2011
Diese unfassbaren Zahlen über mensch-
Die Verbrechen der Marktwirtschaft - Folge 31
„… Nieren, Leber und andere Organe bei
lebendigem Leibe entnommen ...“
Hunderte afrikanische Flüchtlinge sind einem CNN-Bericht zufolge Opfer von
Organhandel in der Sinai-Wüste geworden. Drahtzieher sollen Beduinen sein, die
Flüchtlinge über die Grenze nach Israel schmuggelten und korrupte ägyptische
Ärzte. Ihre Opfer kämen vor allem aus dem Sudan, Äthiopien oder Eritrea. Den
Flüchtlingen würden Nieren, Leber und andere Organe bei lebendigem Leibe
entnommen. Die brutalen Eingriffe überlebten die Opfer in der Regel nicht.
CNN präsentierte Beweisfotos von der ägyptischen Menschenrechtsorganisation
New Generation Foundation for Human Rights und der italienischen Everyone
Group. Die Bilder zeigten Leichname von Flüchtlingen, denen Organe fehlten.
Die Toten seien auf der Sinai-Halbinsel gefunden worden. Ihre Körper wiesen
große Narben auf. Eine offizielle Bestätigung der ägyptischen Behörden fehlte.
Der Leiter der ägyptischen Menschenrechtsorganisation, Hamdi al-Azzazi, sagte,
dass verbrecherische ägyptische Ärzte mit mobilen Operationszelten und sterilen
Kühlboxen angereist seien.
Dann wählten sie ihre Opfer aus, betäubten sie und entnähmen Organe. Anschließend würden sie die schwer verletzten Flüchtlinge sich selbst überlassen.
Al-Azzazi sprach von Hunderten Opfern.
Der Preis je Organ fange bei 20.000 Dollar (14.800 Euro) an, sagte ein Beduine
dem Sender.
Wer sich darüber wundert, versteht nichts von der Wirtschaft. Wer sich darüber
aufregt, beginnt sie zu verstehen. Quelle: Badische Zeitung 21.11.2011:
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
CFM: Streik bei privatisierter
Servicetochter der Charité
In der Servivegesellschaft der Charité
Berlin (CFM) gibt es keinen Tarifvertrag.
Seit mehreren Jahren versuchen die
Beschäftigten den tariflosen Zustand zu
beenden. Im Mai letzten Jahres begannen sie zeitgleich mit den Beschäftigten
der Charité ihren Streik.
deutlich, dass die Kolleginnen der CFM
zwar allein weiter streiken mussten, aber
nicht allein gelassen wurden. Die Unterstützung der Klinikbeschäftigen wuchs
und auch die Solidarität der von der
Charité ausgeliehenen Beschäftigten.
Indem im Uniklinikum die Arbeit wieder
aufgenommen wurde, zeigten sich nun
auch die Auswirkungen des Streiks der
CFM-Beschäftigten.
Bestreikt wurden der interne und externe Krankentransport, Postdienste,
Die Vorbereitungen dafür liefen bereits
Monate vorher auf Hochtouren, u.a.
wurde die ver.di-Betriebsgruppe neu organisiert, eine Mitarbeiterbefragung und
Telefonumfrage wurden durchgeführt.
Während an der Charité sich nach vier
Tagen Streik ein Erfolg abzeichnete, wurde den CFM-Beschäftigten schmerzlich
bewusst, dass sie noch lange nicht am
Ziel waren. Für sie ging der Streik weiter.
Vielen Streikenden wurde erst zu diesem
Zeitpunkt klar, dass es sich um zwei
Streiks in zwei verschiedenen Betrieben
(Mutter- und Tochterunternehmen)
handelt. In der zweiten Woche wurde
CFM: Zurück zur öffentlichen Hand!
Die Charité Facility Management (CFM) wurde 2006 in der
Regierungszeit eines Rot-Rot-Senats als Tochterunternehmen
der Charité gegründet, deren Anteile zu 51% die Charité
und zu 49% private Anteilseigner VDH (VAMED, Dussmann,
Hellmann) halten. Sie ist eine privatisierte Firma für Leistungen, die vorher von Beschäftigten des Uniklinikums erbracht
wurden. Diese private Servicefirma umfasst alle Dienstleistungen, die nichts unmittelbar mit der Krankenversorgung
zu tun haben: Krankentransport, Haus- und Medizintechnik,
Handwerker, Heizung, Lüftung, Sanitär, Hausmeister, Reinigung, Wäschedienst, Ver- und Entsorgung, Lagerlogistik,
Patienten- und Mitarbeiterversorgung, Gärtner, Winterdienst
und Sicherheitsdienst, Post- und Telefondienste, Sterilisation,
Bau- und Ingenieurtätigkeiten und einiges mehr, verteilt auf
drei Standorte. Nach ihrer Gründung wurden die Arbeits- und
Vergütungsbedingungen ihrer Beschäftigten durch Tarifflucht
massiv abgesenkt. Gegen eine solche Privatisierung hat im Klinikum Stuttgart nach Abschluss des neuen Vier-Seitenvertrags
der Personalrat ein Veto-Recht.
genheit wieder in Arbeit zu kommen. Werden Arbeitsplätze neu
besetzt, geschieht dies in der Regel zu bedeutend schlechteren
Konditionen. Meist mit befristeten Arbeitsverträgen, die nach
zwei Jahren auslaufen. Einstellungen gibt es grundsätzlich
mit drei- bis sechsmonatiger Befristung und entsprechender
Probezeit. Diese unsicheren Arbeitsverhältnisse verursachen
eine hohe Fluktuation.
Der Anteil an Leiharbeit in der CFM ist stetig gewachsen,
besonders im Krankentransport und in der Sterilisation. Leiharbeiter werden für langfristig eingestellt. Teilzeitbeschäftigungen von 20 bis 30 Stunden in der Woche wurden ausgebaut,
vor allem im Bereich der Reinigung. Da der Leistungsvertrag
mit der Charité jährlich eine Einsparsumme von 10 Millionen
€ vorschreibt, wurde in vielen Bereichen Personal gekürzt. Es
findet eine permanente Arbeitsverdichtung statt.
Im Durchschnitt sind 2.606 Beschäftigte bei der CFM, davon
wurden mittels Personalgestellung 725 Beschäftigte durch
die Charité Universitätsmedizin Berlin überlassen. Für diese
gilt der Tarifvertrag der Charité. 1.881 Beschäftigte befinden
sich im direkten Anstellungsverhältnis zur CFM. Für diese
Beschäftigten gelten einzelvertragliche Regelungen in den
unterschiedlichsten Varianten, mit individuellen Regelungen
zu Lohn und Gehalt, Urlaub und Zuschlägen. Wer gut mit dem
Arbeitgeber verhandelt, kann seine Forderungen durchsetzen.
Für Langzeitarbeitslose und wenig Qualifizierte oft eine Gele-
Das Spardiktat des Rot-Rot Senats wird willig umgesetzt. 10
Millionen Euro werden jährlich durch die CFM gespart, zumeist
an den Personalkosten und durch Abbau von Leistungen. Die
Gewinne des privaten Konsortiums VDH werden dadurch nicht
geschmälert. Das Erfolgsmodell CFM wird weiter verfolgt und
die Neuausschreibung soll 2012 erfolgen.
Der Bereich Sicherheits- und Empfangsdienst ist der Bereich
mit 42 Stunden in der Woche, der längsten Arbeitszeit, dem
geringsten Einkommen und den höchsten Überstundenanteil.
Hungerlöhne und schlechte Arbeitsbedingungen werden in
Kauf genommen, um das Spardiktat des Senats umzusetzen.
Man bedient sich billiger Arbeitskräfte und private Investoren
bereichern sich an öffentlichen Geldern.
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
Blut- und Laborboten, Sicherheitsdienste, Hausmeister, die Werkstätten,
Elektriker, Heizung, Lüftung, Sanitär und
Sterilisation, die Reinigung und sonstige
Transportdienste und Lagerlogistik,
Ver- und Entsorgung. Es waren aus fast
allen Bereichen der Dienstleistungen
Beschäftigte im Streik. Hinter den
Kulissen des Krankenhauses begann es
zu bröckeln und der reibungslose Ablauf
war nicht mehr gewährleistet.
Die Geschäftsführung der CFM versuchte den Streik zu untergraben und
stellte immer mehr Leiharbeiter aus
den unterschiedlichsten Firmen zur
Streikbrecherarbeit ein. Selbst vor
einer Bewachungstruppe namens Flash
Security, aus dem Türsteher-Millieu mit
Hells-Angles-Hintergrund schreckten sie
nicht zurück. Die Einschüchterungen
des Arbeitgebers wurden massiver:
Androhungen von Kündigungen, Bespitzelungen, Film- und Fotoaufnahmen von
Streikenden, bis hin zu Diebstahl und
Zerstörung von Streikmaterialien. Das
war die Sprache der Anteilseigner des
privaten Konsortiums. Mit der Zusage zu
Tarifgesprächen wurde der Streik nach
zwei Wochen ausgesetzt.
Kollegen von der CFM im Streik
Die Sommerpause wurde von beiden
Seiten genutzt, um sich auf einen bevorstehenden Arbeitskampf vorbereiten. Im
August standen Verhandlungen an. Die
CFM-Geschäftsführer spielten auf Zeit
und verschleppten die Verhandlungen.
Die Tarifkommission konkretisierte die
Forderung: 168 Euro mehr für jeden
plus Manteltarifvertrag für die CFM. Die
CFM legte kein akzeptables Angebot
vor, ab 12. September wurde der Streik
fortgesetzt.
Streikfolgen
Nach fast 15 Streikwochen, 102 Tagen
Streik im größten Universitätsklinikum
Europas, konnte eine Eckpunktevereinbarung erreicht werden: 8,50 Euro
Stundenlohn (für viele eine Erhöhung
um 2 Euro pro Stunde) und eine Einmalzahlung von 300 Euro, leider nicht
für die Kolleginnen der Reinigung.
Damit ist das Ziel noch nicht erreicht.
2012 wird ein Manteltarifvertrag CFM
verhandelt.
Die Beschäftigten werden von der
CFM-Geschäftsführung nichts geschenkt
bekommen. Sie bereiten sich auf den
nächsten Arbeitskampf vor und brauchen
jede Unterstützung.
15 Wochen im Streik
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Betriebsgruppe Klinikum - Feb. 2012
Auch Pflegekräfte auf den Stationen
können um höhere Löhne kämpfen
Nach jahrelanger tariflicher Schlechterstellung konnten die Beschäftigten des
Universitätsklinikums Charité mit einem
einwöchigen Streik im Mai 2011 durchsetzen, dass ihre Gehälter endlich auf
das Niveau des TVöD angehoben werden.
Bisher erhielten sie 14% unter TVöD. Mit
Bezug auf das 300-jährige Jubiläum der
Charité erhoben sie die Forderung: „300
Jahre - 300 Euro“. Das erkämpfte Tarifergebnis beinhaltet eine schrittweise
Erhöhung auf TVöD-Niveau innerhalb
der nächsten fünf Jahre. Entscheidend
für das Nachgeben der Arbeitgeber war,
dass auf dem Höhepunkt des Streiks
ungefähr die Hälfte der 3.200 Betten
nicht mehr belegt werden konnte und
90% der Operationen abgesagt werden
mussten. Wie wurde das erreicht?
Bei einem eintägigen Warnstreik im
März hatte sich bereits gezeigt, dass
die Unzufriedenheit über die schlechte
Bezahlung, sowie die hohe Arbeitsbelastung und die damit zum Ausdruck
kommende geringe Wertschätzung gerade unter Beschäftigten in der Pflege zu
einer hohen Bereitschaft geführt hatte,
sich auch mit dem Mittel des Streiks
zur Wehr zu setzen, um sich endlich
das zu holen, was ihnen seit langem
vorenthalten wird.
Die erste Überlegung war, dass in einem
Streik sowieso mit Mindestbesetzung
(wie in der Nacht) gearbeitet wird und
dass Pflegekräfte während des Streiks
sämtliche von Ärzten übernommene
Tätigkeiten wieder an diese zurückgeben. Als Pflegekräfte dies ankündigten,
führte dies in mehreren Fällen zu
heftigen Reaktionen von Ärzten und
Vorgesetzten. Aber auch Einschüchterungsversuche gingen teilweise nach
hinten los. In einzelnen Bereichen traten
fast alle in ver.di ein und beschlossen die
Station beim Streik ganz dicht zu machen. Nachdem die ersten Gruppen von
Pflegekräften so ihre Streikbereitschaft
signalisiert hatten, schlossen sich im
Vorfeld des Streiks weitere an, auch aus
der Überlegung heraus, dass sie gezwungen werden würden, die Patienten der
bestreikten Stationen zu übernehmen,
wenn sie nicht selbst in den Streik treten
würden. Viele Pflegebeschäftigte zogen
die Schlussfolgerung, dass es möglich
sei, streikbedingt zeitweise Stationen
oder Teile davon zu schließen, wie dies
ja auch über Ferien oder Feiertage oder
bei Fachkräftemangel geschieht: auf
den Stationen wurde diskutiert und
entschieden, wie viele Betten nicht
mehr belegt werden konnten. Listen
wurden erstellt, wer wie viele Streikbetten gemeldet hat, so dass ersichtlich
wurde, dass die jeweils Streikbereiten
nicht die Einzigen sein würden. Daraus
hat sich eine Eigendynamik auch noch
im Verlauf der Streikwoche entwickelt,
die fast schon zu einem Wettbewerb
führte, wer in der Lage wäre, die meisten
Betten zu bestreiken. Dies hatte zum
Ergebnis, dass auch in der Kinderklinik
während des Streiks 50% der Betten
nicht mehr belegt werden konnten. Der
ökonomische Druck, der dabei entstand,
war sicherlich ausschlaggebend für das
Nachgeben der Arbeitgeber und den
erreichten tariflichen Erfolg.
Aber nicht nur die Pflege streikte mit
Erfolg. Alle nicht-ärztlichen Beschäftigten waren zum Streik aufgerufen,
so dass auch die sogenannten gestellten Beschäftigten (Beschäftigte, die
in der privatisierten Charité Facility
Management CFM arbeiten, aber beim
Uniklinikum angestellt sind) streiken
konnten. Dies war eine wichtige Unterstützung für die Beschäftigten der CFM,
die zeitgleich ihren Streik begannen, um
überhaupt erstmal aus dem tariflosen
Zustand herauszukommen.

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