60 jahretagderbefreiung
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60 jahretagderbefreiung
8.MAi 1945 - 2005 60 JAHRE T A G D E R BEFREIUNG ✃ k t .y a m f o h t h g i e .w w w / / : p t t h h t t p : / / w w w. e i g h t h o f m a y. t k A N T I F A J U G E N D I N F O # 0 1 / 0 5 I N H A L T S V E R Z E I C H N I S & BRAINFOOD Deutsche Befreiung FINGERFOOD Protest ohne Eigenschaden der 8.Mai etwas ausführlicher beleuchtet S.05 Was ist Kritik ? eine Einführung in kritische Gesellschaftstheorie S.07 Untergang vs. Befreiung ein Film macht Geschichte S.08 Verhaltenstipps für Aktive S.18 Neonazidemos Warum und wie werden sie verhindert ? S.19 Nazikneipen in Friedrichshain / Lichtenberg ! S.21 Burschenschaften gibt es immer noch ! Definitionen S.22 NS, Fachismus und Nationalismus ab S.08 & 12 Rechte ChristInnen S.22 Identitätsstiftung mit Guido Knopp Neonazistrukturen : Scientainment der deutschen Art S.11 The Incredibles über genetische Auserwähltheit im Familienprogramm S.15 Create Yourself ! Zu Identität und kritischer in Mahrzahn-Hellersdorf S.23 Hohenschönhausen / Lichtenberg S.23 Bericht aus Pankow S.24 Auseinandersetzung S.16 Kontakte / Adressen & der Disclaimer ab S.26 EDITORIAL / VORWORT GENEIGTE LESERIN, GENEIGTER LESER DIESES JUGENDINFOS, genau 60 Jahre ist es nun her, dass die sowjetische Armee Berlin, die Hauptstadt des Nazireiches, eroberte und die Führung der deutschen Wehrmacht zur bedingungslosen Kapitulation zwang. Sechs Jahre lang, von 1939 bis 1945, hatte es gedauert, bis die sowjetischen, britischen, US-amerikanischen und französischen Truppen unter vielen Millionen Opfern die Barbarei, die von Deutschland seit 1933 ausgegangen war, bezwungen hatten. Menschen aus vielen Dutzend Ländern brachten dafür Opfer: Als SoldatInnen, PartisanInnen, WiderstandskämpferInnen und in vielen weiteren Funktionen. Der Sieg über Nazideutschland bedeutete das Ende des millionenfachen Massenmords an jüdischen Menschen, Roma und Sinti sowie zahlreichen anderen Gruppen. Diese Verbrechen, insbesondere der industrielle Massenmord an den jüdischen Menschen Europas, konnten nicht anders als durch den Krieg der Alliierten gestoppt werden. Weder die christlichen und humanistischen Traditionen, noch die linken und Arbeiterbewegungen Europas hatten der faschistischen Barbarei etwas Entscheidendes entgegenzuhalten. So entstand als Konsequenz des Sieges der Alliierten auch der Staat Israel, ein Schutzraum für alle vom Antisemitismus verfolgten mit der Fähigkeit zur Selbstbehauptung und Selbstverteidigung. Was aus Europa geworden wäre, wenn die Deutschen den Krieg gewonnen und ihre nazistischen Wunschvorstellungen verwirklicht hätten, lässt sich wohl am besten als riesiges KZ mit den Deutschen und ihren Hilfswilligen als Herrenmenschen und Aber auch jene „DemokratInnen“, die sich immer eilfertig von Neonazis und zu offenkundigem Nationalismus distanzieren, möchten ungeheuer gern und viel über das Leid der Deutschen reden, das diesen bei dem Versuch zugefügt wurde, ihrem mörderischen Treiben ein Ende zu setzen. Eine Mehrheit der deutschen Gesellschaft von heute berauscht sich an dem immer wieder spektakulär in den Medien aufbereiteten deutschen Leid des Kriegsendes und will einen Schlussstrich unter die doch immer noch – und nicht nur in Gestalt der Neonazis – gegenwärtige Vergangenheit ziehen. Am cleversten stellen sich dabei gerade diejenigen berufsmäßigen VertreterInnen Deutschlands an, die am lautesten ihren Abscheu vor alten und neuen Nazis und deren Verbrechen bekunden. Bei ihnen wird die deutsche Vergangenheit ein wirksames Argument, um erneut eine politisch, wirtschaftlich und militärisch mächtigere Rolle Deutschlands in der Welt einzufordern: Nicht trotz, sondern AufseherInnen beschreiben. Eine totale Herrschaft äußerster Verwertung und Vernichtung. Dass die Alliierten und AntifaschistInnen Nazideutschland stoppten, hat weltgeschichtlich die Möglichkeit des Gedankens allseitiger menschlicher Emanzipation gegenüber der Gefahr eines Triumphs des Terrors offengehalten. Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung unterstützte den Nationalsozialismus (NS) bis zuletzt und nahm die Eroberung und Besetzung Deutschlands durch die Truppen der Anti-Hitler-Koalition mitnichten als Befreiung, sondern als katastrophale Niederlage wahr. Freude und Erleichterung empfanden hingegen die Verfolgten und Feinde des Nazi-Regimes in den Konzentrationslagern und Gefängnissen, in den von der Wehrmacht besetzt gewesenen Ländern sowie im illegalen Widerstand. Bis heute noch lässt sich vielfach an der Einschätzung des 8. Mai als Befreiung oder Niederlage ablesen, in welche Traditionslinie jemand sich stellt – ob sie oder er sich mit der deutschen Volksgemeinschaft, den TäterInnen, identifiziert oder mit all jenen, die dem NS kritisch gegenüberstanden beziehungsweise von ihm verfolgt wurden. Bis heute prägt die Tatsache, dass die übergroße Mehrheit der historischen Deutschen aus Nazis bestand trotz aller regierungsamtlichen Gedenkfeiern den Umgang dieser Gesellschaft mit ihrer Geschichte. Es sind nicht nur die erstarkenden Neonazis, welche die Deutschen als unschuldige Opfer der Alliierten darstellen. Die Identifizierung mit den deutschen TäterInnen reicht bis weit ins sogenannte demokratische Lager. Etwa bis zur CDU in Berlin-Zehlendorf, welche jüngst den deutschen Toten gleichberechtigt mit den Opfern und GegnerInnen der Nazis gedenken wollte, und deren BVV-Mitglied Hippe die Worte entschlüpften, er könne doch auch nichts dafür, wenn er in manchen Fragen mit der NPD übereinstimme. Er und seinesgleichen können vielleicht wirklich nichts dafür: So was passiert halt, wenn man sich am Ende deutsch fühlt. *Konzentrationslager Plaszow - Heute 03 wegen Auschwitz seien die angeblich geläuterten Deutschen berufen, sich überall in der Welt einzumischen – selbstverständlich vollkommen uneigennützig (deutsche Großmachtambitionen werden nämlich deutscherseits immer mit höherer Moral begründet, während der Eigennutz beständig nur bei den Rivalen, vorzugsweise den USA und Großbritannien, vermutet wird). Exemplarisch führte Außenminister Fischer diese spezielle Art rot-grüner Vergangenheitsverwertung vor, als er 1998/99 den ersten Krieg Deutschlands nach 1945 mit der angeblich notwendigen Verhinderung eines neuen Holocausts in Ex-Jugoslawien rechtfertigte. Solch deutsche, sich antifaschistisch tarnende Selbstlosigkeit ist es wohl auch, die Deutschland immer wieder in mal mehr, mal weniger intensive Flirts mit den geschworenen Feinden Israels, der USA und jeglicher individuellen Selbstbestimmung führt: libanesischen Islamisten, autoritären Nationalisten aus China und Russland, iranischen Mullahs und palästinensischen Terroristen. . . . F O R T S E T Z U N G V O M V O R W O R T Das Heft, das Ihr in den Händen haltet, zeigt Einiges von der Bandbreite dessen, was an Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsverdrehung in Berlin und Deutschland so tobt, auch wenn gerade einmal nicht 8.Mai ist und die NPD das Ansehen Deutschlands und dessen nationale Symbole zu beflecken droht. Nach einer Auseinandersetzung mit dem 8.Mai 2005 folgen Beispiele über die üble Art und Weise, in der die deutsche Gesellschaft heute mit der Nazi-Geschichte umgeht. Darüber hinaus bietet die Rubrik „Brainfood“ ein paar nützliche Definitionen und den Versuch, unseren kritischen Umgang mit Gesellschaft nachvollziehbar zu machen. Unter „Fingerfood“ findet ihr nützliche Sachen für den praktischen Alltag. Einige Berliner Gruppen geben einen Überblick über Neonazi-Strukturen in ihren Regionen, gegen die das ganze Jahr über auf verschiedene Weise etwas unternommen werden kann – unabhängig von den durch die Medien gehypten Großevents der Rechten wie zum Beispiel Aufmärschen. Und last but not least gibt’s jede Menge Links, Lesetipps und Termine, damit es hier nicht bei Trockenübungen bleibt. Viel Spaß beim Lesen und „was starten“ gegen die Realität, wünscht euch ... SpuK in Pankow. subversive Philosophie & Kommunismus 04 D E R 8 . M A I E T W A S A U SF Ü H R L I C H E R B E L E U C H T E T 鵷 Dem Fanatismus der nationalsozialistischen Führung und ihrer zahlreichen AnhängerInnen war es zu verdanken, dass die Kapitulation des Deutschen Reiches erst am 8. Mai 1945 unterschrieben wurde, als Deutschland fast vollständig erobert worden war. Die totale Niederlage Deutschlands wurde selbstverständlich von der deutschen Bevölkerung auch als solche begriffen. Sie hatte mehrheitlich die Übernahme der Staatsgewalt durch die NSDAP gefördert, begrüßt oder zumindest toleriert. Sie hatte sich an der Entrechtung, Vertreibung und schließlich Ermordung der Jüdinnen und Juden beteiligt und die Verfolgung der Opposition als Ordnungsfaktor gewürdigt. Sie hatte so lange gekämpft, bis es unmöglich geworden war, weiterzukämpfen. Die für den Westen Deutschlands im Nachhinein ausgerufene „Stunde Null“ war nur insofern eine, als dass die öffentliche Kommunikation in Abgrenzung zur Nazi-Propaganda gewissen Regeln und Tabus zu folgen hatte. Das Alltagsempfinden hingegen war ganz anderer Art. Die alliierten Armeen, besonders die sowjetische, wurden als Besatzer begriffen, die Verbrechen des NS spielten keine Rolle, die Verschwörer des 20. Juli und alle Widerstandskämpfer galten als Verräter. Das Schicksal von Kriegsgefangenen und deutschen Flüchtlingen bestimmte die öffentlichen Debatten. Der 8. Mai ließ sich nicht als Positivereignis besetzen. Denn dieses Datum stand nicht nur für den vielfach begrüßten Neubeginn, sondern eben auch für das Ende einer Weltanschauung, die von einem Großteil der Deutschen unterstützt und getragen wurde. In den ersten Jahrzehnten der westdeutschen Gedenkkultur fand der 8. Mai kaum Beachtung. Erst ab den siebziger Jahren stellte sich hier ein langsamer Wandel ein, wobei meist zwischen dem verbrecherischen NS-Regime und der angeblich mehrheitlich unschuldigen deutschen Bevölkerung unterschieden wurde. Diese Unterscheidung sollte es den Deutschen in den folgenden Jahrzehnten immer besser erlauben, sich vom Nationalsozialismus (NS) zu distanzieren ohne sich selbst zu verleugnen. Eine ganz andere Bedeutung besaß der 8. Mai hingegen in der Sowjetischen Besatzungszone und schließlich in der DDR. Hier war der 8. Mai - maßgeblich von der Sicht der Sowjetunion beeinflusst - von Anfang an ein „Tag der Befreiung“: Das in seiner Allgemeinheit unschuldige deutsche Volk sei von einer relativ kleinen faschistischen Clique unterdrückt und in den Krieg getrieben worden. Für das deutsche Volk war in dieser Logik der 8. Mai ein Tag der Befreiung vom „Hitlerfaschismus“. Die politische Führung der DDR kam aus einer kommunistischen und antifaschistischen Tradition. Ein Großteil von ihnen hatte den NS in Gefängnissen, Lagern oder im Exil verbracht. Ihr Versuch, aus dem Ostteil Deutschlands einen antifaschistischen und sozialistischen Staat zu bilden, stieß auf enorme Widerstände. Die DDR-Führung wollte die DDR in eine antifaschistische Tradition stellen. Die DDR-Bevölkerung musste also zu AntifaschistInnen oder zumindest zu Nicht-Nazis verklärt werden. Die Unterscheidung von „Faschisten“ - so der DDR-Sprachgebrauch - und Deutschen wurde so zum wesentlichen Bestandteil der ostdeutschen Gedächtniskultur. Der im NS aktivere Teil der deutschen Bevölkerung, die „Faschisten“, wurden dementsprechend verfolgt, verurteilt und teilweise hingerichtet. In der DDR musste eine Entnazifizierung nicht verordnet werden, sondern entsprach dem Selbstverständnis der Staatsführung. Dem Rest der deutschen Bevölkerung bot die DDR-Führung mit dem relativ schnell entwickelten antifaschistischen Staatskult die Möglichkeit der Läuterung. Das permanente antifaschistische 05 鵷 Bekenntnis und Gedenken sollte die DDR-Bevölkerung zu wahrhaften AntifaschistInnen werden lassen. Hier wurde in viel umfangreicherem Maße als im Westteil die Umerziehung der von der Nazi-Ideologie geprägten Bevölkerung versucht. Ihre Hingezogenheit zu dieser Ideologie spielte dabei nie eine Rolle. Hierin waren sich West und Ost einig. Man wollte die Deutschen nicht kollektiv als TäterInnen bezeichnen. Ebenso blieben die Verbrechen des NS in den Gedenkveranstaltungen um den 8. Mai herum nebelhaft. Sie wurden erwähnt, aber nicht ausgeführt. So gab es außer den Deutschen kaum noch Opfer. Zumindest in der DDR wurden jedoch zwei Opfergruppen genannt: die (deutschen) KommunistInnen und das sowjetische Volk. Die Ermordung der europäischen Juden und Jüdinnen, das zentrale Projekt des deutschen NS, spielte hingegen weder in der BRD noch in der DDR eine größere Rolle. DEUTSCHE BEFREIUNG In der DDR hatte sich 1985 an der grundsätzlichen Ausrichtung des Gedenkens nichts geändert. Der 40. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar wurde feierlich begangen. Im Zentrum standen hier jedoch nicht die vorwiegend jüdischen Opfer des Lagers, sondern die spezifische Rolle der Roten Armee bei der Befreiung. Neu war im Jahre 1985, dass sich eine Friedensbewegung im Dunstkreis der Kirchen herausgebildet hatte. Aus dieser heraus kam es seit den frühen achtziger Jahren zu immer mehr Initiativen, die in Dresden der alliierten Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 gedenken wollten, so dass sich die SED genötigt sah, das Gedenken selbst zu organisieren, um der Friedensbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. In seiner Hauptrede vermied DDR-Staats- und Parteichef Honecker irgendwelche Anklagen gegen die Alliierten, sondern verwies bestimmt auf Oradour, Coventry, Buchenwald und Auschwitz und ordnete somit die alliierten Luftangriffe auf Dresden in den historischen Kontext ein. Neu war auch, dass ein hochrangiges Politbüro-Mitglied bei einer Gedenkveranstaltung im April 1985 in Buchenwald erstmals an herausgehobener Stelle die jüdischen Opfer des NS erwähnte. BRD wie DDR war gemein, dass sie auch weiterhin die Unterscheidung von deutschen Opfern und Nazi-TäterInnen aufrecht erhielten und eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen und den tatsächlichen TäterInnen des NS scheuten. 鵷 鵷 Die Entdeckung der Opfer - Der 8. Mai 1995 Die 1985 in Westdeutschland durch Weizsäcker vorgegebene Form des Erinnerns hat sich in den Folgejahren als offizieller Gedenkautomatismus verselbständigt. Das Ende der DDR brachte zunächst die vollständige Verdammung ihres staatsoffiziellen Antifaschismus im wiedervereinigten Deutschland, der als historische Ungerechtigkeit, Unaufrichtigkeit, Verlogenheit abqualifiziert und dessen positiver Gehalt schlicht geleugnet wurde. Die Besonderheit lag 1995 ganz wesentlich in der Entdeckung der Opfer - der tatsächlichen Opfer des NS sowie der Wiederentdeckung der „deutschen Opfer“. Die Sprachregelung, den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu bezeichnen, hatte sich 1995 fast vollständig durchgesetzt. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass über die TäterInnen noch immer kaum geredet wurde, vielmehr jedoch über die Opfer, wobei die deutschen „Opfer“ der allgemeinen „Opfermasse“ hinzugeschlagen wurden. Bis in die neunziger Jahre waren die Hauptargumente derjenigen, die den 8. Mai nicht als „Tag der Befreiung“ verstanden wissen wollten, die Teilung Deutschlands in zwei Staaten, der Vormarsch des Kommunismus sowie die außenpolitische Beschränkung der BRD. Diese Gründe fielen 1990 allesamt weg. Nur noch überzeugte Nazis konnten angesichts der hervorragenden weltpolitischen Stellung des neuen Deutschlands im Zusammenhang mit dem 8. Mai ausschließlich von einer Niederlage sprechen. Weiter ins Zentrum der Gedenkpolitik rückt damit die deutsche Opfergeschichte und der Versuch, den Zweiten Weltkrieg als gemeinsames europäisches, wenn nicht gar weltweites Trauma zu verankern. Für die deutsche (Gedenk-)Politik gilt es, den Zweiten Weltkrieg und besonders den Holocaust immer weiter zu verallgemeinern. Deutschland fordert von den europäischen Staaten, besonders von Frankreich, Großbritannien und Polen, sich ebenfalls zu ihrer Mitschuld am Holocaust zu bekennen. Somit wird das „Menschheitsverbrechen Auschwitz“ und der gesamte Zweite Weltkrieg immer mehr zu einer europäischen Angelegenheit uminterpretiert, mit verschiedenen Opfern und verschiedenen TäterInnen. Die Deutschen, die hauptsächlich für den Krieg, den Terror und die Ermordung von vielen Millionen Menschen verantwortlich waren, erscheinen nun immer mehr als eine TäterInnengruppe unter all den anderen. Der Text ist entliehen, gekürzt & überarbeitet aus der aktuellen Phase2 Anzeige Gedenkmarathon 2005 Der Antritt der rot-grünen Bundesregierung im Jahre 1998 war ausschlaggebend für eine Neubewertung des NS. Das offizielle Gedenken bekennt sich mittlerweile zu den Verbrechen des NS, zu den Deutschen als TäterInnen und zu der Tragweite von Auschwitz. Doch trotz abstrakter Gedenkfeiern ist der deutschen Bevölkerung und der deutschen Öffentlichkeit das „deutsche Leid“ wesentlich näher. Ausführlich thematisiert werden der Bombenkrieg der Alliierten, die Umsiedlung, Flucht und Vertreibung vieler Deutscher und seit Ende Januar „die letzten 100 Tage des NS-Deutschlands“. 06 W A S I S T K R I T I K ? E I N E EINFÜHRUNG IN KRITISCHE GESELLSCHAFTSTHEORIE V O N A L E Seit Karl Marx vor 150 Jahren anfing, seine „Kritik der politischen Ökonomie“ zu entwickeln, versuchen kritische TheoretikerInnen den Hebel zu finden, mit dem sie die Gesellschaft aus den Angeln heben können. Grundlegend für jede Gesellschaftskritik ist die Ablehnung gängiger bürgerlicher Erzählungen, z.B.: - jeder ist seines Glückes Schmied - jede bekommt einen Arbeitsplatz, wenn sie sich nur fleißig genug abrackert. - Individuen wägen Kosten und Nutzen ab und treffen damit die für sich besten Entscheidungen, wenn sie nur nicht zuviel von Staat und Gesellschaft gegängelt werden. Im Gegensatz dazu werden Individuen begriffen als eingebunden in gesellschaftliche Verhältnisse, was ihr Leben und die Vorstellungen davon entscheidend prägt. Kritik dieser Verhältnisse bedeutet nicht, alles beschissen zu finden - was die Deutschen sehr gut können - und möglichst schnell Schuldige („kriminelle Ausländer“, die Europäische Union, die Banken) für wirtschaftliche Miseren oder den „Teuro“ auszumachen. Die Kritik von Gesellschaft hat auch nichts mit Moral zu tun (Moral: nicht diskutierbare Festlegungen, wie Menschen sich verhalten sollen). Kritische Theorien beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie Herrschaft in modernen Gesellschaften funktioniert. Wer beherrscht wen und wodurch? Vor der französischen Re- X W I N T E R volution waren die Verhältnisse noch halbwegs klar: die göttliche Ordnung setzte den König über seine Untertanen ein, den Bauern wurde ihr Mehrprodukt von Feudalherren abgezogen und alte Männer herrschten über ihre Familien. In modernen Gesellschaften sind die Bürger – inzwischen sogar Arme und Bürgerinnen – „frei“ und vor dem Gesetz gleich. Diskriminierung ist uncool geworden, teilweise sogar staatlich sanktioniert. Jede kann demokratisch an ihrem Staat partizipieren, in die Lieblingspartei eintreten oder diese zumindest wählen. Jede verkauft ihre Produkte, bzw. wenn sie keine Produktionsmittel besitzt, ihre Arbeitskraft auf dem freien Markt und kann dafür konsumieren, wie’s ihr beliebt. Indem jede ihr privates Gewinninteresse verfolgt, sichert sie damit gleichzeitig den materiellen Wohlstand aller. Kritische GesellschaftstheoretikerInnen verschiedener Richtungen stimmen darin überein, dass damit erst ein Teil der Geschichte erzählt ist. Marx und seine NachfolgerInnen konnten zeigen, wie über Produktionsverhältnisse versachlichte abstrakte Herrschaft aufgeübt wird und wie Ausbeutung und Aneignung im kapitalistischen Weltsystem funktionieren. In den letzten drei Jahrzehnten gerieten dann vor allem die Konstruktion von Geschlechtsidentitäten und rassistischen Zuschreibungen in die Kritik. Die Debatten haben sich von den objektiven Zwängen der Verhältnisse, von denen Marxisten ausgehen, hin zu der Frage verlagert, wie Individuen zu Subjekten – also zu anerkannten gesellschaftlich Handelnden – werden und wie dabei Herrschaft verinnerlicht und verkörpert wird. Die Institutionen und Mechanismen, die moderne Subjekte hervorbringen, sind von Michel Foucault zuerst umfassend thematisiert worden. Als zentrale Kategorie tauchten gleichzeitig „Diskurse“ - Apparaturen zur Produktion gültigen Wissens - auf und damit die Frage, wie gesellschaftlich anerkannte Wahrheiten produziert werden. Damit kommen GesellschaftskritikerInnen nicht mehr umhin, die Voraussetzungen ihrer Kritik und ihren eigenen Standpunkt selbst in ihre Kritik mit einzubeziehen. Trotz zahlreicher gegenseitiger Vorwürfe und Beschimpfungen (z.B. „objektivistischer Dogmatismus“ oder „PoMo-Scheisse (Postmoderne)“) sollte inzwischen klar sein, dass reflektierte umfassende Herrschaftskritik sich zwar nicht mit allen Themen gleichzeitig beschäftigen kann, aber die Verknüpfungen und Zusammenhänge zwischen Herrschaftsmechanismen von Kapitalismus, Nationalismus und Antisemitismus, globalen Gewaltverhältnissen, Rassismus, Sexismus und patriarchalischen Familienstrukturen mitdenken muss. Ansonsten kommt es dazu, dass einige Kritikerinnen internationaler Herrschaftsverhältnisse (gemeint sind AntiimperialistInnen und GlobalisierungsgegnerInnen) in fiesen Antisemitismus verfallen oder Frontfrauen der alten bundesdeutschen Frauenbewegung wie Alice Schwarzer ihren Frieden mit der Nation machen und dadurch genauso wie die karibische Avantgarde der Antideutschen (gemeint sind einige AutorInnen der „Bahamas“) zu hemmungslosen Rassistinnen mutieren; oder KapitalismuskritikerInnen gleichzeitig zu sexistischen AntifeministInnen werden können. Zweck des Vereins ist Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Völkerverständigung. Dieser Vereinszweck wird insbesondere verwirklicht durch wissenschaftliche Forschung, die Veröffentlichung der so gewonnenen Erkenntnisse in Druck- und EDV-Medien und durch Abhaltung von Kolloquien, Diskussionsforen, Bildungs- und Aufklärungsveranstaltungen über: * Antisemitismus und Rechtsextremismus * jüdische Kultur in Geschichte und Gegenwart * Entstehung und Entwicklung des Staates Israel sowie dessen Einbindung im Nahen Osten. Ganz besondere Berücksichtigung finden hier Publikationen und Veranstaltungen im Bereich der neuen Medien. Dies gewährleistet einerseits hohe Effektivität und Verbreitung andererseits ist eine nachhaltige Wirkung garantiert, da alle Ergebnisse auch weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich gehalten werden. Es ist klar, dass hierfür geeignete Mittel durch Beiträge und Umlagen, Spenden, Zuschüsse und sonstige Zuwendungen eingesetzt werden müssen. Dabei verfolgt der Verein haGalil e.V. ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und ist selbstlos tätig. Spenden daher bitte an: BLZ 701 900 00 Konto Nr. 872 091 hagalil .co m 07 UNTERGANG BEFREIUNG VON TRICK MARIUS & TRACK VS. FREUD (EAG) & (DESPERADOS.BERLIN) In den medialen und politischen Auseinandersetzungen um den Film „Der Untergang“ fällt des öfteren der Begriff „Normalisierung der Geschichte“ ohne das genau erklärt wird, was eigentlich damit gemeint ist. Wir wollen hier kurz diese beiden Begriffe klären, um hinter die Bedeutung dieses Schlagwortes zu kommen. In der Welt der Audiobearbeitung bedeutet „Normalisieren“ die Lautstärke einzelner Instrumente in einem Arrangement oder verschiedener Stücke einer CD einander anzupassen. Durch diese Manipulation wird eine harmonische Wahrnehmung ermöglicht. „Geschichte“ besteht aus den Fakten und den dazugehörigen Interpretationen. Die HistorikerInnen haben deshalb in einer Gesellschaft die Aufgabe, die Ereignisse und Daten zusammentragen und durch ihre Präsentation, die Bilder von der Vergangenheit und ihre Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft zu formen. Menschen, die von einer „Normalisierung der Geschichte“ reden, möchten das Bild des Nationalsozialismus verändern. Die Zeit des NS erscheint ihnen durch Weltkrieg und Holocaust als ein sehr starker Ausschlag der Amplitude der Geschichte. Dieser ist so übersteuert, das den Menschen die Ohren schmerzen und alles was an Geschichte danach kam und kommt, kein Gehör mehr finden kann. Um dem Danach den Klang möglich zu machen, muss der Ausschlag des Nationalsozialismus abgesenkt werden. Die „Normalisierung von Geschichte“ will deshalb eine neue Wahrnehmung der historischen Fakten in der Gegenwart kreieren. Gleichzeitig will sie die gegenwärtigen „übersteuerten“ Bilder „normalisieren“. Das Ziel ist eine Revision der Geschichte, um sich wieder ohne schlechtes Gewissen als „deutsch“ identifizieren zu dürfen. Unser Artikel soll deshalb nicht einfach die nächste Rezension sein, sondern wir wollen vor allem den Kontext von Film und Filmemachern kritisch untersuchen und zeigen, wie „Normalisierung“ funktioniert. scheint ihnen ein positives Bekenntnis zu Deutschland wieder möglich. In eben diese Kerbe soll auch das Projekt „Der Untergang“ schlagen: die Debatten über den Faschismus, die wissenschaftlichen Theorien verwirft Eichinger als falsch. Nach seiner Ansicht verstellen sie durch Ideologisierung den objektiven Blick auf die Vergangenheit. Deshalb fordert er einen neuen kreativen Umgang mit dem Thema ein, und dieser muss deutsch sein. Eichingers größte Sorge galt der Sicherung der Buchvorlage für eine deutsche Produktionsfirma, damit sich nicht etwa Hollywood des Themas annähme. Nur dadurch schien es Eichinger möglich, sein Konzept zu verwirklichen. „..und so gibt es keine Ausflüge zu KZ-Befreiungen oder Kämpfen an der Oder, einzig die zwölf letzten Tage in und um den Bunker zu Berlin.“(1). Zu diesem Ansinnen passt auch die Auswahl einer Quelle für das Drehbuch: die Hitlersekretärin Traudl Junge, die von allem nichts gewusst haben will und im Abspann durch diese Aussage dem Film die Begründung verschafft, nicht von den Verbrechen der Deutschen reden zu müssen. Sie ermöglicht den neuen Blick, den der Regisseur Oliver Hirschbiegel in Interviews beschwört. Er fordert den selbstbewussten Umgang der Deutschen mit der Nazizeit und lehnt ebenfalls die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte als irrig ab. Er redet lieber vom Blut der Deutschen und von den deutschen Tugenden, mit denen der Film in Pflichterfüllung fertiggestellt worden sei. Er hofft auf die Möglichkeit eines positiven nationalen Bekenntnisses durch eine neue Deutung der Geschichte ohne Vorverurteilungen. Trotzdem sehen Hirschbiegel und Eichinger ihr Projekt als wertungs- und ideologiefrei an. Das beste Argument gegen diesen angeblich unpolitischen Anspruch ist ihr eigener Film. ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ B E G R I F F S K L Ä R U N G : N A T I O N A L S O Z I A L I S M U S In der kritischen Wissenschaft ist die Frage noch ungeklärt, ob der NS den deutschen Sonderfall des Faschismus oder einen völlig neuen Typus darstellt. Jedenfalls stellt der Antisemitismus als grundlegendes Element des NS kein Merkmal aller Faschismen dar, obwohl jeder Faschismus schnell und leicht an jede Form von Rassismus und Antisemitismus angedockt werden kann. Auch sonst teilen Faschismus und NS viele Wesensmerkmale. Doch während für den Faschismus der totale Staat Endpunkt des Strebens ist und sich in das so gebildete nationalstaatliche Kollektiv manchmal auch Menschen Eichinger und Hirschbiegel - das national befreite Duo Im letzten Herbst kam der von Bernd Eichinger produzierte Film „ Der Untergang“ in die Kinos. Eichinger zählt zu den erfolgreichsten Produzenten der hiesigen Filmindustrie und ist bekannt für Streifen wie „Der Schuh des Manitu“ und „Der Name der Rose“. Er wollte schon immer einen Film über das sogenannte „Dritte Reich“ drehen, weil es auf ihn eine starke Faszination ausübt. Eichinger interessierte sich seit langem für Diktaturen und warum Menschen ihnen anhängen und seine Kenntnisse ermöglichten es ihm, die Drehbuchvorlage zu schreiben. Eichinger spricht gerne von totalitären Staaten und macht keinerlei graduelle Unterscheidungen zwischen ihnen in seinen Interviews. Er bezieht sich dabei auf die sogenannte Totalitarismustheorie, die Anfang der 80er Jahre in der damaligen Bundesrepublik aufkam. Sie konstruiert einen allgemeinen diktatorischen Kontext in den 30er Jahren, um die Entstehung des deutschen Nationalsozialismus (NS) zu erklären. Den meisten VertreterInnen dieser Theorie geht es nicht um einen wissenschaftlichen Vergleich. Sie wollen vielmehr dem NS seine Einzigartigkeit nehmen, um ihn zu mildern. Dadurch 08 einreihen dürfen, die rassistischen und antisemitischen Normvorstellungen nicht entsprechen, steht für den NS das wie ein höheres Wesen gedachte „Volk“ (also dessen „Blut“ und „Geist“) im Zentrum. Der totale Staat ist das Mittel, alles auszumerzen, was den „Volkskörper“ verunreinigen könnte. Sämtliche Individuen und Gruppen werden in eine vermeintlich naturwissenschaftlich begründete Wertigkeitsskala eingeordnet, an deren positiven Pol die blonde und blauäugige „nordische Rasse“ und an deren negativen Pol eine „jüdische Rasse“ sich befindet. Letztere wird einerseits mit Zügen der „Untermensch- Ein Katastrophenfilm Filme über die Nazizeit haben seit den letzten Jahren in Deutschland Konjunktur: die ZuschauerInnen konnten mit Nazisoldaten im Kriegsfilm „Stalingrad“ die Eiszeit der deutschen Kriegsmaschinerie betrauern und in „Napola - Elite für den Führer“ die sozialen Errungenschaften des Nationalsozialismus in Ferienlageroptik bewundern. Der Film von Eichinger lässt sich ohne weiteres in diese Selbstbespiegelungen der Volksgemeinschaft einfügen. Es wurde viel darüber diskutiert ob der Film herausragend sei, da er Hitler so menschlich zeige, oder gefährlich, weil er ihn vielleicht zu einem Helden mache. Aber eigentlich ist Hitler gar nicht das Thema des Films. Wenn Eichinger seinen Film als Katastrophenfilm bezeichnet, dann meint er damit die Niederlage der Deutschen. Und diese Niederlage wird in aller epischen Breite vorgeführt: Die Leiden der Berliner ZivilistInnen, die tapfer sterbenden Soldaten, die Schreie der Verwundeten in den Lazaretten. Nicht ein Bild wird uns gezeigt von exekutierten Häftlingen, von Menschen, die sich verstecken mussten und nicht ein einziger sterbender Soldat der Roten Armee. Stattdessen wird uns unkritisch Moral gepredigt. Es wäre unehrenhaft und feige, den Führer so kurz vor dem Ende zu verlassen. Die Suizide der Offiziere werden uns als soldatisch ehrenhaft vorgeführt, die mit der Furcht vor Verantwortung nichts zu tun haben. Der Film kommt nicht daran vorbei, Charaktere zu schaffen, die entweder auf Ablehnung stoßen oder mit denen die ZuschauerInnen sich identifizieren sollen. Auf der Seite der Schlechten stehen ganz klar Goebbels und seine Frau, die nicht nur sich selbst sondern auch ihre Kinder umbringen. Als Identifikationsfiguren werden einem die Wehrmachtsoffiziere, der SS- Arzt Schenk, Traudl Junge und Albert Speer angeboten. ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ ✒ lichkeit“ gemalt, während andererseits dem „Judentum“ dämonische Macht zugeschrieben wird. Der Vernichtungs-Antisemitismus als Kernstück des Nationalsozialismus läuft darauf hinaus, jüdischen Menschen mittels Verschwörungstheorien die Verantwortung für sämtliche als negativ empfundenen gesellschaftlichen Erscheinungen anzudichten, vor allem für die Zustände und Folgen kapitalistischer Vergesellschaftung. Logische historische Konsequenz dieser Paranoia war der über die Stufen der Verfolgung, Entrechtung, Vertreibung und des Unsichtbar- und Unhörbarmachens zum industriellen Massenmord an den jüdischen Menschen und anderen Gruppen treibende Rassenwahn des Hitler- Regimes und einer Mehrzahl der Deutschen. Äußerliches Merkmal des NS ist die ständige Mobilisierung und Fanatisierung der Bevölkerungsmassen. Mittels einer flächendeckenden, intensiven Propaganda, der Durchorganisierung der gesamten Bevölkerung in quasi-militärischen Massenorganisationen (z.B. der Hitlerjugend) und ständigen Großveranstaltungen, Aufmärschen und Kampagnen sollte ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt und jeglicher Rest kritischen, eigenständigen Denkens abgetötet werden. 09 Obwohl es in diesem Film hauptsächlich um die Darstellung der letzten Tage im Bunker gehen soll, bekommen wir trotzdem einen angeblich objektiven Blick von der bis zum Schluss verzweifelt kämpfenden Wehrmacht geliefert. Eine der Hauptpersonen aus diesem Spektrum ist General Weidling. Dieser ist eigentlich nur ein ganz typischer General, mutig und - was ihn sympatisch machen soll - auch noch mit Gewissen gesegnet. Ihn, wie den SS- Brigadeführer Mohnke, können wir nun bei dem Versuch erleben, die drohende Niederlage abzuwenden. Wie alle anderen Militärs in dem Film tun sie wirklich ihr Möglichstes, aber irgendwie klappt es nicht. Sie sind einfach nur tapfer kämpfende Soldaten und sie können einem wirklich leid tun, weil die Russen so stark sind. Wehrmacht und SS sind in diesem Film nicht mehr verbrecherische Organisationen, deren Blutspur durch ganz Europa führt und die jetzt dafür ordentlich auf den Stahlhelm kriegen. Nein, der Film deutet sie einfach zu heroischen Verteidigern einer Großstadt um. Es kommt den Filmmachern gar nicht in den Sinn, diese Verteidigung als falsch zu problematisieren. Sie beleben lieber wieder das Bild vom sauberen deutschen Soldaten, ein Bild, das spätestens mit der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ als Lüge entlarvt wurde. Werfen wir einen Blick auf die Identifikationsfigur SS-Arzt Doktor Schenck. Jener wird uns als sorgenvoller Gutmensch vorgestellt, der sein Leben riskiert, um die benötigten Medikamente für die deutsche Bevölkerung zu besorgen. Schenck war bekannt für sein gesteigertes Interesse, die Nahrungsmittelknappheit der deutschen Bevölkerung zu bekämpfen. Was uns der Film aber nicht zeigt, sind seine Versuche, eine Art Proteinnahrung aus Abfällen herzustellen, die er an einigen hundert KZ-Häftlingen ausprobierte, die teilweise daran starben. Außerdem ließ er die Häftlinge in Dachau auf einer Heilkräuterplantage schuften. Im Film wird ihm durch die Konfrontation mit Offizieren der Waffen-SS plötzlich klar, dass alle irgendwie wahnsinnig sind. Die zwölf Jahre vorher mit Deportationen, Konzentrationslagern und Vernichtungskrieg scheinen allerdings vollkommen in Ordnung gewesen zu sein. Der historische Schenck machte sich übrigens einen Namen in der NS-Literatur, indem er Durchhalte-Prosa veröffentlichte. Die handelnde Figur wird vollständig von ihrer Biographie losgelöst und verfälscht dadurch die Wahrnehmung der Person bei den ZuschauerInnen. Diese Technik wird in „Der Untergang“ dauernd gebraucht und uns als vorurteilsfreie Betrachtung der Wirklichkeit verkauft. Der Anspruch des Films, eine historische Quelle zu sein, führt sich damit selbst ad absurdum: „Das Problem (...) liegt nicht darin, dass er Figuren erfindet, sondern dass er viel zu viel Geschichte braucht, um sich glaubhaft zu machen und dadurch Geschichte verzeichnet.“(2) Das Gleiche geschieht mit der Traudl (obwohl sie in diesem Film als Sekretärin keine vordergründige Rolle spielt) und dem Architektenfreund Hitlers, Albert Speer. Letzterer wird uns als netter, sogar mutig opponierender Freund Hitlers präsentiert, der die Zerstörung der deutschen Infrastruktur wegen menschlicher Bedenken ausgesetzt hat. Die Frage, die sich im Besonderen bei dieser Figur stellt, ist, inwieweit die dargestellten Dialoge wirklich authentisch sind. Der Film nimmt die einzig von Speer überlieferten Ereignisse für bare Münze ohne weiter die Motivation des ehemaligen Rüstungsministers und verurteilten Kriegsverbrechers zu hinterfragen. ✒ Films durch verschiedene Politiker wie Gerhard Schröder Die meisten Quellen zum Nationalsozialismus liegen in und Helmut Kohl. Der Film setze auf Mitleidseffekte und Form von monologischen Texten vor, die von den Autoren die vorbewusste Mythisierung der Nazi-Spitzen ohne echdes Drehbuchs in eine zugespitzte dialogische Fassung getes Verstehen, weil er politische Zusammenhänge (und bracht werden müssen. Keiner von den im Film dargestellVerbrechen) durch Alltagsepisoden ersetze. Seinen Erfolg ten Dialogen ist überliefert. Zudem lebt ein Spielfilm von verdanke der Film der Tatsache, dass er die Wünsche nach Inszenierung: Schnitte, Szenenwechsel und Verkürzungen Identitätssicherheit ohne konfliktive Nachfragen erfülle. verleihen ihm Spannung. Daraus ergibt sich, dass ein SpielDurch die filmische Scheinnähe zu den Tätern erschwere er film nicht authentisch sein kann. Eichinger und Co. aber das Denken mit den Opfern. Ein solcher Film ist nach Anspielen sich auf, als sei ihr Film die einzig wahre Quelle zu sicht der PsychologInnen psychologisch verantwortungslos den letzten Tagen des deutschen Faschismus. und gefährlich. Noch kurz ein Wort zur musikalischen Untermalung. Sie Der Film ist aber auch in politischer Hinsicht gefährlich, setzt immer dann sehr getragen ein, wenn die im heldenindem er durch seine Normalisierung (Herunterspielen haften Abwehrkampf stehende deutsche Volksgemeindurch Ausblendung) indirekt das Angebot einer positiven schaft Opfer zu beklagen hat. Und der Gipfel der Frechheit Identifizierung mit Deutschland macht. Er hinterfragt weist der Abspann, wo sie die Informationen zum weiteren Leder die sogenannten „deutschen Tugenden“ wie Gehorsam bensweg der armen Nazis untermalt. Schade, dass sie alle und Pflichterfüllung, noch thematisiert er die Opfer dieser ins Gefängnis mussten. Aber vielleicht wäre der Abspann Werte. Als Beispiel, wie es auch anders ginge, seien hier peppiger geworden, wenn Hirschbiegel gewusst hätte, die Filme „Aus einem deutschen Leben“, „Holocaust“ und dass Mohnke bis ins hohe Alter noch Grußbotschaften bei „Geh und sieh“ angeführt, die erzählen, wie gerade ganz Naziaufmärschen ausrichten ließ. normale Menschen durch diese Tugenden zu Verbrechern Abschließend sollen hier noch ein paar Worte zu dem Aufwerden. Sie zeigen, dass die deutsche Identitätsbildung hänger Hitler verloren werden. Der größte Teil der Unternach außen als negative Gegenbilder die Juden/Jüdinnen gang-Debatte kreist die meiste Zeit um die Frage, wie und und andere sogenannte „Untermenschen“ benötigte, die in welchem Kontext Hitler gezeigt werden darf. War er nett als nicht lebenswert betrachtet zu Frauen, hat er auch im privaten wurden. Leben geschrien, zitterte seine Hand und hatte er vielleicht WAR ER sogar Sexappeal? NETT Z U FRAU Doch welche Relevanz HAT ER EN, AUCH I hat diese persönliche BeM PRIV ATEN trachtung Hitlers für ein Verstehen der damaligen Zeit? Diese LEBEN GESCHR hätte nur dann eine Berechtigung, wenn IEN, alles, was damals geschehen ist, nur ihn zur Ursache hätte. Der „Untergang“ wärmt eine olle Kamelle der NachkriegsZITTERT zeit wieder auf, indem er uns erzählt, dass E SEINE Hitler alle in seinem Bann gehalten hätte. Er HAND betreibt „Normalisierung“, indem uns das Kollektiv UND HA TTE ER der TäterInnen als Opfer von Hitler präsentiert wird, der es in irgendeine katastrophale Situation geführt VIELLEI CHT SOG hat. AR SEXAPP Der „Focus“ brachte es unfreiwillig auf den EAL? Punkt, als er in seiner Filmankündigung über Hitler schrieb, er sei „ein Barbar, der sich noch in den Stunden seines Niedergangs in grenzenloser Verblendung maßlos selbst überschätzt und der Diese Problematik hat „Der bereit ist, sein gesamtes Volk zu vernichten (!), weil es ihm Untergang“ elegant umschifft. nicht den Sieg geschenkt hat.“ Und das wird Deutschland Ein Film zum Nationalsozialismus Hitler nie verzeihen. aber sollte durch seine Interpretationen dazu beitragen, dass sich Psychologisch verantwortungslos die Verbrechen der Vergangenheit in Zukunft nicht wiederholen. Durch seinen pseudo-dokumentarischen Anspruch hat es „Der Untergang“ geschafft, als wertvoller Beitrag für den Geschichtsunterricht anerkannt zu werden. Zahlreiche Schulklassen sind in ihn hineingeschleift worden und in Zukunft soll er fester Bestandteil des Unterrichts werden. 1) „Das Ende des Schwarzweiß- Phantoms“ Hanns-Georg Durch die oben beschriebenen Eigenschaften des Films ist Rodek, DIE WELT 15.09.2004 er dazu wenig geeignet, es sei denn als negatives Beispiel dafür, wie in jüngster Zeit mit der deutschen Vergangenheit 2) „Der Untergang“: Ein Film inszeniert sich als Quelle von medial umgegangen wird. Der 23. Kongress für Politische Michael Wildt Psychologie in Wittenberg kritisierte die Empfehlung des 10 DEUTSCHE IDENTITÄTSSTIFTUNG M I T G U I D O K N O P P VON JUSTINE DUVERT, DESPERADOS.BERLIN Zur Person Wer kennt Guido Knopp eigentlich nicht? Seit Jahren gestaltet er im ZDF das Geschichtsfernsehen, vor allem jedoch jegliche Darstellung des Nationalsozialismus – oder wie Guido Knopp gerne sagt: des Hitler-Staates. Guido Knopp ist kein besonderer Mensch, sondern eigentlich nur ein ganz normaler Deutscher der Nachkriegsgeneration, der sich nach Patriotismus und Identität sehnt: „Doch trotz und gerade wegen dieser Brüche unserer Geschichte gibt es heute in der Bundesrepublik ein neues Bedürfnis nach Identität. Identität ist ohne Tradition nicht denkbar, Tradition braucht Orientierungspunkte für historisches Bewußtsein.“ Doch wie er gleich darauf selbst feststellt, ist das nicht so einfach: „Wir Deutschen tun uns, im Vergleich zu anderen Europäern, eher schwerer mit der Antwort auf die Fragen, wer wir sind, woher wir kommen, was mit uns geschehen ist. Das liegt an unserer ‚lästigen Erbschaft’ – an Hitler-Diktatur und Holocaust.“ 60 Jahre danach Seit dem letzten Jahr läuft nun in Deutschland und Europa ein Erinnerungsmarathon – ein sechzigster Jahrestag jagt den nächsten, an dem erinnert, gemahnt und auf die deutsche Verantwortung hingewiesen wird. Vor allem Politik und Medien überschlagen sich anlässlich solcher Jahrestage vor Erinnerung. Diese Erinnerung ist jedoch in einem stetigen Wandel begriffen. War es noch vor zwanzig Jahren ein „mutiger Schritt“ von Bundespräsident Richard von Weizsäcker, den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu bezeichnen, so können die Deutschen heute so mutig sein, endlich einmal zu sagen, dass sie, ja eigentlich Opfer waren – Opfer von Hitler, von „Vertreibung“ und Bombenkrieg der Alliierten. Bei dieser Art von Erinnerung spielt die mediale Inszenierung eine große Rolle, allen voran natürlich das Fernsehen. Das Fernsehen, in diesem Fall das ZDF, hat gerade im Bereich der Geschichtsdarstellung stark meinungsprägenden Charakter, da Zuschauerinnen und Zuschauer solche Sendungen oft als einzige Quelle ihres Geschichtsbildes heranziehen, ohne Informationen kritisch zu hinterfragen oder anhand wissenschaftlicher Literatur zu überprüfen. Guido Knopp verkörpert zudem als promovierter Historiker und Politologe so etwas wie eine „wissenschaftliche Objektivität“ und seine Darstellungen werden so wohl oft als „die Wahrheit“ aufgenommen. Dass Guido Knopp mit seinem Konzept Erfolg hat, zeigt sich schon daran, daß er seit nun mehr als 18 Jahren die Redaktion „Zeitgeschichte“ des ZDF leitet. Geschichte wird gemacht Im folgenden soll nun an einigen Beispielen gezeigt werden, dass Guido Knopps Darstellung des Nationalsozialismus keineswegs der aktuellen wissenschaftlichen Forschung entspricht, sondern vielmehr Geschichte politisch und vor allem revisionistisch interpretiert und sehr gut die deutsche Auseinandersetzung mit dem Thema Nationalsozialismus 11 widerspiegelt. Grundsätzlich vermittelt Guido Knopp in seinen Sendungen, dass der Nationalsozialismus allein Resultat des Wahns eines Einzelnen gewesen sei, der zur Durchführung seiner grausamen Taten eine Hand voll Täter und Vollstrecker heranzog. Die deutsche Bevölkerung sind für ihn nicht Täterinnen und Täter, sondern Opfer Hitlers. Hierbei ignoriert er vollkommen, dass dies einem Geschichtsbild der sechziger Jahre entspricht und dass heute bewiesen ist, dass Nationalsozialismus und Shoah nicht möglich gewesen wären ohne die Beteiligung von Hunderttausenden und die Akzeptanz von Millionen von Deutschen. Guido Knopp weiß dies alles, er ist nicht einfach nur dumm oder interessiert sich nicht für die wissenschaftliche Forschung – er setzt diese falschen Darstellungen ein, um eine neue deutsche Identitätsfindung zu ermöglichen. Nichts steht dieser Identität mehr im Wege als die Frage nach der eigenen Schuld oder der Eltern und Großeltern. Ist es jedoch möglich – wie es nicht nur Guido Knopp tut - auf Hitler, Himmler und Eichmann zu zeigen und zu sagen „die waren es“, so ist die Schuldfrage schnell geklärt. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der „Verantwortung“, der heute die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Shoah in Politik und Medien dominiert. Was soll sie denn eigentlich sein, diese „besondere Verantwortung“, die „die Deutschen“ heute zu tragen hätten? Dies erklärt sich wieder aus einem ganz besonderen, aber doch so normalen Geschichtsbild vom Nationalsozialismus. Demzufolge sei das deutsche Volk 1933 von Hitler „verführt“ worden. Es wäre die Pflicht der „demokratischen Kräfte“ gewesen, diese Diktatur zu verhindern. Im Rückkehrschluss hieße das dann aber, dass wenn eine ähnliche Situation heute entstehen würde, müssten die demokratischen Kräfte dies verhindern. Hier wird deutlich, dass es nicht darum geht, wirkliche Ursachen von Nationalsozialismus zu analysieren und zu bekämpfen, sondern eine „wehrhafte Demokratie“ aufrecht zu erhalten. So war es etwa in Politik und Medien sehr präsent, als die NPD in den sächsischen Landtag einzog, aber es war kein Thema, als Studien nachgewiesen haben, daß es in Deutschland einen starken Anstieg von Antisemitismus gibt. Dass antisemitische Ansichten der Bevölkerung gefährlicher sein können als etwa die NPD (und ich will hier auf keinen Fall die Gefährlichkeit der NPD herunterspielen), will die deutsche Gesellschaft nicht wahrhaben. Dieser Umgang mit Geschichte verdreht Tatsachen, verdrängt Wahrheiten und sollte beunruhigen. Ein weiteres Beispiel soll folgen. Bomben auf Dresden „ZDF History X“, sonntags gegen 23.30 und unter Leitung Guido Knopps, brachte anläßlich des sechzigsten Jahrestages der Bombardierung von Dresden am 13.02.1945 einen Beitrag über alliierte Luftangriffe auf deutsche Städte. Mit ganz einfachen Mitteln wurden hier die Deutschen zu Opfern und die alliierten Bomberpiloten zu Kriegsverbrechern gemacht. Gerade jetzt nach sechzig Jahren, wird immer wieder betont, dass es nun Zeit sein müsse, dass sich auch die Deutschen als Opfer fühlen dürften. Dies suggeriert, dass das bisher nicht möglich gewesen sei. Dann verwundert es aber doch, wie viele Denkmäler es in Deutschland für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten gibt und daß das „Leiden“ der „Vertriebenen“ seit 1945 immer Thema in der bundesdeutschen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus war. Tatsache ist, dass die Deutschen seit 1945 kontinuierlich versucht haben, sich als Opfer darzustellen. Das Leid der Bombenopfer zu beklagen, ist nur ein weiterer Versuch in diese Richtung. So auch in diesem Beitrag von Guido Knopp. Als „wissenschaftlicher Experte“ kam Jörg Friedrich zu Wort, Autor des Buches „Der Brand“, das durch die Verkehrung von Tätern zu Opfern auch bei Nazis eine sehr beliebte Lektüre ist und geradezu den Weg für die NPDWortschöpfung „Bomben-Holocaust“ ebnete. Am Anfang des Beitrages wird natürlich eingestanden, die Deutschen hätten mit der Bombardierung ziviler Ziele in Polen begonnen. Dies geschah aber nur, da es zu dieser Zeit allgemeine Kriegspraxis war, durch Luftangriffe zu versuchen, die Moral der Bevölkerung zu schwächen. Da auch Großbritannien Ziel dieser Luftangriffe wurde, war ein Rückschlag natürlich legitim. Als jedoch schnell klar wurde, daß Luftangriffe nicht zu einem Aufstand in der Bevölkerung führten (auch Churchill habe dies zugegeben), hätten die Briten und Amerikaner ihre Luftangriffe jedoch nicht eingestellt, sondern weitergemacht. Es wird nicht ausgesprochen, die Intention ist jedoch klar: die Alliierten hätten den Deutschen Unrecht zugefügt und dies soll von dem Unrecht ablenken, daß die Deutschen Millionen von Menschen zugefügt haben. Guido Knopp steht hier natürlich nur als Beispiel für den allgemeinen Umgang mit der Geschichte: Auschwitz als eine Tat von einigen Deutschen zu akzeptieren, um endlich äußern zu können, dass die Deutschen auch zu Opfern des Nationalsozialismus wurden. Auch wenn das keine neue Tendenz ist, scheint diese Entwicklung „sechzig Jahre danach“ ihren Höhepunkt und eine Wende erreicht zu haben. Wurde und wird in den öffentlichen Debatten immer betont, daß die heutigen Generationen keine Schuld tragen und dass auch nicht alle Deutschen Täter Innen gewesen sind, so dürfen sich doch alle Deutschen - egal welchen Alters - heute als Opfer von Luftangriffen und „Vertreibung“ fühlen. Und mit Erfolg: Laut einigen Umfragen hat die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland das Gefühl, die Deutschen seien Opfer und nicht Täter des Nationalsozialismus. s B E G R I F F S K L Ä R U N G : N A T I O N A L I S M U S Staaten standen und stehen schon immer mehr oder weniger in Konkurrenz zueinander, die einzelnen Menschen in diesen befinden sich mehr oder weniger in realen und ideologischen Zwangsverhältnissen. Die Idee der gesellschaftlichen Abgrenzung durch nationale Identität kam mit der Entwicklung des Bürgertums und der Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise auf und breitete sich (nahezu) über die gesamte Welt aus, ebenso wie der Kapitalismus (Lesetipp: Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt/M. 1996). Ansonsten hat jede Nation / Nationalbewegung ihren eigenen spezifischen gesellschaftlichen Kontext, in dem sie entstanden ist / entsteht. BEGRIFFSKLÄRUNG: F A S C H I S M U S Der Faschismus entstand seit der vorletzten Jahrhundertwende aus der nichtmarxistischen Arbeiterbewegung. Der Name leitet sich von den paramilitärischterroristischen „fasci di combattimento“ (Kampfbünden) des ersten großen faschistischen Führers Benito Mussolini ab, mit denen er in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg die Macht in Italien errang - im Bündnis mit den traditionellen Eliten. „Fasci“ hießen die Rutenbündel im alten Rom, in denen die Amtsdiener zum Zeichen ihrer Macht, an Leib und Leben zu strafen, Beile trugen. Das Rutenbündel mit Beil wurde auch zum Wappen des italienischen Faschismus. Hauptbezugspunkt faschistischen Denkens ist der Nationalstaat, der zu einer totalen Gemeinschaft aller Nationsangehörigen umgebaut werden soll, in dem der einzelne Mensch nur noch hinsichtlich seiner Leistung für die *Die Sw-Crew Würde Auch Gern Mal Ran Gemeinschaft Wert hat. Der angebliche „Wille“ der Gemeinschaft drückt sich in einem übernatürlichen „Volksgeist“, im Willen des halbgöttlichen „Führers“ (Führerkult ist ein Wesensmerkmal des Faschismus) und in einem sozialdarwinistischen Welt- und Geschichtsbild aus, welches einen gnadenlosen Konkurrenzkampf der Völker und Rassen behauptet. Dieser extreme Nationalismus ist immer „völkisch“, d.h. er beruft sich auf Abstammung („Blut“), Sprache und Kultur. Der Faschismus sieht in der Gewalt und im Krieg einen positiven Wert an sich. Außerdem betreibt er einen Kult um Jugendlichkeit, Kraft und Gesundheit. Sein Hauptfeind ist die klassenkämpferische ArbeiterInnenbewegung (die sich mittels der internationalen proletarischen Solidarität über nationale Grenzen erhebt bzw. die Nation in Bourgeosie und Proletariat „spaltet“), aber auch der Feminismus (welcher sich der Zurichtung von Frauen 12 und Männern als Gebär-, Kampf- und Arbeitsmaschinen für den totalen Nationalstaat entgegenstellt). Grundannahme des Faschismus ist die Ungleichwertigkeit der Menschen. Nicht nur Nationen und angebliche „Rassen“ werden einander über- oder untergeordnet, auch innerhalb der eigenen Nation sollen sich die meisten Menschen mit einer untergeordneten Position zufrieden geben, während eine kleine Macht-, Funktions- und Geldelite an der Spitze steht. Darüber kommt nur noch der „Führer“. Die Ideologie des Faschismus verspricht allen Angehörigen der Nation eine materielle Grundsicherung, so lange sie für den faschistischen Staat nützlich sind. Die Kritik des oft antibürgerlich auftretenden Faschismus am Kapitalismus ist folgerichtig die, daß der kapitalistische Verwertungsprozeß nicht nur Angehörige angeblich „minderwertiger Doch was sind nun die unterschiedlichen Facetten von Nationalismus und was macht diese aus? Zwischen einfachem Patriotismus und Ultranationalismus kann mensch eine Steigerung der Relevanz der Nation im täglichen privaten und gesellschaftlichen Leben der Menschen feststellen. Des einen Herz schlägt nur beim Fußball für Deutschland, andere sehen einen deutschen Volkskörper, den sie rein halten wollen. Im Kriegsfall auf eigenem Territorium würden dennoch viele für „ihre“ Nation kämpfen und sterben, statt sich zu „verdrücken“. Wie stark sich die Menschen in ihrer – meist durch Geburt festgelegten - Nation und dem daraus folgenden „wir“ (1) wiederfinden, sich mit diesen identifizieren, zeigt sich daran, welche Lebensbereiche in welchem Ausmaß von nationalen Aspekten beeinflusst werden. Der Schwur auf die Verfassung – „vaterländische“ Verblendung Verfassungspatrioten betonen, dass der Nationalstaat nichts anderes sei als ein Zusammenschluss der BürgerInnen zu ihrem gegenseitigen Nutzen. Ein solcher Willenszusammenhang soll sich auf einer angenommenen Interessengleichheit seiner Mitglieder gründen. Was alle wollen sei „Life, liberty and the pursuit of happiness“ („Leben, Freiheit und die Verfolgung des Glücks“ - aus der US-Amerikanischen Verfassung), und erst der Zusammenschluss zu einer Nation ermögliche es den Einzelnen, diese Wünsche zu verwirklichen. Diese Begründung ignoriert jedoch wesentliche Merkmale bürgerlicher Staatlichkeit. Denn des Staates Aufgabe ist es, sein Humankapital zu verwalten und es dem Kapital als willige und fähige Arbeitskräfte zusammen mit einer ausreichenden Infrastruktur (wie z.B. Straßen) zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es nicht um das Einzelinteresse der BürgerInnen.(2) Und erst recht nicht um dasjenige der vor Ort lebenden Menschen. Denn auch wenn beim Völker bzw. sogenannter „Rassen“ mitunter zu einem menschenunwürdigen Dasein verdammt, sondern auch die eigenen Landsleute. Das geht einher mit einer verkürzten, bipolaren (in „Gut und Böse“ einteilenden) Deutung gesellschaftlicher Widersprüche, welche die produktive Arbeit in Handwerk, Wissenschaft und Industrie der kapitalistischen Zirkulationssphäre (Geld, Banken, Börsen, Spekulation usw.), dem Ursprünglichen, Natürlichen, Nationalen das Entfremdete, Künstliche und Globale (Technik, Weltbürgertum, Weltmarkt) gegenüberstellt. Der Faschismus spiegelt genau die Interessenlage des kapitalistischen Kleineigentümers wieder, der selbst von den Produktionsverhältnissen profitiert, z.B. Lohnarbeiter ausbeutet, gleichzeitig aber sich bedroht fühlt von der Konkurrenz der großen Kapitale und den Krisen des Weltmarkts. Die soziale Utopie Verfassungsnationalismus weder Konfession, noch Hautfarbe eine Rolle spielen, sollte allgemein bekannt sein, dass NichtbürgerInnen, wie z.B. Asylsuchende, in den meisten Nationen nicht einfach so „mitmachen“ können. Kunst und Kultur – von wem ? Der häufigste Fehler ist, dass die Notwendigkeit des Nationalstaates, mit Sachen begründet wird, die erst aus den Sachzwängen nationalstaatlicher Ordnung entstehen. Dass z.B. offizielle Amts- und Schriftsprachen gegenüber Dialekten zum verbindlichen Verständigungsmittel werden, beruht immer auf staatlicher Anordnung: So ist die allgemeine Verbreitung von Hochdeutsch Resultat und nicht Ursache der Gründung des Deutschen Reiches. Und wenn sich überhaupt eine Gepflogenheit über genau eine ganze Nation verbreitet haben sollte, dann in der Regel erst, weil es diese bereits gab. Kriterien für die Bestimmung „typischer“ nationaler Eigenarten sind nicht etwa die Ähnlichkeiten in den Sitten und Gebräuchen; vielmehr bilden sich diese entlang von Staatsgrenzen. Ähnliche starke Verdrehungen kommen im Bereich Kunst zum Vorschein. Es mag möglich sein, zwischen verschiedensten Stilrichtungen und Kunstformen, Epochen und Künstlern Verbindungen aufzuzeigen – die Einordnung in eine „Nationalkultur“ nimmt es damit aber nicht so genau. Leute, die sich auf „unseren“ Goethe berufen, als hätten sie den „Werther“ selbst geschrieben, zeigen damit nur, wie wenig sie von der Kunst verstehen, die sie zum Grund ihrer nationalen Identität erklären wollen. Ein Kunstwerk enthält immer eine Reflexion auf die künstlerische Tradition. Dass sich diese Tradition nicht auf Staatsgrenzen beschränken lässt, kann an fast jedem Kunstwerk gezeigt werden. des Faschismus ist ein von allen Problemen und Schattenseiten, von allen Konsequenzen der ihm innewohnenden Grundwidersprüche befreiter Kapitalismus, den der o.g. genannte totale Nationalstaat verwirklichen soll. Der Faschismus hat die bürgerliche Herrschafts-, Rechts- und Eigentumsordnung nie prinzipiell in Frage gestellt, sondern diese vielmehr in historischen Entscheidungssituationen gemeinsam mit der traditionellen bürgerlichen Rechten verteidigt. Wo er an die Macht gelangt ist, stellt er somit eine perverse Form bürgerlicher Herrschaft dar, vielleicht die dialektische Selbstaufhebung der emanzipativen Werte und Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft. 13 Eine Kultur – ein Volk – ein Blut ? Zum weiterlesen: Junge Linke: Was ist Nationalismus, Aufruftext zur Antinationalen Konferenz „Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland“ am 4.10.1998 in Hannover – viele Textstellen hier sind daraus kopiert. Danke an die AutorInnen. Der völkische Nationalismus beruht auf der An- 1) Ein „wir“ impliziert immer auch „die Anderen“. Es ist ein sicht, ein Nationalstaat sei „die Zusammenfas- Herrschaftsgefüge, in dem Integration und Ausgrenzung ent- sung physisch und seelisch gleichartiger Lebewe- scheidende Momente sind. Außerdem: viele Menschen erklären sich die Welt mit einem Gut-Böse-Denkmuster, was sen“ (Adolf Hitler) und ist damit die radikalisierte gerne in Verschwörungstheorien und strukturellen Antise- Form des Kulturnationalismus. Denn hier soll die mitismus mündet (Lesetipp: Moishe Postone: Nationalsozi- „Gemeinschaft“ gleich ganz auf Natur gründen: alismus und Antisemitismus - www.giga.or.at/others/krisis/ es sei das biologische Wesen eines Menschen, m-postone_nationalsozialismus-und-antisemitismus.html) d a s i h n z u e i n e m b e s t i m m t e n Vo l k u n d d a m i t z u 2) Die Arbeiter einer Nation auf dem Weltmarkt in Konkurrenz einem klar abgegrenzten Nationalstaat gehören zu anderen Nationen, die Arbeitskräfte in Petto haben. Industrie lasse. Nun ist es aber so, daß Blut überall rot und Gewerbe siedeln sich an den Standorten an, wo die Bedin- ist und einen Rhesusfaktor hat oder nicht, welt- gungen günstig sind, also u.a. die Arbeitskraft wenig kostet. weit gibt es nur die Blutgruppen 0, A, AB und B. Um den Lohn zu drücken ist der Appell „Denk an die Nation...“ Irgendwelche nationalen Charaktereigenschaften ein viel bemühtes Mittel. Auch Staatsmaßnahmen, wie Sozialkürzungen werden auf diese Weise annehmbar gemacht. „Es z u b e h a u p t e n , i s t g e n a u s o f a l s c h : I n j e d e m „ Vo l k “ müssen eben alle den Gürtel enger schnallen“. Es ist nicht vor- gibt es höchst unterschiedliche Menschen, die gesehen, dass alle sich mit ihren Ideen einbringen können und mit anderen Menschen aus „anderen Völkern“ gemeinsam geschaut wird, wie sie umgesetzt werden können. mehr gemeinsame Interessen haben können, als m i t i h r e n „ Vo l k s g e n o s s e n “ . A u c h H a u t - , H a a rund Augenfarbe, Religion, Reichtum und „Intelligenz“ taugen nicht, die Zugehörigkeit zu einem b e s t i m m t e n Vo l k z u b e g r ü n d e n . Jede der bereits erwähnten Aspekte von Nationalismus (und noch andere) gibt es in jedem N a t i o n a l s t a a t . Vo n s t a a t l i c h e r S e i t e w i r d o f f i z i e l l festgelegt, wer Angehörige/r der jeweiligen Nation ist und auch wie mit sogenannten ethnischen, kulturellen, politischen und sozialen Minderheiten sowie mit MigrantInnen umgegangen wird. Wie das entschieden wird und wie der tatsächliche Umgang der Menschen untereinander auss i e h t , h ä n g t v o n d e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n K r ä f t e v e rhältnissen ab. 14 Anzeige UNGLAUBLICH: GENETISCHE AUSERWÄHLTHEIT STATT GLEICHMACHEREI A L E X W I N T E R , S P U K V O N Vor ein paar Monaten lief in den Kinos ein witziger Zeichentrickstreifen mit hohem Unterhaltungswert für die ganze Familie: „Die Unglaublichen“. Die „Incredibles“ sind eine sympathische suburban lebende Bilderbuchfamilie, Papa hat einen öden Schreibtischjob, Mama hütet das Haus, drei reizende Kinder sorgen für Aufregung. Unter der Oberfläche haben die Incredibles allerdings ein Problem: sie sind eigentlich Superhelden, dürfen ihre naturgegebenen Kräfte jedoch nicht mehr frei entfalten, seit eine Klagewelle wegen unerwünschter Rettungen und Sachbeschädigung dem Superheldentum ein Ende bereitet hat. Zudem werden die als Normalos getarnten Superhelden und Heldinnen von einem fiesen Schurken verfolgt, der sich zum Ziel gesetzt hat, sie auszulöschen, und gleichzeitig ihre genetisch programmierten Superkräfte durch effektive kleine technische Erfindungen zu ersetzen, damit schliesslich alle über Superkräfte verfügen können. Soviel Gleichmacherei können die Incredibles jedoch nicht zulassen. Sie verteidigen nicht nur ihr Leben gegen den Bösewicht, sondern auch ihr Recht auf Exzellenz. Sie möchte etwas besonderes sein, meint das Töchterlein und, wie sie traurig feststellt, ist das unmöglich solange einfach jedeR Beliebige etwas besonderes ist. D s c n u t a e r l w e K t ä c e t e r o m n s K g u e f n i S d e e d 15 ie Geschichte kann exemplarisch stehen für einen konservativen backlash der letzten Jahre. Seit den 1970ern spielten Gleichberechtigung, Chancengleichheit und soziale Benachteiligungen für eine Weile eine wichtige Rolle in öffentlichen Debatten. Doch das Klima ist wieder kälter geworden. Konservative Familienmodelle und „natürliche“ Geschlechterdifferenz werden ausgekramt und Ungleichheit nicht mehr als soziales Problem wahrgenommen, sondern vielmehr zum Ergebnis individueller Leistung bzw. Veranlagung erklärt. Der Film enthält die klare Botschaft: natürliche Gabe muss sich ungehindert entfalten können, damit sich die Starken durchsetzen können. Das ist Sozialdarwinismus in Reinform. Ta l e n t e u n d K o m p e t e n z e n k ö n n e n n i c h t erlernt werden – wie der Schurke des Film e s v o n s e i n e m I d o l M r. I n c r e d i b l e b e reits in jungen Jahren gezeigt bekommt. Ungleichheit und die Effekte von Diskriminierung und Ausgrenzung werden biologisch legitimiert. Zum Schluss des Filmes setzt sich dann auch die Macht der Gene durch: der Möchtegernheld, der sich die Superkräfte nur technisch erschlichen hat, versagt kläglich, die Incredibles mit weiterer Echtheldenverstärkung retten die Stadt. e p n e a g f h h f i g g w e g S h e a ä n c d r a t e e ü r t e n e , n t w n n l e n u b t r h i s R i f t e e l h d i r e i e ü h g n j c r e i l u c e u b g c l r r e e e h e n n l n h t n e u h e n t i , e e d n CREATE YOURSELF! ZU IDENTITÄT UND KRITISCHER AUSEINANDERSETZUNG VON SUSI SOUTERRAIN, SPUK Fast alle jungen Menschen in hoch-industrialisierten Regionen wie Mitteleuropa haben den Eindruck, dass etwas nicht stimmt in der heutigen Gesellschaft. Je nach Erlebniswelt werden verschiedene Probleme und verschiedene Ursachen oder Verursacher dafür identifiziert: Für Krieg ist in letzter Zeit häufig Herr Bush verantwortlich; an der Umweltverschmutzung sind gewissenlose Verschwender, Egoisten und Großkonzerne schuld; die Arbeitslosigkeit ist eine Folge falscher Politik; die Tiere werden gequält weil die Menschen schlecht sind; wer arm, dumm und perspektivlos ist, wird Nazi. All dies sind übliche und sehr oberflächliche Erklärungen und vor allem Schuldzuweisungen, die natürlich nicht vom Himmel fallen. Die Meinungsbildung hat einen Kontext - die Gesellschaft. Ideen und Meinungen haben Quellen. Nicht nur für junge Menschen sind diese Quellen private und öffentliche Institutionen, wie Familien und Freundeskreise, Medien, Schule, Polizei, Justiz, Regierungen, Gesundheitseinrichtungen usw. Das gefühlsmäßige Bewusstsein von Widersprüchlichkeit in uns selbst und der Gesellschaft bringt die Eine oder Andere zwar zur Suche nach Erklärungen. Als Erklärungsmuster nehmen wir aber logischerweise, was wir kriegen können: die derzeit allgegenwärtigen Antworten. Diese sind meist nicht besonders kritisch (1) und entstammen vor allem der kapitalistischen Gesellschaft (2). Dieselbe Gesellschaft hat zum Glück aber auch tiefgründigere Betrachtungen ihrer selbst hervorgebracht. Dieser Text soll dazu anregen, sich intensiv und lebenslang mit diesen kritischen Theorien zu beschäftigen. Um euch eine Vorstellung davon zu geben, was wir mit diesen tiefgründigen Betrachtungen meinen, wird es in diesem Text um einen speziellen Aspekt gehen, der viele davon abhält einen unbändigen Willen zur kritischen Auseinandersetzung mit sich und der Gesellschaft zu entwickeln: die (zwanghafte) Identitätsfindung. Wir wollen versuchen diese so zu beschreiben, dass es nicht unbedingt notwendig ist, bereits die einschlägigen Klassiker kritischer Gesellschafts- und Subjekttheorie gelesen zu haben. Die Frage nach der eigenen Identität ist nicht falsch und schon gar nicht ohne Ursache. Sie wird uns durch jene oben beschriebenen gesellschaftlichen Institutionen aufgezwungen ohne Identität keine Interaktion. „Wer bin ich?“ fragen wir uns immer wieder und finden meist eine Schubladenantwort à la: „Ich bin Tierschützerin!“ Was im Bewusstsein meist „Wer bin ich?“ lautet, bedeutet in der Regel vor allem „Wer kann ich/ darf ich sein, um möglichst schmerzfrei und erfolgreich zu sein?“ Der Diskurs, der diese Frage produziert, vereint so ziemlich alle gesellschaftlichen Bereiche. Als Beispiel wollen wir hier die Ökonomie betrachten, den gesellschaftlichen Stoffwechsel, welche derzeit konkret der kapitalistische ist. Der ökonomische Rahmen spielt wahrscheinlich in jeder Gesellschaft eine Rolle. Die kapitalistische Gesellschaft zwingt uns jedoch dazu, entweder für den Arbeitsmarkt verwertbar oder reich genug zu sein, um andere für uns arbeiten zu lassen. Und sie setzt uns in ein erbittertes Kon- kurrenzverhältnis zu allen, mit denen wir keine Gütergemeinschaft (Familie) betreiben. In diesem ökonomischen Rahmen entwickelt sich ein Diskurs immer weiter, der jede dazu zwingt, eine gesellschaftliche Position (Identität) einzunehmen oder zu dieser oder jener Frage Stellung zu beziehen: Im Laufe unseres „Erwachsen“-Werdens muss jede z.B. einen Beruf oder Arbeitsplatz (3) suchen. „Wer bin ich?“ heißt hier also: „Wovon werde ich leben?“ Oder wie es Eltern oft formulieren: „Was soll aus dir bloß mal werden?“ Die allgegenwärtige Konkurrenz wiederum erzwingt zusätzlich eine Abgrenzung von den Menschen in unserem Umfeld. „Ich bin besser/schlechter als die Anderen.“ bedeutet nun mal, dass solche „Qualitätsunterschiede“ zwischen mir und den Anderen für das Selbstwertgefühl an Wichtigkeit gewinnen. An diesem Punkt erklärt es sich leicht, warum eine unbewusste und zwanghafte Identitätsfindung und Selbstbestätigung dem offenen und solidarischen Meinungsaustausch, bzw. der solidarischen Zusammenarbeit immer im Wege stehen muss. (4) Um die Problematik der Identität an einem weiteren Ort hervortreten zu lassen, noch ein Beispiel mit aktuellem Bezug: Die Präsenz und das Verhalten der NPD im Sächsischen Landtag hat dort kürzlich zu einer erfrischend klaren Zuweisung der Verantwortung für die Bombardierung Dresdens auf das nationalsozialistische Deutschland geführt (..., SPD, 27.1.2005). Entgegen dem herrschenden Trend, die deutschen Verbrechen einem durchgeknallten Führer und seiner Verführungskunst zuzuschreiben, zwingt die polarisierende Positionierung der NPD („Bombenholocaust“) dem nationalistischsten CDU-Fuzzie Applaus für jede antifaschistische Positionierung (Identifizierung) ab. Freilich tut das dem Werkeln an einem neuen starken und weltweit einflussreichem Deutschland innerhalb eines europäischen Verbundes keinen Abbruch. Gerade weil eine deutsche Identität frei von nationalsozialistischer Vergangenheit gebraucht wird, muss gegenüber der Weltöffentlichkeit jeder Verdacht auf Wiederkehr des nationalsozialistischen Wahnsinns zerstreut werden. 16 Die Auseinandersetzung mit den Ursachen und möglicherweise eigenen Verstrickungen in diesen NS-Boom wird zwar in den Medien gefordert, findet aber nicht statt. Sie kann gar nicht stattfinden: Erstens weil die RepräsentantInnen viel zu beschäftigt mit der Rettung der Identität (des Wirtschaftsstandortes) Deutschlands sind. Zweitens, weil nicht kritische Auseinandersetzung ihr Geschäft ist, sondern die Verwaltung und Gestaltung der kapitalistischen Gesellschaft. Dazu kommt noch die Belohnung mit verschiedenen Wohlfühleffekten, welche die Gesellschaft für die Rolle (Identität) des Führungspersonals bereitstellt: Die riesige Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird, ist mit Abstand der wichtigste Aspekt für ihr aufgeblähtes Selbstvertrauen. Sie sind die SprecherInnen in einer gesellschaftlichen Struktur, die die meisten Leute die meiste Zeit zum Zuhören zwingt. Das baut auf! Jene RepräsentantInnen haben also weder Zeit noch Interesse für die In-Frage-Stellung gesellschaftlicher Grundfesten (Kapitalismus und Demokratie sind der Gipfel menschlicher Entwicklung), ihrer eigenen, manchmal vielleicht sogar unbewussten, Strategie (Deutschland nach vorn!) und ihrer gesellschaftlichen Rolle (die Führungsidentität). Das ganze Getexte von Identität soll also auf Vorgänge aufmerksam machen, die sich auf Grundlage von Schulwissen und massenmedialen Anregungen nicht verstehen lassen, da z.B. das Erkennen von Systematik/Strukturen, bzw. wie Gesellschaft als ganzes funktioniert, dort kaum eine Rolle spielen. Eine auf Herrschaft basierende Gesellschaft wird ihre Grundlagen immer zu verteidigen, bzw. zu erneuern versuchen. Insofern Erkenntnisse und Werkzeuge der Kritik hierfür nützlich sein können, werden sie auch immer zugänglich sein. Was aber üblicherweise für Kritik gehalten wird, ist oft nicht mehr als moralische Anklage und anschließende Verurteilung in einem Atemzug. Der Zugang zu den „Werkzeugen“ der Kritik ist zwar mehr oder weniger vorhanden (z.B. in den Universitäten), deren Gebrauch hilft aber nur selten, den Wert der eigenen Arbeitskraft zu steigern. Da es aber wegen der schon erwähnten kapitalistischen Gesellschaftsorganisation für die meisten existenziell ist, die eigene Arbeitskraft verkaufen zu können, ist es z.B. für Studierende (fast) unabdingbar, schnell und mit guten Bewertungen durch das Studium zu kommen. Menschen in beruflicher Ausbildung bzw. im regulären Job/Arbeitslosenverhältnis haben noch weniger Zeit, sich mit tiefergehender Kritik an dieser Gesellschaft auseinander zu setzen. Statt euch also darauf zu verlassen, dass euch die wichtigen und richtigen Erkenntnisse einfach zufliegen, wenn ihr nur neugierig oder fleißig genug seid, beherzigt lieber unseren Tipp: Lehnt euch versuchshalber entspannt zurück und überlegt für wen ihr euch haltet, bzw. für wen eure Identität alles eine Rolle spielen könnte. Wenn ihr dabei nicht vergesst, dass ihr nach wie vor dazu gezwungen seid, irgendwelche Identitäten durch die Gegend zu tragen, habt ihr so die Gelegenheit, ein wenig Distanz zu dieser Problematik zu entwickeln und werdet früher oder später lernen, die Identität immer öfter als Mittel eines bewussten Zweckes einzusetzen, bzw. immer mehr Aspekte entdecken, die mit Identität und Identifizierung zu tun haben (behaupten wir). Derart von innerer Belastung befreit, könntet ihr die Vorteile entdecken, euch selbst und eure Umwelt immer tiefgreifender zu verstehen und von immer mehr Seiten zu betrachten, um schließlich bei der nächsten Gelegenheit die größtmögliche Veränderung zu Gunsten der Emanzipation zu verursachen [Trompeten im Hintergrund]. Zu dieser tiefgreifenden Auseinandersetzung gehören unserer Meinung nach sowohl die Geschichte aktueller Problematiken als auch die Beschäftigung mit gesellschaftskritischen Theorien, wenn sich das überhaupt auseinander halten lässt. Deshalb die Definitionen, Lesetipps und Links in dieser Zeitung. 1) Zu hinterfragen wären aktuelle Probleme wie Kapitalismus, Antisemitismus, Nationalismus, Geschichtsrevisionismus, Sexismus, Rassismus, Faschismus, Islamismus, Religion und Esoterik (diese Aufzählung ist ohne wertende Reihenfolge). 2) Diese basiert auf der Logik des Tausches. Den Tauschwert definierte Marx als Vergegenständlichung abstrakter, d.h. allgemeiner und durchschnittlicher, bzw. gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Zu empfehlen ist die Lektüre des „Kapital – Kritik der politischen Ökonomie“, sowie eine recht aktuelle und verständliche Einführung dazu von Michael Heinrich (theorie.org). 3) Die Hausarbeit ist ein besonderer Arbeitsplatz, nämlich ein für die Arbeitende unbezahlter. Sie ist abhängig vom Einkommensbezieher. Es gibt natürlich noch andere Gründe dafür, dass in Diskussionen nicht auf die Argumente des Gegenüber eingegangen wird. Soziale Hierarchien z.B. sind ebenso wirksam wie Identitätsprobleme (und mit ihnen eng verknüpft). So ignorieren „Männer“ vielerorts die Meinungen von „Frauen“, mal mehr, mal weniger bewusst. 17 PROTEST OHNE EIGENSCHADEN V E R H A LT E N S T I P P S FÜR AKTIONEN VON TRICK & TRACK, DESPERADOS.BERLIN Nazis wollen durch euren Kiez demonstrieren und ihr wollt das verhindern? Sehr gut. Aber leider hat die Polizei meistens etwas dagegen. Deshalb hier ein paar Tipps, wie ihr bei Demonstrationen und anderen Aktionen erfolgreich euren Protest äußern könnt und trotzdem wieder unbeschadet nach Hause kommt. Bevor ihr auf eine Demo geht, solltet ihr euch erst einmal darüber klar werden, was ihr dort eigentlich machen wollt. Die einen möchten sich gleich ins Getümmel stürzen, die anderen lassen es lieber etwas ruhiger angehen. Am besten geht ihr immer als Gruppe hin und auch wieder weg. Das macht erstens mehr Spaß und zweitens ist es sicherer, weil ihr euch in brenzligen Situationen gegenseitig helfen könnt. Ihr solltet vorher unbedingt untereinander klären, welche Aktionsformen ihr euch zutraut. Am besten macht ihr das ganz ehrlich und ohne posing, damit ihr nicht in Situationen geratet, die euch überfordern. Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“, und falscher Mut ist echt fehl am Platz. Bevor ihr dann losgeht, solltet ihr noch einen Blick in eure Bude werfen. Hier eine Auswahl von Dingen, die sich dort lieber nicht befinden sollten: eine Liste mit allen Namen und Telefonnummern eurer Freunde, eure Waffensammlung, euer Dopevorrat nebst Eigenanbau, Fotos von illegalen Dingen, die ihr früher gemacht habt (z. B. wie ihr gerade eine Hauswand ansprüht), bedenkliche Inhalte auf euren Datenträgern (Festplatten, CDs, USB-Sticks usw.). Alles was euch nicht ganz legal vorkommt oder Aufschluss über eure politische Tätigkeit gibt, kommt raus. Dasselbe gilt für eure Taschen: Packt euer Gras raus und eure Taschenmesser, nehmt keine Adressenliste mit. Übrigens schauen sich die Cops nach Festnahmen auch gerne die Nummernverzeichnisse, Anruflisten und SMS auf euren Handys und SIM-Karten an. Einpacken solltet ihr Kleingeld /Telefonkarte zum Telefonieren, einen Stift, Medikamente, die ihr regelmäßig braucht, ein Tuch und Klamotten zum Wechseln. Bei der Demo geht gemeinsam durch die Vorkontrollen. Macht ein Codewort aus, das ihr rufen könnt um euch zu verständigen, falls ihr euch verlieren solltet. Ein Klassiker ist immer noch ALDI. Der ist nicht schön, aber besser, als den Klarnamen einer Person durch die Gegend zu brüllen. Achtet auf die Ansagen des Lautsprecherwagens, durch sie erhaltet ihr nähere Informationen zur aktuellen Lage, z.B. wo die Nazis gerade sind. Außerdem wird dort die Nummer des Ermittlungsausschusses (EA) durchgegeben. Jetzt kommt euer Stift zum Einsatz, weil ihr euch die Nummer in jedem Fall notieren solltet. Der Ermittlungsausschuss kümmert sich bei Demonstrationen um die Leute, die festgenommen wurden, indem er z.B. Anwälte besorgt, die ihnen helfen, wieder auf freien Fuß zu kommen. Bleibt am besten zusammen und bildet Ketten. Das verleiht euch mehr persönliche Sicherheit, weil ihr euch aneinander festhalten könnt, falls jemand rausgegriffen werden soll. Außerdem merkt ihr so schneller, wenn eine Person fehlt. Manchmal kommen Leute auf die Idee, sich ihr Tuch zu nehmen, es über die Nasenspitze zu ziehen und am Rand der Demo neben den Bullen zu spazieren. Vorsicht: Straftat! Die Bullen sehen dann sofort rot. Vorsicht: Festnahmegefahr! Grundsätzlich ist gegen Verkleidungen nichts einzuwenden, aber ganz allein ist auch bescheuert und die Cops sind die letzten auf diesem Planeten, die Spaß verstehen. Wenn ihr euch also maskieren müsst, dann achtet darauf, dass Zeitpunkt und Anlass passend gewählt sind. Manchmal kommt es bei Demonstrationen zu Festnahmen. Wenn ihr eine beobachtet, fragt nach dem Namen der Person und dem Geburtsdatum und schreibt ihn auf! Euer nächster Gang, so ihr kein Handy habt, führt euch zur Telefonzelle, wo ihr den EA anrufen solltet, um dort mitzuteilen, wer wo und wann festgenommen wurde. Es kann auch passieren, dass der launige Demospaziergang abrupt zum Stehen kommt und irgendwo gerade die Luft brennt. Wer darauf keine Lust hat, sollte jetzt den Heimweg antreten. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, ihr selbst entscheidet wo eure Grenzen sind und das haben andere zu respektieren. Auf blöde Mackereien könnt ihr getrost scheißen. Ihr könnt auch einfach dableiben. Selbst wenn ihr keine Action macht, helft ihr denjenigen, die es tun, allein durch eure Anwesenheit. In den Polizeiberichten von Krawallen taucht immer wieder ein großes Ärgernis der BeamtInnen auf, das als „Deckungsmasse“ bezeichnet wird. Wenn genug Leute einfach rumstehen, können die Cops die StraftäterInnen nicht genau lokalisieren oder einfach rausgreifen. Wenn die Bullen dann irgendwann stürmen, könnt ihr euch entweder auf einen Wettlauf mit ihnen einlassen oder einfach in einen Hauseingang stellen. Die Bullen gehen davon aus, dass Personen, die wegrennen, ein schlechtes Gewissen haben, weil sie Straftaten verübt haben. Ausnahmen bestätigen die Regel, das heißt, es ist auch durchaus schon vorgekommen, dass Unbeteiligte Opfer von Polizeigewalt wurden. Für diejenigen, die nicht davon lassen können, Stress zu machen, sei angemerkt, dass das gut mit etwas Mummenschanz zusammenpasst. Die Bullenreviere sind voll von Plakaten, auf denen ihr die Gesichter von unmaskierten KrawallantInnen bewundern könnt. Auf vielen davon sind die Gesichter durchgekreuzt, was den Fahndungserfolg für alle BesucherInnen der Polizeiwachen deutlich machen soll. Fotos von euch könnt ihr im Urlaub machen lassen aber nicht hinter brennenden Müllcontainern. Und wenn wir schon dabei sind: achtet auf die Zivilbullen. Die versuchen, so auszusehen wie ihr, aber sie schaffen es meistens nicht. Deshalb checkert nicht allein durch die Gegend und wenn ihr welche seht, macht allen eine Freude und auf die Kollegen aufmerksam. Wenn ihr einen Schauplatz verlassen wollt, solltet ihr euch vorher irgendwo umziehen, damit die Schnüffler eure Spur verlieren. Wenn die ganze Action vorbei ist, meldet euch beieinander zurück. Es gibt Tage, da läuft alles schief und ihr landet in den Fängen der OrdnungshüterInnen. Ab diesem Zeitpunkt geht euch nur noch ein Satz im Kopf herum: ANNA UND ARTHUR HALTEN DAS MAUL! Alles, was ihr den Bullen zu erzählen habt, sind euer Name, das Geburtsdatum, die Meldeadresse und eine ungefähre Berufsbezeichnung. Ihr habt das Recht auf zwei Telefonate; ruft am besten den EA an. Ansonsten ist jetzt die Zeit für Diskussionen vorbei. Verweigert die Aussage - das ist euer Recht - alles was ihr sagt, kann gegen euch oder andere verwendet werden. Auch wenn die Bullen euch versprechen, dass eine Aussage das Urteil in einem Prozess positiv beeinflussen kann - lasst euch nicht verarschen. Das Urteil fällt einE RichterIn und nicht der Bulle. Der ist nur ein besserer Zeuge. Nach zwölf Stunden müsst ihr dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden. Auch hier gilt: Schnauze halten. Wenn ihr aus dem Knast heraus seid könnt ihr euch mit eurem Rechtsbeistand immer noch eine Strategie überlegen. Bei einer drohenden Hausdurchsuchung ruft einen Freund oder eine Freundin an, damit sie in eurer Bude am Start ist. Wenn die Bullen einreiten, sollte immer jemand da sein, der ihnen auf die Finger schaut. Verlangt immer ein Protokoll über die beschlagnahmten Dinge. Wenn ihr vorher gut aufgeräumt habt, wird nichts draufstehen. Wenn ihr dann aus dem Knast heraus seid meldet euch beim EA und euren Bekannten zurück. Und dann erholt euch erst mal und leckt euch die Wunden. weitere Tipps: h t t p : / / w w w. n a d i r. o r g / n a d i r / i n i t i a t i v / s a n i s 18 WARUM & WIE WERDEN NAZIDEMOS VERHINDERT ? V O N R O L A N D P E T E R S Es ist immer das Gleiche, und es ist mittlerweile fast überall in der BRD schon mindestens einmal passiert: Neonazis von NPD oder Kameradschaften planen in einer Stadt aufzumarschieren; vor Ort bildet sich ein antifaschistisches Bündnis; am Tag des Aufmarsches wird dann mit mehr oder weniger Erfolg versucht, die Neonazis zu stören, zu blockieren, zu behindern und anzugreifen. Dieser Artikel will keine Anweisungen zum Handeln geben, sondern lediglich darüber berichten und analysieren, was in einigen Fällen geschah, als die Polizei Aufmärsche aufgrund von Protesten abbrechen oder entscheidend verkürzen oder verlegen musste. AntifaschistInnen begründen ihre ständig wiederholten, oft wenig erfolgreichen Mobilisierungen gegen Neonaziaufmärsche meist mit den Wirkungen, die ein gelungener Aufmarsch auf die Teilnehmenden und die gesamte rechte Szene habe: Diese Umzüge seien gemeinschaftsstiftende und motivierende Events. Sie gäben den Neonazis im Erfolgsfall das Gefühl, zu einer starken, harmonischen Bewegung auf der Gewinnerstraße zu gehören, und wären somit zentraler Bestandteil jener faschistischen Erlebniswelt, welche die rechte Szene integriert, attraktiv macht und antreibt. Tatsächlich fällt es auf, dass Neonazi-Anführer ihr oft sehr junges Fußvolk gern und oft zu allen möglichen Aufmärschen im ganzen Land mitnehmen – so der Chef der kürzlich verbotenen Kameradschaft „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO), René Bethage, der in 2004 mit seinen Fascho-Kids fast jedes zweite Wochenende irgendwo in Deutschland auflief. Die öffentlichen Verlautbarungen der OrganisatorInnen und Teilnehmenden über ihre Aufmärsche gleichen sich bis zur Langweiligkeit. Da wird jede Demo als Erfolg verkauft, egal was passiert ist. Schaut mensch aber in die einschlägigen Internetforen, in denen eher die internen Diskussionen der Neonazis geführt werden, ändert sich das Bild sofort: Aus rechter Sicht halbwegs erfolgreiche Aufmärsche führen regelmäßig zu übersteigertem Jubel, während wirksame antifaschistische Gegenmaßnahmen ebenso regelmäßig zu schäumenden Wutausbrüchen, wehleidigen Klagen, ja sogar zu (zeitweiliger) Verzweiflung und Resignation Anlass geben. der Straße Unter den Linden etwa 1000 Protestierende versammelt. Die Polizei begründete ihre Entscheidung, den Aufmarsch am Alex zu beenden, mit den zu erwartenden Schwierigkeiten an der Neuen Wache, die nur mit unverhältnismäßigem Gewalteinsatz hätten bewältigt werden können. Date: 1. Mai 2004 Location: Lichtenberg und Friedrichshain Theme: NPD und Kameradschaften für „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn“ Numbers: ca. 2.500-3.000 Neonazis, ca. 2.000 - 3.000 Protestierende Die Route der Rechten sollte vom S- und U-Bahnhof Lichtenberg nach Friedrichshain gehen. Von Anfang an waren hunderte Antifaschistinnen dezentral unterwegs. Kleinere Blockaden gab es schon in Lichtenberg, die jedoch abgedrängt und teilweise stundenlang eingekesselt wurden. Gleichzeitig lief eine recht große Antifa-Demo durch Friedrichshain – Schätzungen sprechen von bis zu 2.000 Teilnehmenden. Die Polizei konnte nicht verhindern, dass ein Großteil der Demo-TeilnehmerInnen auf die Frankfurter Allee kam. Kurz bevor der NPD-Aufmarsch die Grenze zwischen Lichtenberg und Friedrichshain übertrat, blockierten Hunderte die Frankfurter Allee. Während Menschenketten und Sitzblockaden den brutalen Schlägen und den Wasserwerfern der Polizei widerstanden, wurden weiter hinten Straßensperren gebaut sowie Mülltonnen und ein Auto angezündet. Die weithin sichtbaren Rauchschwaden ließen viele AntifaschistInnen losjubeln. Die Polizeiführung führte die Neonazis schließlich nach Lichtenberg zurück und begründete dies damit, deren Sicherheit nicht gewährleisten zu können. A n z e egi Antifaschistisches Blatt Sonderausgabe zum 8. Mai Leg’ Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte... V E R G E S S E V E R D R Ä N G E VERSCHWEIGE VEREINAHME Date: 25. November 2000 Location: Friedrichshain/Mitte Theme: Gegen ein Verbot der NPD Numbers: ca. 1500 Neonazis, ca. 3000 Gegendemonstranten Die Route der Rechten verlief von Friedrichshain über Alexanderplatz zur Straße Unter den Linden. Mehrere 100 Protestierende begleiteten den Aufmarsch praktisch von Anfang an und rangelten teilweise mit der Polizei. Auf dem Alex fand eine große BürgerInnen-Kundgebung mit Bundestagspräsident Thierse statt, der dazu aufrief, den Nazis nicht die Stadt zu überlassen. Die Polizei zog sich kurzzeitig von der entscheidenden Stelle zwischen Alex und Leipziger Straße zurück, und zwar genau kurz bevor die Neonazis diesen Punkt erreichten, so dass Hunderte vom Alex bzw. von denjenigen, die den Aufmarsch die ganze Zeit begleitet hatten, auf die Leipziger Straße strömen konnten. Dort kam es dann zu kurzen Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen DemonstrantInnen und der Polizei. Wurfgeschosse flogen, kleinere Straßensperren wurden erbaut, Wasserwerfer eingesetzt. Die Polizei hatte die Situation schnell wieder im Griff. Währenddessen hatten sich an der „Neuen Wache“ in N N N N mit Beiträgen von: Gerd Wiegel, Stefan Bollinger, Marc Czichy, Jörg Kronauer, Martin Büsser, Rolf Surmann u.a. Antifaschistisches Infoblatt Gneisenaustr. 2a | 10961 Berlin E-Mail: [email protected] Einzelexemplar 3.10 EUR 19 Date: 3. Oktober 2004 Location: Leipzig-Connewitz Theme: Neonazi-Anführer Worch aus Hamburg zum „Tag der deutschen Einheit“ Numbers: ca. 150 Neonazis, ca. 1.500 Gegendemonstrant_innen i... Das rechte Häuflein kam keinen Schritt vorwärts und stand viele Stunden lang auf der Stelle, wobei es ständig von Hunderten Linken belagert, verhöhnt und auch beworfen wurde – vorwiegend mit Obst und Gemüse. Auf der vorgesehenen Route der Neonazis durch den als linksalternativ geltenden Leipziger Stadtbezirk Connewitz wurden, vorwiegend aus Mülltonnen, zahlreiche brennende Barrikaden errichtet. Einige verlaufene Grüppchen von Neonazis wurden verprügelt, mit Wurfgeschossen verletzt oder durch die Stadt gejagt. Die Polizei sprach später von einer „sehr unübersichtlichen“ Situation. Einige zu den Barrikaden vorrückende Einsatzfahrzeuge der Polizei wurden mit Steinen und Flaschen zur Umkehr gezwungen. Teilweise kam die Polizei gar nicht zu den Barrikaden durch, an denen die Protestierenden dann ausruhten und feierten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten schlug die Polizei dem Worch dann eine Ausweichroute vor, doch dieser zog es vor, seine paar Getreuen bis zum Abend bewerfen und beschimpfen zu lassen, bevor sie unter Polizeischutz zur Abfahrt eskortiert wurden – ständig angegriffen und beschallt von den Antifas. Trotz zahlreichen von der Polizei Verletzten, mehreren Festnahmen und einigen verbalen Auseinandersetzungen zwischen friedlichen und militanten NazigegnerInnen wurde der 3. Oktober 2004 in der antifaschistischen Szene als Sieg gefeiert. Date: 30. Oktober 2004 Location: Potsdam (Innenstadt und Babelsberg) Theme: Worchs Wanderzirkus gegen „Medienhetze und linken Terror“ Numbers: ca. 300 Neonazis, ca. 3.000 Protestierende iiiiii iiiiiiiiiii iiiiiiiiiii iiiiiiiiiiii iiiiiiiiiiii iiiiiiiiiii iiiiiiiiiii iiiiiiiiiiii iiiiiiiiiiii i iiiiiiiiiiii 20 i i iiiii Die Route des Neonaziaufmarsches sollte vom Hauptbahnhof durch die Potsdamer Innenstadt führen. Dazu hätten die Rechten über die „Lange Brücke“ gemusst. Dort erwarteten sie aber bis zu 1.000 ihrer GegnerInnen, darunter hunderte Militante. Eine Antifakundgebung, die etwas weiter von der Brücke entfernt angemeldet war, wurde hingegen kaum besucht. Als die Neonazis im Kommen waren, errichteten die Leute Straßensperren aus Bauzäunen. Die daraufhin mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlägen angreifende Polizei wurde mit einem Stein- und Flaschenhagel empfangen, konnte aber den Mob vertreiben. Der flüchtete in Richtung der geplanten Neonazi-Route, dabei ständig Straßengeländer, Baugerüstteile, steinerne Blumentöpfe und brennende Mülltonnen auf der Straße zurücklassend. Einige vereinzelte Polizeibeamte wurden verletzt, als sie dieser Menge begeneten. Nach ca. einer Stunde war das Ergebnis klar: Die Polizei führte Worchs Mannen und Frauen statt durch die Innenstadt durch den Randbezirk Babelsberg, weil sie Auseinandersetzungen mit Antifas befürchtete. So wurde dieser Aufmarsch zwar nicht „verhindert“, aber doch maßgeblich beeinträchtigt. Das macht unterm Strich: Die sonst „üblichen Verdächtigen“ blieben nicht allein, so dass für die Polizei unübersichtliche Situationen entstanden. - Jedes Mal war seitens der Gegendemonstranten Gewalt im Spiel. - Wichtig war oft das Timing: Dass nicht stundenlang vor dem Loslaufen der Neonazis Blockaden versucht wurden, sondern dann, wenn es passte (rühmliche Ausnahme: 03.10.04 Leipzig). - Es ist offensichtlich, dass Verhinderungen oder massive Störungen seltene Ausnahmen bei Neonaziaufmärschen darstellen, deren große Mehrzahl – kleine wie große – weitgehend störungsfrei durchgeführt werden können. - Immer trugen bestimmte (Fehl-) Entscheidungen der Leitung des Neonaziaufmarsches beziehungsweise der Polizeiführung zum Erfolg aus antifaschistischer Sicht bei. - Alle hier betrachteten vier Neonaziaufmärsche fanden in Großstädten und innerstädtischen Bereichen statt beziehungsweise sollten dort stattfinden. Es waren jeweils Tausende Menschen unterwegs, um sich dem entgegenzustellen. - Immer demonstrierten nicht nur Friedliche, sondern auch Unfriedliche, und es gingen auch Leute auf die Straße, die das vorher noch gar nicht oder nur selten getan hatten. N A Z I K N E I P E N I N FRIEDRICHSHAIN VON JUGENDANTIFA FRIEDRICHSHAIN, JAF Green Bar (Wismarplatz) Seit Anfang 2004 gibt es die „Green Bar“. Von außen zunächst ganz nett anzuschauen, musste sich mensch schon kurz nach Eröffnung öfters mit einem Publikum rumärgern, welches definitiv rechts eingestellt ist und dies auch, danach gefragt, kundtat. Am Nachmittag des 8. Mai letzten Jahres pöbelten Neonazis, die vor der Kneipe saßen, eine Gruppe augenscheinlich „Nicht-Deutscher“ rassistisch an. Eine Polizeistreife, die zufällig vorbeikam, verhinderte einen tätlichen Angriff der Neonazis. Auch nach diesem Vorfall berichteten Anwohner des Wismarplatzes von weiteren Beispielen, bei denen Gäste der „Green Bar“ Passanten scheinbar grundlos verbal angriffen und bedrohten. Ob nun alternative Jugendliche, Punks oder MigrantInnen - jeder, der nicht ins Weltbild der rechten Kleingeister vor der „Green Bar“ passt, wird hier angegriffen und muss Spalier laufen, immer in Sorge, dass bei Einigen der dort Sitzenden der Aggressionsgrad erreicht ist, der verbale in tätliche Angriffe umschlagen lässt. Jessner Eck (Jessner Str.) Das „Jessner Eck“ bildete schon häufig Ausgangspunkt für rassistische Pöbeleien und Angriffe. Im September 2003 wurde ein Punk vor der Kneipe von vier Neonazis, die aus einem Army Jeep stiegen, verprügelt und schwer verletzt. Weiterhin kam es hier oft zu verbalen Attacken auf alternativ aussehende Jugendliche, welche den nahgelegenen „Supamolli“ besuchten und am „Jessner Eck“ vorbeikamen. Bei mehreren Gelegenheiten, bei denen der Wirt die Chance erhielt, sich gegen Rechts positionieren zu können, hat er sich immer dagegen entschieden und beispielsweise Bemerkungen wie „hier sind wir alle irgendwie rechtsrum“ abgelassen. Kietz Kneipe (Neue Bahnhofstr.) In der „Kietz-Kneipe“ ereignete sich in der Nacht vom 5. bis zum 6. Juni 2004 ein Übergriff auf eine junge Frau, die vom Stammpublikum des Lokals als „Zecke“ eingestuft wurde. Sie musste sich zunächst blöde Sprüche gefallen lassen, wurde später in der Kneipe physisch angegriffen und flüchtete vor den Tätern auf die Straße. Die Nazis verfolgten sie in einen Hausflur, wo sie sie unter ständigen Bedrohungen und Einschüchterungen zwanzig Minuten lang festhielten. Der einzige Grund, warum die Nazis es bei den Einschüchterungen beließen und nicht tätlich wurden, war der, so die Nazis, dass sie keine deutschen Frauen schlagen würden, auch wenn es sich um Zecken handle. Eine Person, die der Frau helfen wollte, wurde von anderen Nazis, die draußen auf der Straße warteten, gejagt, bis die Polizei eintraf und lediglich die Personalien der Täter aufnahm. Auf den Vorfall angesprochen, bekannte sich der Wirt der Kietz Kneipe offen zu seiner rechten Einstellung und behauptete, er spreche für die rechtsextreme Szene und habe schon oft Linke von öffentlichen Straßen vertrieben. Von dieser Großkotzigkeit ist aber nicht mehr viel zu spüren. Seit dem Übergriff herrscht in der „Kietz Kneipe“ gähnende Leere. . die Neue Bahnhofstraße gejagt wurden und einer von ihnen verletzt am Boden liegen blieb, flüchteten einige der Angreifer vor der eintreffenden Polizei ins „Blub 2“. Auch wenn das lange her ist, muss doch festgestellt werden, dass der Besitzer der Kneipe am rechten Publikum verdient und zumindest toleriert, dass es hier einen Stammtisch gibt, wo sich auch Nazis treffen, mit anderen Rechtseingestellten in Kontakt kommen, sich austauschen und Neulinge rekrutieren können. Frankies Relaxbar (Pettenkoferstr.) Hier überfielen am 7. Juli 2003 vier Neonazis vier junge Vietnamesen mit Billardqueues und verletzten einen von ihnen schwer. Die anderen Opfer wollten keine Angaben bei der eintreffenden Polizei machen, da sie Angst vor den Behörden hatten und Repressionen von staatlicher Seite fürchteten. Die Täter wurden alle in der Bar festgenommen, aus der auch die Queues stammten. Der Haupttäter Olaf Scholz, der zum Stammpublikum gehörte, war schon mehrfach wegen rechtsextremer Gewalttaten aufgefallen. So hatte er 1998 Steine auf eine Jugendantifa-Demo geworfen, die gegen das „Cafe Germania“ gerichtet war. BFC - Fanclubkneipe (Scheffelstr.) Die BFC- Kneipe liegt eigentlich schon in Lichtenberg, aber sie soll der Vollständigkeit halber hier auch aufgezählt werden. Das so genannte „Berliner Fußballcafe“ wird von André Sommer betrieben, der u. a. auch der Chef des Klamottenladens „Kategorie C“ und Mitglied der „Hells Angels“ ist. Nazikader wie Oliver Schweigert gehen im BFC Cafe ein und aus. Bei einer Razzia im Oktober 2003 wurde im integrierten Tattoostudio eine Tätowiervorlage in Form eines Hakenkreuzes gefunden. Anlässlich einer Feier zum „Tag der Germanen“ (03. Oktober 2003) versammelten sich ca. 80 Personen im Berliner Fußballcafe. Anwesend waren nicht nur Fußballfans, Hooligans und deren Familien, sondern auch ein ganzer Haufen stadtbekannter Neonazis. In der ungezwungenen Kneipenatmosphäre findet scheinbar ein reger Austausch zwischen Vertretern der rechten Subkultur und organisierten Neonazis statt. Bei einer Razzia im November 2004 in der „Happy Station“ zogen sich einige der kontrollierten Hammerskins und Neonazis hierhin zurück. Happy Station (Petersburger Str. / Strassmannstr.) Hier treffen sich bekannte NPD-Kader und Nazis, die sich nicht scheuen, ihre Ideologie - z. B. durch das Tragen von Kleidung mit KKK-Aufdrucken (KuKlux-Klan),in der Szene beliebten nordischen Mythensymbolik und anderen dezidiert rechten Symbolen und Aufschriften - nach außen zu tragen. Am 06.11.2004 fand das Jahrestreffen der „Hammerskins“ in der „Happy Station“ statt. Unter den Gästen waren auch Mitglieder der Vandalen. Die Polizei löste die Party auf und überprüfte 97 Personen. Gegen drei von ihnen wurden danach Verfahren wegen Tragens verfassungsfeindlicher Symbole eingeleitet. [email protected] Blub 2 (Oderstraße) Durch naive Toleranz gegenüber rechtem Publikum ist die Kneipe „Blub 2“ aufgefallen. Hier treffen sich schon mal rechts eingestellte Hooligans und es wird Musik mit eindeutig rechtsextremen Inhalten gespielt. Als im Januar 2003 mehrere Jugendliche von Neonazis durch . 21 Bfc - Cafe in Lichtenberg veranstalten sogenannte pflichtschlagende Bünde „Mensuren“, indem sie sich durch Fechtkämpfe ihre Männlichkeit beweisen. Schnittwunden und bleibende Narben sind dabei Illustration dieses Rituals und keineswegs eine Schande. Trotzdem könnte mensch diese Typen als durchgeknallte Säufer und Waffenfetischisten abtun, wenn die einzelnen Verbindungen nicht in Bünden zusammengeschlossen wären. Neben eher harmloseren Zusammenschlüssen – in manchen werden, welch Wunder, auch Frauen zugelassen – gibt es Vereinigungen, die ihre Nähe zum Rechtsextremismus kaum verheimlichen und lieber heute als morgen ein „viertes Reich“ auferstehen lassen wollen. Zwar stellen sie sich regelmäßig als Opfer des Nationalsozialismus da – auch die Burschenschaften wurden 1933 „gleichgeschaltet“, die meisten gingen jedoch freiwillig in Naziorganisationen wie der „NS-Studentenschaft“ auf – an ihrer Tätigkeit und Einstellung änderte dies jedoch nichts. So verbreiten viele Burschis neben ihrem Elitarismus auch faschistische Ideologiestücke, die regelmäßig in Sexismus, Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus (z.B.: die Deutschen waren doch gar nicht schuld am Zweiten Weltkrieg) münden. ÜBER DIE GEFÄHRLICHKEIT VON BURSCHENSCHAFTEN V O M A N T I F A - R E F E R A T D E R T E C H N I S C H E N U N I V E R S I T Ä T (TU) B E R L I N Du erkennst sie nicht sofort, aber sie sind da. Sie studieren mit dir und trotzdem kennst du sie nicht. Sie sind Burschenschafter in einer der mehr als 40 Verbindungen allein in Berlin. Selten treten sie offen auf, bieten vielmehr an Aushängen Quartiere in ihren Verbindungshäusern an. Dass dabei aber nur männliche, deutsche Studierende gefragt sind, ist Programm. Obwohl sich die meisten Burschenschaften gegen jeden „politischen Extremismus“ wenden, ist vielen Nationalismus und Rassismus gemein. Hinzu kommt stets ein elitäres Weltbild, das die angehenden Akademiker an der Spitze einer aufstrebenden deutschen Nation sieht. Und tatsächlich finden sich erstaunlich viele „alte Herren“ (Burschis im Berufsleben) in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Diese sind keineswegs inaktiv, sondern unterstützen die Burschen mittels ihrer Machtpositionen. Dass eine Verbindung einen „Lebensbund“ schließt, wird hier besonders deutlich. Der Alltag eines Burschis gestaltet sich innerhalb einer klaren Hierarchie: „Füxe“, Mitglieder auf Probe, stehen da natürlich ganz weit unten. Ein stetiger Kampf um Anerkennung ist die Folge, der durch explizit männliche „Tugenden“ ausgetragen wird. Eine ausgeprägte Trinkfestigkeit ist da unabdingbar, will der Burschi in der „Gemeinschaft“ nicht untergehen. Neben den Saufgelagen Harmlose Spinner also ? Keineswegs ! Den Burschis ins Bier spucken ! Wenn ihr Aktivitäten von Burschis beobachtet oder Fragen habt, meldet euch per Email: [email protected] BIBELTREUE RECHTE CHRISTLICHER FUNDAMENTALISMUS V O N D E R H U M M E L - A N T I F A Es gibt Dinge, von denen glaubt man nicht, dass es sie wirklich gibt, bis man sie selbst erlebt hat. Christlicher Fundamentalismus zum Beispiel. Doch gerade Gruppen aus diesem Bereich sind in den letzten Jahren in Berlin einigermaßen offensiv und teilweise erfolgreich. Was wollen sie? Erst einmal an die Bibel glauben. Dass die Bibel, so wie sie heute zu lesen ist, genauso von Gott gewollt ist und dass in ihr alle Anforderungen an die Menschen festgeschrieben seien ist der Glaube, den alle diese Gruppen vertreten. Sie gehen von der Existenz eines Gottes aus, der den Menschen Regeln gegeben hätte. Würden sie diesen Regeln folgen, dann werde Gott eine paradiesähnliche Welt errichten. Dies führt die Bibeltreuen zu einem rigidem Moralismus: keine Drogen, kein Sex vor der Ehe, kein anderer Glaube, als der an Jesus, keine selbstbestimmte Lebensweise, sondern strenge Regeln, keine Homosexualität. All das findet sich bei christlichen FundamentalistInnen vertreten, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Und diese Regeln beziehen sie nicht nur auf ihr Leben, sondern wollen sie aktiv der gesamten Welt aufzwingen, auch wenn sie diesen Zwang als Liebe interpretieren. Im Herbst 2004 waren es rund 20 30 000 solcher ChristInnen, die am sogenannten Jesus-Tag durch die Mitte Berlins zogen. Gruppen wie die Jesus-Freaks, die Studenten für Christus, Students for mission und ähnliche begrüßen in ihren Veranstaltungen regelmäßig 100 - 300 überzeugte Menschen. Ausserdem schaffen sie es, sich weiter zu etablieren. Manche ziehen mit Bibelkreisen Leute an, andere durch Seelsorgeaktionen. Zudem sind sie auch in Berlin langsam ökonomisch abgesichert. Neben eher aktionistischen Jugendlichen finden sich mehr 22 und mehr erfolgreiche Selbstständige und Angestellte, die sich über ihre Finanzen nicht allzu große Sorgen machen müssen. Zum Beispiel kann sich so die Jerusalem Gemeinde e.V. in Berlin Mitte ohne Probleme drei Räume und ständige ReferentInnen aus anderen Ländern leisten, einzig durch Spenden. Bibeltreue ChristInnen werden mehr und immer aktiver. Sie arbeiten im Glauben Gutes zu tun daran, die Gesellschaft an einer unterdrückenden Moral auszurichten, die von Sexismus, Homophobie, Nationalismus, Rassismus, Intoleranz und Ähnlichem gekennzeichnet ist. Es ist, neben allgemeiner Religionskritik, notwendig auf diese Gruppen zu achten und gegen sie vorzugehen. Sie missionieren, das macht sie gefährlich. antifaschistische Hochschulgruppe der Humboldt - Universität zu Berlin w w w. a r a d i c a l t h e o r y. d e . v u w w w. h u m m e l - a n t i f a . d e . v u NEONAZISTRUKTUREN IN Das erste befreite Haus Berlins MARZAHN-HELLERSDORF VOM ANTIFA-BÜNDNIS MARZAHN/ HELLERSDORF (ABM) Rechtsextremismus als gesamtgesellschaftliches Problem zu erkennen und wirkungsvolle Gegenstrategien zu entwickeln, bedarf einer langjährigen Analyse der Verhältnisse und einer langjährigen Arbeit. Marzahn/Hellersdorf ist ein Ort, welcher mit Rechtsextremismus und dessen Grundlagen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus zu kämpfen hat. Obwohl seit Jahren PDS-regiert, verzeichnet Marzahn/Hellersdorf gleichzeitig die höchsten Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien in ganz Berlin. Bedingt durch einen starken sozialräumlichen Unterschied ergeben sich daraus viele Probleme, welche sich in einer diskriminierenden Grundstimmung gegenüber Menschen anderer Hautfarbe, gegenüber Homosexuellen, alternativen Jugendlichen und anderen Menschen äußern, die nicht in das eingeschränkte Weltbild vieler BürgerInnen passen. Zu diesem Alltagsrassismus kann mensch seit 2001 eine zunehmende Entwicklung und Vernetzung von Rechtsextremen im Bezirk feststellen. Einerseits sind dies Kader der NPD/JN mit ihrem Vorsitzenden Mathias Wichmann und Akteure der inzwischen verbotenen „Kameradschaft Tor“, der „Kameradschaft Nord-Ost“ und der „Autonomen Kameradschaft Weißer Sturm“, welche in Marzahn/Hellersdorf wohnen und für Plakate, Aufkleber, Sprühereien und Veranstaltungen mit rechtsextremen Inhalten verantwortlich sind. Andererseits sind dies Kneipen, Läden und Tattooshops, welche teilweise von bekennenden Neonazis betrieben werden und rechten Jugendlichen und Erwachsenen im Bezirk Anlaufpunkte und Unterschlupf für ihre rassistischen H S H. / L I C H T E N B E R G ANTIFA Marzahn/Hellersdorf mal anders Bunt, Laut & Antifaschistisch www.kein-verstecken.de Z U S TA N D S B E S C H R E I B U N G : VON Einstellungen und das daraus resultierende Handeln bieten. Dies sind in Marzahn/Hellersdorf der „Grimmnir Tattoo“ in Hönow, der Military-Store in Alt-Marzahn, der rechtsextreme Versand „Rizist“ in Mahlsdorf, der „Doorbreaker“ in Helle Mitte und andere. Diese infrastrukturellen Punkte im Bezirk, welche aktiv Neonazis unterstützen und an diesen Geld verdienen, machen sich mitschuldig an den Auswirkungen wie Pöbeleien, Übergriffen und Morden von Neonazis in der ganzen BRD. Nur durch ein gezieltes Vorgehen gegen diese Einrichtungen und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für rechte Strukturen und Verhaltensweisen können wir die menschenverachtenden Ideologien bekämpfen. HOHEHSCHÖNHAUSEN Mit dem Verbot der Lichtenberger Kameradschaft „KS Tor“ im Januar dieses Jahres ging eine rechtsextreme Erfolgsgeschichte im Bezirk zu Ende. Grund genug, einen kleinen Rück- und Ausblick zu wagen. Der Bezirk Lichtenberg ist nicht erst seit der Öffnung der Mauer ein Brennpunkt rechtsextremer Organisierung. Hier wurden in den neunziger Jahren Flüchtlingsheime angegriffen, hier gründete sich die erste rechtsextreme Partei der noch existierenden DDR. Mit der Besetzung eines Hauses in der Weitlingstraße und der Eröffnung des „Café Germania“ gingen von Lichtenberg wichtige Impulse auf die rechtsextreme Szene aus, deren Ergebnis heute ein weitgefächertes Netz an Läden, Cafés und „Schulungszentren“ im gesamten Bundesgebiet sind. Auch in Lichtenberg existieren mehrere solcher Geschäfte. Das Bekleidungsgeschäft „Kategorie C“ und die Erlebnisgaststätte „Germanenhof“ am Prerower Platz sowie das „Berliner Fussball Café“ in der Scheffelstraße zielen dabei bewusst auf die Grauzone aus Neonazis, Hooligans und Rockern als ihre Kundschaft. Andere Geschäfte, wie der Bekleidungsladen „Ostzone“ in der Weitlingstraße sind dagegen primär auf Neonazis ausgegrichtet. In der Autowerkstatt des ehemaligen Berliner NPD-Vorsitzenden Albrecht Reither in der Joseph Orlopp Straße, die bis zu seinem Rücktritt der NPD als Veranstaltungs- und Lagerraum diente, fand im letzten Jahr ein Schulungs- und Musikabend statt, der sich explizit an „Freie Nationalisten“ richtete. ⽥ 〪 ⽥ 〪 ⽥ 〪 ⽥ 〪 23 Aus den zehlreichen neonazistischen Organisierungsversuchen jenseits der NPD innerhalb der letzten 15 Jahre gingen neben kleineren Organisationen vor allem die „Kameradschaft Germania“ (inzwischen aufgelöst) und die „Kameradschaft Tor“ (im März 2005 verboten) hervor. Die „Kameradschaft Germania“, die personelle Überschneidungen mit den rechtsterroristischen „Nationalrevolutionären Zellen“ aufwies, fiel vor allem durch Flugblätter, ihre Internetpräsenz und einen eigenen Aufmarsch durch Lichtenberg auf. Die „Kameradschaft Tor“ hingegen versuchte mit spektakulären Aktionen Öffentlichkeit zu erlangen. So wurden symbolisch Häuser „besetzt“, Spontandemonstrationen abgehalten (unter anderem eine durch das Brandenburger Tor) und linke Veranstaltungen (wie das Gedenken zum 8.Mai 2004) gestört. Die Reaktion der „KS Tor“ auf ihr Verbot ließ nicht lange auf sich warten: Aktivisten der „KS Tor“ schlugen nach einem Aufmarsch in Dresden mehrere linke Protestierer krankenhausreif; im Gästebuch der antifaschistischen Rechercheausstellung „Motiv Rechts“ hieß es im Hinblick auf das Verbot: „Auf jeden fall ist jetzt Schluss mit lustig und wir ziehen die letzten Register. Terror heißt die Antwort!“. Da aus diesen Kreisen eine Reihe Neonazikader wie Oliver Schweigert, Lutz Giesen, Björn Wild und Daniel Meinel hervorgegangen sind und darüber hinaus derzeit mehrere kleinere Neonazi-Gruppierungen, wie die „Auto- / / Wechselte Öfter Mal Den Besitzer & Die Scheiben - Das Kategorie C / / / / nome Kameradschaft Weißer Sturm“ die „KS Nord-Ost“ und die Berliner Sektion des „Märkischen Heimatschutzes“ an die Öffentlichkeit treten, wird auch in Zukunft antifaschistischer Handlungsbedarf in Lichtenberg bestehen. Nur eine starke antifaschistische Bewegung kann effektiv und auf Dauer die weitere Ausbreitung von Neonazis im Bezirk verhindern und zurückdrängen. Z U S TA N D S B E S C H R E I B U N G : P A N K O W VON EMANZIPATIVE & ANTIF A S C H I S T I S C H E G R U P P E [EAG] Im Berliner Großbezirk Pankow, eigentlich bekannt als idyllisches Rückzugsgebiet für Familien, hat sich in den letzten Jahren ein festes Netz aus rechter Infrastruktur und neonazistischen Organisationen herausgebildet. Personell prägend für Pankow sind dabei der Pankower Kreisverband der NPD „Berlin8“, geführt von dem „nationalen Barden“ Jörg Hähnel, die „Vereinten Nationalisten Nordost“ (VNNO) sowie die Aktivisten aus dem Spektrum der Anti-Antifa. Während die NPD Pankow legalistisch mit Kundgebungen, Infoständen und Saalveranstaltungen versucht, Mitglieder zu werben (inzwischen ist selbst der ehemalige „Landser“-Sänger Michael Regener beigetreten), setzen die kameradschaftlich organisierten Neonazis um VNNO und Anti-Antifa auf teils öffentlichkeitswirksame Straßenaktionen. Neben einer regen Teilnahme an Neonaziaufmärschen und massiven Aufkleberwellen (da wird schon mal gegen antifaschistische Gruppen und linke Jugendklubs gehetzt) wird auch nicht davor zurückgeschreckt, Gewalt gegen Andersdenkende einzusetzen. So wurden zwei Jugendliche zusammengeschlagen, als sie VNNO-Aufkleber abkratzten, eine Straßenbahn, in der sich ein als links identifizierter Jugendlicher befand, wurde mit einem Stein beworfen und eine Kioskmitarbeiterin polnischer Herkunft wurde zuerst beschimpft und dann körperlich angegangen. Weiterhin existieren im Bezirk mehrere Geschäfte und Kneipen, die bewusst um rechte Kundschaft werben oder diese wohlwollend dulden. Der Naziladen „Andycap“ (Inhaber: Normen Weißleder – Standort: Dietzgenstraße 94) in Niederschönhausen verkauft seit mehreren Jahren rechte CDs und Kleidungsstücke.Dem Laden ist ein kleiner Versandhandel angeschlossen. Seit gut einem halbem Jahr steht dieser in Konkurrenz mit einem rund 300 m entfernten weiterem Naziladen. Dieser heißt „Firestarter“ (Inhaber: J. Heil) und verkauft neben Kleidung für Rocker und Hooligans auch bei Neonazis beliebte Kleidermarken (u.a. Thor Steinar, H8wear). An der Wand des ca. 12 m2 großen Ladens kann mensch neben Bildern mit Motiven aus der germanischen Mythologie auch Plakate der „Lunikoff-Verschwörung“ (Das Soloprojekt des „Landser“-Sängers Michael Regener) betrachten. 24 Ähnlich ausgerichtet ist auch der Laden „Nordic Thunder“ (Standort: Gustav-Adolf-Straße/Langhansstr.), der sowohl Neonazi- als auch Rocker-Kundschaft hat. Der Besitzer dieses Ladens ist dem Umfeld der Neonazi-Rocker-Combo „Vandalen“ zuzuordnen. Der Laden „Harakiri“ (Inhaber: Henry Harms – Standort: Bornholmer Str. 93) hingegen hat sich klar auf Neonazis ausgerichtet. Hier wird Kleidung verkauft, die vornehmlich von rechten Jugendlichen getragen wird. Daneben gibt es CDs, Aufnäher und Buttons mit rechten Slogans. Die Zentrale der rechtsextremen Partei „Republikaner“, die in der Vergangenheit für Treffen und Seminare genutzt wurde, musste wegen finanzieller Nöte in eine Wohnung in der Berliner Straße 8 umziehen. / / / / Der Pankower Bär / / / / / / / Zu den Kneipen mit rechter Klientel gehören unter anderem die „Schwarze Brücke“ in der Eingangshalle des SBahnhofs „Pankow-Heinersdorf“. Die Bedienung dieser Kneipe solidarisierte sich offen mit ihren rechten Gästen. In der Kneipe „Pankower Bär“ (Standort: Waldstraße/Hermann-Hesse-Straße, hinterm Extra-Markt, Niederschönhausen) fand im Jahr 2003 eine von der Polizei aufgelöste Jahres-Feier der neonazistischen „Hammerskins“ statt, die von der Polizei aufgelöst wurde. Auch der Irish-Pub „Green Island“ (Standort: Mühlenstraße 30) war in der Vergangenheit regelmäßiger Treffpunkt von Neonazis. Nachdem die BetreiberInnen mehrere Hausverbote an diese erteilt hatte, überfielen drei Maskierte die Bar, zerstörten die Einrichtung und sprühten Hakenkreuze an die Wände. Ebenfalls durch rechte Kundschaft aufgefallen ist die Kneipe „Sparstrumpf“ in der Greifswalder Straße. Der angrenzende „Ernst-Thälmann-Park“ ist regelmäßiger Treffpunkt rechter Cliquen. Das im Park liegende Denkmal Thälmanns wurde in der Vergangenheit öfter mit rechten Parolen besprüht. send infos to : [email protected] / / / “Undergroundwear“ Laden In Pankow / / / / / 25 T E R M I N K A L E N D E R : STATIONEN DER AUSSTELLUNG: B 9. Mai - 27. Mai :: Dienstgebäude des Bezirksamtes Lichtenberg (Große-Leege-Straße 103 - Tram M5, Bus 256) 30. Mai - 10. Juni :: KULTschule. (Sewanstraße 43 - Bus 194) 15. Juni - 6. Juli :: Anna-Seghers-Bibliothek (Prerower Platz 2 - Tram M4,M5 - S-Bhf Hohenschönhausen) E R L I N TERMINE SAMSTAG, 07.05., 22 UHR: KØPI: SOLIKONZERT FÜR KULTURSCHOCK „Sensa Yuma“ (GB) und „Les Saka Merdes“ (Frankreich) SONNTAG, 08.05., 10 UHR: BERTHOLD-BRECHT-PLATZ (NAHE U/S-BHF. FRIEDRICHSTR.): DEMO ZUM 8. MAI „Kein Nazi-Aufmarsch in Berlin“. 8. Mai 1945/2005 - Demonstration am 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Berlin. Widerstand gegen NPD-Aufmarsch. Mit der „bedingungslosen Kapitulation“ Nazi-Deutschlands wurde am 8. Mai 1945 das dunkelste Kapitel der Menschheitsgeschichte beendet. Was mit dem Überfall auf Polen begann und im Krieg gegen die Sowjetunion und den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden ihren Höhepunkt fand, endete für Europa in einem Trümmerfeld. Von Finnland bis nach Afrika, vom Atlantik bis vor Moskau und zum Kaspischen Meer hatten deutsche Truppen gewütet. Am 8. Mai 2005 ist in Berlin eine grosse Demonstration geplant (auch um gegen einen geplanten NPD-Aufmarsch zu protestieren). Es gilt am 8. Mai daran zu erinnern, wer Schuld war an Krieg und Völkermord und zu zeigen, wer für die Befreiung vom Faschismus die grössten Lasten zu tragen hatte. Im „Großen Vaterländischen Krieg“ kämpften Millionen Soldaten der Roten Armee gegen die Nazi-Wehrmacht. Auf einer Front von über 2000 Kilometern Länge (von Murmansk im Norden bis zum Kaukasus im Süden) musste sich die UdSSR ihren Angreifern erwehren. Zurück blieben über zwanzig Millionen getötete Menschen aus der Sowjetunion und tausende zerstörte Dörfer und Städte. DIENSTAG, 07.06., 19:30 UHR: MEHRINGHOF: INFOVERANSTALTUNG „Diktatur des Geldes und Konsumterror“. Geld beherrscht die Welt- und das Individium. Das Leben im Kapitalismus wird in das Korsett des Geldes gezwängt. Alles wird zur Ware, Hauptsache es lässt sich verkaufen. Und dafür müssen wir wiederum Geld verdienen. Die entfremdete Arbeitswelt bietet uns eine billige Kompensation. Der Konsum des ganzen Schrotts, den wir oder andere hervorbringen. Wie kommen wir aus diesem Kreislauf heraus? Es diskutieren: Umsonstladen-Kollektiv Berlin, Philipp Hersel (attac). Die Veranstaltung von anders arbeiten findet im Versammlungsraum statt. DIENSTAG, 17.5., 14-18 UHR: WORKSHOPS ZUM 25-JÄHRIGEN BESTEHEN DES LADE KLUBS IN PANKOW. Veranstaltet von SPuK und NOVO. Infos unter http://www. kurtladeklub.de/ Macker, Zicken, Schlampen, Schwuchteln - Kritik des alltäglichen Geschlechterkrampfes oder: How to get Lust statt Frust? TAG-X: WENN NBZ-ERÖFFNUNG - DANN DEMO Am 6. Juni 2004 demonstrierten etwa 3000 Leute gegen die NPD-Zentrale und den Abschiebeknast Grünau. Die Bullen gingen mal wieder brutal gegen die Demo vor. Es gab einige Festnahmen. Nachdem der Rohbau des NBZ bereits im Herbst 2003 abgeschlossen wurde, wird die NPD auch den Innenausbau inzwischen fertig haben. Eine Bauabnahme steht kurz bevor. Die NPD hat die Eröffnung ihres Schulungszentrum für das Frühjahr angekündigt. Ein NPD-Sprecher hat unlängst erklärt, das „NBZ“ Ende Mai 2004 eröffnen zu wollen. Wenn die NPD ihr „Nationales Bildungszentrum“ eröffnet, soll sie dies natürlich nicht ganz ungestört tun. Der genaue Termin steht zwar noch nicht ganz fest, aber die Vorbereitung der Gegenaktionen läuft auf Hochtouren. Am Tag der Eröffnung wird eine antifaschistische Demonstration vom Bahnhof Köpenick (Treffpunkt 17.00 Uhr) zur NPD-Zentrale stattfinden. Infos unter http://koepenick-kampagne.antifa.de MITTWOCH, 18.5. 14-18 UHR: VERANSTALTUNG Braune Flecken in der bunten Welt des Pop - Rechte Gedanken in Reggae, HipHop und DeutschRockPop - Mit Grün-Gelb-Rot und Schwarz-Rot-Gold ins vierte Reich? SONNTAG, 22.05., 15 UHR, ZWANGSARBEITERLAGER SCHÖNEWEIDE: VERANSTALTUNG „Zwangsarbeit in Berlin“ (Teil der Veranstaltungsreihe „8. Mai - Tag der Befreiung“ von JungdemokratInnen/Junge Linke). Bitte vorher anmelden: Tel. 030-24729747 oder [email protected]. Mehr Infos unter www.jungdemokraten.de. AUSSTELLUNG „MOTIV.RECHTS II - EINE DOKUMENTATION DER RECHTSEXTREMEN IN LICHTENBERG“ Dieses Jugendinfo wurde vom Asta der Technischen Universität - TU - Berlin gesponsert und von jungen Antifaschist_Innen erdacht & erstellt FR., 10.06., 22 UHR: KØPI: SOLI-KONZERT BIESDORF „Knattertones“ Ska/Skapunk (Berlin), „Obstructing The Police (O.T.P.)“ Punk (Berlin) und „HDKS“ Punk (Weißensee/Berlin) FREITAG, 17.06., 22 UHR: SOLIKONZERT Køpi: Hip-Hop Soli für Migrantinnen KÖPENICKER KONTROLLVERLUSTE (OHNE TERMIN) Linkes selbstbestimmtes & unkommerzielles Festival / Kostenlos & Draussen http://www.kontrollverluste.tk/ D I S C L A I M E R Dieses Heft ist keine Veröffentlichung im Sinne des Pressegesetzes, sondern ein kostenlos verteilter Rundbrief der Gruppe „Subversive Philosophie und Kommunismus in Pankow“ und der anderen AutorInnen an ihre FreundInnen und SympathisantInnen Die einzelnen Beiträge geben nur die Auffassungen ihrer AutorInnen wieder und spiegeln keine Gruppenpositionen wieder. ([email protected]) Antifa : Treptower Antifa Gruppe (TAG) www.treptowerantifa.de Antifaschistischer Aufstand Köpenick www.aak.antifa.de Antifa Friedrichshain www.antifa-fh.de.vu Jugendantifa Friedrichshain [email protected] Antifa Bündnis Marzahn-Hellersdorf c/O Infoladen Wort und Tat Wurzenerstr. 6-8 12623 Berlin www.kein-verstecken.de Antifa Hohenschönhausen www.puk.de/antifah Antifa Initiative Moabit [email protected] Emanzipative und Antifaschistische Gruppe (EAG) [email protected] Kritik & Praxis (KP Berlin): www.kp-berlin.de Linke Bande Spandau www.linke-bande.tk Antifa-Referat an der Technischen Universität Berlin antifa-tu-berlin.tk Join your local Antifa... GRUPPEN UND ORGANISATIONEN AUS BERLIN UND UMGEBUNG HUmmel-Antifa (antifaschistische Hochschulgruppe der Humboldt-Uni) www.hummelantifa.de.vu Eine Informationsseite gegen Heimat und Deutschland, vor allem gegen Vertriebenenverbände und Revanchismus. www.feindesland.tk Infos zu der Nazis neuen Kleidern www.stop-thorsteinar.de.vu Seiten zum 8.Mai 2005 www.8mai.tk/www.eighthofmay.tk Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) – Infos zu Gedenkveranstaltungen, Kontakte zu Zeitzeugen des NS www.vvn-bda.de Flüchtlinge / Antirassismus : Refugees Emancipation - Projekt zur Stärkung & Emanzipation von Flüchtlingen www.re.trick.ca Kein Mensch ist illegal - Netzwerk gegen Ausgrenzung, Illegalisierung und Abschiebung von Flüchtlingen und MigrantInnen www.contrast.org/borders/kein Initiative gegen das Chipkartensystem www.chipkartenini.squat.net Initiative gegen Abschiebehaft [email protected] Antidiskriminierungsbüro www.adb-berlin.org Staatlich Verordneter Antifaschismus : Amadeu Antonio Stiftung, www.amadeu-antonio-stiftung.de Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin www.mbr-berlin.de Reach out - Beratung und Vernetzung für von Diskriminierung, Rassismus und Rechtsextremismus betroffene Menschen www.reachoutberlin.de Studi - Grupppen : AStA FU Sozialreferat - Analysen und mehr www.sozialreferat.com Kritischer Umweltschutz - offizielles Blockseminar an der TU Berlin www.krituschutz.de.vu Denken statt Lernen - linksradikale Studigruppe in Berlin www.denkenstattlernen.de.vu Kritische Studierendengruppe an der TU Berlin www.unikraut.de.vu Seminar für angewandte Unsicherheit (SaU) Info und Veranstaltungen zu sozialer Kontrolle und Überwachung www.sau.net.ms Gegen Den Geschlechterkrampf : Geschlecht Ist Konstruiert - eine Frauengruppe aus Berlin www.gik-on.de.vu A.G. Gender-Killer, Thema Geschlecht/Patriarchat www.gender-killer.de Mutvilla: LesBiSchwulQueer an der Humboldt-Universität www.mutvilla.de OstEnde e.V. - Schwul-lesbisches Jugendprojekt in den Randbezirken Allee der Kosmonauten 170 12685 Berlin Tel: 030 54 700 572, [email protected] Weitere Gruppen / Projekte : Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus (BgAA) www.bgaa.net gelöbnix - Portal für den Protest gegen das immer wieder stattfindende „öffentliche“ Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli www.geloebnix.info/ Kritik an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik www.baks-sucks.tk Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft www.mitglied.lycos.de/fdkg2003/ desperados.berlin, [email protected] Alkalij – Alternative Kultur für eine antifaschistische Lichtenberger Jugend! (antifaschistisches Jugendbündnis) www.alkalij.tk naturfreundejugend berlin - Kampagnen, Seminare, Sommercamp www.naturfreundejugend-berlin.de/ JungdemokratInnen/Junge Linke Brandenburg: www.jdjl-brandenburg.de www.graffiti-hates-germany.tk SPuK in Pankow (Subversive Philosophie und Kommunismus) [email protected] MuT - SchülerInnennetzwerk für Menschlichkeit und Toleranz Wulkower Straße 64 12683 Berlin MRG - SchülerInnen Initiative gegen Rechtsextremismus www.faschismusbekaempfen.de.vu [email protected] La Casa Wurzenerstr. 6-8 12623 Berlin, www.la-casa.tk Tanzen für die Revolution ! antifaschistisches soundkollektiv berlin www.ansoko.de GAME OVER KRAUTS h t t p : / / w w w . e i g h t h o f m a y . t k