Weggesperrt - Menschenrechtszentrum Cottbus eV

Transcrição

Weggesperrt - Menschenrechtszentrum Cottbus eV
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„Weggesperrt“
Geschichte künstlerisch gestalten
6. bis 9. September 2014
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Was heißt politische Haft? Welche Häftlinge kamen ins Zuchthaus Cottbus? Wie
gestaltete sich der Alltag hinter Gittern? Was gab den Häftlingen Halt, Trost und
Hoffnung? Welche Folgen hatte die Hafterfahrung für die Betroffenen?
Mit diesen und ähnlichen Fragen befassten sich drei Tage lang insgesamt 49 Schüler
des Max-Steenbeck-Gymnasiums und des Niedersorbischen Gymnasiums in der
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus. Das Kunstprojekt „Weggesperrt“ verknüpft die
historische Aufarbeitung der Geschehnisse vor Ort mit der Möglichkeit, das
Erfahrene in kreativer Tätigkeit zu verarbeiten.
Dabei konnten die Schüler zunächst auf die Berichte ehemaliger politischer
Gefangener zurückgreifen und das Zuchthausgelände erkunden, um sich bei der
anschließenden Bearbeitung themenbezogener Aufgaben über ihre Eindrücke und
Erkenntnisse auszutauschen. Unter der Führung sachkundiger Workshopleiter
drückten die Schüler an den beiden darauffolgenden Tagen das Erlebte und Erfühlte
mittels verschiedenster Kunstformen aus.
„Weggesperrt“ – Geschichte
künstlerisch gestalten
fachübergreifender mehrtägiger Workshop
in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
Abweichung, Verfolgung, Verrat, Trennung, Haft, Isolation, Verzweiflung, Tod,
Widerstand, Freundschaft, Solidarität, Liebe, Hoffnung, Freiheit
Das sind Themen, die jeden berühren. Aber für diejenigen,
die zu Unrecht ins Gefängnis kamen, haben sie eine besondere Bedeutung.
Das Zuchthaus Cottbus war neben Bautzen das
zweitgrößte Gefängnis der DDR und für Tausende
politische Gefangene die letzte Station vor dem
Freikauf in den Westen.
Zwischen 17.000 und 20.000 Menschen haben insgesamt zu den DDR-Zeiten hier in dem Gefängnis
gesessen. Zwischen 70 bis 80 Prozent sind hierher
wegen Verurteilung aus politischen Gründen gekommen, vor allen waren hier Republikflüchtlinge,
Ausreisewillige und Mitglieder kirchlichen Friedensgruppen eingesperrt.
Die Haftbedingungen waren in Cottbus besonders
berüchtigt. Für 600 Häftlinge vorgesehen, wurden
zeitweise bis zum 1.200 Menschen in diesem
Gefängnis zusammengepfercht. Und das Strafvollzugspersonal scheute manchmal nicht, Gewalt und
Folter gegenüber den Häftlingen anzuwenden.
Im Projekt lernt ihr ehemalige politische Häftlinge
kennen, sprecht mit ihnen am authentischen Ort
und reflektiert ihre Schicksale auf künstlerischer
Ebene in Szenischen Darstellungen, Bildern,
Texten, Medienprodukten und anderen Arbeiten.
Eure Werke werden anschließend in der
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ausgestellt.
Das Projekt besteht aus folgenden Bausteinen:
Baustein 1: Das Zuchthaus Cottbus und Zeitzeugen im Gespräch
Ihr informiert euch während des Besuches der Dauerausstellung und in einer Führung durch die
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus über deren Geschichte, erfahrt Wissenswertes zum Haftalltag und
besichtigt ehemalige Haftzellen. In einem Gespräch mit ehemaligen politischen Häftlingen lernt ihr
deren Schicksale kennen und könnt eure Fragen an sie richten. Ihr bearbeitet selbständig Aufgaben
und erfasst die Funktion des Strafvollzugs sowie die Haftbedingungen im Zuchthaus.
Baustein 2: Einzelschicksale in künstlerischer Darstellung
Viele politische Häftlinge haben ihre Gedanken, Gefühle, Erfahrungen während der Hat in Bildern,
Texten, Liedern verarbeitet. Ihr werdet Einzelschicksale auch mit Hilfe von verschiedenen Dokumenten, Bildern und Aussagen näher erforschen und erste eigene künstlerische Entwürfe anfertigen, in denen ihr Gefühle wie Wut, Verzweiflung, Angst, aber auch Freude, Hoffnung und Visionen
zum Ausdruck bringen sollt. Dabei werden euch professionelle Künstler sowie ehemalige Häftlinge
unterstützen. Hier könnt ihr zwischen folgenden Ausdrucksmöglichkeiten wählen:
 Bildende Kunst (Farbe und Linie als Emotionsausdruck, Modellieren menschlicher
Körpersprache, Zeichnungen auch auf Faltrollos)
 Szenische Darstellung (Rollenspiel Verhör, Knastalltag, Standbilder, Wiedergeben von
Gedanken und Empfindungen durch Bewegung, Gestik, Mimik)
 Erzählen und Literatur (Lyrik, Prosatexte, Einsatz literarischer Gestaltungselemente)
 Medien (Ton und Bild in einer Collage oder Hörspiel, Kunstfotografie, Experimentieren
mit Licht und Schatten)
Baustein 3: Abschluss und Präsentation der Arbeiten
In diesem letzten Baustein beendet ihr eure künstlerischen Darstellungen und präsentiert eure
Ergebnisse in der Gedenkstätte.
1. Tag: Das Zuchthaus Cottbus und die Zeitzeugen im Gespräch
Am ersten Tag lernten die Schüler bei der Führung durch die ehemaligen politischen
Häftlinge Siegmar Faust, Joachim Heise und Gino Kuhn die Geschichte des Veranstaltungsortes kennen. Im persönlichen Gespräch mit den Zeitzeugen hatten sie die Gelegenheit,
mehr über die Haftbedingungen in Erfahrung zu bringen und den Alltag hinter Gittern
nachzuempfinden.
Im Anschluss konnten die Teilnehmer ihr Wissen an verschiedenen Stationen mit Bezug
zum Thema politische Haft durch die Bearbeitung der vorliegenden Aufgaben vertiefen und
über ihr eigenes Verhalten in konkreten Situationen im Strafvollzug nachzudenken.
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Gino!Kuhn!!im!Gespräch!mit!den!Schülern!
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Joachim!Heise!!berichtet!über!den!Freikauf!!
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Führung!durch!die!Gedenkstätte!!
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Siegmar!Faust!im!Erzieherzimmer!
1. Tag: Das Zuchthaus Cottbus und die Zeitzeugen im Gespräch
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Auf!Erkundung!in!der!70erKJahreKZelle!
Auswertung!von!Zeitzeugenberichten!zum!
Thema!Zwangsarbeit!
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Skizzierter!Grundriss!einer!Zelle!!
Stillsitzen!als!Verhörmethode!der!Stasi!
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Beschäftigung!mit!dem!Thema!„Flucht“!
Haftalltag!in!der!50erKJahreKZelle!
2. Tag: Künstlerische Gestaltung in den Workshops
Die Projektteilnehmer teilten sich am zweiten Tag in 7 Workshops ein. Hier konnten sie ihre
erlebten Eindrücke unter Anleitung von Fachleuten durch verschiedene Kunstformen
ausdrücken.
Die angebotenen Betätigungsfelder reichen hierbei von Lyrik über Fotografie, bildnerisches
Gestalten und Tonaufnahmen bis hin zu tänzerischem Ausdruck.
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Malerei!und!Tonarbeiten!
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Anfertigen!einer!Geräuschcollage!
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Erproben!tänzerischer!Ausdrucksformen!
2. Tag: Künstlerische Gestaltung in den Workshops
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FotografieKWorkshop!
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LyrikKWorkshop!
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Kurzgeschichtenworkshop!
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3. Tag: Präsentation der Ergebnisse
Am letzten Projekttag stellten die Teilnehmer der verschiedenen Workshops sich gegenseitig die Produkte ihres künstlerischen Schaffens vor.
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LyrikKVorlesung!aus!den!Zellen!heraus!
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Durch!Langzeitbelichtung!erzeugtes!Kunstfoto!
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Schwarz
war der Himmel, als er aus dem
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verschmutzten
Wagen ausstieg, kein Gelb, kein
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Grün,
kein Rot, nur das Blau der Wärterkleidung.
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Sein
Rücken tat weh und seine Knochen
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knackten,
als er sich in der Schlange der
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Neuankömmlinge
einreihte. Bunte Reihe. Die
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Männer
in Blau standen vor ihnen, sprachen,
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stellten
Regeln auf, schlugen. Rot. Dann ging es
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zum
umziehen. Aus Bunt wurde grau.
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Präsentation!der!bemalten!Faltrollos!
3. Tag: Präsentation der Ergebnisse
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Vorlesen!der!im!Workshop!kreierten!Texte!
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Ausstellung!der!Tonarbeiten!
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Vorführung!einer!einstudierten!Choreografie!
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Vorstellung!der!im!Workshop!kreierten!Bilder!
3.!Tag: Präsentation der Ergebnisse!
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!Verkörperte!Emotionen!in!der!Arrestzelle!
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„ Bin ich wirklich diejenige, die gefangen ist?
Oder seid ihr es, die den Mauern
unterliegen? Große kalte Mauern, die sich
wie unberechenbare Manifeste durch eure
Gedanken ziehen, eure Welt in separate
Areale teilen.
Ihr seid die Gefangenen, patrouilliert stets
nur an eigener Mauer auf und ab, sogar im
Kreis.
Doch lassen wir einmal die Mauer ihrer ach
so heiß geliebten Moral fallen, das Ideal, fällt
dann ihr ganzes Leben?
Patrouillieren sie dann immer noch so stolz
vor mir? Oder werde ich es sein, die vor
ihnen patrouilliert, in einer freien Welt!“
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Text!aus!dem!Literaturworkshop!(Auszug)!
LyrikKVorlesung!aus!den!Zellen!heraus!
Feedback und Pressespiegel
Feedback der Schüler (Auszüge):
Ich fand die 3 Projekttage super und sehr empfehlenswert! Besonders toll fand ich
die Gespräche mit den Zeitzeugen.
Die Präsentation der verschiedenen Workshops war auch sehr einfallsreich &
insgesamt waren die 3 Tage sehr abwechslungsreich & lehrreich.
Alles war sehr gut organisiert & der Zeitplan wurde eingehalten.
…
Besonders gut gefiel mir die Zusammenarbeit mit Schülern aus dem
Niedersorbischen Gymnasium und die kreative Beschäftigung mit dem Thema.
Die Brutalität der Wärter war eine erschreckende Erfahrung. Ich konnte viel neues
über die Zeit in der DDR lernen und über Umstände im Zuchthaus.
Besonders wichtig fand ich die Vergegenwärtigun des Lebens der Gefangenen im
Zuchthaus.
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Mir haben die Tage im Zuchthaus gefallen. Mir war neu, dass es dort weder Pflanzen,
noch Gras gab.
Ich habe viel über dichterische Kunst gelernt und wie sich die Gefangenen gefühlt
hatten. Ich fand die Zeitzeugen besonders wichtig.
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Besonders wichtig fand ich die Zeitzeugen, da nur durch ihre Geschichten das Thema
wirklich begreifbar wurde und nicht einfach nur etwas Abstraktes blieb, in das man
sich nicht richtig hineinversetzen konnte.
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Audiobeitrag über das Projekt bei Radio Cottbus lief am
09.09.2014
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Ausstellung
Aus den vielen Kunstwerken entstand eine beeindruckende Ausstellung mit den Themenbereichen „Kontrolle“, „Widerstand“, „Sehnsucht“, „Trost(losigkeit)“, „Solidarität“, „Würdelosigkeit“, „Monotonie“, „Aussichtslosigkeit“, „Freiheitsberaubung“ und „Unterdrückung“. Sie
ist zwischen den Musterzellen in der Gedenkstätte platziert. So können unsere Besucher
die Ergebnisse der Workshops betrachten und die Zeitzeugen überprüfen, inwiefern sich die
heutigen Jugendlichen dem Thema „Politische Haft“ nähern und ihre Erfahrungen nachvollziehen können.
Überblick
„Weggesperrt“ – Geschichte künstlerisch gestalten
Projektablauf:
1) 15.08.-08.09.2014
Vorbereitung:
- Vorgespräche mit den verantwortlichen Lehrern
- Treffen der Workshopleiter, Klärung der Inhalte/Techniken,
Beschreibungen der Workshopgruppen und Einschreibung der
Schülerinnen und Schüler; Absprachen mit den Zeitzeugen
- Materialanschaffung, Raumplanung, Ablaufplan der Workshoptage
2) 09.09.-09.10.2014
Durchführung des Workshops, Präsentation und Nachbereitung:
- Zusammenkommen, inhaltliche Einführung, Zeitzeugengespräche,
Arbeitsaufträge zur politischen Haft im Zuchthaus Cottbus
- Arbeit in den Kunstgruppen mit den Workshopleitern (Reflexion des
Erlebten, Ideensuche, Auswahl der Themen, Techniken, Zusammenstellen
des Materials, praktische Umsetzung und Erstellen Produkte)
- Vorbereitung und Durchführung der Präsentation, Pressebesuch
- Auswertung der Workshops, Feedback der Schüler
3) 10.10.-31.12.2014
Ausstellung der Kunstwerke:
- Konzeption, Auswahl der Kunstwerke, Entwurf der Ausstellungsplakate
- Eröffnung der Ausstellung im Zuchthaus Cottbus am 07.11.2014
Teilnehmer:
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25 Schüler des Max-Steenbeck-Gymnasiums und
24 Schüler des Niedersorbischen Gymnasiums
mit den Lehrerinnen Heike Kaps-Brettschneider und Veronique Seidel
Veranstalter:
Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.
Kooperationspartner:
Kunstmuseum Dieselkraftwerk mit den Museumspädagoginnen Anke Palme und
Simone Fanniger, Gladhouse/Literaturwerkstatt mit der Leiterin Ines Göbel,
„Die TANZwerkstatt“ mit der Künstlerin Golde Grunske, Kunstfotograf Alex
Janetzko, Film- und Tonmacher Stefan Göbel,
die ehemaligen politischen Häftlinge des Zuchthauses Cottbus Joachim Heise,
Siegmar Faust und Gino Kuhn
Veranstaltungsort:
Menschenrechtszentrum Cottbus e.V./ Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
Bautzener Str. 140, 03050 Cottbus
Gesamtvolumen:
ca. 4350,00 €
Projektträger:
Menschenrechtszentrum Cottbus e.V./ Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
(Projektverantwortliche: Hana Hlásková/ Bildungsreferentin
Projektassistenz: David Spiegel/ Student und Praktikant im MRZ)
Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus
Tel.: +49 (0) 355 290133-15
Fax: +49 (0) 355 290133-33
Mail: [email protected]
Das erfolgreiche Projekt fand bereits zum dritten Mal statt, wird durch das
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg gefördert und
durch den gemeinnützigen Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“
unterstützt.
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