PDF-Version - San Rafael del Sur (Nicaragua)
Transcrição
PDF-Version - San Rafael del Sur (Nicaragua)
Informationsblatt zur Solidaritätsarbeit mit Nicaragua Nr. 59 Frühjahr 2006 Ausverkauf der Ressourcen? Wie CBM, PPP und CAFTA ineinander greifen Zahlreiche internationale Projekte der staatlichen Entwicklungszusammen arbeit (EZ), die nach außen Armut be kämpfen oder die biologische Vielfalt schützen wollen, dienen vor allem inter nationalen Konzernen und Pharmaunter nehmen. Die Belange der lokalen Bevöl kerung werden dabei meist nicht berück sichtigt. Im Gegenteil: Maßnahmen werden notfalls auch mit Gewalt durch gesetzt, in den Projektregionen lebende Menschen gezielt vertrieben. Dies klingt soweit nicht neu. Finanziert werden solche Projekte neben häufig zu Recht angegriffenen internationalen Organi sationen wie Internationalem Währungs fonds (IWF), Weltbank und Word Trade Organisation (WTO) auch von deutschen Akteuren wie der Kreditanstalt für Wie deraufbau (KfW) und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die hierzulande kaum in der Kritik ste hen. Zu Unrecht, wie das Beispiel des größten Biosphärenreservats Mittelamerikas, Bosawas im Norden Nicaraguas, zeigt. 1989 auf einem Treffen zum Schutz und zur Erschließung der biologischen Vielfalt Zentralamerikas entstand die Idee des Paseo Pantera (Pantherpfades), eines neuen Schutzgebietssystems für Das Biosphärenreservat Bosawas mit Kernund Pufferzone. Das Biosphärenreservat Bosawas am Río Coco den Erhalt der Biodiversität. Gleichzeitig wurde von den Präsidenten Zentralamerikas eine Umweltschutz-Charta verabschiedet, auf deren Grundlage die Zentralamerikanische Kommission für Umwelt und Entwicklung (CCAD) geschaffen wurde. Durch den Umweltgipfel 1992 in Rio und eine Finanzspritze von der US-Entwicklungshilfe-Behörde (USAID) erhielt diese Initiative weiteren Auftrieb. Auf einem von der CCAD und der GTZ geförderten Seminar, das 1995 in San José, Costa Rica, stattfand und unter dem Motto „Die biologische Viel falt Mittelamerikas: Diagnose der ihren Schutz beeinflussenden Faktoren und Entwurf zur regionalen Strategie für ihren Schutz und ihre Wiederher stellung”, stand, wurde der Paseo Pante ra in Corredór Biológico Meso americano (CBM) (Biologischer Korri dor Mittelamerikas) umbenannt. Der CBM ist als Kette von Biosphären reservaten geplant, deren Kerngebiete von Pufferzonen geschützt werden und die durch so genannte grüne Korridore miteinander verbunden werden sollen. Der offizielle Startschuss für den CBM wurde auf dem 19. Gipfeltreffen der Präsidenten der sieben zentralameri kanischen Länder sowie Mexikos im Juni 1997 in Panama-Stadt gegeben. Das zu einem wesentlichen Anteil von der Weltbank finanzierte Projekt ist mit über 800 Mio. US-$ noch umfangreicher als der Plan Puebla Panamá (PPP), in dem es um den Infrastrukturausbau in Mittelamerika geht. Inhalt Projekte 2005 Berliner Bohne Tourismus Wahlen 2 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Editorial Nicht selten wird im Editorial auf Veränderungen oder spektakuläre Nachrichten aus dem Vereinsleben hingewiesen. So auch diesmal, auch wenn es auf den ersten Blick (viel leicht) gar nicht auffällt: Diese Aus gabe des Atabal haben einige Enthu siastInnen des Vereins höchstpersön lich am PC gesetzt, mit allen Pro blemen, die der Umgang von Anfän gerInnen mit einem neuen Programm mit sich bringt. Wir sind mit den LeserInnen gespannt, welche gravie renden Fehler wir entdecken werden, wenn wir die gedruckte Ausgabe in der Hand halten. Wir bitten schon jetzt um Nachsicht und versprechen, dass beim nächsten Mal alles viel besser sein wird. Der erweiterte Vorstand trifft sich jeden Donnerstag um 18.30 Uhr in unserem Büro in der Naunynstr. 27 (Ballhaus). Die Plena zu speziellen Themen finden in der Regel an je dem ersten Donnerstag eines Monats am selben Ort ab 19.30 Uhr statt. Wegen möglicher Abweichungen bei Ort und Zeit empfiehlt es sich, vor einem Besuch dieser Veranstaltun gen zuvor im Büro anzurufen. IMPRESSUM ATABAL DE NICARAGUA • Buschtrommel aus Nicaragua • Herausgeber: Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Kreuzberg – San Rafael del Sur e.V. Postanschrift: Postfach 11 03 32, 10833 Berlin, Telefon 030/61107370 e-Mail: [email protected] Homepage: www.staepa-berlin.de Büro: Naunynstr. 27, 10997 Berlin Redaktion: Isabel Aust, Tina Schwarz, Erich Köpp, Tilo Ballien, Wolfgang Dalitz V.i.S.d.P.: Elke Hokamp (Adresse beim Herausgeber) Druck: Oktoberdruck In den Beschreibungen der zahlreichen Einzelprojekte des CBM ist stets in erster Linie die Rede vom Schutz der biologischen Vielfalt beziehungsweise der Flora und Fauna der Regenwälder. Erst in zweiter Linie – und um diesen Schutz zu erreichen – wird von der Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung gesprochen. Die Verträge und Pläne sehen keine Konservierung – also vollständigen Erhalt – vor, sondern nur noch eine nachhaltige Entwicklung. Dies bedeutet letztendlich die Freigabe der Schätze, seien es Wasser, Edelhölzer, Heil- und andere Pflanzen, und somit des gesam ten genetischen und mineralischen Reichtums, erklärte die Journalistin Helena Roux auf dem NicaraguaKongress im Dezember 2005 in Ham burg. Exemplarisch ist hier das Bios phärenreservat Bosawas im Norden Nicaraguas genannt, das direkt an das Biosphärenreservat Río Plátano in Honduras grenzt. Die Bosawas sind eine große, wasserreiche Region mit Tropenwäldern und einer mindestens so reichen Artenvielfalt wie das gesamte Amazonasbecken. Ein ideales Gebiet also für die Begehrlichkeiten der Phar ma- und Biotechnologieunternehmen, ein unermesslicher Pool mit noch nicht beschriebenen genetischen Konstel lationen, ein Schatz an Edelhölzern, ein Raum für Emissions-Handel und vieles mehr. Und die Bosawas sind ein Bios phärenreservat, in dem sich wie in ei nem Brennglas die Probleme und die Fragwürdigkeit von manchen so ge nannten Entwicklungsprojekten und internationalen Abkommen wie PPP, CAFTA (Zentralamerikanisches Frei handelsabkommen) und CMB bündeln, wie Helena Roux an Beispielen aufzeig te. So finanziert die Weltbank in Bosa was ein Projekt zur Wasserausbeutung für den Norden. Die deutsche KfW finanziert seit 2002 ein mit 2,56 Mio € ausgestattetes Projekt zum Schutz der Bosawas. Auch die GTZ ist mit hohem Einsatz tätig: Sie verwaltet dieses riesi ge Gebiet zusammen mit dem angren zenden Biosphärenreservat in Honduras und hat sich ein stattliches Verwal tungsgebäude errichtet. Insgesamt wurden 2004 in den Bosawas von verschiedenen Regierungen und Organisationen rund 20 Mio US-$ aus gegeben. Für die Menschen dort ist aber praktisch nichts getan worden. Sieben Waldhüter wurden eingestellt, ein Auto zur Kontrolle des riesigen Areals steht ihnen aber nicht zur Verfügung. Die Arbeitsweise der GTZ ist bei der dort lebenden, alteingesessenen und meist indigenen Bevölkerung umstritten. Roux: „Die GTZ-Mitarbeiter und Ingenieure bestimmen eigenmächtig was getan wird. Sie strukturieren Vereinbar ungen einfach um, ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung.“ Bei kriti schen Nachfragen verweist die GTZ auf MARENA (nicaraguanisches Umwelt schutzministerium) und umgekehrt. Erklärungen gibt es nicht. Die Bevölke rung wird übergangen und das, obwohl z.B. der PPP ausdrücklich die Betei ligung und Mitsprache der Bevölkerung festschreibt. Helena Roux auf dem Nicaragua-Kongress in Hamburg im Dezember 2005 (Foto: Kerstin Wippel) Aber auch in anderen Regionen und bei andern Projekten im Rahmen von PPP und CBM kann von der zugesagten Par tizipation – also der Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen über ihre künftigen Lebensumstände – nicht die Rede sein. In den Bosawas begann am 15. Mai 2003 die Vertreibung von mehr als 600 landlosen Familien, die sich im Biosphä renreservat auf der Suche nach einer neuen Lebensgrundlage angesiedelt hatten. Lokale Umweltschutzorgani sationen gehen sogar von mehr als 2.000 Familien aus, die über 20.000 Morgen Urwald zerstören würden. Das illegale Fangen und Verkaufen geschützter Ar ten, wie z.B. Papageien, stellt ein wachs endes Phänomen in Mittelamerika da. Verarmte Menschen suchen in erster Linie nach Möglichkeiten, ihre Lebens bedingungen zu verbessern, der Gedanke an den Naturschutz steht da verständli cherweise hinten an. Des Weiteren wer den diesen Menschen kriminelle Ma 59 • ATABAL DE NICARAGUA 3 Nicaraguanischer Entwicklungsplan, Karte Agro-ökonomische Potenziale Legende 1 = vielfältige agro-industrielle Nutzung 2 = Viehzucht zur Milch und Fleischproduktion 3 = Viehzucht zur Fleischproduktion 4 = Garnelenkulturen 5 = Forstplantagen tropischer Arten 6 = Anbau von Kaffee, Obst und Grundnahrungsmitteln 7 = Forstwirtschaft mit Nadelgehölzen 8 = Forstwirtschaft mit Laubgehölzen 9 = Bewässerungsanbau mit Reis-, Zuckerrohr oder anderweitigem Anbau 10 = Forstwirtschaft in der „Frontera agricola“ (~ Agrargrenze, ehemalige Regenwaldge biete im Übergang zur landwirtschaft lichen Nutzung) 11 = Feuchtgebiete und Flussmündungen 12 = Schwierige Gebiete aufgrund des Bodens und /oder Klimas 13 = Schutzgebiete chenschaften unterstellt, neben Mari huana- und Kokaanbau soll es in den Bosawas auch um bewaffnete Überfälle gehen. Mit der Rücksiedlung hält sich Nicaragua somit an internationale Ver träge, die das Gebiet als Teil des Men and Biosphere Programme der UNES CO sowie des CMB ausweisen. Auch MitarbeiterInnen der Nichtregier ungsorganisation WEED (World Econo my, Ecology & Development) kritisieren die GTZ-Projekte im CBM dahingehend, dass die Planung beider Schutzgebiete (Bosawas und Río Plátano) ohne ausrei chende Beteiligung der indigenen Bevöl kerung erfolgte. Verstöße gegen das Verbot der Bewirtschaftung traditionell genutzter Agrarflächen werden vom Staat mit Härte verfolgt, illegaler Ein schlag großer Holzfirmen dagegen wird nur selten unterbunden. Warum interessieren sich die Regier ungen der Industrieländer überhaupt für Naturschutz in Zentralamerika? In einer Publikation des World Resources Institu te werden die Waren und Dienst leistungen aufgelistet, die man von den zentralamerikanischen Ökosystemen erwartet: genetische Ressourcen, die Beseitigung von Luftverschmutzung sowie die Bewahrung von Trink wasserreserven und Biodiversität. Als wünschenswerte Ergebnisse des CBM wird auf die Entstehung nationaler und internationaler Märkte für Umwelt produkte und –dienstleistungen ver wiesen. Biologische Vielfalt und geneti sche Ressourcen sollen als Innovations quelle dienen, insbesondere von pharma zeutischen Konzernen wird hier „Biopi raterie“ betrieben. Bei der Beseitigung von Luftverschmutzung geht es um die Nutzung tropischer Wälder als CO2 Senken im Rahmen des aus dem KyotoProtokoll resultierenden Emissions handels. Die eigentlichen NutznießerIn nen befinden sich in beiden Fällen meist außerhalb jener Länder, wo die konkre ten Maßnahmen zum Schutz der Natur notfalls mit Gewalt gegen die lokale Bevölkerung durchgesetzt werden. Die GTZ als wichtigste deutsche EZInstitution hat eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Konzepte in Zent ralamerika. Sie muss sich dem Vorwurf der Beihilfe zu Menschenrechtsverlet zungen stellen, wenn sie einen solch rigiden Naturschutz in Regionen zu verantworten hat, in denen ungelöste Landfragen ein so gravierendes Problem darstellen wie in Südmexiko, Guatemala, Honduras und inzwischen auch wieder Nicaragua. Helena Roux von der Buko-Kampagne gegen Biopiraterie wies in ihrem Referat an anschaulichen Beispielen nach, in welch geradezu erschreckender Weise alle nationalen wie internationalen Pläne, Vereinbarungen und Freihandels abkommen de facto ein einziges Ziel verfolgen: Strukturen zu schaffen, die der Ausnutzung der reichlich vorhande nen Ressourcen dienen. Von der Textil produktion in den Máquilas über die Lebensmittelproduktion bis hin zum reibungslosen Warentransport quer durch die Länder Mittelamerikas in die USA oder nach Europa, alles zu minima len Kosten. Ob CAFTA , PPP , ob CBM oder auch ALCA (Freihandelsabkommen für den ganzen amerikanischen Konti nent außer Cuba) – sie alle sind auf a temberaubende Weise miteinander ver zahnt, ergänzen oder bedingen einander zum gemeinsamen Ziel. In Nicaragua beispielsweise sorgt ein nationaler Entwicklungsplan für eine Aufteilung des Landes in bestimmte Wirtschafts- und Nutzungszonen. Entge gen der traditionell gewachsenen, ge mischten Bewirtschaftung des Landes wird es nach dem Willen der Regierung und der Geldgeber (u.a. Interamerikani sche Entwicklungsbank, EU, KfW) nun eine Konzentration nach Produkten ge ben. Nicht Nachhaltigkeit und Unter stützung vorhandener traditioneller landwirtschaftlicher Nutzung sind ange sagt, sondern die Erschließung neuer Gebiete für Monokulturen, die Abhol 4 ATABAL DE NICARAGUA • 59 zung ganzer Wälder und unberührter Gebiete inbegriffen. Die Karte „Agro-ökonomische Poten ziale“, zeigt, wie Nicaragua künftig in diverse Korridore eingeteilt wird: Einen für Viehzucht zur Milch- und Fleisch produktion, einen zur reinen Fleisch produktion und jeweils einen zum Reis-, Tabak-, Baumwoll- und Kaffeeanbau. Der nationale Entwicklungsplan garan tiert die verkehrstechnische Erschließung der jeweiligen Korridore ebenso wie die Voraussetzungen zur Weiterverarbeitung der Produkte in den berüchtigten Máqui las an den Rändern der Zonen. Es wird beispielsweise eine so genannte Kaffee straße, eine Fleischstraße und in der Pazifikzone auch eine Tourismusstraße geben. In den andern mittelamerikani schen Ländern funktioniert die Umset zung des PPP ähnlich. Mit Hilfe von riesigen Kreditsummen – allein 3,5 Mil liarden US-$ für den Straßenbau – wer den überall exzellente Bedingungen für den raschen Transport, die benötigte Energie und Kommunikation geschaffen, um multinationalen Konzernen ideale Bedingungen zur Ausbeutung der Ressourcen und zur Produktion zu bieten. Das Freihandelsabkommen CAFTA hat ergänzend die passenden Voraussetzungen geschaffen, damit die Güter problemlos und vor allem preiswert abtransportiert werden können, in die USA oder für den anderweitigen Export. Eingangsbereich des Biosphärenreservats Bosawas bei Waslala HELENA ROUX, Nicaragua privadizada, http://nica.open-lab.org/ila272.shtml NICARAGUA-FORUM HEIDELBERG, siehe www.nicaraguaforum.de/03/nns2605.htm; BRUNI FRANKE, Nicaragua-Zeitung des Nicaragua Vereins Hamburg vom De zember 2005, www.nicaragua-verein.de. Bücher zum Thema Kerstin Wippel Quellen KLAUS PEDERSEN, Lateinamerika Nachrichten online Nummer 361/362 - Juli/August 2004; GRÜNE BEUTE – Biopiraterie und Widerstand, BUKO Kampagne gegen Biopiraterie (Hrsg.), Trotzdem Verlagsgenossenschaft Dezember 2005, ca. 160 Seiten, 12 €, ISBN 3-931786-40-4, auch als Download unter www.gruene-beute.de. DAS GOLD DER GENE – Globale Konflik te und Biopiraterie, Joscha Wullweber. In: Einsprüche Band 15 2004, Verlag: Westfälisches Dampfboot, Münster. 188 Seiten, 15,30 €, ISBN 3-89691-594-0. Zu bestellen auch per mail unter www.buko.de AGRARFRONT IM REGENWALD – Grenz ziehungen und Grenzüberschreitungen in Nicaraguas Biosphärenreservat Bosawas, Monika Oberfrank, Herausgeber: InaMaria Greversus und George Marcus, TRANS anthropologische Texte Band 4, LIT-Verlag Münster 2005, ISBN 3 8258-8520-8 Karneval der Kulturen 2006 ! Trotz einiger Gerüchte zu Beginn des Jahres wird natürlich auch in diesem Jahr wieder der KARNEVAL DER KULTUREN vom 02. bis 05. Juni in Kreuzberg stattfinden. Der dies jährige Straßenumzug am 04. Juni beginnt wie immer um 12.30 Uhr am Hermannplatz und verläuft über die Hasenheide und Gneisenaustraße bis zur Möckernstraße. Auch das den Umzug begleitende Straßenfest rund um den Blücherplatz wird mit seinen vier Bühnen, „off stage“-Rasenprogramm und den unzähligen Kunsthandwerks-, Info- und Essensständen wieder viele Besucher von Nah und Fern anziehen. Auch die StäPa wird dieses Jahr wieder mit einem Infostand vertreten sein, diesmal aber in Kooperation mit dem „Projekt Stadtkaffee“ (siehe S. 11). Da wir uns den Stand mit den ProjektmitarbeiterInnen der „Berliner Bohne“ teilen, wird in diesem Jahr neben dem In fomaterial über die StäPa und dem obligatorischen Caipiverkauf auch der neue Berliner Stadtkaffee angeboten. Für diese Tage brauchen wir mal wieder tatkräftige Unterstützung! Wer daher Zeit und Lust hat bei der Standbetreuung mitzumachen, melde sich bitte bei der StäPa unter der email: [email protected] . 59 • ATABAL DE NICARAGUA 5 Rückblick auf die Projekte 2005 Ehe das neue EU-Projekt PISA, welches seit Anfang des Jahres in San Rafael von Franz Thoma und den MitarbeiterInnen von CEDRU vorbereitet wurde und das am 1. März bereits begonnen hat, für die nächsten Monate und Jahre alle Auf merksamkeit auf sich zieht, soll an dieser Stelle noch einmal ein Blick auf die Projektarbeit des vergangenen Jahres geworfen werden. Im Gegensatz zu anderen Jahren wurde eine ganze Hand voll von Projekten zeitgleich durchge führt, die von verschiedenen Institutio nen gefördert wurden und die deshalb schon unter buchhalterischen Aspekten hohe Ansprüche an das Team in San Rafael del Sur stellten. Offiziell wurden alle Projekte des ver gangenen Jahres am 31.12.2005 beendet. Allerdings heißt das nicht, dass es nun keine Arbeit mehr für das Team und den Vereinsvorstand gab. Neben der Vorbe reitung von PISA mussten noch die letzten Belege gebucht und vor allem jeweils ein Finanzbericht und ein Sach bericht erstellt werden, welche die ord nungsgemäße Verwendung der Förder gelder und die erreichten Ziele darstel len. Angesichts der Berge von Dateien, in denen alle Einzelheiten festgehalten sind und die entsprechend ausgewertet werden mussten, wird ganz nebenbei einmal mehr deutlich, welch umfangrei che und erfolgreiche Arbeit in San Rafa el geleistet wurde und wie sehr die Pro jekte zur Verbesserung der wirtschaftli chen, sozialen und gesundheitlichen Lebensverhältnisse der Menschen von San Rafael del Sur beigetragen haben. Jugendprojekt Ein gemeinsames Projekt mit Jugendli chen aus Nicaragua und Berlin durchzu führen, das den mangelhaften Informati onsstand über die AltersgenossInnen in der jeweiligen Partnerstadt aufheben und das gegenseitige Verständnis erhöhen sollte, war neu für den Verein. Zwar waren mit den Brigaden schon viele junge Menschen in San Rafael del Sur, haben auf diese Weise einen unmittelba ren Eindruck von den Lebensverhältnis sen vor Ort erhalten und sicherlich auch den Versuch gemacht, ihr Leben hier in Deutschland zu beschreiben. Eine wirk lich nachhaltige Wirkung hatten solche Jugendliche der Röntgenschule Berlin-Neukölln vor den Ausstellungstafeln Erzählungen allerdings selten. Das gilt auch im umgekehrten Fall. Wer noch nie persönlich in einem der Dörfer von San Rafael gewesen ist, der hat von einem Haus, in dem eine siebenköpfige Familie lebt, wahrscheinlich eine europäisch geprägte Vorstellung, die der Realität nicht unbedingt standhält. Und natürlich glaubt jedeR EinwohnerIn von San Ra fael del Sur, die/der dich nach den Flug kosten fragt, die du zahlen musstest und offensichtlich ja auch zahlen konntest, dass ein Leben in Deutschland flächen deckenden Wohlstand und allgegenwär tigen Luxus bedeutet. Angesichts dieser schon so oft konstatierten Diskrepanz entstand also die Projektidee einer binationalen Fotoausstellung, die es Ju gendlichen aus beiden Ländern erlauben sollte, ihr Lebensumfeld in Text und Bild nach eigenen Kriterien darzustellen, in einer Ausstellung vergleichbar zu machen und sich dann auszutauschen. Dies ist geschehen, in San Rafael del Sur ebenso wie in Berlin. Acht thematische Tafeln sind jeweils entstanden und über setzt worden, und so können nun z.B. die Menschen in San Rafael del Sur erfah ren, dass auch das Leben in Deutschland vielleicht unerwartete Probleme mit sich bringt: Nicht jedeR hat ein Haus im Grünen, Freizeit kostet Geld, und Um weltverschmutzungen sind auch in ei nem entwickelten Industrieland an der Tagesordnung. Und der Berliner Jugend liche ist sicherlich überrascht, wie groß das umweltpolitische Engagement der SchülerInnen in San Rafael del Sur ist, die sich nicht scheuen, als ökologische Avantgarde auf Missstände in ihrer Ge meinde hinzuweisen und die Verant wortlichen zu benennen. Auf gemeinsa men Kongressen mit Jugendlichen aus ganz Mittelamerika denken sie über Alternativen nach und tragen die Diskus sion ökologischer Themen in eine Öf fentlichkeit, die angesichts der Armut allzu sehr auf die Sicherung des Lebens unterhalts fixiert ist. Zu der Ausstellung ist eine zweisprachi ge Broschüre erschienen, die beim Ver ein bezogen werden kann. Die Ausstel lung wird in Berliner Schulen und Ju gendeinrichtungen zu sehen sein. Prävention von HIV/AIDS und Drogenkonsum Angeregt wurde dieses Projekt im Früh sommer 2004 von Dr. Martín Almenda res, Direktor des Gesundheitszentrums in San Rafael del Sur. Er beobachtete mit Sorge eine zunehmende Häufung beider Phänomene in San Rafael del Sur, ohne dass von kommunaler Seite her darauf 6 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Stärkung der Menschen rechte Informationstafel zu den Problembereichen Aids und Drogenkonsum in San Rafael del Sur reagiert wurde. Woran es vor allem mangelte, war eine sinnvolle Koordina tion der Maßnahmen der verschiedenen Institutionen, die jede für sich sporadi sche Aktionen durchführten, die ohne großen Effekt blieben. In einem ersten Schritt wurde also zu einem Runden Tisch eingeladen, der allen maßgebli chen Institutionen die Gelegenheit gab, ihre bisherige Arbeit darzustellen und einen koordinierten Aktionsplan aufzu stellen. Innerhalb weniger Wochen tagte dieser Runde Tisch insgesamt sechs mal und verordnete sich als erste Maßnahme acht Fortbildungs-Workshops zu ver schiedenen Themen aus den Bereichen HIV/AIDS und Drogenkonsum. Über 50 EntscheidungsträgerInnen aus der Alcal día, der örtlichen Polizei, den Gesund heitszentren, dem Menschenrechtsbüro etc. haben an diesen Kursen teilgenom men. Parallel dazu wurden an 19 Schu len der Region insgesamt 27 Projekttage zu den beiden Themenbereichen durch geführt, wobei über 1.700 SchülerInnen der vierten, fünften und sechsten Jahr gänge erreicht wurden. Das Interesse an den Schulen war außerordentlich groß, und hier wurde auch die spontane Idee geboren, einen Wissenswettbewerb über beide Themenbereiche zwischen interes sierten Schulen abzuhalten. El Salto im Primar- und San Cayetano im Sekundar bereich sind die glücklichen Gewinner. Dieser Wettbewerb hat noch mehr Inte resse geweckt und soll nun regelmäßig wiederholt werden. Angesichts der gro ßen Resonanz der SchülerInnen wurde das Projekt um drei mehrtägige Work camps auf der Demofinca ergänzt, um auch im außerschulischen Rahmen die Jugendlichen San Rafael del Surs zu erreichen. Mit T-Shirts, Flyern und ei nem Videofilm stehen auch in Zukunft Informationsmaterialien zur Verfügung, um diese so wichtige Aufklärungsarbeit konsequent fortsetzen zu können. Dieses Projekt war stärker als so manch anderes ein Projekt, das die Eigeninitia tive in der Region gestärkt hat. Der „Runde Tisch“ wurde aufgrund der Be teiligung aller relevanten Organisationen und Institutionen schnell zu einem Gre mium, das auf sehr lebendige Weise das vor sich hindämmernde regionale Ent wicklungskomitee wieder belebte. Jedes Treffen wurde zum Anlass genommen, auch über andere kommunale Themen zu sprechen. Beispielsweise gibt es im schulischen Bereich weitere Probleme als nur den zunehmenden Konsum von Drogen. Wie sehr dieser informelle Aus tausch allen Beteiligten aufgrund man gelhafter Initiative der Alcaldía zuletzt gefehlt hat, wird deutlich, wenn Franz uns von der Eröffnung der Fotoausstel lung der Jugendlichen schreibt, er habe den Eindruck gehabt, es sei die Fortset zung der Runden Tische gewesen. Zur obligatorischen Frage der Nachhaltigkeit dieses Projekts kann man also nur sagen: 100 Prozent! Nachdem der derzeitige Bürgermeister der PLC, der Partei Alemáns, schon im Wahlkampf verkündet hatte, eine seiner ersten Amtshandlungen werde die Schließung des Menschenrechtsbüros sein, wollten wir unbedingt die Position der MitarbeiterInnen des Büros stärken und mit einem Projekt unterstützen. Mit finanzieller Förderung der Stiftung Um verteilen aus Berlin ist dies auch gelun gen. Das Büro konnte seine Arbeit aus weiten, hat weitere 50 PromotorInnen ausgebildet, die als unmittelbare An sprechpartnerInnen in jeder einzelnen Gemeinde zur Verfügung stehen, Men schenrechtskurse für 55 LehrerInnen und über 1400 SchülerInnen an weiteren 35 Schulen durchgeführt, die in früheren Projekten nicht berücksichtigt werden konnten, und einen Flyer erstellt, der über ihre Arbeit und Hilfsangebote in formiert. Gleichzeitig hat sich das Büro noch stärker in die Zusammenarbeit mit ande ren kommunalen Institutionen einge bracht. So waren verschiedene Mitarbei terInnen, wie weiter oben erwähnt, selbstverständlich auch am Runden Tisch des AIDS/Drogen-Projekts vertre ten. Auch aufgrund dieser Integration in die kommunale Zusammenarbeit steht heute eine Schließung des Büros aus politischen Motiven nicht mehr zur De batte. 59 • ATABAL DE NICARAGUA 7 Wie wichtig die Arbeit des Menschen rechtsbüros ist, zeigt sich auch an der zunehmenden Anzahl von Menschen rechtsverletzungen, die dem Büro ge meldet und von diesem verhandelt wer den. Schulprojekt Als gegen Ende des vergangenen Jahres bekannt wurde, dass bei der LEZ noch Fördergelder zur Verfügung standen, hat sich der Vorstand spontan entschlossen, im November und Dezember ein weite res Projekt durchzuführen, das sich in so kurzer Zeit noch realisieren ließ: Den Neubau einer Schule in Villa Progreso, die notwendige Reparatur einiger Schu len und den Kauf und die Verteilung von 1.058 pupitres, den für Nicaragua typi schen Schulstühlen, an zahlreichen Schulen in der gesamten Region. Auxi liadora Sánchez, Verantwortliche von MEDC in San Rafael del Sur, hatte sich mit dem Problem an den Verein ge wandt, dass an den verschiedenen Schu len in der Region ca. 1.500 Stühle fehl ten. Allein dies bedeutet einen Kosten faktor von mehr als 25.000 US-$, eine Summe, die von den „autonomen“ Schu len mit ihren unzureichenden Finanz budgets selbst nicht aufzubringen ist. Die Auflagen von IWF und Weltbank, denen die Regierung sich beugt, sind unverändert dafür verantwortlich, dass im nicaraguanischen Bildungssektor radikal gespart wird, statt gerade in der Investition in die Bildung der Kinder Stühle! Stühle! Stühle! Alphabetisierung von Erwachsenen und Jugendlichen einen nachhaltigen Ausweg aus der Armut des Landes zu suchen. Mit Unterstützung des Vereins kann dieser Situation wenigstens in der Region San Rafael del Sur immer wieder entgegengewirkt werden. Alphabetisierung Mit finanzieller Unterstützung der Böcklerstiftung konnten die Maßnahmen im Bereich der Alphabetisierung Er wachsener fortgeführt werden. Dazu wurden Kurse in sechs Gemeinden an- geboten, die es den TeilnehmerInnen ermöglicht, in zwei Jahren den Grund schulabschluss nachzuholen. Zusätzlich wurde ein Supervisor bezahlt, der mit den LehrerInnen die besonderen Aspekte einer Didaktik diskutiert, die sich anders als an den Grundschulen an Erwachsene richtet. Es werden also nicht herkömmli che Lehrbücher benutzt, sondern in An lehnung an die Methoden von Paolo Freire werden auch die Inhalte der ver schiedenen Projekt-Workshops in den Unterricht einbezogen. 131 Personen haben Anfang 2005 mit den Kursen begonnen, aber natürlich hat sich diese Zahl im Laufe des Jahres reduziert. Die Gründe dafür sind vielfäl tig und durchaus nachvollziehbar. Einige haben die Region auf der Suche nach Arbeit verlassen, andere waren auf Dau er nicht in der Lage, nach einem harten Tag in den Zuckerrohrfeldern noch re gelmäßig zum Unterricht zu gehen. Zwei der sechs Gruppen haben sich aus die sem Grunde aktuell auch zum vollstän digen Ausstieg aus dem Programm ent schlossen, es ist aber schnell gelungen, dafür zwei weitere Gemeinden zu fin den, die auf dem Niveau des zweiten Jahres in die Kurse einsteigen, so dass das neue Schuljahr wiederum mit 138 TeilnehmerInnen begonnen hat. CEDRU hat einen kurzen Videofilm über diese Kurse erstellt, der mehr als jede Statistik oder verbale Beschreibung deutlich werden lässt, was es für eine 40jährige Mutter bedeutet, endlich Lesen und Schreiben zu können, wie ihre Kinder auch. 8 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Integrierte Armutsbe kämpfung Nach 30 Monaten Laufzeit wurde auch das vom BMZ geförderte Projekt „Integ rierte ländliche Entwicklung“ Ende des Jahres erfolgreich abgeschlossen. Mit den Komponenten Schafzucht und Ge müseanbau wurden besonders effektive einkommensschaffende Maßnahmen des PRODISA-Projekts fortgeführt, gleich zeitig sollte das erzielbare Einkommen zusätzlich durch den Ausbau der regio nalen Direktvermarktungsstrukturen erhöht werden. Dies ist in vollem Umfang gelungen, statt der für die Region geplanten vier selbstverwalteten Verkaufsstände für die landwirtschaftliche Produktion besteht nun sogar in sieben Orten die Möglich keit zur Direktvermarktung und zur Ausschaltung des Zwischenhandels. In der Startphase mussten die ProduzentIn nen durchaus erst einmal lernen, diese neue Chance zu nutzen und ihre Produk te nicht zu den alten Dumpingpreisen anzubieten. Im Bereich der Schafzucht wurde wie geplant ein revolvierender Fonds einge richtet, der zu Projektbeginn 40 Begüns tigte mit jeweils acht Tieren ausstattete. Weitere 10 Begünstigte sollten bis Pro jektende mit in den Fonds zurückgege benen Tieren versorgt werden. Die ist in einer ersten Aktion erfreulich früh schon im April 2005 geschehen, und durch weitere Vergaben aus dem Fonds konnte die geplante Zahl von 50 Begünstigten deutlich überschritten werden. Da auf grund eines während des gesamten Pro jektzeitraums sehr positiven Wechsel kurses Euro/US-$ mehr US-$ als erwar tet für das Projekt zur Verfügung stan den, wurden Ende des Jahres 2005 mit Genehmigung des BMZ weitere Schafe gekauft und verteilt. Diese Aufstockung mit den zusätzlich verfügbaren Mitteln erfolgte auch in den Bereichen der Be wässerungsanlagen und im Gemüsean bau. Auch in diesen beiden Bereichen wurde die geplante Zahl von Begünstig ten leicht überschritten: 54 Frauen und 45 Männer konnten ihre Produktion mithilfe der Bewässerungsanlagen auf das gesamte Jahr ausdehnen, und 127 Frauen und 84 Männer wurden für drei Aussaaten zwischen Dezember 2004 und September 2005 mit Saatgut für 10 ver schiedene Gemüse versehen. Da diese letzte Aussaat durch starken und anhal tenden Dauerregen schwer geschädigt wurde, wurde im Oktober Saatgut nach Begünstigte mit Schafen aus dem revolvierenden Fonds gekauft und für eine vierte Aussaat ver teilt. Bis auf den Neubau einer Schule gilt schon seit langem: Kein Projekt ohne Workshops. Die 10 PromotorInnen im Bereich Gemüseanbau und die 8 Promo torInnen im Bereich Schafzucht wurden ebenso fortgebildet wie die Begünstigten der Maßnahmen. Lässt man die mehrfa che Beteiligung der Begünstigten an unterschiedlichen Workshops außer Acht, so nahmen über 2.100 Personen an den Kursen über Gemüseanbau, Plagen bekämpfung, Bodenverbesserung, Be wässerung, Schafzucht, Kommerzialisie rung und fachliche Fortbildung teil. Integrierte Armutsbekämpfung durch Förderung der Landwirtschaft und der Vermarktung, Maßnahmen in den Berei chen der Bildung und der öffentlichen Gesundheit, Stärkung des Selbsthilfepo tenzials und der Eigenverantwortung, kontinuierliche Zusammenarbeit mit Jugendlichen, Stärkung der Rolle der Frauen in der nicaraguanischen Gesell schaft: Es war wieder eine breite The menpalette, die der Verein im vergange nen Jahr mit seiner Projektarbeit ange sprochen hat. Nun kommt PISA. Aber nur scheinbar stellt sich die Situation damit für die kommenden drei Jahre anders dar. In dem integrierten Ansatz von P.I.S.A sind alle diese Komponenten enthalten und werden sogar deutlich intensiviert. Parallel zu PISA wird ja mindestens im laufenden Jahr auch das Projekt der Alphabetisierung Erwachse ner fortgeführt. Im Augenblick werden Franz als Koordinator und das Team von CEDRU zwar absolut von den Start schwierigkeiten und der unvermeidli chen Bürokratie in Anspruch genommen, die das neue große Projekt mit sich bringt, aber im Laufe der nächsten Wochen wird sicherlich auch wieder ausreichend Zeit sein, über sinnvolle ergän zende Projekte oder die Vertiefung bereits durchgeführter Kompo nenten nachzudenken. Wir führen unsere Arbeit also konsequent fort. Vamos adelante! Erich Köpp Chiltoma auf bewässertem Land 59 • ATABAL DE NICARAGUA 9 Streik im Gesundheitswesen Die Ausgangssituation Im Durchschnitt verdient ein nicaragua nischer Arzt im öffentlichen Gesund heitswesen etwas mehr als 300 US-$ im Monat, der Lohn eines durchschnittli chen Arztes in Mittelamerika liegt je doch bei über 500 US-$. Gesundheitsar beiterInnen, wie etwa LabortechnikerIn nen, Krankenschwestern, PflegeAssistentInnen usw. werden wesentlich schlechter als die ÄrztInnen bezahlt. Das Gesundheitsministerium MINSA hat für das nächste Jahr einen gesamten Haus haltsplan von 165 Millionen US-$ für das Gesundheitswesen erbeten, was eine Gehaltserhöhung für die Gesundheitsar beiterInnen von nur 8 bis 10% ermögli chen würde. Der Haushaltsplan 2006 wurde bereits am 22. November von der Nationalversammlung erörtert und ver abschiedet. Laut Gesundheitsministerin Margarita Gurdián sei diese Gehaltser höhung ausreichend, um die Inflations steigerungen zu decken. Präsident Enri que Boláños äußerte sich auf die Mög lichkeit einer Gehaltserhöhung von mehr als 10% mit der Aussage: „Die Allge meinheit wird auf jeden Fall die Rech nung bezahlen müssen, denn wenn die Gehälter erhöht werden, müssen höhere Steuern gezahlt werden.“ Der Streikbeginn Am 14. November initiierten aufgrund dieser Bedingungen etwa 3000 Ärzte, die in der Ärzte-Organisation „Pro Sala rio“ (Pro Gehalt) und koordiniert von Elio Artola organisiert sind, einen unbe fristeten Streik. Ihr oberstes Ziel: Ver besserte Vertragsbedingungen ab dem Jahr 2006 sowie anfänglich eine Ge haltserhöhung um 140%, welche im Streikverlauf auf eine Forderung von 70% zurückgeschraubt wurde. Am 17. November schlossen sich daraufhin auch die 23.000 Mitglieder der Gewerkschaft der Angestellten im Gesundheitswesen FETSALUD (von insgesamt 24.000 ArbeiterInnen im öffentlichen Gesund heitswesen), dem Streik der Ärzte unter Führung von FETSALUD-Chef und FSLN-Abgeordnetem Gustavo Pórras an. Dadurch geriet der öffentliche Ge sundheitsdienst fast zum vollständigen Erliegen. Das Ziel von FETSALUD, eine 100%ige Lohnerhöhung für alle Streikendes Krankenhauspersonal ArbeiterInnen im öffentlichen Gesund heitswesen, ist auch von ihnen im Streikverlauf auf 35% gesenkt worden. In den ersten Streiktagen wurden lan desweit in den Krankenhäusern und Gesundheitszentren nur Notfälle von einer begrenzten Anzahl von Ärzten behandelt. Patienten, die zur Behandlung bereits in Krankenhäuser aufgenommen worden waren, wurden nur vom Pflege personal versorgt. Am 15. November reagierte Gesundheitsministerin Gurdián, indem sie das Arbeitsministerium auf forderte, den Streik für illegal zu erklä ren und den sieben Vorstandsmitgliedern von „Pro Salario“ zu kündigen. Die Gesundheitsministerin forderte dabei die Angestellten im Gesundheitsdienst drin gend auf, den Streik abzubrechen und in Verhandlungen einzutreten. Arbeitsmi nister Virgilio Gurdián erwiderte, er habe beschlossen, der Forderung "in den kommenden Tagen" zunächst nicht nachzukommen, um den streikenden Angestellten im Gesundheitswesen Ge legenheit zu geben, über ihre Forderun gen mit der Gesundheitsministerin zu verhandeln. Die Entwicklung des Streiks Am 24. November bot die Regierung zum ersten Mal allen Angestellten eine Lohnerhöhung von 9% an. Nach Aussa gen der Gesundheitsministerin sei auf grund der Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein höherer Be trag unmöglich. Dieser erteilt im Rah men des internationalen Entschuldungs programms, an dem Nicaragua beteiligt ist, bestimmte Auflagen, unter anderem, die Gehälter der Arbeiter im öffentlichen Sektor nicht über die Inflationsrate hin aus zu erhöhen. Auf diesen Vorschlag reagierten die Gewerkschaften mit der Fortsetzung des Streiks und beharrten auf ihren Forde rungen. Arbeitsminister Gurdián kündig te schließlich doch noch an, den Streik für illegal zu erklären und damit die Streikenden entlassen zu können, sollte dieser bis zum 30. November nicht be endet werden. „Pro Salario“ dehnte dar aufhin den Streik auch auf die privaten Bereiche der öffentlichen Krankenhäuser und Gesundheitszentren aus. Während die 3.000 Ärzte nun schon in der vierten Woche mit organisierten Protestmär schen weitermachten, unterbrachen die 23.000 Mitarbeiter von FETSALUD ihre Aktionen bis zum 15. Januar. Mitte De zember versuchte Arbeitsminister Gurdi án, den Verhandlungsprozess zwischen Gesundheitsministerium und der Ge werkschaft noch einmal neu zu beleben, bevor der Streik für illegal erklärt wird. Daraufhin drohte die Gewerkschaft, Notfälle nicht mehr zu behandeln, sollte dies geschehen. 10 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Das Streikgeschehen seit Januar Nach weiteren gescheiterten Verhand lungen in der zweiten Januarhälfte be gann „Pro Salario“, nun auch die Not fallversorgung in den Streik mit einzu beziehen. Dies führte zu einer völligen Schließung mehrerer Krankenhäuser in Managua und in anderen größeren Städ ten. Eine 77jährige Frau starb, als sie nach einem häuslichen Unfall vergeblich einen Arzt zu erreichen versuchte. Wäh rend der gesamten Streikphase gab es für die nicaraguanische Bevölkerung keinen Zugang mehr zur Gesundheitsversor gung in öffentlichen Krankenhäusern oder Gesundheitszentren. Auch ein Angebot des Gesundheitsmi nisteriums für eine Gehaltserhöhung von 15%, aufgrund einer Zusage des Fi nanzministeriums für eine zusätzliche Summe von 172 Millionen Córdobas (10,1 Millionen US-$) für die Gehälter der Gesundheitsarbeiter sowie das An gebot von zusätzlichen Unterstützungen für Ärzte, durch die diese Lebensversi cherungen und die Gelegenheit zur Teil nahme an einem Wohnungsprogramm erhalten sollen, wurde kategorisch von „Pro Salario“ abgelehnt. FETSALUD kritisierte den Entschluss von MINSA, diese zusätzlichen Angebote nicht für alle Gesundheitsarbeiter anzubieten. Bereits zu Beginn des Jahres nahmen über 1.000 Ärzte an einem Protest marsch in Managua als Zeichen der Ablehnung dieses Angebots teil. Vertre ter von „Pro Salario“ betraten das Präsi dentenamt, wo sie vom Präsidentenspre cher und dem Sekretär des Präsidenten empfangen wurden. Die Ärzte forderten Präsident Boláños schriftlich auf, sich direkt in die Verhandlungen einzuschal ten, so dass eine Lösung gefunden und der Streik abgesagt werden könne. Beide Gewerkschaften, „Pro Salario“ und FETSALUD, kritisierten hart die Politik des IWF und bezweifelten die Relevanz der Politik innerhalb des nicaraguani schen Kontexts. Am 20. Januar gab Arbeitsminister Gur dián schließlich bekannt, den Streik für illegal zu erklären: „Das Gesundheitsmi nisterium ist ermächtigt, die notwendi gen Maßnahmen zu ergreifen und strei kende Ärzte zu entlassen oder ihre Ge hälter einzubehalten.“ Als die Ärzte auch 2 Tage darauf nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten, informierte das Gesund heitsministerium zwölf der führenden Mitglieder des Ärzte-Verbandes, dass behördlicherseits ihre Entlassung verfügt worden sei. Die betroffenen zwölf füh renden Ärzteverbandsmitglieder legten daraufhin erfolgreich Berufung gegen diese Verfügungen vor dem Gericht in Managua ein. Somit wurde bereits kurz darauf der Streik wieder für legal erklärt. Die Spannungen in den öffentlichen Krankenhäusern stiegen inzwischen weiter, weil die vom Gesundheitsminis terium speziell eingestellten Ersatzärzte ihre Positionen in den öffentlichen Krankenhäusern im Land aufnahmen, um Notfälle zu behandeln. Eine Gruppe von streikenden Ärzten versuchte, den Eingang eines öffentlichen Krankenhau ses in Managua zu blockieren, weil ein Team von Ersatzärzten versucht hatte, die Notaufnahme wieder zu eröffnen. Die protestierenden Ärzte trugen Spruchbänder, auf denen die Abgeordne ten aus der Nationalversammlung darum gebeten wurden, ihre eigenen Gehälter zu senken, um mehr Geld für das Ge sundheitssystem zu haben. Mittlerweile bot „Pro Salario“ der Ge sundheitsministerin eine Senkung der Forderungen nach Gehaltserhöhung von 70 auf 30% in Kombination mit einer Lebensversicherung und einem Woh nungsprogramm, was die Ministerin wiederum ablehnte. Eine 30%ige Ge haltserhöhung für Ärzte im öffentlichen Dienst würde in einem Jahr etwa 5,6 Millionen US-$ an Mehraufwand für die Regierung bedeuten. Gegen Ende Januar nahm nun auch FET SALUD ihren Streik wieder auf und führte eine Serie von Protestaktionen als Teil ihrer Kampagne für eine Gehaltser höhung um mittlerweile 48% durch. Ihre Forderungen beziehen sich nun auch darauf, dass alle Gebühren für die Be handlungen in öffentlichen Krankenhäu sern und Gesundheitszentren gestrichen werden müssten. FETSALUD schlägt im Gegensatz zu „Pro Salario“ die Streiktaktik ein, die Porras mit „verletzt die Regierung und nicht die Bevöl kerung“ bezeichnete. Sie bestreiken demnach nur die privaten Bereiche der öffentlichen Krankenhäuser und Gesundheitszentren, statt wie die Ärzte Gewerkschaft die Notaufnahmen der medizinischen Einrichtungen. Durch die privaten Abteilungen innerhalb des öf fentlichen Gesundheitswesens nimmt MINSA pro Jahr 7,35 Millionen US-$ ein. FETSALUD hatte mit Kundgebun gen vor Krankenhäusern und auf Haupt straßen begonnen sowie mit Verkehrs blockaden auf der Panamerikana und anderen Hauptverkehrsstraßen. Bisher waren alle Protestaktionen völlig fried lich. Der gegenwärtige Stand Auch im Februar und März hielten die Streiks der Gewerkschaften an. Einige Ärzte hatten Büros im Gesundheitsmi nisterium besetzt, um Verhandlungen zu erzwingen und versuchten auch, in das Außenministerium zu gelangen. Die Verhandlungen zwischen Regierungs vertretern und „Pro Salario“ wurden zwar wieder aufgenommen, zeigten sich jedoch bis jetzt als erfolglos. In einigen staatlichen Krankenhäusern nahmen Ärzte die Notfallversorgung wieder auf. Konferenzen, an denen der IWFVertreter Humberto Arbulú, Gesund heitsministerin Gurdián und Vertreter des Ärzte-Verbandes und der Gewerk schaft der Angestellten im Gesundheits wesen FETSALUD teilnahmen, wurden vom Erzbischof von Managua, Leopoldo Brenes, moderiert. Finanzminister Arana erklärte sich zwar einverstanden, zwi schen den einzelnen staatlichen Sektoren Haushaltsumschichtungen vorzunehmen, zu einer Verhandlungslösung kam es aber bisher noch immer nicht. „Pro Sala rio“ lehnt es gegenwärtig ab, gemeinsam mit FETSALUD mit der Regierung zu verhandeln, solange der FSLNAbgeordnete Pórras der Chef von FET SALUD sei. Quelle: www.nicanet.org 59 • ATABAL DE NICARAGUA 11 Die Berliner Bohne Ein Stadtkaffee für Berlin Heiden (Gruppenberater Berliner Welt läden), Silvia Hermann und Lidia Perico (Projektkoordination Stadtkaffee). Sich zwischen den hoch qualitativen Entwür fen zu entscheiden fiel nicht leicht. Nach langem Beraten und Überlegen gewann mit sehr knapper Mehrheit der Entwurf „Berliner Bohne" von Daniel Fischer. Überzeugt haben uns das schlichte De sign und das originelle Logo. Jetzt be gannen die Feinabstimmungen in Zu sammenarbeit mit dem Grafiker. Wir entschieden uns für ein kräftiges Orange. Text und Layout wurden erarbeitet. Ende Februar gab es dann den ersten Dummy, Anfang März dann die endgültige Ent scheidung. Mit dem Dummy konnte dann auch endlich die Kaffeeverpackung in Druck gehen. Hamburg, Oldenburg, Wolfsburg, Göt tingen und viele andere deutsche Städte haben ihn bereits – den fairgehandelten Stadtkaffee. Im Sinne des Agenda 21 Prozesses verbindet ein Stadtkaffee die Ziele des local acting mit denen der global goals wie Armutsbekämpfung und einer gerechteren Weltwirtschaft. Stadt kaffees, so zeigt die Praxis, sind ein wirkungsvolles Instrument zur Stärkung des Fairen Handels. Außerdem schärfen sie das Bewusstsein der KonsumentIn nen, ungerechte Handelsstrukturen wahrzunehmen. Wir dokumentieren an dieser Stelle in Auszügen den aktuellen Bericht der Projektkoordination zum Stand der Vorbereitungen zur Einfüh rung der „Berliner Bohne“. Newsletter 2006 Stadtkaffee Berlin Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist der Aufbau eines Vertriebsnetzes. Hierfür möchten wir ein Seminar im April 2006 nutzen. Seit September letzten Jahres arbeiteten wir verstärkt an der Einführung eines Berliner Stadtkaffees. Der Zeitpunkt war günstig. Verschiedene Akteure bekunde ten ihre Unterstützung, die Anträge wur den bewilligt, so dass die offizielle Ein führung des Stadtkaffees für den Juni 2006 angesetzt werden konnte. Das Projekt Stadtkaffee Berlin ist ein gemeinsames Projekt Berliner entwick lungspolitischer Organisationen. Es wird gefördert von: Landesstelle für Entwick lungszusammenarbeit, dem Evangeli schen Entwicklungsdienst und der gepa. Für alle Interessierten gab es im Novem ber 2005 den Workshop: „Berlin fairstärkt den Kaffeehandel" – Der Ber liner Stadtkaffee als konkretes Beispiel nachhaltigen Handelns. Auf dem Work shop im Umweltforum Berlin stellten wir das entwicklungspolitische Konzept Stadtkaffee, das es bereits in vielen an deren deutschen Städten gibt, vor. Ein Argumentationsleitfaden wurde diskutiert, in Gruppen erarbeiten wir weitere Planungsinhalte wie Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit. Mitte Dezember fand in der Stiftung Naturschutz Berlin die Faire Advents kaffeetafel statt, zu der Unterstützer des Projektes und Vertreter der Botschaften geladen wurden. Auf der Veranstaltung wurde das Projekt Stadtkaffee Berlin vorgestellt. Zudem konnten die Gäste die Es ist also soweit! Name und Verpackungsdesign des Stadtkaffees Berlin haben Gestalt angenom men: Die Berliner Bohne. eingegangenen Entwürfe für das Verpa ckungsdesign begutachten und per Kaf feebohnen ihr Votum abgeben. Die Stadtkaffeemischung (mit ArabicaBohnen aus Nicaragua, Honduras, Me xiko, Peru, Bolivien und Kolumbien) konnte probiert werden, dazu gab es Knabbereien aus dem Fairen Handel. Das Publikum, so ergab die Auszählung der Bohnen, hatte zwei Favoriten: die „Spreebohne" und die „Berliner Bohne". Auswahltreffen Verpackung Januar 2006 Mitte Januar wurde die Entscheidung über das beste Verpackungsdesign ge troffen. Mit dabei waren Petra Beck (Weltladen La Tienda), Jochen Kuhl mann (gepa Berlin), Isabel Aust (StäPa Kreuzberg/San Rafael del Sur), Lutz Während der Woche vom 29.05.06 bis zum 4.06.06 wird die Berliner Bohne auf verschiedenen Aktionen vorgestellt und eingeführt. Auf einer Pressekonferenz wird am 1. Juni 2006 der Stadtkaffee dann offiziell vorgestellt. Für die Einfüh rung der Berliner Bohne konnten wir den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit gewinnen. Bereits vor der offiziellen Einführung kann die Ber liner Bohne an ausgewählten Orten pro biert werden. Das Kaffeemobil „Kaffee fairstand" steht uns während der Einfüh rungswoche für diverse Aktionen zur Verfügung. Einer der Höhepunkte ist ein gemeinsamer Stand mit der Städtepart nerschaft Kreuzberg/San Rafael del Sur auf dem Karneval der Kulturen. Wie Ihr seht, ist noch viel zu tun. Für die erfolgreiche Einführung sind wir auf Eure Unterstützung angewiesen. Das könnte den Bereich Öffentlichkeitsarbeit betreffen als auch den Vertrieb. Auch für den Stand auf dem Karneval der Kultu ren suchen wir Leute, die Lust und Zeit haben, dem Laufpublikum die Idee des fairen Handels und die Berliner Bohne näher zu bringen. Projektkoordination Stadtkaffee Berlin [email protected] 12 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Fiesta Nica Eine heiße Party an einem kalten Winterabend Mitten im dunkelsten Monat des Jahres, in einer typischen Berliner Januarnacht inklusive Schneeregen, Glätte und Ei seskälte, haben wir zur Fiesta Nica gela den – und fast alle kamen! Kaum öffnete das KATO am Schlesischen Tor um 20.00 Uhr seine Pforten, sammelten sich am Eingang auch schon die ersten tanz freudigen Gäste. Bis 23.00 Uhr hatte sich das KATO optimal gefüllt, schät zungsweise waren in dieser Nacht 300 Leute anwesend. Das Programm konnte sich sehen und vor allem hören lassen. So sorgten an diesem tollen Abend drei Bands und zwei DJs für einen tanzbaren Musikmix: Den Auftakt machten die famosen „Ba zillus und die Antikörper“ – eine interes sant anzusehende Combo mit selbstkre ierten Instrumenten, denen sie meist countryartige Klänge entlockten. Ein tolles Konzert legten im Anschluss daran auch die Jungs von Juanimashi hin. Ihre Mischung aus Latin Rock, Reggae, Ska, Cumbia und Son holte auch die letzten „Eckensteher“ aus der Reserve und alle ZuschauerInnen waren äußerst begeis tert. Zwischen den Acts sorgten DJ Bulet und DJ Fulano mit ihrer Mischung aus HipHop, Reggaeton, und Latin Beats für anhaltende Tanzfreude. Nach dem Motto „Das Beste zum Schluss“ kündigte sich der „main act“ La Mula an, die ein wunderbares Konzert auf der Bühne abgaben. Die acht Musi ker aus Deutschland, Israel, Armenien und Chile brachten mit ihren PachangaLatina-Rhythmen das KATO endgültig zum Kochen. Da die ZuschauerInnen La Mula mehrmals lautstark davon abhiel ten, den Schlussakkord anklingen zu lassen, verausgabten sich diese fast zwei Stunden lang. Die DJs sorgten dann noch früh am Morgen für die akustische Be gleitung des harten Kerns, der überhaupt nicht mehr nach Hause wollte. Das Publikum setzte sich vornehmlich aus Fans der aufgetretenen Gruppen zusammen. Es kamen aber auch viele zahlreiche Vereinsmitglieder und NicaSympathisantInnen auf die Party und freuten sich über die Gelegenheit, mal wieder in lockerer Atmosphäre zusam men zu sein und sich bei einem Bier über die Vereinsaktivitäten auszutau schen. Alle Künstler sind umsonst auf unserer Soli-Party aufgetreten, und wir möchten den DJs sowie allen Mitgliedern der drei Bands nochmals ein riesiges DANKE SCHÖN für ihren Einsatz und ihre Mo tivation aussprechen, diesen Abend zu einer gelungenen und tollen Party ge macht zu haben! Die Nettoeinnahmen aus Eintritt und Caipiverkauf betrugen rund 1000 Euro, die wie alle sonstigen Spendeneinnahmen in die Finanzierung unserer aktuellen Projekte in San Rafael del Sur fließen. Nicht zuletzt auch ein herzliches Dankeschön an Mareike, die die gesamte Partyorganisation über nommen hatte und an alle freiwilligen HelferInnen, die sich für die gelungene Party die Nacht um die Ohren geschla gen haben! Isabel Aust 59 • ATABAL DE NICARAGUA 13 Mapa Turístico Die touristische Landkarte von San Rafael del Sur Im vergangenen Jahr realisierten Micha el und Claudia, zwei StudentInnen der Kartographie und Geographie, die span nende Aufgabe, im Rahmen des ASAProgramms (Arbeits- und StudienAufenthalte in Afrika, Lateinamerika, Asien und Südosteuropa) der InWent Gesellschaft, eine regionale Landkarte mit allen touristischen Highlights der Region San Rafael del Sur zu entwerfen. Das Projekt wurde von der StäPa formu liert und seine Durchführung durch die beiden Studenten mit einem Stipendium des ASA-Programms finanziert. In ei nem zweimonatigen Aufenthalt sammel ten diese eine Vielzahl von Daten und lernten so die Region mit ihren vielfälti gen Besonderheiten und Charakteristika intensiv kennen. Die äußerst ansprechend gestaltete Karte beinhaltet neben den klassischen topo graphischen Daten Hinweise auf alle möglichen Einrichtungen, die für natio nale und internationale TouristInnen von Interesse sind. So werden Hotels und Restaurants, öffentliche Einrichtungen und Internetcafes, aber auch kulturelle Highlights wie Kirchen und Museen aufgelistet. Zusätzlich sind außerge wöhnliche Naturschauplätze wie Wälder, Strände, Wasserfälle, Aussichtspunkte und Wandermöglichkeiten vermerkt, und auch regionale Besonderheiten wie his torische Höhlenzeichnungen und Orte fossiler Funde sind auf der umfangrei chen Karte verzeichnet. Der Lohn der anstrengenden Projektar beit war für die beiden StudentInnen am Ende vor allem die positive Resonanz und das rege Interesse Seitens der Be 14 ATABAL DE NICARAGUA • 59 wohnerInnen der Region San Rafael del Sur. Hinter den Aktivitäten zur Erstel lung der Karte stand für die beiden im mer auch die Absicht, einen Beitrag zur allgemeinen Verbesserung der ökonomi schen Situation zu leisten. Durch die Einbeziehung touristischer Attraktionen des Landesinneren abseits der Strände wird TouristInnen durch die Karte erst malig die Möglichkeit eröffnet, diesen generell schwierig zu erkundenden Teil der Region zugänglicher zu machen. Somit erbringt sie auch einen Beitrag zum Konzept des „nachhaltigen Touris mus“, welcher der ländlichen Bevölke rung eine Partizipation an den Einnah men aus dem Tourismus ermöglichen soll. Aufgrund der Eigeninitiative der beiden Studenten und deren Suche nach Spon soren konnten vor Ort rund 400 Exemp lare der Karte gedruckt werden, die schließlich in einem feierlichen Akt dem Bürgermeister Santiago Ruíz offiziell übergeben wurden. Feierliche Übergabe der „mapa turístico“ in San Rafael Die Karte dient damit natürlich insbe sondere den Menschen, die direkt im Tourismusbereich beschäftigt sind. Ihr Nutzen beschränkt sich aber nicht nur auf die ansässigen Hotel- und Restau rantbesitzer, sondern stellt vor allem auch ein gutes Planungsinstrument für alle lokalen und regionalen Instanzen dar. Die Karte ist dennoch vor allem geeignet, nationale und internationale BesucherInnen dazu anzuregen, die Landschaft, die Menschen und die Kul tur von San Rafael del Sur kennen zu lernen. Die Karte steht leider aktuell noch nicht auf der Website des Vereins zur Verfü gung, kann aber bereits auf der Webseite unserer nicaraguanischen Partnerorgani sation CEDRU, www.cedru.org, als pdfDokument downgeloadet werden. Isabel Aust Regionalwahlen an der Costa Atlantica Seit einem Jahr arbeitet Thomas Lippert, langjähriges Mitglied des Vereins, als Kooperant des DED in Puerto Cabezas (Bilwi) an der Atlantikküste Nicaraguas. Anfang März haben in den beiden autonomen Regionen dieser Küste Wahlen zu den regionalen Räten stattgefunden. Der folgende Bericht ist eine spontane Einschätzung dieser wenig beachteten Wahlen. Puerto Cabezas, 10.03.2006 Keine besonderen Vorkommnisse Der 5. März – Wahltag für die beiden autonomen Regionen an der Atlantikküs te Nicaraguas – präsentierte sich wetter technisch von seiner besten Seite. Den ganzen Tag satte Sonne bei einer angenehmen Brise Wind und das Ganze ohne einen Tropfen Regen. Die äußeren Bedingungen für die Bevölkerung waren also mehr als günstig, um das Recht der Wahl auch physisch wahrzunehmen. Die Nacht schien ruhig verlaufen zu sein. Obwohl sich die verschiedenen Parteien in der letzten Nacht vor den Wahlen meistens noch heftige Diskussi onen lieferten, konnte das Radio diesmal von keinen Vorkommnissen berichten. Etwa 600.000 Menschen waren aufgeru fen, ihre neuen Regionalparlamente zu wählen. In beiden Atlantikregionen Nicaraguas – Atlantico Norte RAAN und Atlantico Sur RAAS– wurden je weils 45 Consejales (Stadträte) neu bestimmt. Insgesamt traten 14 Parteien, meist nur regional verbreitet, an. Die wichtigsten Parteien sind PLC, FSLN (beide arbeiten auch auf nationaler Ebe ne) und die Partei der Miskitos, die sich YATAMA nennt. Alle drei sind auch im gegenwärtigen Consejo (Rat) vertreten. In der RAAN, in der ich arbeite und von der ich im Folgenden berichten möchte, hatte die PLC bisher 22 Sitze, die FSLN 12 und die Yatama 11 Sitze. In der ver gangenen Legislaturperiode regierten FSLN und Yatama gemeinsam. Die ganze Region hat sich vom Contrakrieg der 80er Jahre immer noch nicht erholt. Auf beiden Seiten gibt es nach wie vor viele Ressentiments. Vor allem für die Yatama-Anhänger, die durch diesen Krieg viele Verwandte und Freunde verloren haben, war es nur eine reine Vernunftentscheidung, mit der FSLN zusammenzuarbeiten. Allerdings musste die Yatama-Partei auch feststellen, dass die Kooperation mit der PLC in anderer Hinsicht noch schwieriger ist. Sowohl die Gesprächsfähigkeit als auch die bereitschaft seien in der FSLN sehr viel ausgeprägter, so die Yatama-Anhänger. Im Wahllokal Schon lange vor den Wahlen hatten vor allem die Parteien mit Geld – also PLC und FSLN - massiv mit Manipulationen angefangen. Für Familien wurden Strom- und Wasserrechnungen bereitwil lig übernommen sowie Beträge direkt übergeben. Kurzum, die Partei, die am besten organisiert ist und über das meiste Geld verfügt, gewinnt diese Wahlen immer. Da kann die arme YATAMAPartei nicht mithalten. Auch am Wahltag selbst setzten die beiden oben genannten Parteien ihre Manipulationen fort. Natür lich gab es auch viele technische Pannen. In einer Region wie der RAAN, die ein Viertel der Fläche Nicaraguas einnimmt, aber nur 300.000 Menschen zählt, bedarf es eines großen logistischen Aufwands, um gleichzeitig alle auch noch so entle genen Dörfer mit der ganzen Wahlma schinerie zu versorgen. Dadurch öffneten manche Wahllokale erst um die Mittags stunden. In anderen wurden die Wahlbe obachter mit dem Hinweis nicht einge lassen, dass dies so aus Managua befoh len worden sei. Man darf davon ausge hen, dass zumindest in diesen Wahlloka len kräftig für die eine oder andere Partei manipuliert wurde. Generell wussten scheinbar nur wenige Menschen, in welches Wahlbüro sie gehen müssten, so dass viele Wahlwillige bei sengender Oberster Wahlrat auch ohne in den Wahllisten zu stehen, abstimmen. Diese konnten dadurch wie derum in mehreren Wahlbüros wählen. Zwar wird nach vollendetem Wahlgang der Daumen mit Farbe markiert, aber ich habe mir persönlich vorführen lassen, wie leicht es ist, die Finger mit Wasser zu reinigen. vernichten. Es sei schließlich verboten in den und um die Wahllokale herum zu fotografieren – dies ist natürlich falsch. Bei dieser Unzahl von Wahlmanipulati onen verwundert es mich nicht, dass die Wahlbeteiligung nur bei 40 Prozent lag. Trotzdem wurde die Wahl von den in ternationalen Wahlbeobachtern insge samt als fair und korrekt eingestuft. Bei dieser Einschätzung fühlte ich mich für einen Moment ohnmächtig gegenüber so viel Nachsichtigkeit. Nach meinen per sönlichen Beobachtungen standen die Wahlbeobachter nur in Gruppen herum und unterhielten sich angeregt. Das Ergebnis ist dann tatsächlich wie oben erwähnt ausgefallen. Die am besten organisierte Partei – die FSLN – bekam die meisten Stimmen. Diese konnte einen großen Tei der PLCAnhänger zu sich ziehen. Auch die Yatama konnte ihr Ergebnis von vor vier Jahren leicht verbessern. Die einzig gute Nachricht am Wahlabend war für mich, dass die Partei von Arnoldo Alemán, die PLC, stark verloren hat. Von 22 Sitzen im Consejo (fast die Hälfte der Sitze) konnte sie trotz massivster Manipulationen nur 16 erfolgreich verteidigen. Damit sitzen FSLN und YATAMA nun noch fester im Regierungssattel. Das ist eine gute Nach richt für mich als DED-Kooperant. Denn, obwohl die Zusammenarbeit mit FSLN und YATAMA nicht immer leicht ist, so lässt sich mit ihnen doch wenigs tens etwas bewegen. Tom Lippert, Puerto Cabezas Eine andere Raffinesse wurde vor allem von Seiten der FSLN massiv eingesetzt: FSLN-Anhänger fuhren mit großen Lastwagen und Taxis durch die Barrios und Dörfer und luden Leute auf, um sie zu den Wahlbüros zu bringen. Sie gaben dabei das Versprechen, diese auch wie der nach Hause zu fahren, falls sie das Kreuz an die richtige Stelle setzen wür den. Darüber hinaus waren sich insbe sondere die PLC-Parlamentarier nicht zu schade, direkt vor den Wahlbüros die Leute mit Handschlag zu begrüßen, um sie ein letztes Mal auf die PLC einzu schwören. In anderen Lokalen konnten YATAMA-Anhänger Fotos von PLCParlamentariern machen, die diese direkt vor den Wahlbüros bei der Übergabe von Geld zeigen, um die Menschen zu bewegen, eine entsprechende Wahlent scheidung zu treffen. Die peinlich er tappten PLC-Anhänger verlangten dar aufhin von der YATAMA, die Fotos zu Nachtrag: Sowohl YATAMA als auch PLC erhoben Widerspruch gegen Wahl ergebnisse in einigen Stimmbezirken und protestierten u.a. mit tagelangen Stra ßensperren und der Besetzung des Flug hafens in Puerto Cabezas. Zum Teil wurden die Ergebnisse inzwischen vom CSE (oberster Wahlrat) korrigiert. Wei tere Korrekturen können nicht ausge schlossen werden. Die endgültige Verei digung der gewählten Concejales wird am 4. Mai erfolgen. Immer eine gute Wahl: Sonne von einem Wahlbüro zum ande ren irrten. Aus Unwissenheit gingen einige von ihnen, ohne gewählt zu ha ben, nach Hause. Außerdem muss davon ausgegangen werden, dass in bestimmten Regionen bestimmte Parteianhänger nicht auf den Wahllisten standen. Auf der anderen Seite konnten andere Leute, www.staepa-berlin.de 59 • ATABAL DE NICARAGUA 15 16 ATABAL DE NICARAGUA • 59 Schwerpunkt Ernährungssicherheit für Frauen und Kinder Das ehrgeizige Projekt zur Sicherung einer angemessenen Ernährung auch der Ärmsten und am meisten Benachteiligten in San Rafael del Sur hat begonnen. Bis Ende 2008 werden in Kooperation mit unserer Partnerorganisati on CEDRU zahlreiche integrierte Maßnahmen im landwirtschaftlichen Sektor, im Gesund heitsbereich und auf sozialer Ebene durchge führt, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation führen wer den. Es muss gelingen, das Ausmaß an Unterund Mangelernährung, von denen ca. 40 Pro zent der Bevölkerung betroffen sind, deutlich zu reduzieren. Das Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union gefördert, aber wie immer muss der Verein einen erheblichen Ei genbeitrag leisten. Dafür bitten wir um Ihre Unterstützung Mit dem Spendensiegel bescheinigt uns das DZI, als einer von nur 200 unter allen bundesweit spenden sammelnden Organisatio nen, einen sparsamen und transparenten Umgang mit Spendengeldern. S P E N D E N K O N T O : Städtepartnerschaft Konto: 464 805 104 Postbank Berlin BLZ 100 100 10 Alle Spenden sind steuerlich absetzbar. Bitte vergessen Sie nicht auf dem Überweisungsträger. den Absender